Читать книгу Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 18

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Vic Noureddines Villa hatte direkten Blick auf die Elbe. Es waren eine noble Gegend mit vielen außergewöhnlich luxuriösen Anwesen. Aber die Residenz von Vic Noureddine übertraf sie alle. Er hatte seinerzeit eins der größten und teuersten Häuser der Gegend aufgekauft, es bis auf das Fundament abreißen und anschließend nach seinen eigenen Vorstellungen neu errichten lassen. In den darauf folgenden Jahren hatte er aus Sicherheitsgründen die Nachbargrundstücke aufgekauft, und die dortigen Häuser ebenfalls niederreißen lassen.

Sein Anwesen wurde von einer zwei Meter hohen Mauer umgeben, auf der noch ein gusseisernes Gitter angebracht war, dessen Spitzen es zu einem lebensgefährlichen Abenteuer machten, diese Barriere kletternd überwinden zu wollen.

Davon abgesehen patrouillierten Leibwächter in dunklen Anzügen um das Haus. Sie führten mannscharfe Dobermänner mit sich und waren mit Maschinenpistolen ausgerüstet.

Ich parkte meinen Sportwagen in der Nähe des Eingangstores. Roy und ich stiegen aus und traten an die in den Stein eingelassene Sprechanlage.

Es war kurz vor Mitternacht.

„Warte wir ab, wie Herr Noureddine reagiert, wenn man ihn um diese Zeit herausklingelt!“, meinte Roy.

Ich betätigte den Knopf an der Sprechanlage.

Ein Kameraauge, das sich surrend bewegte, erfasste uns.

„Sie wünschen?“, fragte eine weibliche Stimme.

„Uwe Jörgensen, Kripo Hamburg!“, stellte ich mich vor und hielt den Dienstausweis in die Kamera. Ich deutete auf Roy. „Dies ist mein Kollege Kommissar Müller. Wir müssen dringend mit Herrn Vic Noureddine sprechen.“

„Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?“, fragte die Frauenstimme. „Wenn nicht, dann kommen Sie besser ein anderes Mal wieder oder setzen sich gleich mit Herrn Noureddines Anwälten auseinander.“

„Sagen Sie Herrn Noureddine, dass es für ihn vielleicht um Leben und Tod geht. Wir haben Informationen darüber, dass ihn jemand umzubringen plant.“

„Wir wollen nichts weiter, als Herrn Noureddines Leben verlängern, aber wenn er das nicht will, genießen wir auch gerne unseren Feierabend“, ergänzte Roy – für meinen Geschmack etwas zu heftig. Aber er schien die passende Tonlage getroffen zu haben, wie wir wenig später feststellen konnten. Es knackte im Lautsprecher.

Jetzt war eine Männerstimme zu hören.

„Halten Sie bitte Ihre Ausweise noch einmal deutlich in die Kamera!“

Roy holte seine Kripo-Marke ebenfalls hervor und wir taten, was von uns verlangt wurde.

Im nächsten Moment öffnete sich mit einem leisen Summen das imposante gusseiserne Tor, über dem ein bezeichnender Satz in messingfarbenen Lettern zu lesen war.

MY HOME IS MY CASTLE.

Wir traten ein.

Hundegebell empfing uns.

Vier Dobermänner eilten von verschiedenen Seiten auf uns zu. Wir standen wie erstarrt da. Unsere Hände glitten bereits zu den Dienstwaffen.

Auf einen Pfiff hin stoppten die offenbar sehr gut dressierten Hunde.

Abwartend saßen sie auf dem Boden. Einige der Leibwächter kamen im Laufschritt auf uns zu und richteten ihre Maschinenpistolen auf uns.

„Keine Bewegung und Hände hoch!“

„Sie sind gerade im Begriff, zwei Hamburger Kriminal-Kommissare zu bedrohen. Ich hoffe, Sie überlegen sich gut, was Sie da tun, denn andernfalls ist für jeden von Ihnen ein Platz in den Gefängnismauern der JVA Branebüttel reserviert!“, erwiderte Roy hart.

Ein Mann in den dreißigern mit kantigen Gesichtszügen und einem dunklen Schnauzbart, der die Lippen überdeckte, kam vom Portal der Villa herbei.

„Ist schon gut, Männer“, rief er.

Die Bodyguards senkten ihre MPis.

Die Hunde knurrten leicht.

Der Mann mit dem Schnauzbart kam mit weiten Schritten auf uns zu. Er reichte erst mir und dann Roy die Hand. „Ich bin Maik Noureddine. Keine Ahnung, ob wir schon mal persönlich das Vergnügen hatten, aber diese Staatsterroristen vom Finanzamt und der Kripo Hamburg tummeln sich hier ja schon fast nach Belieben, da kann schon mal durcheinander kommen!“

Der Name Maik Noureddine war uns natürlich ebenfalls bekannt. Es handelte sich um den Lieblingsneffen des selbst kinderlosen Vic Noureddine. Maik war vermutlich der zweite Mann im Noureddine-Syndikat und wahrscheinlich der Mann fürs Grobe. Leider waren ihm seine Machenschaften ebenso wenig nachzuweisen wie seinem Onkel.

Ich runzelte die Stirn.

„Wie nennen Sie uns? Staatsterroristen?“, echote ich ärgerlich.

Maik zuckte die Achseln und kraulte einem der Dobermänner den Nacken, woraufhin sich dessen bedrohliches Knurren in eine weniger bedrohliche Lautäußerung verwandelte.

„Ich stehe der Idee des Libertarianism nahe“, sagte Maik. „Jeder Mann sollte eine Waffe tragen, dann bräuchten wir keinen Staat, der uns freie Unternehmer doch nur aussaugt!“

„Hier sind zwei Staatsterroristen, die ihrem Onkel gerade das Leben retten wollen!“, knurrte Roy ziemlich aufgebracht. „Aber vielleicht legt der ja keinen Wert darauf!“

Maik Noureddine hob die Augenbrauen. „Ich wollte nicht ungastlich erscheinen, Müller – so war doch Ihr Name, oder?“

„Für Sie immer noch Kommissar Müller!“

Maik wandte sich an mich.

„Ich muss mich für unser Sicherheitspersonal entschuldigen. Die Männer pflegen manchmal einen etwas groben Umgangston.“

„Scheint so, als würde Ihr Onkel in ständiger Angst leben“, stellte ich fest.

„Die Welt ist schlecht, Kommissar Jörgensen. Das sollte jemand wie Sie doch wissen. Und jetzt folgen Sie mir bitte!“

Ich war ziemlich erleichtert, als die Hunde von den Leibwächtern wieder an die Leine genommen wurden. Maik Noureddine führte uns zum Portal der Villa.

Wir gingen die breiten Stufen empor.

Das Portal selbst war ziemlich protzig. Man hatte es einem griechischen Tempel nachempfunden.

Schließlich gelangten wir ins Innere des Hauses.

Vic Noureddine empfing uns in der Eingangshalle.

Eine Blondine mit kurvenreicher Figur und einem sehr eng anliegendem Kleid lehnte sich gegen ihn. Sie überragte Noureddine um einen halben Kopf.

„Du hättest diese Leute nicht hereinlassen sollen“, sagte sie und strich Vic Noureddine dabei über den bereits ziemlich kahlen Kopf. Ich erkannte die weibliche Stimme wieder, die wir über das Sprechgerät gehört hatten.

„Ich hatte leider keine andere Wahl, Kimberley“, knurrte Vic Noureddine.

Der Pate von St. Pauli trat vor.

„Sie haben ein paar Dinge dahergefaselt, die Sie mir vielleicht näher erläutern sollten, Herr Kommissar“, wandte sich Vic an mich und ich musste ziemlich an mich halten, mich von seiner herablassenden Art nicht auf die Palme bringen zu lassen. „Wie kommen Sie darauf, dass jemand darauf aus ist, mich umzubringen?“

„Sagt Ihnen der Name Blitz etwas?“, fragte ich.

„Was soll das sein? Eine Comic-Figur?“

„Herr Noureddine, Sie scheinen die ganze Sache nicht so richtig ernst zu nehmen. Das müssen Sie natürlich wissen. Wir geben Ihnen pflichtgemäß Informationen weiter, die vielleicht Ihr Leben retten, vorausgesetzt, Sie kooperieren mit uns.“

„Nanu, das sind ja ganz neue Töne. Die hätte ich mir bei der letzten Prüfung durch die Steuerfahndung gewünscht!“

„Nun mal halblang“, mischte sich jetzt Roy ein. „Die Steuerfahndung war das letzte Mal vor drei Jahren bei Ihnen. Da können Sie sich eigentlich nicht beschweren.“

Vic Noureddine verzog das Gesicht.

Er nahm mich zur Seite.

„Ich habe das Gefühl, dass Ihr Kollege mich nicht leiden kann, Kommissar Jörgensen“, meinte er.

„Sie wissen genau wer Blitz ist“, erwiderte ich eisig. „Sie brauchen mir gegenüber keine Komödie zu spielen. Blitz ist einer der effizientesten Lohnkiller, der jemals in diesem schmutzigen Gewerbe gearbeitet hat. Alle Welt dachte, dass er irgendwo unter südlicher Sonne seine Millionen genießt, aber jetzt gibt es Hinweise darauf, dass er pleite ist und wieder seinen Job macht...“

„Ich wüsste nicht, weshalb mich Ihre Geschichten über irgendwelche Kriminellen, denen Sie offenbar nicht das Handwerk legen konnten, interessieren sollten!“, sagte Vic Noureddine und verzog dabei angewidert das Gesicht.

„Sie sind das Ziel, Herr Noureddine. Jemand hat diesen Lohnkiller beauftragt, um Sie zu töten und am besten überlegen Sie mal, wer das sein könnte!“

Vic wechselte einen kurzen Blick mit seinem Neffen. Er hatte für einen kurzen Moment seine Mimik nicht ganz unter Kontrolle, dann erstarrte sein Gesicht wieder zu einer kalten Maske.

„Ich weiß nicht, weshalb Sie mich mit diesem Zeug belästigen, Kommissar Jörgensen, aber ich kann Ihnen sagen, dass es juristische Konsequenzen für Sie haben wird, wenn Sie irgendein mieses Spiel mit mir zu spielen versuchen.“

„Eigenartig“, sagte ich. „Es scheint Sie gar nicht zu interessieren, aus welcher Quelle wir diese Informationen haben.“

„Was soll das schon für eine Quelle sein? Irgendein schmieriger Informant, der sich wichtig machen will, das ist alles!“

„Sie sind nahe dran, Herr Noureddine. Aber dieser Informant heißt Harry Käding und wurde nur Minuten, nachdem wir mit ihm gesprochen haben, ermordet. Das ist auch ein Grund, weshalb wir Sie befragen.“

„Sie werden vielleicht bemerkt haben, dass mein Anwesen sicherheitstechnisch auf dem neuesten Stand ist und sich ein paar gut ausgerüstete Bodyguards darum kümmern, dass mir nichts passiert“, sagte der Pate von St. Pauli schließlich gedehnt.

Warum weicht er aus?, fragte ich mich. Es konnte eigentlich nur eine Erklärung für sein Verhalten geben. Vic Noureddine wusste sehr genau, wer ihm ans Leder wollte. Ich hielt es sogar für möglich, dass Käding seine Informationen nicht nur an uns, sondern auch noch an Noureddine verkauft hatte.

„Haben Sie Harry Käding persönlich gekannt?“, fragte ich.

„Ich weiß nur, dass er ein Buchmacher war, der so ziemlich bei jedem Schulden hat, der in St. Pauli mehr als zwei Dollar in der Tasche hat.“ Vic machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ist wahrscheinlich besser, ich sage jetzt nichts mehr, sonst drehen Sie mir daraus am Ende noch irgendeinen Strick. Geben Sie es doch zu, Sie wollen mich in irgendeinen wie auch immer gearteten Zusammenhang mit dem Tod dieses Mannes bringen. Wir können das Gespräch gerne ein anderes Mal in Anwesenheit eines Anwaltes fortsetzen – oder Sie haben einen Haftbefehl dabei und nehmen mich fest. Ansonsten wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mein Haus möglichst schnell wieder verlassen würden!“

Vic Noureddine drehte sich um.

Die Blondine namens Kimberley folgte ihm. Beide verschwanden durch eine der Türen, die von der pompösen pseudo-klassisch gestalteten Eingangshalle aus in die anderen Gebäudetrakte führten.

Schwer fiel die Tür ins Schloss.

„Ich muss mich für meinen Onkel entschuldigen“, sagte Maik Noureddine. „Wir werden Sie natürlich in jeder Form unterstützen, nur fürchte ich, dass mein Onkel in der Sache vollkommen Recht hat....“

„Dann wollen auch Sie allen ernstes behaupten, dass Vic Noureddine, der Mann, den man den Paten von St. Pauli nennt, keine Feinde hat?“, fragte Roy ironisch.

Mörder geben kein Pardon: Drei Krimis

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