Читать книгу Dämon II - Alfred Broi - Страница 10
Breakdown
ОглавлениеChristopher saß für eine ganze Zeit einfach nur unbeweglich da und starrte auf die geschlossene Schlafzimmertür.
Er war unfähig, sich zu bewegen und im Geiste irgendwie auch zu taub, um einen klaren Gedanken zu fassen.
Dann aber kam er allmählich zurück in die Wirklichkeit und erkannte, wo er war und was geschehen war.
Im ersten Moment kam Wut in ihm auf und er war drauf und dran, aufzustehen, gegen die Schlafzimmertür zu hämmern und dem nymphomanen Geilchen die Leviten zu lesen.
Doch dann sah er ein, dass sie ja überhaupt kein Unrecht verbrochen hatte. Er, Christopher, war schuld an der ganzen Misere.
Weil er etwas tun wollte, was er einfach nicht tun konnte. Dass er das vorher nicht gewusst hatte, sondern erst schmerzhaft feststellen musste, als es schon zu spät war, spielte überhaupt keine Rolle.
Jasmin wollte von ihm Sex. Er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er das auch wollte und sie heiß gemacht, nur um am Ende unfassbar kläglich zu versagen.
War es da Unrecht von ihr, deswegen sauer zu sein? Sicher nicht!
Und deshalb durfte er jetzt nicht böse auf sie sein. Schließlich war sie so etwas wie das Opfer in dieser Sache. Wenn er jemanden schelten wollte, dann doch besser sich selbst.
Sein Blick fiel auf seine Klamotten neben ihm. Er griff nach ihnen und während er sich anzog, verfluchte er sich innerlich und gab sich die schlimmsten Namen.
Als er dann fertig war, war ihm klar, dass er hier jetzt nichts mehr zu suchen hatte. Doch als er sich umdrehte und zur Tür stapfen wollte, fiel sein Blick auf einen kleinen Getränkewagen – und er konnte sofort die noch halbvolle Flasche Scotch dort ausmachen.
Er blieb vor ihr stehen und starrte sie an. Natürlich konnte er sich weiter runterputzen, aber eigentlich hatte er dazu jetzt überhaupt keine Lust. Der Whiskey dort würde ihm sicher helfen, diese ganze Sache hier erst einmal zu vergessen. Ja, die Vorstellung für die nächsten Stunden in ein wunderbares Tal des Vergessens im Niemandsland zu fallen, gefiel ihm viel besser, als harte Selbstkasteiung.
Also griff er beherzt zu, schraubte den Deckel ab, hob die Flasche an seinen Mund und stürzte den Alkohol in sich hinein. Wie Wasser schlang er ihn herunter, mehrere Sekunden lang. Als er die Flasche schweratmend wieder absetzte, hatte er die Hälfte des ursprünglichen Inhalts schon geleert. Christopher schaute mit glasigen Augen ins Leere, dann entfuhr ihm ein tiefer Rülpser, den er vergeblich versuchte, ein wenig einzudämmen. Sofort drehte er sich in Richtung Schlafzimmer, doch dort regte sich nichts. Das veranlasste Christopher zu einem heiseren Kichern. „Auf dich, du geiles Flittchen!“ Er prostete der Tür zu und trank einen weiteren Schluck. Als er die Flasche wieder absetzte, schwankte er bereits einmal leicht hin und her. Doch Christopher ignorierte das und schaute stattdessen an seinem Körper herab. Wieder prostete er. „Auf dich, du impotente Nudel!“ Er kicherte ein weiteres Mal und wieder setzte er zu einem kräftigen Zug aus der Flasche an. Als er sie absetzte, schwankte er erneut und dieses Mal brachte ihm das einen überraschten Ausdruck in sein Gesicht. Er hob die Flasche an und betrachtete sie. „Mann, das ist wirklich starkes Zeug!“ Mit einem seligen Lächeln drückte er die Flasche an sich.
Dann ging er zur Tür. Bevor er das Poolhaus verließ, schaute er nochmals zur Schlafzimmertür. „Die nehme ich mal mit, okay?“ Seine Stimme klang schwer und lallte ein wenig. „Ich schicke sie dir zurück, wenn sie leer ist!“ Dabei kicherte er und blieb einen Moment stocksteif stehen. Doch als sich noch immer nichts rührte, brummte er missmutig, drehte sich um und ging endgültig.
Draußen war alles ruhig. Im Haupthaus brannte kein Licht mehr. Lediglich eine schwache Außenleuchte sorgte für diffuse Lichtverhältnisse im Garten.
Trotz seines angeschlagenen Geistes konnte Christopher den Pool erkennen, weil sich das Wasser in ihm leicht spiegelte.
Um zur Straße zu gelangen, musste er an seiner Längsseite entlang gehen und dann am Ende nach links biegen. Während er das in leichten Schlangenlinien tat, leerte er die Whiskey-Flasche in zwei weiteren Zügen.
Als er beim dritten Ansetzen erkennen musste, dass es keinen Nachschub mehr geben würde, brummte er erneut mürrisch. Verärgert wollte er sie schon in den Pool werfen, doch er hielt plötzlich inne. Was zum Teufel sollte das? Er hatte keinen Grund, sich an irgendjemandem zu rächen. Das war doch Kinderkram und absolut unter seiner Würde. Er brummte nochmals und warf die Flasche achtlos auf das angrenzende Rasenstück.
Nein, so etwas hatte er nicht nötig – außerdem hatte er, mit dem deutlichen Druck, den er plötzlich in seiner Blase verspürte, etwas viel besser zu bieten.
Er schwankte an den Beckenrand, schaute sich kurz verstohlen um, dann öffnete er den Reißverschluss seiner Hose, verharrte nochmals einen Moment, doch als er nach wie vor nichts hörte, gab er dem immensen Druck einfach nach, genoss zufrieden stöhnend die Entleerung seiner Blase und lauschte dabei entspannt dem plätschernden Geräusch, das dabei entstand.
Zweimal schien es so, als wäre er am Ende angelangt, doch jedes Mal lief noch etwas nach. Dann endlich hatte er es geschafft. Mit einem leisen, heiseren Kichern schloss er den Reißverschluss wieder, dann drehte er sich um und wollte sich unbemerkt entfernen.
Mittlerweile aber hatte der Alkohol weiter in ihm gearbeitet und der an einer Stelle in der Ecke des Pools glitschige Beckenrand sorgte dafür, dass er mit seinem linken Bein wegrutschte.
Mit einem kurzen Aufschrei riss er beide Arme hoch, doch konnte er nicht verhindern, dass sein Bein in den Pool glitt. Nur einem ausgesprochenen Kraftakt war es zu verdanken, dass sein restlicher Körper nicht hinterher plumpste. Stöhnend und schwer atmend zog er sein völlig durchnässtes Bein zurück und kam wieder auf die Füße.
Als er sehen und auch spüren konnte, was er da angerichtet hatte, brummte er wieder verärgert auf.
Zu allem Überfluss aber glaubte er ein Geräusch aus dem Poolhaus vernommen zu haben und was er jetzt mehr als alles andere nicht wollte, war, dass Jasmin ihn hier so sehen konnte.
Also beschleunigte er seine Schritte und rannte in leichtem Trab in Richtung Straße, bis er sicher war, dass man ihn vom Pool aus nicht mehr sehen konnte.
Dann erst blieb er stehen und musste schwer nach Luft ringen.
Plötzlich spürte er, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten und gleich darauf bekam er einen erbärmlichen Weinkrampf.
Im ersten Moment konnte er gar nicht sagen, warum, doch genauso wenig konnte er sich dagegen wehren.
Der Tränenschauer schüttelte seinen Körper und sorgte letztlich sogar dafür, dass ihm die Beine wegknickten und er kraftlos auf die Knie fiel.
Gott im Himmel, was hatte er nur für ein verdammtes Scheißleben? Allein, Alkoholsüchtig, impotent! Dazu feige, unfair und selbstsüchtig.
Wie nur konnte aus dem Menschen, der er einst war, ein so erbärmliches Arschloch werden?
Doch diese Frage wusste er natürlich sofort zu beantworten, denn die Vergangenheit hatte ihre Spuren nur allzu deutlich in ihm hinterlassen.
Die Frage, die noch wichtig war, war die, wie lange es noch dauern würde, bis Gott ein Einsehen hatte und ihn endlich krepieren lassen würde?
Denn irgendwann wieder ein normales Leben zu führen, dazu fehlte es an einem elementaren Bestandteil: Silvia!
Ohne sie würde ihm dies niemals möglich sein.
Also blieb ihm nur die Hoffnung auf den Tod.
„Du fehlst mir so!“ stöhnte er unter Tränen. „Oh bitte. Hilf mir!“ Sein Oberkörper fiel nach vorn und er weinte erbärmlich.
Es dauerte fast eine Minute, bevor er sich wieder beruhigen konnte und erhob.
Dann plötzlich riss er die Augen auf und griff in seine rechte Hosentasche. Wo seine Beretta war, konnte er nicht genau sagen. Er hoffte, er würde sie im Mustang wiederfinden. Doch hier wusste er noch seine Zweitwaffe.
Mit festem Griff drückte er sie an seine Stirn und entsicherte sie. Ein leises Klicken war zu hören.
Christophers Augen wurden immer größer, er atmete jetzt nur noch flach, aber rasend schnell. Als er nach einigen Sekunden noch immer nicht abgedrückt hatte, stöhnte er auf, kniff seine Augen zusammen, holte tief Luft und verkrampfte am ganzen Körper.
Doch erneut geschah nichts und so atmete er schlagartig aus. Seine rechte Hand sank zu Boden, sein ganzer Körper zitterte.
„Du bist eine so feige Sau!“ raunte er sich selbst zu, dann kippte sein Oberkörper in einem erneuten Tränenschauer nach vorn und einen Moment später musste er sich übergeben. Der bittere Geschmack von Galle erfüllte seinen Mund und er musste husten.
Es dauerte nicht lange und der Würgereiz ließ nach. Bevor er sich wieder erhob, atmete Christopher auf den Händen abgestützt einige Male durch. Dann erst richtete er sich wieder auf. Während er sich mit dem linken Handrücken den Mund abwischte, schaute er auf die Waffe in seiner rechten Hand. Mit einem tiefen Atemzug, sicherte er sie wieder und steckte sie zurück in seine Hosentasche.
Dann zeigte sich auf seinem Gesicht deutlicher Frust und auch Verärgerung über seine Unfähigkeit.
Mühsam und stöhnend erhob er sich ganz und ging weiter in Richtung Straße. Er wollte jetzt einfach nur noch weg hier, in seine Wohnung.
Bei einem Blick nach links konnte er seinen Mustang in der Einfahrt des Hauses stehen sehen. Offensichtlich hatte ihn Jemand dort geparkt. Vor dem Haus war es ebenfalls ruhig. Keine Polizei und keine Schaulustigen mehr. Das passte ihm sehr gut.
Er pflanzte sich hinter das Steuer. Der Zündschlüssel steckte, er startete den Motor.
Ja, er wollte jetzt nur noch nach Hause. Doch bevor er sich ins Bett legen konnte, würde er Barney noch einen Besuch abstatten und seinen Schlafmittelpegel noch um einiges erhöhen.
*
Douglas war sich sehr sicher, dass er jede Menge Zeit habe würde. Christopher war in diesen Sachen – dass hatte er schon so oft erleben müssen – äußerst ausdauernd und deshalb gab es wahrlich keinen Grund zur Eile.
Entsprechend ging er zwar zügig, aber ohne Hast durch die Straßen zu seinem Mietwagen. In den langen Dienstjahren als Polizist hatte er einen guten Orientierungssinn entwickelt, sodass er keine Mühe hatte, das Auto zu finden.
Wie nicht anders zu erwarten, gab es dort aufgrund des zerstörten BMW natürlich einen Polizeiauflauf, doch da sein Wagen weit genug vom Geschehen entfernt stand, konnte er ohne Probleme einsteigen und wegfahren.
Zwanzig Minuten, nachdem er die Villa von Mister Filch verlassen hatte, fuhr er dort wieder vor.
Zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass hier schon wieder vollkommene Ruhe eingekehrt war. Es gab keine Streifenwagen mehr und auch keine Menschenmenge. Christophers Mustang hatte Jemand in die Einfahrt der Villa gefahren.
Also war die Straße ziemlich menschenleer und ruhig.
Douglas fand ohne Probleme eine passende Parklücke gute zehn Meter von der Einfahrt entfernt.
Als er dort den Motor abschaltete, spürte er plötzlich eine aufkommende Müdigkeit in sich. Um nicht einzuschlafen, schaltete er das Radio ein und hörte leise Musik. Doch anstatt, dass sie ihn wach hielt, lullte sie ihn allmählich immer mehr ein. Er musste zwangsläufig erkennen, dass er seinem Körper etwas Ruhe gönnen musste.
Also kurbelte er das Seitenfenster herab, machte es sich in seinem Sitz bequem, schloss die Augen, lauschte den leisen und sanften Tönen der Musik und döste schließlich vor sich hin.
Dabei hatte er keine Angst, Christopher zu verpassen.
Zum Einen hatte der Mustang einen starken Motor und er seit jeher schon – und seit jener furchtbaren Nacht in New York im ganz Speziellen - einen ausgesprochen leichten Schlaf und würde es hören, wenn Christopher seinen Wagen startete.
Und zum Anderen würde Christopher mit Sicherheit vier, wenn nicht fünf Stunden brauchen, um sich leer zu pumpen. Douglas würde bis dahin längst wieder wach sein.
Als dann der Motor des Mustangs gestartet wurde, war Douglas weit entfernt davon, zu glauben, es wäre schon die Zeit dafür.
Entsprechend reagierte er sehr langsam und zögerlich.
Doch der Anblick des Mustangs, der sich rückwärts aus der Einfahrt schob, überraschte ihn sofort sichtlich und ein ziemlicher Ruck ging durch seinen Körper.
Bei einem flüchtigen Blick auf die Uhr in der Mittelkonsole, musste er feststellen, dass nicht einmal eine Stunde vergangen war, seitdem er hier geparkt hatte. Das war doch viel zu früh!
Doch er konnte die Tatsachen nicht wegdiskutieren. Die Bremsleuchten des Mustang flammten auf, die Lichter des Rückwärtsgang erloschen und der Wagen rollte, nachdem er einmal nach vorn gehüpft war und die Räder kurz quietschten, in die andere Richtung davon.
Hinter dem Steuer konnte Douglas ganz klar Christophers Gestalt ausmachen.
Wie von der Tarantel gestochen, rutschte Douglas auf dem Fahrersitz einmal hin und her und während er bemüht war, vollständig wach zu werden, drehte er den Zündschlüssel herum.
„Was zum Teufel soll das Chris?“ fluchte er dabei leise vor sich. „Das ist viel zu früh, Mann!“ Er legte den ersten Gang ein, lenkte den Wagen aus der Parklücke und folgte dem Mustang. „Du hast dich wahrlich sehr verändert, alter Freund!“ Er atmete einmal tief durch. „Ich hoffe bloß für dich, dass der alte Christopher sich nur versteckt hat!“ Sein Gesicht zeigte deutliche Sorge. „Sonst haben wir ein echtes ernstes Scheißproblem! Verdammt!“
*
Unbemerkt von allen wurde ein dritter Motor gestartet.
Der schwarze, etwas ältere, aber ordentlich gepflegte Buick mit den leicht verdunkelten Seitenscheiben schob sich langsam aus der Parklücke etwa weitere zehn Meter hinter der von Douglas und folgte dem Mietwagen in gebührenden Abstand.
Fahrer und Beifahrer waren sich ziemlich sicher, ihrem Ziel weiter näher zu kommen.
Doch hatten sie dabei keine Eile und würden nicht den Fehler begehen, sich durch Unachtsamkeit zu verraten und damit ihre ganze Aktion in Gefahr zu bringen.
Das hatten sie von Anfang so gehalten und so war es wohl kaum verwunderlich, dass niemand sie je bemerkt hatte, obwohl sie bereits dicht hinter Maroon waren, als der vor zwei Stunden hier zum ersten Mal erschienen war.
Geduld war oberstes Gebot, denn ihr Auftrag war absolut klar. Erst wenn alle ihre Zielpersonen zusammengekommen waren, durften sie zuschlagen. Nicht vorher.
Und um das zu erreichen, mussten sie dafür sorgen, dass ihre Anwesenheit nicht bemerkt wurde. Denn ihre Zielpersonen waren äußerst schreckhaft.
Doch es war allen so absolut klar, dass es eine erneute Zusammenkunft geben würde, dass sich jede lange Stunde des Wartens darauf gelohnt hatte.
Und jetzt war es so weit. Der erste große Schritt war getätigt. Freeman und Maroon waren nach langer Zeit wieder aufeinander getroffen. Und alle wussten, dass es nur einen Grund dafür geben konnte. Deshalb war die Wahrscheinlichkeit, auch die anderen zu fassen, sehr groß.
Denn genau das sollten sie am Ende doch tun. Alle fassen und unschädlich machen – bevor sie die Welt ein zweites Mal an den Rand einer Apokalypse bringen konnten.