Читать книгу Sammelband 7 Mystery Thriller - Der Sommer der Geheimnisse - Alfred Bekker - Страница 60

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Tante Lizzy war seit der Entdeckung des Notizbuches von geradezu unbändiger Energie erfüllt. Vermutlich würde sie mehr oder minder die ganze Nacht damit zubringen, in alten Folianten und magischen Schriften von obskurer Herkunft zu stöbern, um dem Geheimnis dieses Buches zumindest Ansatzweise auf die Spur zu kommen.

Außerdem war da natürlich der äußerst umfangreiche Briefverkehr des Okkultisten, der angesichts dieses Fundes eingehend studiert werden musste.

Ich half Tante Lizzy zunächst so gut ich konnte. Erstens war das Übersinnliche ja auch mein eigenes Spezialgebiet und alles, was mit Hermann von Schlichtens Notizen zusammenhing interessierte mich brennend. Und zweitens hatte Tante Lizzy mir umgekehrt sehr oft bei meinen Recherchen geholfen.

Schließlich war ihr Archiv geradezu unerschöpflich.

Irgendwann jedoch wurde es mir einfach zu spät.

Schließlich musste ich am Morgen wieder im Redaktionsbüro der LONDON EXPRESS NEWS meine Frau stehen. Und müde Reporterinnen konnte unser mitunter recht grantiger Chefredakteur Michael T. Swann einfach nicht ausstehen...

"Du bist mir nicht böse, aber ich brauche ein Minimum an Schlaf", sagte ich daher zu Tante Lizzy.

"Natürlich, Kind. Geh nur ins Bett. Ich mache auch gleich Schluss..."

Ich wusste im Voraus, dass sie das nicht tun würde.

Ihre Lesebrille war ihr von der Nasenwurzel heruntergerutscht. Sie starrte fasziniert auf einen der von Schlichten-Briefe, griff aus dem immer weiter ausufernden Chaos in der Bibliothek gezielt ein anderes Schriftstück heraus und verglich beide. Ihre Stirn legte sich in Falten.

"Gute Nacht, Tante Lizzy..."

Ein Ruck ging durch ihren Körper.

Sie blickte auf.

Ein verhaltenes Lächeln umspielte ihre zuvor so angestrengt wirkenden Züge.

"Gute Nacht, Kind", sagte sie.

Kind - so nannte sie mich noch immer, trotz meiner 27 Jahre. Aber für sie würde ich wohl immer ihr Kind bleiben.

Ich verließ die Bibliothek, trat in den halbdunklen Flur.

Auch dessen Wände waren von Bücherregalen bedeckt. Hin und wieder wurden die langen Reihen der staubigen Folianten durch archäologische Fundstücke unterbrochen, die Onkel Frederik einst von seinen Forschungsreisen mitgebracht hatte. Dazu gesellten sich noch verschiedene okkulte Gegenstände, die Tante Lizzy auf Auktionen, Flohmärkten und Nachlassverwertungen erworben hatte. Schrumpfköpfe, Geistermasken, Kristallkugeln. Das alles bildete ein eigenartiges Sammelsurium. Tante Lizzy sprach selbst oft von ihrer 'Ausstellung' - und irgendwie traf dieser Ausdruck die Sache ziemlich gut. Eine Menagerie, die jedem Außenstehenden sehr eigenartig erscheinen musste.

Ich ging die Treppe hinauf. Meine eigene Etage war die einzige 'okkultfreie Zone' in diesem Haus, von dem Tante manchmal scherzhaft sagte, dass sie es als Kulisse für Gruselfilme vermieten würde, sollte sie mal in finanzielle Bedrängnis geraten.

Ich betrat meine Räume, erreichte schließlich das Schlafzimmer. Der Mond schien als messerscharf geschnittene Sichel durch das Fenster.

Vor meinem inneren Auge sah ich ein Gesicht, das von dunklem Haar umrahmt wurde. Meergrüne, geheimnisvolle Augen blickten mich liebevoll an und ein charmantes, etwas verhaltenes Lächeln umspielte die Lippen...

Tom...

Meine Gedanken waren bei dem Mann, in den ich liebte und der zu den ganz wenigen Menschen gehörte, denen ich so weit vertraute, dass ich ihnen mein größtes Geheimnis preisgab.

Die Tatsache nämlich, dass ich selbst eine leichte übersinnliche Begabung besaß.

"Tom..."

Meine Lippen flüsterten unwillkürlich seinen Namen. Ich war voller Sehnsucht und hatte beinahe körperlich das Gefühl, seine Lippen auf den meinen zu spüren. Der Blick dieser grünen Augen erinnerte mich an das Rauschen des Meeres, an den Geruch von Seetang und an ein unendliches, unentdecktes Land voller Geheimnisse. Die Erinnerung an Augenblicke voller Zärtlichkeit erfüllte mich und empfand tiefe Liebe. Eine Welle der Leidenschaft durchdrang mich.

Ich bin sehr froh, ihn kennengelernt zu haben, dachte ich.

Tom Hamilton arbeitete genau wie ich als Reporter bei dem Boulevard-Blatt LONDON EXPRESS NEWS.

Und die Tatsache, dass mich in diesen Momenten so sehr nach ihm sehnte, hatte auch damit zu tun, dass Tom seit ein paar Tagen in Nizza weilte, um ein Interview mit dem französischen Schauspiel-Star Gerard Depardieu durchzuführen.

Zeitpunkt der Rückkehr ungewiss - wie so oft in unserem Job.

Vielleicht heute Nacht oder morgen, vielleicht auch erst drei Tage später, wenn der Schauspieler Tom wider erwarten doch noch anbieten sollte, seine privaten vier Wände für das Auge der Presse zu öffnen.

Ich zog mich aus und machte mich fürs Bett fertig.

Bleierne Müdigkeit erfüllte mich mehr und mehr.

Kein Wunder, es war schon weit nach Mitternacht.

Ich durfte gar nicht daran denken, in aller Frühe wieder aus den Federn zu müssen.

Bevor ich mich schlafen legte griff ich noch zum Telefon auf meinem Nachttisch.

Ich wählte Toms Nummer.

Der Anrufbeantworter war noch eingeschaltet - und wenn ich ehrlich war, hatte ich auch nichts anderes erwartet. Ich wartete bis zum Piepton. "Tom, ich bin es", sagte ich dann.

"Ich liebe dich..."

Ich wusste, dass ihn diese Nachricht erreichen würde, sobald er in seine Wohnung in der Ladbroke Grove Road zurückkehrte.

Den Anrufbeantworter hört er nämlich stets als erstes ab.

Ich zog die Decke über die Schultern und fiel in einen tiefen Schlaf...

Sammelband 7 Mystery Thriller - Der Sommer der Geheimnisse

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