Читать книгу Der Mörder ist falsch verbunden: 8 Krimis - Alfred Bekker - Страница 11
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ОглавлениеMilo und ich machten uns mit dem Sportwagen auf den Weg. Wir nahmen den Lincoln Tunnel, um das New Jersey Ufer des Hudson River zu erreichen. Dort ging es dann Richtung Nordwesten nach Hoboken. Der Brandon Tower war eher unüblich für diese vor den Toren New Yorks gelegenen Stadt, die ähnlich wie West New York oder Union City eher von klassischer Industrie geprägt sind als von modernen Dienstleistungszentren. Aber offenbar hatten die Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten, die hier residierten, den Vorteil erkannt, den es bedeutete, nur einen Katzensprung vom Big Apple entfernt zu sein und nicht einmal halb so hohe Mieten bezahlen zu müssen.
Ich fuhr den Sportwagen in die zum Tower gehörende Tiefgarage. Mit seinen fünfzehn Stockwerken war das Gebäude für New Yorker Verhältnisse eher ein Zwerg – hier in Hoboken aber durchaus ein markanter Umriss in der Stadtsilhouette.
An der Zufahrt waren sowohl Beamte der örtlichen Polizei, als auch Mitarbeiter des privaten Security Service postiert, die normalerweise im Brandon Tower für Sicherheit sorgten.
Ich ließ die Scheibe des Sportwagens herunter und zeigte meine ID-Card vor.
Der Officer des Hoboken Police Department winkte uns durch.
„Captain Alonso von der Homicide Squad erwartet Sie bereits“, sagte der Uniformierte.
„Danke“, gab ich zurück.
„Der Tatort befindet sich auf Deck 2. Ansonsten läuft hier der Betrieb ganz normal. Wir kontrollieren allerdings, wer rein und wieder heraus fährt und nehmen die Personalien auf.“
„Das ist sonst nicht der Fall?“, fragte ich.
„Eine Videoüberwachung muss normalerweise reichen“, mischte sich jetzt der neben dem Officer stehende Security Guard in das Gespräch ein. „Wenn irgendetwas vorfällt, können wir das vom Kontrollraum aus sehen und sind innerhalb weniger Augenblicke mit einem Dutzend Mann hier vor Ort. Aber im Moment müssen wir den Besuchern des Brandon Towers einfach das Gefühl von Sicherheit vermitteln, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
„Vollkommen“, nickte ich.
Wir fuhren weiter und gelangten schließlich auf Deck 2, von dem ungefähr ein Viertel mit Flatterband abgesperrt und als Tatort gekennzeichnet worden war.
Ich parkte den Sportwagen zwischen den anderen Einsatzfahrzeugen.
Die Kollegen Sam Folder und Mell Horster – zwei Erkennungsdienstler aus unserem Field Office – folgten uns in einem blauen Ford aus dem Bestand unserer Fahrbereitschaft.
Wir stiegen etwa gleichzeitig aus.
„Hallo Jesse!“, begrüßte mich Sam Folder. „Dave Chesnut wird gleich auch noch hier auftauchen. Aber er macht zuerst noch einen kleinen Umweg über die SRD-Labors in der Bronx, um sich das Projektil abzuholen, das in Guthries Kopf steckte.“
Dave war unser Chefballistiker. Zwei der Schüsse, die Guthrie getroffen hatten, waren glatt durch seinen Körper gegangen und steckten jetzt im grauen Beton, der uns hier umgab. Aus der Berechnung der Schussbahnen mit Hilfe von Laserprojektionen konnte man den Standpunkt ermitteln, von dem aus der Täter geschossen hatte.
Milo verzog das Gesicht. „Was mit dem Kopf geschehen ist, mag man sich überhaupt nicht vorstellen.“
Ich ließ den Blick schweifen. Weiße Kreidemarkierungen deuteten an, wo Guthrie gestorben war. Die Blutlache auf dem Asphalt war selbst jetzt noch unübersehbar, obwohl das Verbrechen am vorangegangen Abend geschehen war.
Ein paar Passanten standen außerhalb des Flatterbandes und sahen den Kollegen bei der Arbeit am Tatort zu. Graue, dreiteilige Anzüge und seriös wirkende Business-Kostüme herrschten vor. Die meisten dieser Passanten blieben nur kurz stehen. Ihre Terminkalender erlaubten es ihnen nicht, ihrem Voyeurismus nachzugeben.
Ein Mann mit stämmiger Figur, hoher Stirn und markanten, wie gemeißelt wirkenden Gesichtszügen fiel mir auf. Ich schätzte ihn auf Mitte fünfzig. Er trug einen Kaschmirmantel und hatte die Hände tief in den Taschen vergaben. Im Gegensatz zu den anderen Passanten schien er keinerlei Eile zu haben.
„Captain Jeff Alonso, Chief der Homicide Squad III des Hoboken Police Department“, holte mich eine raue, heisere Stimme aus meinen Gedanken.
Der Mann, zu dem diese Stimme gehörte, war Mitte dreißig. Er trug eine fleckige, abgeschabte Lederjacke und Jeans. Alonso hielt uns seine ID-Card entgegen und wir taten dasselbe.
„Ich bin Agent Milo Tucker und dies ist mein Kollege Jesse Trevellian“, stellte Milo uns beide vor. „Außerdem sind noch die Agenten Sam Folder und Mell Horster von unserem FBI-eigenen Erkennungsdienst mitgekommen. Ein Ballistiker ist noch unterwegs.“
„Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ich diesen Fall los bin“, bekannte Jeff Alonso und machte eine wegwerfende Geste.
Ich runzelte etwas überrascht die Stirn. „So?“
„Der Mord an Dr. Guthrie wird jede Menge Staub aufwirbeln. Wir haben bereits im Verlauf des Morgens mehr als ein Dutzend hasserfüllter Anrufe bekommen, wonach Dr. Guthrie den Tod verdient hätte und dass man die Tat als den Vollzug eines göttlichen Richterspruchs sehen müsse. Auf so etwas kann ich gerne verzichten.“
„Konnten Sie einige dieser Anrufe zurückverfolgen?“
„Ja. Diese Personen wohnen in einem Umkreis von dreißig Meilen um New York City. Die Kollegen vor Ort überprüfen die Alibis, aber ich persönlich glaube nicht, dass der oder die Täter so dumm sein könnten, sich auf diese Weise selbst ans Messer zu liefern. Nein, das sind nur Leute, die ihre Meinung mit missionarischem Eifer unbedingt mitteilen müssen.“
„Haben Sie bereits ungefähr rekonstruiert, was geschehen ist?“, fragte Milo.
Jeff Alonso nickte. „Gestern gegen halb neun am Abend verließ Dr. Guthrie seine Praxis. Seine Arzthelferin Meredith Jones hatte bereits ungefähr eine Viertelstunde zuvor die Praxis verlassen. Die anderen Angestellten von Dr. Guthrie waren bereits zwei Stunden früher gegangen.“
„Wo finden wir Meredith Jones?“, fragte ich.
„In der Praxis. Sie ist damit beschäftigt, die Patienten an andere Ärzte zu verweisen.“
„Ich nehme an, Dr. Guthries Weg bis ins Parkhaus lässt sich durch die Videoüberwachung lückenlos dokumentieren.“
„So ist es“, bestätigte Jeff Alonso. „Lieutenant Withers ist zusammen mit den Kollegen des Security Service im Kontrollraum damit beschäftigt, die wichtigen Bildsequenzen aus den Aufzeichnungen herauszusuchen und auf Datenträger zu kopieren, sodass Sie sich ein Bild machen können.“
„Danke.“
„Guthrie erreichte also das Parkhaus und ging auf seinen Porsche zu.“ Alonso streckte die Hand in Richtung des Wagens aus, der noch immer an seinem Platz stand. „Dann fiel das Licht aus. Und zwar im gesamten Parkhausbereich. Die genaue Ursache dafür wird noch untersucht.“
„Dies bedeutet wahrscheinlich, dass sämtliche Überwachungskameras mit einem Schlag blind waren“, schloss Milo.
„Genau. Der Täter hatte mit der Dunkelheit allerdings keinerlei Probleme. Er hat Guthrie zielsicher erschossen, ist dann an Guthrie herangetreten und hat ihm einen aufgesetzten Kopfschuss gegeben. Ob der Arzt zu diesem Zeitpunkt bereits tot war, wird wohl erst die Obduktion ergeben.“
„Ich nehme an, wenn das Licht komplett ausgeschaltet ist, sieht man hier nichts mehr“, sagte ich.
„Nicht mal die Hand vor Augen“, bestätigte Alonso. „Wir haben das heute Morgen ausprobiert. Wir haben am Tatort einen 38er Revolver gefunden, der Guthrie gehört haben muss. Aber angesichts der Lichtverhältnisse hat ihm die Waffe natürlich nicht helfen können.“
„Der Täter muss ein Nachtsichtgerät getragen haben“, meinte ich. „Anders ist es nicht erklärbar, dass er Guthrie überhaupt treffen konnte.“
„Daran haben wir auch schon gedacht.“
„Wie hat der Täter das Parkhaus verlassen?“, mischte sich nun Milo wieder ein.
„Auch das ist noch nicht geklärt“, sagte Alonso. „Die simpelste Methode wäre, das Parkhaus einfach zu Fuß über die Ausfahrtsrampe zu verlassen. Es herrschte dort überall totale Dunkelheit und in dem kleinen Bereich, der vielleicht von außen durch die Straßenbeleuchtung etwas Licht abbekommen hat, gibt es keine Kameras mehr. Die andere Möglichkeit wäre gewesen, dass er mit dem Aufzug ins Erdgeschoss fuhr und das Haus auf ganz normalem Weg durch den Haupteingang verließ. Aber da wäre er aufgefallen, da die meisten Büros zu diesem Zeitpunkt längst Feierabend hatten und auch keine Kundschaft mehr empfingen. Möglichkeit drei: Er hätte sich in seinen Wagen setzen und abwarten können, bis der Stromausfall beendet war. Aber dann wäre er vermutlich auch leicht aufgefallen. Schließlich haben die Kollegen des Security Service sofort versucht, alles abzuriegeln und Kontrollen durchzuführen. Und selbst wenn er ihnen durch die Lappen gegangen wäre, müsste man ihn in den Videoaufzeichnungen sehen. Schließlich ist die gesamte Strecke bis zu der Ausfahrtschranke nahezu lückenlos erfasst.“
„Und wenn er während der Dunkelphase bereits gefahren ist?“, fragte Milo. „Angenommen er verfügte tatsächlich über ein Nachtsichtgerät, dann konnte er sich doch einfach ans Steuer setzen und wäre von den Kameras nicht gesehen worden, solange er die Beleuchtung einschaltete. Ich nehme doch nicht an, dass die Kameras auch über Mikrofone verfügen, sodass man später das Motorengeräusch hätte hören können.“
Alonso schüttelte den Kopf. „Nein, das tun sie nicht. Ein bisschen Privatsphäre muss ja schließlich bleiben. Allerdings hätte er dazu die Schranke entweder über den Haufen fahren oder passieren müssen. Da die Schranke unbeschädigt ist und sie nachweislich zum fraglichen Zeitpunkt nicht passiert wurde, scheidet diese Möglichkeit aus.“
„Das Einfachste ist oft auch das Effektivste“, mischte sich jetzt Sam Folder in das Gespräch ein. „Ich nehme an, dass die erste Möglichkeit zutrifft und er das Parkhaus zu Fuß verlassen hat. Zeit genug müsste er dafür eigentlich gehabt haben.“
„Gut möglich“, gab Alonso zu.
„Dann werden wir den Eingangsbereich nach Fußabdrücken und anderen Spuren absuchen, die wir später mit dem, was wir am Tatort finden abgleichen können“, kündigte Sam an.
„Ich fürchte, dazu ist es bereits zu spät“, entgegnete Alonso.
Sam hob die Augenbrauen. „Wie kommen Sie darauf, Captain Alonso?“
„Es hat in der Zwischenzeit jede Menge Publikumsverkehr gegeben.“
„Das mag sein, aber wenn unsere Theorie stimmt, dann war darunter seit gestern Abend ganz gewiss nur ein einziger Fußgänger – Dr. Guthries Mörder.“