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VORWORT
ОглавлениеDie Schweizer Geschichte ist untrennbar mit dem Gotthard verbunden. Der Gotthard, das zentrale Gebiet im Herzen der Alpen, in welchem Reuss, Rhein, Rhone und Tessin entspringen – eine Alpenregion, welche zu römischen Zeiten ein unüberwindbares Hindernis war. Erst um das Jahr 1230 bezwang die Urner Bevölkerung mit dem Bau der Teufelsbrücke und der Twärrenbrücke entlang der Felswand am südlichen Ausgang der Schöllenenschlucht das unwegsame Massiv ein erstes Mal. Verschiedene Sagen und Mythen halten uns diese Zeit immer noch lebendig vor Augen. Der neue Verkehrsweg und insbesondere die Kontrolle über dessen Bewirtschaftung waren eine grosse, treibende Kraft bei der Entstehung der Eidgenossenschaft. Der Gotthard hat die Schweiz schon immer geprägt, in der Vergangenheit wie auch heute.
Weitere Meilensteine folgten mit dem Bau der ersten steinernen Teufelsbrücke (1585), dem Bau des ersten Verkehrstunnels in den Alpen, dem Urner Loch (1708), der zweiten steinernen Teufelsbrücke und der neuen Linienführung in der Tremola (1830), dem Bau des Eisenbahntunnels (1872–1882), dem Ausbau der Passstrasse in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts und schliesslich mit dem Bau der Autobahnverbindung und dem Strassentunnel (1970–1980). Ab 1996 erfolgte der Bau des seit 2016 in Betrieb stehenden Basistunnels, welcher dazu beitragen soll, dass der vom Strassentunnel angezogene Güterverkehr wieder auf die Schiene zurückverlagert werden kann.
Diese lange Geschichte der Verkehrsinfrastrukturbauten am Gotthard ist von vielen Ereignissen geprägt, welche stark unterschiedlich dokumentiert sind. Die Legende von der Teufelsbrücke gehört zur Grundausbildung in der Primarschule. Auch der Bau des Eisenbahntunnels durch Louis Favre ist sehr gut dokumentiert. Zum Bau des Gotthard-Basistunnels und zum Projekt AlpTransit wurde manches publiziert, sodass sich Lehre und Forschung darauf abstützen können. Andere Ausbauetappen sind aber nur einem an der Technikgeschichte interessierten Publikum zugänglich, obwohl es auch daraus viele Erkenntnisse gäbe – gerade für heutige Projekte. So war zum Beispiel das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer dem Zeitgeist folgend entweder kooperativ (Urner Loch) oder aber konfrontativ (Gotthard-Eisenbahntunnel). Wo stehen wir heute?
Zum Bau des Gotthard-Strassentunnels gibt es keine leicht einsehbaren Quellen. Die Grundlagendokumente wurden der Öffentlichkeit nie in einer systematischen Form zugänglich gemacht. Der für das Projekt AlpTransit Gotthard äusserst wichtige Erkenntnisgewinn aus der Ausführung des Strassentunnelprojekts beruhte ausschliesslich auf mündlichen Überlieferungen. Umso mehr ist der enorme Aufwand des Autors Alexander Grass zu schätzen, der sich in die unterschiedlichsten Archive begeben hat, Tausende von Seiten aus Protokollen, Verträgen und Schriftverkehr analysiert, aber auch viele Gespräche mit Beteiligten, Verantwortlichen und Zeitzeugen geführt hat. Die Spannungsfelder und die Tatsache, dass man sich oft nah am Abgrund bewegte, werden offen, ehrlich und dank der vielen Quellen nachvollziehbar dargelegt.
Mit dem vorliegenden Buch ist ein spannender Beitrag entstanden, welcher eine der grössten Lücken in der Technikgeschichte des Verkehrsinfrastrukturbaus am Gotthard schliesst. Dafür gebührt Alexander Grass ein grosser Dank. Mögen die Erkenntnisse aus dieser Publikation dazu beitragen, dass das partnerschaftliche Miteinander bei komplexen Projekten kein Lippenbekenntnis bleibt, sondern weiterentwickelt und täglich umgesetzt wird – zum Wohle des Bauherrn, der Unternehmer und Planerinnen und letztendlich auch des Steuerzahlers. Dazu braucht es aber neben dem fachlichen Können auch das persönliche Wollen und das Dürfen seitens der betroffenen Organisationen. Alexander Grass zeigt deutlich auf, dass der wichtigste Erfolgsfaktor für den erfolgreichen Tunnelbau weiterhin der Mensch ist. Auf allen Stufen gilt: die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben.
Heinz Ehrbar ist dipl. Bauingenieur ETH. Von 1981 bis 1996 war er bei der Elektrowatt Ingenieurunternehmung AG (EWI) verantwortlicher Projektleiter beim Bau von Wasserkraftwerken, von 1996 bis 2014 übte er verschiedene Funktionen beim Bau des Gotthard-Basistunnels aus: zuerst als Projektleiter bei der EWI, dann bei der Erstellergesellschaft AlpTransit Gotthard AG als stellvertretender Leiter Tunnel- und Trasseebau und als Abschnittsleiter Sedrun und ab 2006 als Leiter Tunnel- und Trasseebau Gotthard sowie als Mitglied der Geschäftsleitung. Seit 2012 ist er Inhaber eines Beratungsunternehmens im Tunnel- und Untertagebau. 2013 wurde er zudem bei der DB Netz AG Leiter des Managements Grossprojekte, von 2017 bis 2019 war er bei der Deutschen Bahn Leiter des Competence Centers Grossprojekte 4.0. Seit 2017 wirkt Heinz Ehrbar als Executive in Residence an der ETH Zürich.