Читать книгу Dämon II - Alfred Broi - Страница 14
Unsterbliche Liebe
ОглавлениеDer Flug aus New York verlief ohne Probleme und sie landeten pünktlich auf dem International Airport von Los Angeles.
Nachdem sie die Formalitäten erledigt hatten, hatte Cynthia mit Douglas gesprochen.
Hiernach besorgten sie sich einen Mietwagen.
Als sie aus dem Flughafengebäude hinaustraten, wurden sie von der aufgehenden Sonne an einem strahlend blauen Himmel und einer angenehm warmen Brise begrüßt.
Viel Gelegenheit, all dies zu genießen, hatten sie allerdings nicht, denn sie hatten keine Zeit zu verlieren.
Der ihnen zugewiesene Chevrolet Mini-Van stand auf dem Parkplatz auf dem angegebenen Platz.
Cynthia setzte sich auf den Fahrersitz, eine weitere Frau, die deutlich jünger war als sie – sie mochte Anfang Dreißig sein, Cynthia mittlerweile 46 – setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie war, so wie Cynthia auch, eine Farbige, hatte ähnlich schulterlange, schwarze Haare, die am Hinterkopf mit einem Band zusammengeknotet waren und strahlte ebenso wie Douglas Frau eine rassige, wilde Schönheit aus. Auch sie trug eine Jeanshose, ein T-Shirt und eine dünne Jacke darüber.
Die Sonnenbrillen und die Schirmmützen, die sie beide bisher getragen hatten, nahmen sie ab, sobald sie im Auto saßen.
Während Cynthia sich mit dem Wagen vertraut machte und ihn letztlich startete, warf ihr die junge Frau neben ihr, die das Navigationssystem mit der von Douglas angegebenen Adresse fütterte, einen ernsten Blick zu, den sie wortlos erwiderte.
Dann hörten sie, wie die Seitentür für den Rückraum geschlossen wurde.
Cynthia blickte in den Rückspiegel und konnte dort die beiden anderen Mitreisenden sehen.
Es handelte sich um eine alte Frau von 83 Jahren, die in einen schwarzen Hosenanzug gekleidet war. Sie war schlank und strahlte eine respektvolle Aura aus. Ihr von sehr viel Sonne und einem Leben am Meer gebräuntes, aber auch gegerbtes Gesicht wurde von kurzen, lockigen blonden Haaren umrahmt und ließ es frisch und offen wirken, auch jetzt noch, wo ihre Züge ebenfalls deutlich angespannt waren.
Neben ihr saß ein Mann knapp über 50 mit kurzen, schwarzen Haaren. Auch sein Gesicht war gebräunt und verwittert. Er hatte strahlend blaue Augen, die den Blick eines Betrachters wie magisch anzogen. Seine Gesichtszüge waren schmal und ein wenig kantig. Sein schlanker, dennoch muskulöser Körper steckte in einer braunen Stoffhose, einem weißen Hemd mit braunem Schlips und einem sandfarbenen Jackett. Er wirkte wie ein Banker oder Rechtsanwalt, doch die Wirklichkeit zeigte, dass dieser Eindruck täuschte.
Der Mann schnallte sich auf dem Rücksitz an, schaute dann zu der alten Frau und wartete geduldig, bis auch sie sich angeschnallt hatte. Hiernach trafen sich ihre Blicke und er warf ihr ein sanftes Lächeln zu, das jedoch nur zögerlich erwidert wurde.
Bevor Cynthia sich auf ihre Abfahrt konzentrierte, konnte sie noch sehen, wie der Mann mit seiner linken Hand die rechte Hand der Frau ergriff und fest umschlossen hielt.
Dann legte sie den Rückwärtsgang ein, fuhr aus der Parklücke und sie machten sich auf den Weg nach Downey.
*
Der schwarze Buick stand noch immer dort, wo er in der Nacht geparkt hatte. Auch als sich nach und nach die Straße mit Fahrzeugen lichtete, blieben die beiden Männer im Inneren sitzen und beobachteten das Haus auf der rechten Seite.
Fast schien es, als wäre es ihnen egal, ob sie Jemand entdecken oder auch nur Verdacht schöpfen würde.
Doch dem war nicht so.
Denn als ein ehemals weißer, jetzt stark ergrauter, verschmutzter Ford-Transit mit der Aufschrift Jacks Heizungs- und Sanitärdienst von der anderen Seite in die Straße einbog, hatte er sofort ihre Aufmerksamkeit.
Im Fond des Wagens saßen zwei Männer um die Dreißig in blauen Overalls und mit Schirmmütze.
Der Fahrer drosselte sichtbar die Geschwindigkeit des Ford und lenkte ihn schließlich sauber in eine Parklücke etwa zwei Wagenlängen hinter Barneys Bar und etwa fünf Wagenlängen von dem schwarzen Buick auf der anderen Straßenseite entfernt. Damit stand er schräg gegenüber des Eingangs von Christophers Bürohaus.
Und ziemlich genau in dem Moment, in dem der Fahrer des Fords seinen Motor ausschaltete, startete der Fahrer des Buick seinen Motor.
Langsam und ruhig lenkte er das Fahrzeug aus der Parklücke und fuhr zum Ende der Straße, wo er schließlich nach links abbog und verschwand.
Als sie an dem Ford und seinen Insassen vorbeikamen, würdigten sich die Männer keines Blickes.
Warum auch sollten sie - wenn die Wachablösung doch sauber und ohne Probleme abgelaufen war?
*
Cynthia hatte durch das Navigationsgerät keinerlei Probleme, die Cecilia-Street zu finden.
Als sie den Van um die letzte Ecke lenkte, reduzierte auch sie ihre Geschwindigkeit deutlich. Während sie langsam voranrollten, schaute sie sich, zusammen mit der Frau neben ihr und dem Mann im Rückraum ausgiebig um, ob sie etwas Verdächtiges erkennen konnten.
Das sie möglicherweise unter Beobachtung standen, war nicht auszuschließen.
Die Geschehnisse in New York – damals – waren alles andere als legal gewesen und hatten bei viel zu vielen Personen für schlechte Stimmung gesorgt. Während Christopher dem Allem hierhin entfliehen konnte, hatte Douglas eine schwere, nervenaufreibende Zeit zu überstehen, die schwer an seinen Kräften gezehrt hatte.
Erst nachdem sich die Wogen von Tsunami-Stärke auf Sturmstärke geglättet hatten, konnte er sich dem widmen, was ihm schon seit Christophers Flucht nach Los Angeles so sehr am Herzen lag – und was sie alle letztlich jetzt hierher führte.
Da Cynthia um Douglas Vorhaben wusste, sah sie die Zeit, in der er vom FBI, der eigenen Polizei und Gott weiß wie vielen anderen Behörden in die Mangel genommen wurde, auch mit einem klitzekleinen lachenden Auge, denn in dem Moment, wo ihr klar war, was all das bedeutete, war ihr auch bewusst, dass sie körperlich ganz sicher nicht in der Lage war, hier mitzuhalten.
Also konnte sie die Zeit nutzen und genau dieses Defizit mit überaus hartem Training konsequent und effektiv auszumerzen.
Denn mehr als alles andere war ihr klar, dass sie Douglas dieses Mal nicht allein lassen würde.
Seine Reaktion, seine Worte, seinen Ärger, seine Furcht und seine Ängste hatte sie noch so deutlich in den Ohren, als wäre es gestern geschehen, doch am Ende musste er vor ihrer eisenharten Entschlossenheit kapitulieren.
Ihre Suche nach einer Lösung brachte sie schließlich – gewollt oder ungewollt – mit den Personen zusammen, die jetzt mit ihr in diesem Wagen saßen.
Obwohl sich die Wogen in den vergangenen Wochen und Monaten nochmals weiter geglättet hatten, war Douglas nach wie vor überaus misstrauisch geblieben, doch er wusste auch, dass ihnen die Zeit davonlief, sodass er zustimmte, ihre Mission zu starten.
Alle waren froh, dass endlich begann, worauf sie so lange drauf hin gearbeitet hatten, doch alle waren sich auch bewusst, dass ihr Weg womöglich nicht unbeobachtet geblieben war.
Cynthia jedoch konnte nichts Auffälliges in der Straße erkennen.
Es gab etwa ein Dutzend Autos, die verstreut an den Straßenrändern parkten und vereinzelte Fußgänger, von denen jedoch keiner so aussah, als würde er sich um etwas anderes kümmern, als um sich selbst.
Cynthia schaute neben sich. „Okay?“ fragte sie.
Die jüngere Frau nickte. „Okay!“
Cynthia schaute auf die Rückbank. Nach einer Sekunde nickte auch der Mann dort. „In Ordnung!“ Seine Stimme klang tief und kräftig, doch sie hatte auch einen deutlichen ausländischen Akzent.
Cynthia schaute wieder nach vorn und lenkte den Van sauber in eine Parklücke direkt hinter Douglas Mietwagen und schaltete schließlich den Motor aus. Unauffällig und ohne Hektik wurden die Türen des Wagens geöffnet und die Insassen stiegen hinaus.
Dabei schaute Cynthia den Lieferwagen von Jacks Sanitärservice an und konnte durch die geöffneten Heckklappen ein wenig in das Innere der Ladefläche schauen. Doch außer Schmutz und undefinierbarem Gerät konnte sie nichts erkennen. Einen Wimpernschlag später sprang ein Mann in einem blauen Overall heraus. Er war groß und kräftig gebaut. Cynthia schätzte ihn auf Ende Zwanzig. Über der Schulter trug er ein langes Kabel mit einer schraubenartigen Spitze. Bevor er sich auf den Weg in das Haus machte, vor der der Wagen parkte, schaute er kurz beiläufig zu ihr herüber, lächelte ihr spitzbübisch zu und schloss die Heckklappen wieder.
Cynthia war zufrieden, schloss ihrerseits die Fahrertür des Van und ging zu den drei anderen Personen auf dem Bürgersteig.
Das der junge Handwerker sein Grinsen beibehielt, bis er den Hausflur erreicht hatte, es erst dann wieder verlor und sofort in ein kleines, nahezu unsichtbares Mikrofon an seinem Overallkragen sprach, bekam sie natürlich nicht mehr mit.
*
„Wie lange kennen sie meinen...Neffen jetzt?“ fragte Douglas, der sich wieder in den bequemen Ledersessel gesetzt hatte.
Karen lächelte. „Ähm...sechs...nein, fast sieben Monate!“ Sie hatte auf einen Stuhl ihm gegenüber Platz genommen. „Es war eher Zufall, denn...Bestimmung!“ Wieder lächelte sie. „Chris hatte bereits eine Assistentin. Die gute Miss Needles. Eine überaus tüchtige und absolut vertrauenswürdige Frau. Aber leider auch nicht mehr die Jüngste. Eigentlich hätte sie gar nicht mehr arbeiten brauchen, doch seit dem Tod ihres Mannes suchte sie Abwechslung, damit ihr die Decke nicht auf den Kopf fiel. Na ja...!“ Karen räusperte sich kurz. „...dann wurde sie...leider krank!“ Sie schien etwas verlegen. „Anfangs schien es noch eine einfache Magenverstimmung zu sein. Deshalb bat sich mich...! Ich wohn...te ein paar Häuser neben ihr und sie wusste, dass ich keinen Job hatte, aber schon einmal für einen Rechtsanwalt gearbeitet hatte...! Sie bat mich also, sie für die Dauer ihrer Krankheit zu vertreten!“ Karens Gesicht wurde traurig und sie senkte wieder ihren Blick. „Die einfache Magenverstimmung war in Wirklichkeit ein bösartiges Krebsgeschwür, das bereits weitläufig gestreut hatte. Emma...Miss Needles…starb nur acht Wochen nach ihrem ersten Arztbesuch!“ Karen schluckte und musste einmal tief durchatmen. Ihre Augen glänzten und Douglas sah, dass ihr die ganze Sache noch immer zu Herzen ging und sie kurz davor war, zu weinen. Er hatte Mitgefühl mit ihr. „Na ja...!“ fuhr sie dann mit einem gequälten Lächeln fort. „Da ich mich auf Anhieb mit Chris verstanden habe, die Arbeit hier sehr interessant und abwechslungsreich ist und er mit mir wohl sehr zufrieden ist, bin ich halt...!“ Die Wohnungsklingel ertönte und Karen verstummte. „Erwartet Chris Besuch?“ fragte sie etwas irritiert.
„Oh...!“ Douglas reagierte nicht sofort, doch dann lachte er einmal auf. „...ja! Ich habe noch ein paar andere Verwandte aus dieser Gegend eingeladen!“ Er erhob sich und kam zu ihr. „Ich dachte, es wäre eine gute Gelegenheit, sich mal wiederzusehen und miteinander zu reden!“ Er ging an ihr vorbei zur Wohnungstür und deutete auf einen Schalter neben ihr. „Ist das der Türöffner?“
„Ja!“ Karen nickte und erhob sich jetzt ebenfalls.
Douglas drückte den Schalter und konnte einen Moment später hören, wie die Haustür im Erdgeschoss geöffnet wurde.
„Ich...ähm...!“ meinte Karen und kam zu ihm. „...werde dann wohl besser gehen!“
Douglas lächelte verständnisvoll. „Natürlich!“
Karen trat bis auf einen halben Schritt an ihn heran und schaute ihm direkt in die Augen. „Hat mich gefreut, sie kennen zu lernen...Bertram!“ Sie lächelte zurück.
„Ganz meinerseits!“ meinte Douglas, zog seinen Körper aber ein wenig zurück, weil Karen ihm ein bisschen zu nahe war und er schon deutliche Schritte auf der Treppe hören konnte.
Karen öffnete mit der linken Hand die Tür und zog sie einen Spalt auf. „Vielleicht...!“ Sie musste noch einen halben Schritt vortreten, um die Tür hinter sich komplett aufziehen zu können. „...sieht man sich ja mal wieder!“ Sie lächelte erneut und schob ihr Gesicht ziemlich dicht an Douglas vorbei. „Ich würde mich...sehr freuen!“
Natürlich musste genau in diesem Moment Cynthia, die der kleinen Gruppe vorangeschritten war, im Türrahmen erscheinen und damit gerade noch rechtzeitig vor Ort sein, um dieses speziell betonte Wort sehr zu hören, das mehrdeutige Lächeln von Karen zu sehen und die Tatsache, dass sie sich dicht an Douglas vorbei in den Hausflur schob, wobei ihr mächtiger Vorbau an seiner Brust entlang schabte.
Sein entsetztes, hochrotes und verlegenes Gesicht und seine eher abwehrende, ablehnende Körperhaltung waren vollkommen nutzlos, dass wusste er in dem Moment, da er in die großen, funkelnden, erbosten Augen seiner Frau schaute und ihren todernsten Blick sah.
Doch Cynthia blickte nicht Douglas an, sondern blieb mitten in der Tür stehen und starrte auf Karen. „Hallo!“ sagte sie ohne eine Gefühlsregung zu zeigen.
Karen drehte sich um und hatte Mühe, an Cynthia vorbeizukommen, die sich keinen Zentimeter bewegte. „Oh Hallo!“ Karen lächelte sie an. “Ich bin schon weg!“ Sie hatte es endlich geschafft, den Hausflur vollständig zu erreichen und ging dann ohne weitere Verzögerung den Gang hinunter in Christophers Büro.
Cynthia drehte sich herum und schaute ihr stumm und scheinbar auch ohne zu atmen nach.
Währenddessen schob sich die jüngere Frau an ihr vorbei in Christophers Wohnung.
„Hallo Doug!“ Sie küsste ihn kurz auf die Wange.
„Hallo Talea!“ Douglas erwiderte die Geste nicht, sondern schaute nur angespannt zu seiner Frau.
Als nächstes schob sich die ältere Dame an ihm vorbei.
„Hallo Douglas!“ Ihre Stimme klang sanft, aber dennoch kräftig, jedoch auch mit einem deutlichen ausländischen Akzent behaftet. Dabei tätschelte sie ihm die linke Wange.
„Hallo Francesca!“
Schließlich folgte der Mann und gab ihm einen Klaps auf die linke Schulter.
„Hey Doug!“
„Hey Alfredo!”
Jetzt war niemand mehr zwischen Cynthia und ihm und man sah ihm deutlich an, dass er nicht recht wusste, ob dass jetzt gut für ihn war oder nicht.
Im nächsten Moment hatte Karen die Bürotür hinter sich geschlossen, doch noch immer regte sich Cynthia nicht.
Douglas wurde noch unruhiger.
Dann, plötzlich und unvermittelt, atmete Cynthia scharf ein und wirbelte zu ihm herum. Ihr Blick war eisig und fordernd. „Wer ist sie?“ Ihre Worte klangen wir Hammerschläge.
„Karen!“ entfuhr es Douglas sichtlich nervös mit dem dümmlichen und missglückten Versuch eines offenen Lächelns.
Cynthia schürzte die Lippen und ihr Gesicht verfinsterte sich noch mehr. „Karen wer?“
„Äh...äh...!“ Douglas verlor sein Lächeln. „Sie...ähm...ist...ähm...Christophers Sekretärin...!“ Er deutete mit der rechten Hand verlegen in die Wohnung.
Cynthia nickte langsam und trat blitzschnell direkt vor ihn. „Und was...!“ Sie wartete, bis Douglas sie ansah. „...würde sie sehr freuen!“
„Sie...äh...!“ Douglas lachte einmal verlegen auf, dann räusperte er sich und atmete schnell tief durch. „Sie kam, um Chris einen Kaffee zu bringen. Der aber war erst duschen und ist jetzt in seinem Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Also bat er mich, ein bisschen Small-Talk mit ihr zu machen!“ Er versuchte zu lächeln. „Und das habe ich gemacht! Mehr nicht!“
Cynthia schaute ihn einen Moment durchdringend und wortlos an. „Aha!“ meinte sie dann. „Und das soll ich dir glauben?“
„Aber ja!“ rief Douglas sofort. „Denn es ist die Wahrheit! Ehrlich, Schatz!“ Er zwang sich, ihrem Blick nicht auszuweichen, was ihm leichter fiel, als er gedacht hatte, denn er hatte sich ja auch nun wirklich nichts vorzuwerfen.
„Okay!“ Cynthia schien zufrieden und nickte. „Aber solltest du jemals auf falsche Gedanken kommen, dann denke daran, dass du das hier...!“ Sie schlang blitzschnell ihre Arme um Douglas Hals und gab ihm einen leidenschaftlichen Zungenkuss. Wieder kam ihre Geste für ihn vollkommen überraschend, doch er wehrte sich nur eine Millisekunde, dann genoss er den Kuss der für ihn tollsten Frau der Welt in vollen Zügen. Er musste aufstöhnen und spürte sofort eine Regung in seiner Hose, gegen die er aber auch nicht das Geringste hätte ausrichten können. Plötzlich zog Cynthia ihren Kopf ruckartig wieder zurück. „...aufs Spiel setzt!“ vollendete sie ihren Satz und schaute ihn zunächst ernst und dann, als sie sah, wie sehr ihm der Kuss gefallen hatte, mit einem breiten, fröhlichen Grinsen an. Douglas wollte es gerade erwidern, als ihr Blick schlagartig wieder ernst wurde, sie ihren rechten Arm von seinem Hals riss, herab sausen ließ und schnell, konsequent und vor allem eisenhart seinen Penis samt Hoden umklammerte. Douglas war erneut total überrascht und völlig hilflos. Der Schmerz, den ihr Griff verursachte, ließ ihn aufstöhnen und ein wenig zusammensinken, während sein Gesicht rot wurde und einen entsetzten Ausdruck annahm. Cynthia weidete sich an seinem Schmerz und wartete, bis er sie ansah. „Und das hier...!“ Sie drückte nochmals kräftiger zu, was ihn kurz aufschreien ließ. „...riskierst!“
„Ich...!“ presste er gerade so hervor. “...habe verstanden, Schatz, ehrlich! Das ist deutlich genug!“
Cynthia begann breit zu strahlen und zog ihre Hand wieder nach oben. Während Douglas zu Atem kam und froh war, dass kein bleibender Schaden verursacht worden war, streichelte sie seine linke Wange.
„Seid ihr jetzt bald mal fertig da?“ raunte Talea ihnen ungeduldig zu und stöhnte einmal genervt auf.
Cynthia reagierte nicht auf sie. „Eierkneifen ist gemein, was?“ fragte sie stattdessen.
Douglas nickte stöhnend.
Cynthia lächelte ihn an. „Dann vergiss das nicht!“ Sie küsste ihn kurz auf den Mund. „Und jetzt komm rein, du großer brauner Bär! Bevor die anderen zu ungeduldig werden!“
*
„Setzt euch!“ Douglas breitete seine Arme aus und deutete den anderen an, sich einen Platz zu suchen.
Doch niemand außer Francesca nahm sein Angebot an, nachdem er sich umgeschaut hatte. Lediglich die alte Frau setzte sich auf den Stuhl, auf dem Karen gesessen hatte.
„Wo ist Chris?“ fragte Talea erneut ungeduldig.
„Im Schlafzimmer!“ erwiderte Douglas. „Er hatte gestern eine...schwere Nacht und ist erst spät ins Bett gekommen. Geben wir ihm noch eine Minute. Ich denke, er ist gleich soweit!“
Talea nickte, ging dann zu einem der beiden Fenster und blickte durch den schmalen Spalt, den die Jalousien freigaben, auf die Straße.
„Was ist das?“ fragte Alfredo mit großen, neugierigen Augen und deutete auf das Tablett, das Karen mitgebracht hatte.
„Ein Bagel!“ meinte Douglas. „Und Kaffee! Möchte Jemand einen Schluck?“ Er schaute sich um.
„Der sieht lecker aus!“ bemerkte Alfredo.
Douglas nickte ihm beiläufig zu, während er sah, dass Cynthia und Francesca nickten.
„Also ich würde auch einen Kaffee nehmen...!“ sagte Alfredo und schaute Douglas an. „Wenn ich dieses leckere...Brötchen dazu haben könnte!“
Douglas schaute ihn etwas verwirrt an. „Sie haben Hunger?“
Alfredo nickte.
„Klar!“ Douglas zuckte mit den Schultern. „Bedienen sie sich!“
„Danke!“ Alfredo grinste breit und machte sich mit einer beeindruckenden Leidenschaft über den Bagel her. Douglas konnte ihm nur fasziniert zuschauen. Dann aber wandte er seinen Blick ab und sah zufällig zu Francesca. Da fiel ihm sein Angebot wieder ein. „Kaffee!“ sagte er zu sich selbst und drehte sich dann zu Cynthia. „Schatz?“
„Ja?“
„Wir brauchen Tassen!“ Er deutete in Richtung Küche. Cynthia nickte und machte sich auf die Suche.
„Wie hat er ihren Besuch aufgenommen?“ fragte Francesca.
„Ähm...!“ Douglas zögerte einen Moment, weil er nach den richtigen Worten suchte. „...durchwachsen! Aber immer noch besser, als erwartet!“
Francesca nickte. „Hatten sie schon Gelegenheit, über den Grund ihres Besuchs zu reden?“
Douglas verzog das Gesicht. „Nicht wirklich! Wir waren eher mehr damit beschäftigt, seinen aktuellen Fall zu lösen!“
„Wieso mussten sie ihm dabei helfen?“ fragte Alfredo, während er weiter kaute.
„Weil...!“ Wieder zögerte Douglas. „Weil er etwas aus der Übung gekommen zu sein scheint. Er hat hier noch immer nicht richtig Fuß gefasst!“
Alfredo nickte stumm.
„Hier!“ Cynthia kam mit einer Tasse zurück. „Das ist alles, was ich finden konnte!“ Sie reichte sie Alfredo.
„Er hat nur eine Tasse im Schrank?"
Cynthia lachte leise auf. „Zumindest nur eine saubere! Der Rest...!“ Sie drehte sich nochmals zurück in Richtung Küche und verzog angewidert ihr Gesicht. „Na ja!“
„Du kannst aus meiner Tasse trinken!“ Douglas lächelte seine Frau an und reichte ihr seinen Becher.
Cynthia nickte und gerade wollte Douglas die drei Tassen füllen, als sich Talea mit einem mürrischen Brummen unvermittelt zu ihnen drehte.
„Wie lange dauert das denn noch mit ihm?“ raunte sie.
„Geduld, Talea!“ erwiderte Francesca mit einem milden Lächeln. „Wir haben es ja fast geschafft!“
Doch Douglas musste der jüngeren Frau zustimmen. „Nein, Talea hat recht!“ Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Er ist jetzt wirklich schon lange genug da drinnen! Ich werde ihn holen gehen!“
Douglas trat an die Schlafzimmertür und drückte die Klinke herab. Einen Wimpernschlag später donnerte er beinahe mit dem Kopf dagegen, denn sie blieb geschlossen. Douglas stieß einen überraschten Laut aus und stoppte ab. Sofort drückte er die Klinke nochmals und versuchte erneut, die Tür zu öffnen, doch wieder gelang es ihm nicht.
„Sie ist verschlossen!“ Er drehte sich zu den anderen und in seinem Blick lag leichte Panik.
„Was? Aber...!“ Cynthia kam sofort auf ihn zu.
Talea am Fenster starrte ihn an. Francesca drehte sich in ihrem Stuhl zu ihm und Alfredo hörte auf zu kauen.
„Lass mich mal!“ meinte Cynthia dann.
Doch Douglas schüttelte den Kopf und drückte sie mit dem linken Arm beiseite, während er selbst einen Schritt zurücktrat. „Das mache ich!“ Eine Sekunde später hatte er sein rechtes Bein angehoben und schmetterte den Fuß wuchtig gegen das Türblatt, woraufhin die Tür mit einem lauten Krachen aufsprang.
Sofort schlug ihnen ein muffiger Geruch nach abgestandener Luft und Schweiß entgegen. Das kleine Zimmer zeigte auch bei Tageslicht, dass gedämpft durch eine hässlich braune, halbdurchsichtige Gardine durch ein kleines Fenster an der gegenüberliegenden Wand fiel, nur ein durchgelegenes Bett mit zerwühlten, längst nicht mehr sauberen Laken an der rechten Wand, sowie eine brusthohe, knapp zwei Meter breite, uralte Kommode in einem erbärmlichen Zustand an der linken Wand.
Douglas trat in den Raum, Cynthia folgte ihm.
Beide waren sofort entsetzt, denn Christopher war nirgends zu sehen. Douglas Blick fiel auf das Fenster. Die Gardine davor bewegte sich leicht. Mit zwei großen Schritten war er über das Bett hinweg gestiegen, riss die Gardine beiseite und musste erkennen, dass es tatsächlich geöffnet war. Er beugte sich vornüber, spähte hinaus und sah die Feuerleiter, die hier vorbei führte. „Na prima!“ raunte er total angesäuert und stöhnte verärgert auf.
„Doug!“ Das war Cynthias Stimme und sie klang merkwürdig.
Er zog sich zurück in den Raum und drehte sich zu ihr. Sie stand noch immer im Eingang des Zimmers, doch ihr Blick war auf die Wand links neben ihm gerichtet. Zusätzlich legte sie ihren linken Zeigefinger auf den Mund und deutete mit der rechten Hand in die Richtung, in die sie schaute.
Douglas wandte sich um und konnte erkennen, dass an dieser Wand, zwischen dem Kopfende des Bettes und der Fensterwand ein cremefarbener Vorhang, eine Decke oder etwas ähnliches, hing. Ein schwacher Lichtschein drang an den Seiten hervor, doch was noch viel wichtiger war: Douglas konnte von dort ein leises Wimmern und Schluchzen hören!
Er warf seinen Kopf herum und starrte Cynthia für eine Sekunde an. Auch sie schien den gleichen Gedanken zu haben, wie er, denn ihr Blick wurde sehr traurig, besorgt und schmerzvoll.
Douglas zwang sich zum Handeln, machte einen Schritt auf den Vorhang zu und schob ihn beiseite. Er wusste nicht, was er geglaubt hatte, zu finden, doch das, was er jetzt sah, war es ganz sicher nicht gewesen und es traf ihn vollkommen unvorbereitet. Deshalb konnte er auch nicht verhindern, dass ihm ein geschocktes „Oh mein Gott!“ entfuhr.
Seine Worte schienen Cynthia irgendwie aufzurütteln, denn sie ging sofort um das Bett herum und hatte ihren Mann nur wenige Sekunden später erreicht. Aus den Augenwinkeln konnte sie dabei sehen, dass sowohl Talea, als auch Alfredo in der Schlafzimmertür erschienen waren.
Dann konzentrierte sie sich auf ihr Vorhaben, doch auch sie war vollkommen hilflos bei dem Anblick, der sich ihr bot. Sie riss ihre linke Hand vor ihrem Mund, schrie leise geschockt auf und hielt dann ihren Atem an, weil ihr Gehirn in diesen Sekunden fast wie leergefegt war.
Hinter dem Vorhang befand sich noch ein Raum. Er war kleiner, als das Schlafzimmer, maß vielleicht zwei mal drei Meter.
Der Eingang befand sich an der äußersten linken Ecke. Direkt rechts daneben befand sich eine weitere brusthohe, wenn auch deutlich schmalere Kommode, auf der eine alte Nachttischlampe mit einem gräulichen Stoffschirm stand. Sie war eingeschaltet und erhellte das Zimmer in einem diffusen und durch den Stoffschirm abgedämpften Licht. Sonst gab es nichts weiter in diesem Raum, keine weitere Tür, kein Fenster, kein zweites Möbelstück.
Nur eines noch, und es war genau das, was Cynthia und Douglas sofort den Atem raubte, sie in einen derben Schockzustand versetzte und innerhalb eines Wimpernschlages furchtbare, quälende Erinnerungen in ihnen auslöste.
Alle vier Wände und auch die Decke waren komplett mit Fotos bedeckt. Fotos aller Größen und Formate, in schwarz-weiß und in Farbe. Und sie alle zeigten nur eine einzige Person: Silvia Magdalena Conchita del Piero!
Sie zeigten sie lachend, nachdenklich, schimpfend, fröhlich, schlafend und in so vielen anderen Situationen mehr. Die meisten dieser Fotos waren Abzüge ihrer eigenen Digitalkamera, doch es gab auch eine große Bilderserie, die Silvia seinerzeit von einem professionellen Fotografen hatte machen lassen. Es war Christophers Idee gewesen und sein Geschenk für sie zu ihrem dreißigsten Geburtstag. Silvia hatte sich anfangs gesträubt und schien verlegen, doch nachdem Douglas und Cynthia ihr zugeredet hatten und Christopher hartnäckig blieb, entschied sie sich doch dafür. Und das Resultat war mehr, weit mehr, als alle je erwartet hatten, denn der Fotograf war zwar sehr teuer gewesen, aber dafür auch ein absoluter Profi, der sich viel Zeit für Silvia nahm. Am Ende entstanden unvergleichlich wunderbare, sinnliche und atemberaubende Fotos einer umwerfend schönen Frau. Silvia weinte Tränen der Freude, als sie sie zum ersten Mal sah und Christopher, dass hatte Douglas damals ganz deutlich in seinem Gesicht gesehen, war sich zumindest in diesen Momenten klar bewusst, welch kostbares und strahlendes Juwel er da an seiner Seite hatte.
Und jetzt hatte sein Freund eines dieser Bilder auf ein riesiges Format vergrößern lassen – es war mindestens einen Meter breit und zwei Meter hoch und es war deutlich zu sehen, dass er diese Vergrößerung ebenfalls von einem Profi hatte anfertigen lassen – und es in der Mitte der dem Eingang gegenüberliegenden Wand befestigt.
Es zeigte Silvias Gesicht, nur leicht, aber dennoch atemberaubend verführerisch geschminkt. Ihre blonden, schulterlangen, gelockten Haare waren fast nass, so, als wäre sie gerade aus der Dusche gestiegen und mit einem Handtuch einmal kurz hindurch gefahren. Eine dünne Strähne hing ihr wild ins Gesicht, was einen verwegenen, verruchten Eindruck erzeugte, der noch um einiges verstärkt wurde, weil sie ihren Mund nur leicht geöffnet hatte und ihre leuchtend blauen Augen – durch den Fotografen im nachhinein noch so bearbeitet, dass sie wirklich wie magische Edelsteine strahlten – schmachtend blickten. Es waren auch die einzigen farbigen Bereiche auf dem Bild, das ansonsten im Sepiastil – so das es aussah, wie in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts gemacht – gehalten war. Der Hintergrund, sowie Silvia Körper ab den Schultern war verwischt und unscharf gemacht worden, allerdings erst, als deutlich zu erahnen war, dass ihr Oberkörper bei dieser Aufnahme nackt war.
Silvia wirkte auf diesem Foto wie eine Femme Fatale. Man konnte förmlich die Lust, die Leidenschaft und das Feuer erkennen, das in ihr brannte und die Hitze spüren, die von ihm ausging.
Ihr Anblick - so nah, so deutlich - schockte Cynthia und Douglas sichtlich, da sie nicht damit gerechnet hatten, so etwas hier zu finden.
Douglas schoss sein letzter Gedanke in den Kopf, bevor er auf dem Sessel eingeschlafen war. Ihm war aufgefallen, dass es keine Fotos von Silvia in der Wohnung gab und er hatte mit dem Gedanken gespielt, dass Christopher sie vergessen haben könnte.
Doch beim Anblick dieser Bilderflut war ihm klar, dass er sich böse getäuscht hatte. Christopher hatte Silvia niemals und zu keiner Sekunde vergessen und er liebte sie noch immer mit jeder einzelnen Faser seines Körpers.
Entsprechend war er in der ersten Sekunde nicht verwundert, als er erneut das Schluchzen wahrnahm. Es kam aus der rechten Ecke, die durch die Kommode verdeckt war. Als er seinen Oberkörper etwas weiter in den Raum hinein beugte, konnte er angewinkelte Beine erkennen, die in einer Jeanshose und Turnschuhen steckten. Offensichtlich lehnte Christopher dort im Sitzen mit dem Rücken an der Wand, hatte seine Beine zu sich gezogen und...weinte.
Und diese Erkenntnis versteifte plötzlich alles in ihm, sodass er sich nicht weiter bewegen konnte.
Anders dagegen Cynthia. Mit Tränen in den Augen schob sie sich an ihm vorbei in den Raum hinein und umrundete die Kommode. Dabei musste sie zwangsläufig auf Silvias Bild schauen. Und jetzt, da sie keinen halben Meter mehr davon entfernt stand, schien es ihr plötzlich, als würde ihre Freundin lebendig vor ihr stehen, so plastisch und so real wirkte sie auf dem Foto. Unwillkürlich blieb sie stehen, starrte sie an, hob ihre linke Hand und streichelte einmal sanft über ihre rechte Wange, während ihr eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken kroch.
Dann aber hörte sie ein weiteres Schluchzen hinter sich und sie trennte sich von Silvias Anblick.
Jedoch nur, um sofort die nächste Gänsehaut zu spüren.
Denn so strahlend, so schön, so wundervoll wie Silvia auf dem Bild zu sehen war, so unfassbar erbärmlich, schmerzvoll und erschütternd war der Anblick des Mannes, der sie so sehr liebte.
In der Tat lehnte er an der Wand, seine Arme hatte er über die Knie gelegt, seine Hände lagen nebeneinander, seine Finger spielten miteinander, während sie deutlich sichtbar zitterten.
Cynthia spürte einen furchtbaren Kloß im Hals und musste gegen ihre Tränen ankämpfen. Dennoch wurden ihre Knie weich und sie hockte sich neben ihren Freund.
Dabei konnte sie ihren Blick nicht von seinem Gesicht lassen. Es war fleckig und aufgedunsen von unzähligen Tränen, die noch immer hemmungslos über seine Wangen hinab rannen. Seine Augen, blicklos auf Silvias Foto gerichtet, waren schwer gerötet und glänzten ob der Tränen. Doch das Schlimmste von allem – und es war letztlich das, was Cynthias Versuche, sich zusammen zu reißen, scheitern ließen – war sein Mund. Seine Lippen bebten, während sie so unendlich hilflos versuchten, Worte zu formen, die seinen Schmerz, seine Sehnsucht, seine Liebe und seine Trauer auszudrücken vermochten – und es doch niemals auch nur im Ansatz schafften.
Cynthia war für Sekunden wie gelähmt. Sie hockte auf ihren Knien neben Christopher, der doch so unendlich weit von ihr entfernt war, konnte ihre eigenen Tränen nicht mehr verhindern und weinte stumm, aber tiefempfunden, um das gebrochene Herz dieses Mannes.
Plötzlich aber wurde ihr bewusst, was sie sah und ihr wurde auch bewusst, weshalb sie alle hier waren.
Mit einem tiefen Atemzug brachte sich Cynthia zurück in die Wirklichkeit. Langsam schob sie ihre rechte Hand zu Christophers Händen, legte sie auf sie und drückte leicht zu. „Chris?“ Ihre Stimme klang leise und brüchig. Und eine Reaktion auf sie blieb aus. „Christopher?“ Cynthia sprach lauter, bestimmter. Sie musste sich jetzt zusammenreißen. Zusätzlich drückte sie seine Hände für einen Moment noch kräftiger.
Und plötzlich erfolgte eine Reaktion. Christophers Augenlider flackerten, seine Lippen verstummten, sein Kopf drehte sich langsam in ihre Richtung. Er schaute sie einen Moment stumm und vollkommen reglos an. Cynthia verharrte ganz ruhig in ihrer Position, versuchte ein sanftes Lächeln, erwiderte seinen Blick, obwohl es ihr sichtlich schwerfiel.
Dann schoben sich plötzlich Christophers Augenbrauen etwas in die Tiefe und in seinen Augen erschien Erkenntnis. „Cynthia?“
Sie nickte sofort und hätte fast laut aufgelacht. „Ja!“ stieß sie aber nur hervor. „Ich bin es!“
Christophers Augenbrauen hoben sich. „Aber...warum?“
„Ich...bin mit Douglas gekommen. Ich...!“
„Das ist schön!“ unterbrach er sie sanft. Dann hob er plötzlich seine rechte Hand, legte sie an ihre linke Wange und strich mit seinem Daumen sanft über ihre Tränen. „Und du hast dich nicht verändert!“ Er lächelte offen. „Du bist noch immer wunderschön! So wie…!“ Er drehte seinen Kopf wieder zu Silvias Bild. „...sie!“ Im nächsten Moment verschwand sein Lächeln, tiefer Schmerz breitete sich auf seinem Antlitz aus und sofort schossen wieder Tränen aus seinen Augen.
„Oh Gott, Chris!” Cynthia musste wieder gegen ihre eigenen Tränen ankämpfen. Sie atmete tief durch, beugte sich nach vorn, legte ihre rechte Hand jetzt auf seine linke Wange.
„Sie...fehlt mir so!“ stieß Christopher gequält hervor und ein erneuter Tränenschauer ließ ihn zusammenzucken.
„Ja!“ erwiderte Cynthia und nickte. „Oh ich weiß, dass sie dir fehlt. Du liebst sie ja auch!“
„Ja…!“ Christopher nickte und weinte bitterlich. „...das tue ich. Das tue ich!“ Er senkte seinen Blick.
„Und sie fehlt uns Chris. Mir und Doug!“ Cynthia hielt ihren Blick weiterhin auf ihm. „Denn wir lieben sie auch!“
„Ich...weiß!“ schluchzte er. „Aber...!“ Sein Kopf zuckte in die Höhe und seine Augen waren wieder starr auf ihr Foto gerichtet. „...ich habe ihr das niemals wirklich gezeigt. Und jetzt...ist es zu spät!“
„Ich verstehe deinen Schmerz, Chris!“ Cynthia beugte sich noch ein wenig näher zu ihm. „Aber...du irrst!“
„Nein, nein!“ stammelte er. „Ich kann nicht...es ist zu spät, ich...!“
„Nein, ist es nicht!“ Cynthias Stimme klang jetzt sehr bestimmt und klar. Mit ihrer Hand drückte sie seinen Kopf so, dass er sie anschauen musste.
Und wirklich schien Christopher die Entschlossenheit in ihrem Blick zu erkennen, denn er weinte nicht mehr. Doch schon eine Sekunde später wollte er seinen Blick entmutigt schon wieder senken.
„Nein!“ Cynthia übte sanften Gegendruck aus und ließ ihn nicht entkommen. „Sieh mich an!“ Sie wusste, ihre Worte klangen zu hart, doch auch wenn Douglas jetzt doch einen Schritt in den Raum hineintrat und damit fast neben ihnen stand und dabei einmal brummte, gab ihr der Erfolg recht, denn Christopher schaute sie wieder direkt an.
„Was ihr erlebt habt, war unbeschreiblich und absolut furchtbar – aber es war... nicht...endgültig!“
Christophers Blick veränderte sich schlagartig, dann jedoch schien er wieder zu zweifeln, forschte in Cynthias Augen, die wusste, dass sie jetzt nicht nachlassen durfte. Dann schien er nicht mehr zu zweifeln, doch die Erkenntnis, die Möglichkeiten und die Konsequenzen dessen, was Cynthia gerade gesagt hatte, brachte seinen Körper zum Erzittern und Angst machte sich in seinem Gesicht breit. Doch Cynthia sagte nichts, schaute ihn nur voller Wissen und Zuversicht geradeheraus an. Christophers Gefühle und Gedanken rissen an ihm. Plötzlich wandte er seinen Blick ab, doch nicht, um wieder zu verzweifeln, sondern um Douglas anzusehen.
Und sein Freund war dieses Mal darauf vorbereitet. Voller Ruhe und Kraft erwiderte er seinen Blick, obwohl er innerlich hätte schreien können, geradewegs, ohne Furcht, ohne Zweifel, nur voller Zuversicht. Zusätzlich nickte er noch.
Und da schien es Christopher wirklich begreifen zu wollen, was Cynthia gerade erklärt hatte. Aber...!“ Er wandte sich wieder an sie, schaute ihr direkt in die Augen, fragend, forschend, aber ohne Schmerz und so voller Hoffnung. „...wie?“
Cynthia verkniff sich ein breites Grinsen über die Freude, ihn zurückgeholt zu haben, denn sie wusste, dass ein furchtbar langer, steiniger und unsicherer Weg vor ihnen lag und sie ihn jetzt darüber nicht anlügen durfte. „In dem du bereit bist, dein Leben dafür aufs Spiel zu setzen...!“
Christopher nickte. „Natürlich, sofort!“
„...und dich noch einmal den Mächten stellst, denen du schon einmal getrotzt hast!“
Christophers Gesicht wurde schlagartig todernst. Man konnte seine Erinnerungen förmlich spüren...und seinen Hass auf sie. „Liebend gern!“ zischte er verbittert.
„Gut!“ Jetzt gestattete sich Cynthia doch ein kurzes erfreutes Lächeln und sie erhob sich neben Christopher. „Dann lass uns ins Wohnzimmer gehen. Es gibt da ein paar Leute, die du unbedingt kennen lernen und denen du zuhören solltest!“
Douglas streckte ihm seine rechte Hand entgegen. Christopher nahm sie, ohne zu zögern. Als er neben Cynthia auf die Füße kam, war er wieder verwirrt und unsicher. „Was?“
Doch Douglas nickte ihm nur selbstsicher zu. „Wir sind auf unserem Weg nicht allein, Chris!“
„Genau!“ Wieder grinste Cynthia. „Also los jetzt. Lasst uns gemeinsam einen Weg finden, damit du diese Frau...!“ Sie drehte sich um und deutete auf Silvias wunderbares Bild. „...endlich wieder in deinen Armen halten kannst!“