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Massenmotorisierung und Zeitgeist
ОглавлениеDie Autos waren nicht nur erschwinglicher und zuverlässiger geworden. Dank des massiv ausgebauten Strassennetzes erschien das Auto als bequemer und schneller als der öffentliche Verkehr, und die Autofahrt entsprach auch dem Zeitgeist. Das Automobil war das eigentliche Schlüsselprodukt des Wirtschaftswachstums. Die Auswirkung der Massenmotorisierung auf Wirtschaft und Gesellschaft war enorm, wie Oliver Washington erläutert: «Die Individualisierung wurde anfänglich vor allem in der Freizeit verwirklicht und beide zusammen fanden ihren ursprünglichen materiellen Ausdruck im Automobil. Dieses wurde zum wichtigsten Statussymbol und zentralen Identifikationsobjekt, das Freiheit und sozialen Aufstieg zugleich verkörperte, und damit zur eigentlichen Grundlage des neuen individualisierten Lebensstils, der automobilisierten Individualisierung.»36
Dank des Finanzierungsmodus (drei Fünftel des Treibstoffzollertrags sollten zur Finanzierung der Nationalstrassen verwendet werden) war für den Autobahnbau stets genug und auch immer mehr Geld vorhanden. 1960 brachten die Treibstoffzölle einen Ertrag von 74 Millionen Franken; 1970 waren es 647 Millionen und 1980 1502 Millionen.37 Die Autobahnen wurden gut und besser, damit wurde auch der Strassenverkehr attraktiver, es wurden mehr Autos gekauft, die ihrerseits über die Treibstoffzölle wiederum neue Einnahmen generierten. So drehte sich die Spirale aus Finanzierung, Autobahnbau und mehr Verkehr. Washington schreibt: «Bau und Finanzierung des Nationalstrassennetzes sind wohl das beste Beispiel für die vom Bund während den fünfziger und sechziger Jahren praktizierte bedarfsorientierte Infrastrukturpolitik: Auf eine Nachfragesteigerung wurde in der Regel mit einer Angebotsausweitung reagiert. Dieses Prinzip ist beim Nationalstrassenbau so zu sagen automatisiert.»38
Im August 1959 entsandte das Giornale del Popolo einen Berichterstatter an den Gotthardpass.39 Eine endlose Kolonne sei unterwegs gewesen, als zwei Wagen ineinanderstiessen. Innerhalb von einer Stunde sei ein Stau von mehr als zwölf Kilometern Länge entstanden. Zu keinem Zeitpunkt seien weniger als 500 Autos pro Stunde unterwegs gewesen. Die Spitzenwerte betrügen 900 Fahrzeuge und mehr. Gemäss Reglement müsse eine Strasse, über die in einem Jahr während mehr als dreissig Stunden 600 Fahrzeuge rollten, zur Strasse erster Klasse ausgebaut werden. Das gelte in der ganzen Schweiz, nicht aber am Gotthard.