Читать книгу Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 12

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Am Vormittag des auf die Entdeckung des Giftmülllagers an der Brasewinkel Straße folgenden Tages hatten wir eine Besprechung im Büro von Kriminaldirektor Johann Detlev Hoch.

Außer Roy und mir nahmen an dieser Besprechung auch unsere Kollegen Stefan Carnavaro und Selcuk Salman teil. Der flachsblonde Italodeutsche Stefan war der stellvertretende Chef unserer Abteilung.

Von der Kriminalpolizeilichen Einsatzgruppe Erkennungsdienst nahm Roger Benda an der Besprechung teil, um uns einen vorläufigen Bericht über den Stand der Erkenntnisse im Hinblick auf das Lagerhaus in der Brasewinkel Straße zu geben. Außerdem war noch Kommissar Heinz Allwörden anwesend, ein Innendienstler, dessen Spezialgebiet das Aufspüren verborgener Geldströme war. Er hatte Betriebswirtschaft studiert und war für unsere Arbeit längst genauso wichtig wie die Unterstützung durch Ballistiker oder Gerichtsmediziner. Sowohl im Bereich der organisierten Kriminalität als auch bei der Terrorbekämpfung lieferte eine Aufdeckung getarnter Finanzströme häufig erst einen Überblick über die kriminelle Strukturen.

„Guten Morgen“, sagte Kriminaldirektor Hoch, nachdem uns seine Sekretärin Mandy Kaffee in Pappbechern serviert hatte. Kriminaldirektor Hoch nahm einen Schluck und fuhr fort. „Heute früh erreichte mich eine Meldung der Schutzpolizei. In einem Coffee Shop hat es eine Schießerei gegeben. Bei einem der Toten handelte es sich um zweifellos um Mahmut Talani. Der Hergang des Geschehens konnte noch nicht ganz rekonstruiert werden, aber Talani hat sich dort mit Tony Jannis getroffen. Jannis ist mehrfach wegen Urkundenfälschung vorbestraft und sollte Talani offenbar falsche Papiere auf den Namen Björn Svenson besorgen. Die entsprechenden Unterlagen hat Talani neben einer Anzahlung zum Treffpunkt mitgebracht.“ Kriminaldirektor Hoch atmete tief durch und berichtete anschließend, dass er unsere Kollegen Kalle Brandenburg und Hansi Morell an den Tatort beordert hätte. Anschließend erteilte er Roger Benda, dem Leiter des zuständigen Erkennungsdienst-Teams das Wort, der die bisherigen Ermittlungsergebnisse vom Tatort an der Brasewinkel Straße zusammenfasste. Dabei lieferte er unter anderem eine Liste der im Haus gelagerten Chemikalien. „Die Substanzen waren teilweise äußerst fahrlässig und unter Missachtung sämtlicher Sicherheitsbestimmungen gelagert worden“, erklärte Benda. „Besonders gefährlich sind dabei die vor allem im Obergeschoss gelagerten Plastikmüllsachen, wobei es sich um Abfälle der Verpackungsindustrie handelt. Bei einer derart dichten Lagerung kann es – gerade bei heißem Hochdruckwetter, wie wir es zurzeit in Hamburg haben – sehr leicht zur Selbstentzündung kommen. Es bestand akute Brandgefahr und in dem Fall wären hochgiftige Gase über Wohngebiete gezogen. Je nach Windrichtung hätte man halb Hamburg evakuieren müssen.“

„Haben Sie irgendetwas gefunden, was einen Verdacht im Hinblick auf terroristischer Aktivitäten erhärten könnte?“, hakte Kriminaldirektor Hoch nach.

Benda schüttelte den Kopf.

„Nein. Ich habe mit den Kollegen vom Feuerwehr und den Spezialisten der Bundeswehr eingehend über dieses Thema gesprochen. Selbstverständlich ließe sich das Gebäude in der Brasewinkel Straße hervorragend als eine primitive Giftgasbombe benutzen. Besonders effektiv wäre das natürlich, wenn man durch die Detonation einer Sprengladung dafür sorgt, dass die giftigen Substanzen höher empor geschleudert werden und das Verbreitungsgebiet größer ist. Aber wir haben wirklich nicht die kleinsten Anzeichen dafür gefunden, dass so etwas vorbereitet wurde.“

„Es ist aber nun mal eine Tatsache, dass innerhalb weniger Monate vier auf ähnliche Weise mit Giftstoffen angefüllte Häuser entdeckt wurden, die alle von einem Mann angemietet worden sind, der nachweislich Kontakte zu extremen islamistischen Gruppen hatte“, gab Kriminaldirektor Hoch zu bedenken.

Benda hob die Schultern. „Der Befund am Tatort deutet eher auf Machenschaften der Müll-Mafia hin. Sie kennen das alte Spiel ja: Giftmüll wird zur angeblichen Entsorgung angekauft und dann irgendwo illegal gelagert. Bis diese Lager dann entdeckt werden oder sich von allein entzünden, sind die Strohmänner längst untergetaucht.“

„Dann müsste man eigentlich erwarten, dass es irgendeine Verbindung zwischen Talani und den Syndikaten gibt, die sich im Müll-Geschäft so tummeln“, meinte Kriminaldirektor Hoch.

„Da gibt es vielleicht etwas!“, meldete sich nun Kommissar Heinz Allwörden zu Wort. Unser Fachmann für Betriebswirtschaft zog damit die interessierten Blicke aller auf sich. Heinz lehnte sich zurück und sagte: „Talani befindet sich ja bereits seit Monaten in der Fahndung, und ich habe seine finanziellen Verhältnisse in dieser Zeit bis ins kleinste durchleuchtet. Dabei stieß ich auf einen geschäftlichen Kontakt mit einer Firma namens SAD GmbH & Co. auf den Cayman Islands. Wahrscheinlich nur eine Briefkastenfirma. Tatsache ist aber, dass dieselbe Firma auch geschäftliche Kontakte mit der Firma Trans-Act Inc. hat, von der wir seit kurzem wissen, dass sie zu hundert Prozent im Besitz von Vic Noureddine ist, der als graue Eminenz im illegalen Müllhandel in Deutschland und Nordeuropa gilt.“

Der Name Vic Noureddine war uns allen ein Begriff. Wir verdächtigten ihn seit langem, eines der größten Syndikate zu leiten, die auf dem Gebiet der illegalen Müllentsorgung tätig waren. Leider war es bislang unmöglich gewesen, an ihn heranzukommen. Noureddine ließ sich zwar einerseits gerne als Paten von St. Pauli bezeichnen und schien es zu mögen, wenn alle Welt vor ihm zitterte. Aber juristisch ließ er nicht das Geringste anbrennen. Sein Vorstrafenregister wies wahrscheinlich nicht einmal eine Verwarnung wegen Falschparkens auf. Auch wenn der eine oder andere nur staunend den Hals verrenken konnte, wenn er sah, mit welcher Rasanz Noureddines Vermögen in den letzten Jahren angewachsen war, so hatten es weder das Kripo Hamburg noch die Steuerfahndung geschafft, ihm irgendetwas zu beweisen, was gegen das Gesetz verstieß. Noureddine war der typische Vertreter einer Gattung namens „weißer Kragen Täter“. Syndikate in der Müll-Branche waren im Allgemeinen so aufgebaut, dass von den Strafverfolgungsbehörden allenfalls die Strohmänner oder Spediteure ins Netz der Justiz liefen, aber den eigentlichen Hintermännern oft genug nichts nachzuweisen war.

So auch im Fall Vic Noureddine, der sich inzwischen von seinen Millionen die größte Villa an der Elbe geleistet hatte.

„Das bedeutet, es gibt eine – wenn auch indirekte –Verbindung zwischen Talani und dem Noureddine-Syndikat?“, vergewisserte ich mich.

Heinz Allwörden bestätigte dies. „So ist es – auch wenn ich nicht glaube, dass das bereits in irgendeiner Form juristisch verwertbar ist. Es handelt sich um ein einzelnes Indiz, das für uns kaum mehr als Hinweischarakter hat!“

„Immerhin ist er aber deutlich genug, um unsere Ermittlungen in Richtung Müll-Mafia zu konzentrieren, anstatt weiter nach Verbindungen zum internationalen Terrorismus zu suchen, die es in diesem Fall wahrscheinlich gar nicht gibt!“, schloss ich.

„Nicht ganz so schnell, Uwe!“, schränke Kriminaldirektor Hoch ein. „Im Prinzip haben Sie Recht, aber wir sollten, was die Möglichkeit angeht, dass hier ein Anschlag vorbereitet werden sollte, trotzdem nicht völlig ausblenden.“

Roger Benda meldete sich zu Wort. „Möglicherweise kommen wir über die Herkunft der Giftstoffe in der Brasewinkel Straße weiter. Vor allem die Kunststoffrückstände ließen sich rein theoretisch dem Hersteller zuordnen.“

Kriminaldirektor Hoch runzelte die Stirn.

„Was soll das heißen – rein theoretisch?“

„Erstens hüten die Unternehmen genaue Zusammensetzung und die Herstellungsverfahren für ihre Produkte wie ihren Augapfel. Und zweitens wären dazu auch recht umfangreiche und aufwendige Untersuchungen notwendig. Allein im Großraum Hamburg dürfte es einige Dutzend Produktionsanlagen geben, aus denen die gefundenen Mengen an Giftmüll stammen könnten. Nehmen wir mal an, die Leute, die für diese Schweinerei verantwortlich sind, haben einen einigermaßen gut ausgeprägten Sinn für Wirtschaftlichkeit, dann werden sie die Transportwege kurz halten. Das macht auch ansonsten Sinn, denn Transportkapazität dürfte in einer derartigen Organisation knapp sein. Schließlich ist jeder eingeweihte Spediteur ein potentielles Risiko.“

„Ich korrigiere Sie ungern, aber wir hatten schon Fälle von organisiertem Müll-Handel, bei dem die entsprechende Stoffe nach Afrika gebracht wurden, um sie dort irgendwo unauffällig zu vergraben“, gab Kriminaldirektor Hoch zu bedenken.

Benda hob die Hände. „Eine Verschiffung ist für die Betreiber solcher Geschäfte mit viel weniger Risiko verbunden, als ein Transport über die Straße“, erwiderte der Kollege von der Kriminalpolizeilichen Einsatzgruppe Erkennungsdienst. „In so fern kann es letztendlich tatsächlich preiswerter sein, das Zeug über den Ozean zu bringen – zumal man das mit Frachtern machen kann, die unter irgendeiner Billigflagge laufen und deren Matrosen nur einen Bruchteil dessen bekommen, was man einem LKW-Fahrer zahlen muss!“

„Ich glaube nicht, dass wir Durchsuchungsbefehle für die gesamte Kunststoff verarbeitende Industrie Hamburgs bekommen werden“, gab Kriminaldirektor Hoch zu bedenken.

„Eventuell könnten wir das im Labor noch etwas genauer eingrenzen“, stellte Bendas in Aussicht. „Und wenn wir dann einen Abgleich mit der Produktpalette der in Frage kommenden Firmen durchführen, haben wir am Ende vielleicht zwanzig Firmen im Umkreis von zweihundert Kilometern.“

Kriminaldirektor Hoch nickte bedächtig. „Besser, es wären weniger!“

„Wir tun, was wir können“, versprach Benda.

Kriminaldirektor Hoch wandte sich an Roy und mich. „Was ist mit den Aussagen der Anwohner und der Kinder?“, erkundigte er sich.

„Bis auf die beiden Jungen, die ins Albert Schweizer Krankenhaus eingeliefert wurden, sind die Vernehmungen abgeschlossen“, berichtete Roy. „Leider haben sich daraus keine weiteren Ermittlungsansätze ergeben.“

„Sollte wirklich Vic Noureddine und seine Organisation etwas damit zu tun haben, müssten wir unsere Informanten in St. Pauli anspitzen“, schlug ich vor.

„Tun Sie das, Uwe“, nickte Kriminaldirektor Hoch.

Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis

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