Читать книгу Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 22

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Am nächsten Morgen fuhren Roy und ich zum Albert Schweizer Krankenhaus, um die beiden Jungen zu vernehmen, die sich in das Haus in der Brasewinkel Straße vorgewagt hatten und dabei vergiftet worden waren.

Inzwischen waren beide Jungen außer Lebensgefahr. Die Ärzte hielten sie immerhin für vernehmungsfähig. Aus rechtlichen Gründen musste wenigstens ein Elternteil bei den Vernehmungen zugegen sein, woran wir uns auch hielten.

Beide Jungen lagen auf demselben Zimmer im Albert Schweizer Krankenhaus. Paul Oldendorff war wach und las in der neuesten Ausgabe von SPIDER-MAN. Marvin-Julian Pellemeier schlief und schien von den Entgiftungsmaßnahmen noch sehr geschwächt zu sein.

Die Eltern der der beiden Jungen waren bereits vor uns eingetroffen.

„Ich hoffe, Sie tun alles, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die unseren Kindern dies angetan haben“, sagte Herr Pellemeier.

„Sie können sicher sein, dass wir nicht eher ruhen, bis die Verantwortlichen vor ihrem Richter stehen“, versicherte ich.

Herr Pellemeier schüttelte den hochroten Kopf. „Die Ärzte sagten uns, dass unsere Jungs großes Glück gehabt haben, weil so schnell Hilfe herbeikam. Sonst hätte das alles ganz anders ausgehen können.“

Ich wandte mich Paul zu.

„Sie sind ein echter Kommissar?“, fragte er.

Ich zeigte ihm meinen Kripo-Ausweis.

„Kann ich den mal kurz ansehen?“

„Sicher.“ Ich gab ihm den Ausweis und der Junge sah ihn sich ausgiebig an.

„Tragen Sie auch eine Waffe?“, fragte er.

„Natürlich. Aber die werde ich dir nicht geben.“

„Aus Sicherheitsgründen, schätze ich.“

„So ist es.“

Er atmete tief durch. „Ich schätze, es war wohl ein Fehler, in dieses Haus einzusteigen.“

„Allerdings!“

„Aber ich habe das nur getan, weil Marvin-Julian nicht zurückkam“, verteidigte sich Paul Oldendorff. „Das roch so komisch da drinnen und dann ist mir plötzlich ganz schwindelig geworden. Ich habe gedacht, ich könnte Marvin-Julian helfen. Er lag auf dem Boden.“

„Hauptsache, du hast für die Zukunft daraus gelernt“, erwiderte ich.

Paul nickte. „Das habe ich. Ich hätte gleich Hilfe holen sollen.“

„Paul, ich möchte wissen, ob dir irgendetwas aufgefallen ist, was in Zusammenhang mit diesem Haus steht. Es kann Wochen oder Monate vorher passiert sein. Ist dort mal jemand gewesen?“

„Nur ein Obdachloser.“

„Wie sah der aus?“

„Ziemlich abgerissen. Ich habe ihn nur einmal kurz gesehen. Es regnete stark und wahrscheinlich hat der Mann gedacht, dass man sich im Geisterhaus gut unterstellen könne.“

„Geisterhaus?“, echote ich.

„So haben wir es immer genannt, weil es so unheimlich ist und wegen der vielen toten Ratten in der Umgebung. Außerdem ist die Katze von unserer Nachbarn auf dem Grundstück verschwunden und nicht wieder aufgetaucht. Sie lag dort, wo Marvin-Julian und ich eingestiegen sind. Wahrscheinlich ist ihr genauso schlecht geworden, aber sie hatte nicht das Glück, rechtzeitig gerettet zu werden.“

„Allerdings!“

„Seltsam.“

„Was?“, hakte ich sofort nach. Ich merkte, dass Paul Oldendorff über irgendetwas plötzlich sehr intensiv nachdachte. Er blickte auf und sah mich fragend an. „Haben Sie diesen Obdachlosen eigentlich auch im Geisterhaus gefunden?“

„Nein, da war kein Toter. Wieso fragst du?“

„Na, weil ihm doch eigentlich auch schlecht werden musste, oder?“

Ich versuchte herauszubekommen, wie lange es schon her sein mochte, dass er den Obdachlosen gesehen hatte. Marvin-Julian Pellemeier – der den Mann wohl ebenfalls beobachtet hatte – mischte sich nun erstmals in das Gespräch ein. Er wirkte verschlafen und sehr müde. Das hing wohl mit den Medikamenten zusammen, die er bekommen hatte.

Die Aussagen der beide Jungen waren im Hinblick auf den Zeitpunkt etwas widersprüchlich, aber mir wurde deutlich, dass dieses Erlebnis durchaus schon mehrere Monate her sein konnte – zu einem Zeitpunkt, da das Geisterhaus noch nicht so stark kontaminiert gewesen war.

„An eine Sache erinnere ich mich noch!“, meinte Marvin-Julian plötzlich. „Aber ich weiß nicht, ob das wirklich wichtig ist.“

„Sag’s uns“, forderte ich den Jungen auf. „Jede Kleinigkeit kann wichtig sein.“

„Hat denn der Obdachlose was mit dem Fall zu tun?“

„Nein, wahrscheinlich nicht, aber es könnte sein, dass er ein wichtiger Zeuge ist“, erwiderte ich.

Marvin-Julian nickte und auf seiner Stirn erschien eine tiefe Furche. Er wirkte jetzt sehr ernst. „Der Mann hatte ein Loch im Bart.“

„Was genau meinst du damit?“, hakte ich nach.

„Nun, ein Bart wuchs ihm fast bis unter die Augen. Deswegen sah er auch so unheimlich aus. Wie ein Ghoul oder so etwas...“

„Der Junge schaut zu viel fern“, mischte sich Herr Pellemeier ein. „Nehmen Sie das nicht so ernst, er vermischt da wahrscheinlich Fantasie und Realität!“

„Ich weiß doch, was ich gesehen habe!“, empörte sich Marvin-Julian. „Der Bart war ganz schwarz, aber genau hier war ein längliches Loch in den Haaren!“ Der Junge zeigte auf seine Wange, malte das, was er gesehen hatte mit der Fingerkuppe seines Zeigefingers dort nah.

„Vielleicht eine Narbe“, vermutete Roy.

Vielleicht war dieser Mann irgendwann einmal verhaftet oder in trunkenem Zustand zur Ausnüchterung auf ein Polizei-Revier gebracht und erkennungsdienstlich behandelt worden. Dann konnten wir seine Daten über das landesweite Datenverbundsystem abrufen. Immerhin war es möglich, dass dieser Zeuge wertvolle Beobachtungen gemacht hatte, da er wahrscheinlich das Haus zu einem Zeitpunkt betreten hatte, als dort noch mehr oder weniger regelmäßig Giftmüll eingelagert wurde.

„Hat jemand von euch mal einen Lastwagen gesehen, der auf das Gelände gefahren ist?“, fragte ich.

Paul meldete sich zu Wort. „Ja, einmal sogar ein Atego 500!“

Ich lächelte.

„Du kennst dich aus mit Lastwagen?“

„Klar! Und deswegen bin ich mir auch ganz sicher.“

Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis

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