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Tessiner Strassenbaupläne

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Aus den Tessiner Wahlen von 1959 waren eine neue, verjüngte Kantonsregierung und auch ein jüngeres Parlament hervorgegangen, die eine Wende in der kantonalen Politik bewirkten. Zu dieser neuen Generation von Politikern im Tessiner Staatsrat zählte FDP-Staatsrat Franco Zorzi. Er war von 1959 bis 1964 im Amt und ein wichtiger Fürsprecher des Autobahnbaus sowie des Gotthard-Strassentunnels im Tessin. Das entsprechende Gesetz auf eidgenössischer Ebene war noch gar nicht in Kraft getreten, als bei der Tessiner Baudirektion in Bellinzona schon am 7. Juli 1959 ein eigenes Nationalstrassenbüro eröffnet wurde, das Ufficio strade nazionali. Es verfügte über einen gewissen Handlungsspielraum und erarbeitete Pläne für die Autobahnprojekte im Tessin.40

Kurz vor der Veröffentlichung des Schlussberichts der Strassenbaukommission wandte sich die Tessiner Kantonsregierung am 30. Juni 1959 mit einem Memorandum vergeblich an den Bundesrat: Mit der Strassenbaupolitik müsse mehr denn je jenes Problem angegangen werden, das die Tessiner Kantonsregierungen seit Bestehen des Kantons beschäftige – die Isolation, welche die Entwicklung des Kantons hemme. Es müsse eine Verkehrsader geschaffen werden, die den europäischen Verkehr aufnehmen und eine schnelle Nord-Süd-Verbindung gewähren könne. Am 10. September 1959 unterstützte der Tessiner Grossrat die Demarchen in Bundesbern einstimmig.41

National- und Ständerat legten im Juni 1960 das Nationalstrassennetz fest. Der Bau des San-Bernardino-Tunnels und der gleichzeitige Verzicht auf jenen am Gotthard mobilisierten die Tessiner Politik. Damit werde das im Tessin ungeliebte SBB-Monopol am Gotthard geschützt.42 Kaum je war das Tessin politisch so geeint wie nun in der Strassenbaupolitik. Der Strassentunnel wurde zum Zentrum der politischen Debatte, erschien als jener Befreiungsschlag, der das Tessin von allen Problemen erlösen könnte.43 Der Bundesrat habe in keiner Weise Rücksicht genommen auf die lebenswichtigen Interessen des Tessins, schrieb der Tessiner Staatsrat. Das Tessin werde sofort das Studium eines neuen Tunnelprojekts anpacken.44 Damit werde dem SBB-Monopol am Gotthard der Kampf angesagt. Endlich beuge sich das Tessin nicht mehr angesichts des Unverständnisses in Bundesbern und angesichts der andauernden Ungerechtigkeit, die den Kanton in eine schädliche und erniedrigende Isolation führe, kommentierte Il Dovere.

Der Tunnel werde eine sichere Quelle für Wirtschaftswachstum und Wohlstand sein, und so werde das Tessin Anschluss finden an das Wachstum der europäischen Wirtschaft, meinte Franco Zorzi.45 An Kundgebungen und Veranstaltungen warb er für den Strassentunnel. In der NZZ trat er 1960 Argumenten eines Strassentunnelkritikers entgegen, der zugleich ein hoher SBB-Beamter gewesen war, jenen SBB, die aus Tessiner Sicht mit hohen Monopoltarifen der Wirtschaft schadeten: «Die heutige Diskussion um den Straßentunnel am Gotthard erinnert zuweilen in fataler Art, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen, an die Auseinandersetzungen vor mehr als hundert Jahren», schrieb Zorzi, «wer sich damit zufrieden gibt, technische Bedenken zu äußern und zur Vorsicht zu mahnen, der handelt nicht, sondern er trägt nur dazu bei, das Bestehende zu verewigen. Wir andern hingegen verschließen unsere Augen nicht vor dem, was sich heute in der Welt und in Europa begibt, und erkennen die Gefahr der Trägheit, Tatenlosigkeit und bürokratischen Schwerfälligkeit. Wir leben in einer Zeit sich überstürzender Entwicklungen vor allem auf dem Gebiete der Technik, und was uns anbetrifft, so teilen wir die Meinung der Wirtschaftssachverständigen, die uns lehren, daß unweigerlich ins Hintertreffen gerät, wer sich als unfähig erweist, mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Schritt zu halten. Es ist unerläßlich, daß die Schweiz sich dieser Einsicht vor allem auf dem Gebiete des Verkehrs und der Straßenbaupolitik nicht verschließt, wenn sie des Vorzugs ihrer zentralen Lage in Europa nicht verlustig gehen will.»46

Bei einem «Variantenkrieg» konkurrenzierten sich im Kanton Uri die Tunnelprojekte Göschenen–Airolo und jene vom Urserental ins Tessin.47 Die Bevölkerung des Urserentals wünschte sich eine Tunnelverbindung zwischen dem Urserental und Airolo. Das Urserental befürchtete, sonst von der wirtschaftlichen Entwicklung abgeschnitten zu werden. Es gehe gar um die Existenz der drei Urschner Dörfer. «Die Urner stehen wie ein Mann für den grosszügigen Ausbau am Gotthard» titelten die Luzerner Neusten Nachrichten ihren Bericht über eine Bürgerversammlung in Altdorf.48 In Scharen seien Bürger zu der vom Gewerbeverband organisierten Veranstaltung anmarschiert. Ein Schneepflug war drapiert, mit Aufschriften wie «Der Gotthard – Weg Europas» und «Fördert den Strassentunnel durch das Urserntal!». Nach zweistündiger Versammlung wurde jubelnd eine Resolution beschlossen, die energisch einen Gotthard-Strassentunnel postulierte. Bis 1963 sollte sich die Talbevölkerung immer wieder für einen hochgelegenen Tunnel einsetzen.

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