Читать книгу Sammelband 7 Mystery Thriller - Der Sommer der Geheimnisse - Alfred Bekker - Страница 48

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Eigentlich hatte Monica noch an ihrem Buch arbeiten wollen, aber jetzt entschied sie sich anders. Das Tagebuch war in diesem Augenblick viel interessanter für sie.

Monica hatte das Tagebuch aufgeschlagen, als das Klingeln des Telefons ihre Ruhe störte.

»Hallo«, meldete sich Monica. Es war Suzanne. »Ich hoffe, du hattest einen kreativen Tag, Monica. Ich habe bereits mit dem Verlag telefoniert - wie weit bist du denn?«

»Das Exposé ist fertig«, berichtete Monica. »Und mit den ersten Seiten habe ich auch schon begonnen. Ich werde nachher gleich weitermachen, ich denke, gegen Ende der Woche wird das erste Kapitel fertig sein. Aber findest du nicht, dass du mir eine Erklärung schuldig bist, Suzanne?«

Für einen Moment herrschte Schweigen.

»Haben wir nicht ausführlich darüber gesprochen, dass ich mich hierher zurückgezogen habe, um in Ruhe arbeiten zu können? Und du musst ausgerechnet diese Neuigkeit überall herum zu posaunen, Suzanne! Heute morgen war ein Reporter da, der ein Interview haben wollte - und er hat mir gesagt, dass du ihm den Tipp gegeben hast, dass hier auf Grovers Park jetzt eine bekannte Schriftstellerin wohnt.«

»Ja, und?«, verteidigte sich Suzanne. »Was ist denn daran so schlimm? Ein bisschen Publicity kann nun wirklich nicht schaden, Liebes.«

»Suzanne!«, unterbrach Monica sie. »Ich möchte in den nächsten Tagen absolute Ruhe haben. Genau das habe ich diesem Zeitungsfritzen auch gesagt. So schnell kommt der nicht wieder.«

»Gütiger Himmel!«, beklagte sich Suzanne. »Monica, du weißt doch, dass man die Leute von der Zeitung vorsichtig behandeln muss - sonst zerreißen sie einen hinterher. Ich rufe beim Brighton Chronicle gleich an und erkläre diesem Reporter, dass du jetzt noch ein wenig Zeit brauchst. Wir müssen das Interview ja nicht gleich heute oder morgen machen. Nächste Woche ist auch noch Zeit dafür.«

»Nein!«, rief Monica wütend. »Ich habe weiß Gott andere Probleme am Hals als ein Interview zu geben. Hier ist...« Sie brach ab, als ihr bewusst wurde, dass sie drauf und dran war, ihre unheimlichen Erlebnisse zu schildern.

»Monica, du hörst dich ja so aufgeregt an! Gibt es etwas, über das du reden möchtest?«

»Ach, es ist nichts!«, antwortete Monica rasch. Sie hatte wirklich keine Lust, alles noch einmal zu erzählen, was sie in der Villa erlebt hatte. »Es war eben ein anstrengender Tag, Suzanne. Lass mich die nächsten Tage einfach mal ganz allein, damit ich mich voll auf meine Arbeit konzentrieren kann. Das nächste Mal rufe ich dich an. Okay?«

»Einverstanden«, meinte Suzanne. »Also viel Spaß beim Schreiben.«

»Ich bemühe mich, Suzanne«, versprach ihr Monica und beendete das Gespräch. Sie öffnete wieder das Tagebuch, um darin zu lesen. Schon bald wusste sie, von wem die Notizen stammten - von Bernard Crawfords Frau Helen.

»Eigenartig«, murmelte Monica. »Warum hat Mrs. Crawford ihr persönliches Tagebuch nicht mit nach London genommen? So was vergisst man doch nicht ...«

Sie las weiter, und mit jeder Zeile tauchte sie tiefer ein in die Gedanken- und Gefühlswelt einer Frau, deren Leben Monica jetzt brennend interessierte.

... 17. Juli 1980. Ich bin so glücklich, dass ich es kaum beschreiben kann. Bernard hat mir heute einen Antrag gemacht, und ich habe ja gesagt. Wir werden endlich heiraten. Mein Gott, es ist ein unbeschreibliches Gefühl ...

Dann folgten etliche Tage, in denen Monica etwas von den Hochzeitsvorbereitungen erfuhr. Und schließlich kam dann der wichtigste Tag in Helen Crawfords Leben.

... 20. August 1980, Wenn dies ein Traum ist, dann möchte ich nie mehr aufwachen. Bernard ist der perfekte Gentleman. Er ist so lieb ... und so zärtlich zu mir. Die ganze Nacht über hat er mich in seinen Armen gehalten, und ich wäre vor Glück beinahe gestorben. Die wahre Liebe - ich habe sie kennengelernt, und ich werde Bernard überallhin folgen - bis ans Ende der Welt ...

In diesem Stil ging es einige Seiten weiter.

... 15. November. Wir sind hinaus aufs Land gezogen. Grovers Park ist ein prächtiges Anwesen. Ich bin sicher, dass ich mich hier wohlfühlen werde, denn Bernard liest mir jeden Wunsch von den Augen ab ... Er wird zwar bald geschäftlich einige Tage unterwegs sein. Aber diese Zeit wird schnell verstreichen. Es gibt hier im Haus ja soviel zu tun. Ich werde einen Garten anlegen, in dem es grünt und blüht. Im nächsten Sommer werden wir dort draußen sitzen und gemeinsam träumen - und irgendwann auch die Kinder, die wir haben werden ...

Die nächste Eintragung folgte erst kurz vor Weihnachten.

... Es ist schrecklich – und so ungerecht. Der Arzt hat mir heute bestätigt, was ich noch gar nicht glauben kann. Bernard und ich werden niemals Kinder haben. Ich weiß noch gar nicht, wie ich ihm das klarmachen soll. Er hat sich so sehr Kinder gewünscht - und jetzt das. Mein Gott, ich bin nichts mehr wert, jetzt, wo ich es weiß. Warum nur, warum ...?

Mehr als zwei Wochen verstrichen, bis im Tagebuch wieder einige Sätze standen.

... 2. Januar 1981. Bernard ist still geworden. Er sagt es zwar nicht, aber ich weiß, dass er versucht, meine Gegenwart zu meiden. In letzter Zeit kommt er immer später nach Hause. Er sagt, er hat zu viel zu tun, aber wahrscheinlich flüchtet er sich in seine Arbeit. Silvester war grausam für mich. Ich habe in seinen Augen nichts mehr von der Liebe entdecken können, die er mir für alle Zeiten versprochen hat. Ich weiß nicht, was ich tun soll - ich kann mit niemandem darüber reden. Und Bernard - mit jedem Tag, der verstreicht, wird er immer mehr zu einem Fremden für mich ...

Was dann folgte, waren Sätze purer Verzweiflung. Je mehr Monica las, umso deutlicher wurde das Ausmaß des Konfliktes, in dem sich Helen Crawford befunden haben musste. Die Notizen im Tagebuch wurden jetzt seltener. Mehr als ein Jahr war vergangen, seit der Arzt ihr den verhängnisvollen Befund mitgeteilt hatte.

... 3. März 1982. Ich spüre es, wie sich Bernard immer mehr von mir distanziert. Jetzt weiß ich auch, warum. Ich fand in seinem Jackett eine Telefonnummer, die ich nicht kannte. Natürlich wollte ich mehr wissen und rief deshalb dort an. Eine Frauenstimme meldete sich - ich habe sofort aufgelegt. Seine Sitzungen in der Stadt nehmen immer mehr zu - aber ich ahne, dass er sich in Wirklichkeit mit dieser Frau trifft. Bernard wirkt jähzornig und sehr gereizt - und manchmal lese ich in seinen Augen etwas, was mir Angst macht. Ich fühle, dass schlimme Dinge geschehen werden. Ich träume immer häufiger, dass sich bald mein Schicksal erfüllen wird ...

An diesem Punkt endete Helen Crawfords Tagebuch. Monica gingen alle möglichen Gedanken im Kopf herum. Es waren zwar schon fast sieben Jahre seit dieser Eintragung vergangen, aber sie spürte die ungewisse Furcht, die zwischen den Zeilen geschrieben stand. Was war damals geschehen? Eines stand für Monica fest - sie musste unbedingt herausfinden, wo Helen Crawford und ihr Mann Bernard heute lebten.

In ihren Gedanken versunken, blickte sie in die flackernden Flammen des Kaminfeuers, das wohltuende Wärme verstrahlte. Das Tagebuch lag noch immer aufgeschlagen auf ihrem Schoß, und immer wieder fiel ihr Blick auf die letzten Worte Helen Crawfords.

Urplötzlich schreckte Monica aus ihren Gedanken hoch, als sie auf einmal draußen vom Flur her Stimmen zu hören glaubte. Im ersten Moment dachte sie, dass ihre Phantasie mit ihr durchging, aber dann hörte sie es wieder - diesmal sogar noch deutlicher. Monica eilte auf die Wohnzimmertür zu, öffnete sie einen Spalt breit und blickte hinaus auf den Flur.

Da war es wieder! Zwei Stimmen - die eines Mannes und einer Frau. Sehr hitzige Stimmen, die nun immer lauter und erregter klangen.

»Mein Gott«, flüsterte Monica mit weit aufgerissenen Augen. »Das gibt es doch gar nicht. Ich ... bin doch nicht verrückt ...«

Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen. Die beiden Stimmen kamen aus der Küche. Irgendwie weit entfernt, aber doch konnte Monica einige Worte verstehen.

»Du betrügst mich!«, erklang die anklagende Frauenstimme.

»Glaubst du, ich wüsste das nicht längst? Ich kenne sogar ihre Telefonnummer ...«

»Halt den Mund!«, fiel ihr die wütende Stimme des Mannes ins Wort. »Du bist ja ganz hysterisch. Du solltest besser zu einem Arzt gehen - und zu trinken hast du auch angefangen! Du bist krank, du willst es nur nicht wahrhaben!«

Daraufhin erfüllte lautes Weinen die Küche. Kurz darauf folgte abfälliges Gelächter des Mannes. Nun konnte sich Monica nicht länger zurückhalten. Sie drückte die Klinke herunter und riss die Küchentür auf.

Die Stimmen schwiegen jetzt. Niemand war in der Küche. Monicas Herz klopfte wie verrückt. Es durfte nicht sein - sie hatte doch die Stimmen ganz deutlich vernommen. Oder hatte ihr die Phantasie nur einen Streich gespielt, weil sie sich zu sehr in Helen Crawfords Gefühlswelt vertieft hatte? Nein, sagte sie zu sich selbst. Sie hatte nicht geträumt, die Stimmen waren wirklich gewesen. Und dieser Streit, dessen Zeuge sie geworden war - bestimmt hatte er sich hier einmal in der Küche so zugetragen. Die Erinnerungen der letzten Jahre, die in diesem alten Haus verwurzelt waren - an diesem Tag wurden sie wieder gegenwärtig. Warum war Monica so unvermutet auf das Tagebuch gestoßen? Das war doch kein Zufall. Nein, irgendjemand oder irgendetwas hatte dafür gesorgt, dass sie es finden sollte!

»Es ist Helen Crawford«, murmelte Monica, nachdem der erste Schrecken wieder abgeklungen war. »Ihre Erinnerungen strömen auf mich ein - sie will mir etwas sagen ...«

Im selben Moment kam ihr ein anderer furchtbarer Gedanke. Was, wenn Helen Crawford gar nicht mehr am Leben war und nur noch ein Teil ihrer Seele versuchte, mit einem anderen empfindsamen Menschen Kontakt aufzunehmen? Eines stand für Monica fest: Gleich morgen würde sie nach London fahren. Sie musste unbedingt mit dem Notar sprechen, um von ihm etwas über Bernard und Helen Crawford zu erfahren.

Sammelband 7 Mystery Thriller - Der Sommer der Geheimnisse

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