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Statistiken und Hoffnungen

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Vor 1980 wurden am Gotthard nur wenige Verkehrsstatistiken geführt. Mit der Eröffnung des Strassentunnels änderte sich das. In einer Reihe von Studien wurden die Auswirkungen des Tunnels untersucht. Im Auftrag des Stabs für Gesamtverkehrsfragen erarbeitete das Raumplanungsbüro Sigmaplan drei Berichte und eine Schlussanalyse.74 Danach erzielte der Strassengüterverkehr am Gotthard von 1979 bis 1984 eine Zunahme von 65 Prozent (besonders stark war das Wachstum des Transitverkehrs mit einem Plus von 80 Prozent). Pro Tag fuhren 1984 bereits 1127 LKWs durch den Tunnel. Die Zahl der Güterfahrzeuge verzehnfachte sich am Gotthard auf 298 000 – am San Bernardino halbierte sie sich wie erwartet auf 72 000 im Jahr 1984. Der Simplonverkehr blieb unbedeutend.

Im Jahr 1990, zehn Jahre nach der Tunneleröffnung und zehn Jahre nachdem das Urner Wochenblatt den Tunnel mit einer Sonderbeilage gefeiert hatte, kommentierte dieselbe Zeitung: «Nur zehn Jahre nach der Eröffnung des Gotthard-Strassentunnels erweisen sich die bundesrätlichen Beteuerungen in der Eröffnungsrede, wonach dieser Tunnel kein Korridor für den Schwerverkehr sei, als blosse Farce. Während 1980 nur gerade 80 Brummer pro Tag die Strecke über den Gotthard wählten, sind es heute 2200.»75 Bei der Eröffnung des Tunnels habe eine kleine Gruppe von «Spinnern» gegen die verkehrsmässige Vergewaltigung des Lebensraums Uri protestiert. «Diese damals belächelten Anliegen haben aber mit dem zunehmenden Verkehr immer grössere Kreise gezogen, und es blieb nicht beim Demonstrieren allein. Am 7. Mai 1989 wurde in der Schöllenen die Volksinitiative ‹Schutz vor dem Transitverkehr› (Alpen-Initiative) und eine gleichlautende Urner Standesinitiative lanciert.»


Das Wachstum des Automobilverkehrs am Gotthard von 1970 bis 2016. 1979, ein Jahr vor der Tunneleröffnung, nutzten insgesamt 1 285 000 Fahrzeuge die Gotthardstrecke. 2009, dreissig Jahre später also, waren es über fünf Mal mehr, 6 792 000 Fahrzeuge nämlich.

Daten Strassentunnel: Dipartimento del Territorio Sezione della mobilità – Osservatorio Ambientale: 150 – A2 – Gottardo (Tunnel). Evoluzione del traffico giornaliero (TGM) mensile e annuale. Bellinzona 2017. Daten Gotthardpass: Dipartimento del Territorio Sezione della mobilità – Osservatorio Ambientale: 010 – Passo del S. Gottardo. Evoluzione del traffico giornaliero (TGM) mensile e annuale. Bellinzona 2017. Daten Verlad SBB: Gisler-Jauch, Rolf: Uri und das Automobil: des Teufels späte Rache? Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen des Automobils auf das Urnerland. Zürich/ Altdorf 1994, S. 405ff.

1986 wurde bei Biasca das letzte Teilstück der Gotthardautobahn N2 eröffnet. Die Autobahn von Dänemark bis Reggio Calabria war damit durchgehend geworden. Ein mit Schuhen beladener Lastwagen aus Italien war das erste Fahrzeug auf der Strecke. Das Tessin hatte gehofft, dass es dank des Tunnels Anschluss finden könne an das Wirtschaftswunder im Norden. Eine ganzjährig offene Strassenverbindung durch den Gotthard könne die Wirtschaftsentwicklung im Tessin wesentlich fördern, hatte es noch 1963 im Bericht zur Schaffung einer wintersicheren Strassenverbindung geheissen.76 Die Prognos AG kam zum gleichen Schluss: Die mangelnde Transportkapazität der Bahn sei für das Tessin zum Hemmschuh geworden. Die Konkurrenzsituation von Tessiner Firmen verbessere sich mit der wintersicheren Strassenverbindung, zahlreiche Unternehmen würden ihre Transporte von der Schiene auf die Strasse verlagern und auch der Tourismus werde profitieren.77

Den erhofften Aufschwung im Tourismus brachte der Tunnel aber nicht. Jahrzehntelang war das Tessin für Reisende aus dem Norden der erste Süden gewesen, wo sie gerne ihre Ferien verbrachten. Bei gleichbleibender Reisezeit erreichten Touristen aber nun durchaus auch das Mittelmeer. Als der Tunnel eröffnet wurde, zählte das Tessin noch über drei Millionen Übernachtungen pro Jahr. 2019 hatte sich die Zahl bei gut zwei Millionen eingependelt. Gründe für den Rückgang waren vermutlich günstig gewordene Fernreisen und billige Angebote am Meer.

Was die übrige Tessiner Wirtschaft anbelangt, fällt die Antwort schwerer. Das Tessin gehört zu den am stärksten auf den Export ausgerichteten Kantonen der Schweiz. Fast jeder zweite Franken (43 %) im Tessin wird mit Exporten verdient, und die grössten Märkte befinden sich im Norden – umso abhängiger ist die Tessiner Wirtschaft vom Transportsystem. Ein grosser Teil dieser Warenströme wird durch den Gotthard abgewickelt. Die Autobahn und der Strassentunnel haben diese Entwicklung begünstigt oder waren gar Voraussetzung dafür. Was aber wäre gewesen, wenn der Strassentunnel nicht gebaut worden wäre? Der Eisenbahn-Basistunnel wäre wohl früher fertiggestellt worden. Und der Strassenverkehr hätte sich durch Graubünden und den San Bernardino gezwängt.

Durchschlag am Gotthard

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