Читать книгу Sammelband 7 Mystery Thriller - Der Sommer der Geheimnisse - Alfred Bekker - Страница 54
Оглавление16
Mike wartete, bis Monica Platz genommen hatte. Monica lächelte still vor sich hin. Ralph war am Anfang auch so nett und zuvorkommend gewesen. Aber das hatte dann rasch nachgelassen, als sie festgestellt hatte, dass Ralph es mit seinen Versprechungen nicht ehrlich gemeint hatte. Ob Mike Fisher auch zu dieser Sorte Männer zählte? Noch bevor sie diesen Gedanken zu Ende gebracht hatte, wurde ihr klar, dass sie Vergleiche zwischen diesen beiden Männern anstellte. Dabei kannte sie Mike Fisher doch gar nicht. Aber warum dachte sie dann über ihn nach? Irgendwie fühlte sie sich von ihm angezogen. Oder war es vielleicht nur der Wunsch, sich endlich jemand anvertrauen zu können und zu erzählen, was sie in der letzten Nacht auf Grovers Park erlebt hatte?
Inzwischen hatte Mike bei der Bedienung bereits zwei Cappuccino bestellt.
»Weshalb haben Sie so großes Interesse an den Crawfords, Miss Sellers?«, wollte er von ihr wissen. »Stimmt etwas mit dem Haus nicht? Nein, das kann es nicht sein«, sprach er rasch weiter. »Ihr Interesse gilt Mrs. Crawford - und ich möchte wetten, dass sie mit Bernard Crawford genau darüber gesprochen haben.«
»Sie machen Ihren Job ausgezeichnet, Mr. Fisher«, lobte ihn Monica. »Ja, ich war bei Bernard Crawford, weil ich etwas wissen wollte. Etwas, was mit seiner Frau zu tun hat.«
»Bitte nennen Sie mich Mike«, schlug ihr der Reporter vor. »Da wir beide doch gerade dabei sind, ein Geheimnis aufzudecken, sollten wir uns vielleicht diese lästigen Förmlichkeiten sparen. Sie würden mir eine große Freude machen, wenn ich Sie Monica nennen darf ...«
Etwas in seinem Blick ließ Monicas Herz unwillkürlich einige Takte schneller schlagen. Da war es wieder - dieses eigenartige Kribbeln im Bauch, von dem sie nicht mehr geglaubt hatte, dass sie es jemals wieder empfinden würde. Sie nickte hastig, bemühte sich, dass er ihr nicht ansah, welche Gedanken ihr in diesem Moment durch den Kopf gingen. Gleichzeitig erkannte sie den warmen Schimmer in seinen Augen, als er ihre Zustimmung hörte. Inzwischen war auch der Cappuccino gekommen. Monica nahm einen kleinen Schluck und fühlte sich dann gleich besser. Denn draußen war es ziemlich kalt gewesen.
»Im Grunde fing alles damit an, dass ich dieses eigenartige Poltern im Haus hörte«, rückte Monica nun mit der Wahrheit heraus und sah Mike bei diesen Worten ganz genau an. Sie schilderte ihm, wie die Frau im weißen Kleid ganz deutlich zu sehen gewesen war – obwohl es das eigentlich gar nicht geben durfte.
»Falls Sie glauben, ich würde Sie jetzt für verrückt halten, möchte ich Sie gleich beruhigen, Monica«, bemerkte Mike. »Sie sind nicht die einzige, der so etwas schon einmal passiert ist. Es gibt etliche Zeitungsberichte und Reportagen über die Begegnung mit - nennen wir es mal Erscheinungen. Natürlich sind einige davon überzogene Stories. Aber ich glaube schon, dass da was dran ist. Und Sie denken, dass es sich bei dieser Frau um Mrs. Crawford handelt?«
»Das denke ich nicht nur, sondern ich weiß es«, fuhr Monica fort. »Denn nur wenig später hörte ich erneut ein Geräusch im oberen Stockwerk und kam dadurch in eines der leerstehenden Zimmer. Dort sah ich die alten Fotos auf der Kommode - und eines dieser Fotos zeigte Mrs. Crawford. Sie trug sogar das gleiche weiße Kleid, wie ich es kurz zuvor gesehen hatte.«
Mike nickte nur.
»Manchmal haben solch alte Häuser wie Grovers Park eine unbeschreibliche Aura«, sagte er zu Monica. »Man spürt dort die Anwesenheit von Menschen, die einmal dort gelebt und mit dem Haus sehr verwurzelt waren. Diese These stammt von Dr. Joseph Brady - einem bekannten Psychologen. Dr. Brady ist ein guter Freund von mir. Ich habe mit ihm telefoniert, während Sie in Crawfords Firma waren ...«
»Sie haben bemerkenswerte Freunde, Mr. Fisher«, stellte Monica fest.
»Mike«, belehrte sie der Reporter grinsend.
»Natürlich, Mike«, erwiderte Monica. »Tut mir leid, ich bin im Augenblick ziemlich durcheinander, weil ich jetzt alles noch einmal durchlebe, was ich gesehen habe. Aber das ist noch nicht alles. Wenig später fand ich auf dem Dachboden Helen Crawfords Tagebuch.«
In kurzen Sätzen beschrieb sie Mike, wie sich das ereignet hatte. Der hörte aufmerksam zu und ergriff erst wieder das Wort, als Monica ihre Schilderung beendet hatte.
»Sie haben recht«, pflichtete er ihr bei. »Das ist wirklich eine eigenartige Verkettung von Zufällen. Sie haben natürlich einen Blick in dieses Tagebuch geworfen?«
»Ich musste es einfach tun«, meinte Monica und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. »Auch wenn ein Tagebuch immer sehr persönlich ist und einen Dritten ganz sicher nichts angeht, so wusste ich doch, dass Mrs. Crawford damit einverstanden gewesen wäre, dass ich es las. Mrs. Crawford war eine unglückliche Frau, bevor sie auf so eigenartige Weise verschwand. Die Ehe mit Bernard Crawford war alles andere als glücklich. Er hat sie nach Strich und Faden betrogen ...«
»Das passt genau ins Bild, das ich mir gemacht habe«, antwortete Mike. »Wussten Sie, dass es Helen Crawford war, die große Teile ihres Vermögens mit in die Firma gebracht hat? Bernard Crawford war ein einfacher Versicherungsvertreter, aber ziemlich erfolgreich. Deshalb konnte er sich auch eine solche Villa wie Grovers Park leisten. Trotzdem hätte sein Kapital nie ausgereicht, um so eine große Firma wie Crawford Ltd. zu gründen. Die Zeitungen berichteten damals sehr ausführlich über diese Heirat. Helen Crawford steckte ihr ganzes Erbe in die Firma und machte ihren Mann erst zu dem bekannten Makler, der er heute ist. Ein harter Bursche, der sich kein gutes Geschäft entgehen lässt ...«
»Ich halte ihn für einen skrupellosen Menschen«, sagte Monica. »Ich konnte zwar nur kurz mit ihm sprechen, aber ich hatte den Eindruck, es sei ihm gar nicht recht gewesen, dass ich ihn nach seiner vermissten Frau fragte.«
»Eigentlich sollte er seiner Frau dankbar sein. Denn es gab ein Testament, in dem sie ihn zum Alleinerben ihres Vermögens machte. Ist das nicht eine Bilderbuchkarriere, Monica? Ein Versicherungsvertreter bringt es bis zum Direktor eines erfolgreichen Immobilienunternehmens. Und die Frau, mit der er sich nicht mehr versteht, verschwindet ganz einfach, als sei es die normalste Sache der Welt! Dieses Tagebuch, das Sie gefunden haben, könnte eine gehörige Portion Zündstoff enthalten, Monica. Würden Sie mir erlauben, es zu lesen?«
»Natürlich«, stimmte sie sofort zu. »Ich bin froh, dass ich mit jemandem über diese Dinge sprechen konnte. Seit ich das Tagebuch gefunden habe, bringe ich keine einzige Zeile mehr zu Papier. Und das war eigentlich der Grund, weshalb ich Grovers Park gekauft habe. Um in Ruhe schreiben zu können und einen neuen Anfang zu wagen ...«
Sie hielt sofort inne, weil sie im Begriff war, Mike etwas zu erzählen, was sie doch gar nicht gewollt hatte. Sie hatte über Ralph und ihre unglückliche Beziehung sprechen wollen. Aber das war ein Stück Vergangenheit, und die wollte sie lieber ruhen lassen. In der Gegenwart gab es genügend andere Dinge, über die sie sich den Kopf zerbrechen konnte. Dinge von weit größerer Bedeutung als die zerbrochene Romanze zwischen ihr und Ralph Myers.
»Ich glaube, mit Bernard Crawford stimmt eine ganze Menge nicht«, sagte Mike. »Und ich denke, es ist unsere Pflicht herauszufinden, was damals geschehen ist.«
»Wissen Sie mehr darüber, was man damals unternommen hat? Ich meine, wie hat die Suche nach Helen stattgefunden?«
»Na ja, zuerst gab es die übliche Vermisstenmeldung bei der Polizei. Dann die Frage bei Freunden und Verwandten, ob sie dort zuletzt noch jemand gesehen hatte. Aber man fand nicht die geringste Spur. So als wäre sie buchstäblich von einem Tag zum anderen vom Erdboden verschwunden.«
»Sie ist nicht verschwunden!«, ereiferte sich Monica. »Ich habe Ihnen noch nicht alles erzählt. Da gab es noch eine ... Erscheinung. Ich hörte Stimmen aus der Küche. Die eines Mannes und einer Frau. Es war ein heftiger Streit. Ich konnte nicht viele Worte verstehen. Aber ich bin ganz sicher, dass es die Stimmen von Helen und Bernard Crawford waren und dass dieser Streit irgendwann einmal dort in der Küche stattgefunden haben muss ...«
»Das würde bedeuten, dass Helen Crawford in Wirklichkeit gar nicht verschwunden ist, sondern dass viel mehr hinter der Sache steckt.«
»Bernard Crawford hat beim Verschwinden seiner Frau etwas nachgeholfen, Mike«, sagte Monica. »Nur beweisen können wir das wohl nicht.«
»Vielleicht gibt es doch noch eine Möglichkeit«, meinte Mike. »Das Tagebuch, das Sie gefunden haben, Monica - ich würde wirklich gerne mal einen Blick hineinwerfen. Ich verspreche Ihnen nichts zu unternehmen, was ich nicht vorher mit Ihnen abgesprochen habe. Sie wollten mir ja sowieso noch ein Interview geben ...«
»Ach ja, das Interview«, seufzte Monica. »Das hätte ich beinahe schon wieder vergessen. Also gut, ich habe hier in London erfahren, was ich wissen wollte. Hier hält mich jetzt sowieso nichts mehr. Wenn sie hoch Zeit haben, dann fahren Sie doch gleich mit zurück.«
Womit Mike natürlich mehr als einverstanden war ...