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Barney´s
ОглавлениеIhr Weg führte sie zurück in die Innenstadt von Los Angeles und Douglas brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass Christopher ganz offensichtlich in sein Büro fahren wollte.
Douglas konnte sich noch an den Weg dorthin erinnern. Als Christopher allerdings plötzlich an einer Stelle scharf nach links abbog, wo er eigentlich nicht damit gerechnet hatte, wurde er eiskalt überrascht davon und konnte ihm nur mit Mühe folgen.
Ihr Weg führte ihn sofort in ein Wirrwarr aus engen Nebenstraßen und Hinterhöfen und es geschah genau das, was er unter allen Umständen vermeiden wollte: Er verlor Christopher aus den Augen.
Mit einem wüsten Fluch bremste er seinen Wagen scharf ab und überlegte kurz, dann entschied er sich dafür, zu Christophers Büro zu fahren, denn einen anderen Anhaltspunkt hatte er nun einmal nicht. Wo sein Freund wohnte, hatte er nicht in Erfahrung bringen können.
Sollte er ihn wirklich verloren haben, würde er wohl oder übel auch den Rest der Nacht in diesem Wagen vor seinem Büro verbringen müssen. Irgendwann würde Christopher dort schon wieder auftauchen.
Es dauerte einige Minuten, bis Douglas wieder zur Hauptstraße zurückgefunden hatte, was ihn natürlich noch mehr frustrierte. Doch als er in die Straße einfuhr, in der Christopher sein Büro hatte, wusste er sofort, dass all seine Sorgen umsonst gewesen waren, denn der Mustang parkte fein säuberlich, wenn auch etwas schräg, in einer Lücke direkt vor der Eingangstür.
Douglas war erleichtert und parkte zwei Wagenlängen dahinter. Während er ausstieg, stellte er fest, dass in den Büroräumen im ersten Stock noch kein Licht brannte, doch er beschloss, es dennoch dort zu versuchen. Beim Gang zur Eingangstür blickte er sich in der ruhigen, nur mäßig erleuchteten Straße um. Es war überall dunkel, nur aus einer kleinen Bar an der Ecke drang noch ein wenig Licht auf den Bürgersteig. Zufällig konnte er auch in den Innenraum hineinschauen und plötzlich entdeckte er dort seinen Freund direkt am Tresen sitzen, wie er sich gerade einen Whiskey in einem Zug in den Hals stürzte.
Douglas blieb stehen und atmete einmal tief und frustriert durch. „Hätte ich mir ja auch denken können!“ sagte er zu sich selbst, doch wusste er, dass er keine andere Wahl hatte. Also überquerte er die Straße und betrat einige Augenblicke später die Bar, aus der ihm der Geruch von Tabak und Alkohol in einer Mischung mit sehr warmer Luft entgegen blies und ihm im ersten Moment den Atem nahm.
Während die Eingangstür hinter ihm wieder zu schwang, machte sich der schwarze Buick gerade daran, seinerseits in eine Parklücke am anderen Ende der Straße einzufahren.
*
Einen Whiskey hatte er sich schon genehmigt und ihn in einem Zug getrunken. Das
brennende Gefühl des Alkohols in seiner Kehle ließ ihn kurz erschauern, doch die
Wärme, die sich gleich darauf in seinem Magen ausbreitete, war sehr angenehm.
Sogleich bestellte er bei Barney ein zweites Glas.
Als der alte, ziemlich dürr und klapprig wirkende Barkeeper mit dem schütteren Haar sein Glas wieder füllte, hörte Christopher, wie die Eingangstür geöffnet wurde. Dann aber konzentrierte er sich darauf, auch den zweiten Drink in einem Zug zu leeren. Als er seinen Kopf wieder senkte, atmete er einmal schwer. „Gib mir noch einen, Barney!“ meinte er aber sofort.
Während der Barkeeper ihm seinen Wunsch erfüllte, sagte er. „War der Abend heute so schlecht?“
Christopher nickte und lachte leise verächtlich. „Verdammt noch schlechter, als du es dir vorstellen kannst!“
„Na dann...!“ meinte Barney mit einem traurigen Lächeln. „Einer aufs Haus! Aber danach solltest du wirklich ins Bett gehen!“
Christopher nahm das Glas und prostete Barney zu, der drei Schritte an das andere Ende der Bar machte, um ein paar Gläser abzuwaschen. „Danke, Barney! Du bist ein echter Freund. Auf dich und deine Gesundheit!“ Dann legte er das Glas an die Unterlippe und wollte seinen Inhalt schon in sich hineinschütten, als er bemerkte, dass sich Jemand rechts neben ihn setzte. Sofort blickte er in die Spiegel hinter der Bar und als er seinen Ex-Partner und Freund Douglas Maroon neben sich erkennen konnte, hielt er kurz inne und starrte ihm für eine Sekunde direkt über den Spiegel in die Augen - was von Douglas erwidert wurde – nur um seinen Kopf dann doch in den Nacken zu legen und den Alkohol zu trinken.
Als er sich wieder nach vorn beugte und das Glas auf dem Tresen abstellte, meinte er. „Dann habe ich mich also doch nicht getäuscht!“
„Nein...!“ Douglas atmete einmal tief durch. „...hast du nicht!“ Dann deutete er mit traurigem Blick auf das Whiskeyglas. „Ich mich aber auch nicht!“
Christopher lachte leise in sich hinein. „Der Abend war lang und nicht besonders erfolgreich. Ich brauche einen Absacker!“
„Mir schien, den hattest du schon reichlich vorher intus!“ meinte Douglas mürrisch.
Wieder musste Christopher grinsen. „Schon möglich. Barney?“ Er deutete dem Barkeeper an, zu ihm zu kommen.
„Also ehrlich, Chris!“ meinte der Alte sofort. „Du solltest wirklich nicht mehr...!“
„Ach was! Ich will mit meinem alten Freund hier einen Whiskey trinken!“
Barney war sichtlich nicht begeistert von dieser Idee. Er schaute Douglas fragend an.
„Na gut!“ Douglas nickte. „Ich könnte auch einen kleinen Schluck vertragen!“
Das gefiel Christopher. Er hob sein leeres Glas an und hielt es Barney entgegen. „Also dann! Einmal Luft raus, bitte!“
Barney brummte, doch stellte er ein zweites Glas auf den Tresen und füllte schließlich beide mit Whiskey.
Christopher hob sein Glas wieder an, sobald es gefüllt war und drehte sich zu Douglas. „Auf die alten...!“ Er stockte und sein Gesichtsausdruck schien fast verärgert. „Ach Scheiße!“ raunte er. „Auf dich, alter Freund!“
Douglas hatte sein Glas ebenfalls angehoben und Christopher ließ seines dagegen klacken. Sofort danach leerte er es in einem Zug, während Douglas gemächlicher, wenn auch ebenfalls in einem Zug trank.
Dann aber verzog er die Miene und stöhnte. „Verdammt, ist der scharf!“
Christopher lachte heiser auf. „Das ist alter, schottischer Scotch. Der ist genauso edel, wie er brennt!“
„Und du trinkst dieses Zeug wie Wasser!“ Douglas schüttelte den Kopf.
„Alles nur eine Frage der Übung, Doug!“ Christopher lachte nochmals auf, dann verfinsterte sich sein Gesicht urplötzlich. „Also...!“ Er wartete, bis Douglas ihn ansah. “Warum bist du hier?“ Er musterte seinen Freund scharf und als Douglas nicht sofort antwortete, fügte er hinzu. „Oder bist du nur gekommen, um mir ein paar aufs Maul zu hauen, weil ich ein paar Kurze zu viel genommen habe?“
„Ein paar? Chris, du bist Alkoholiker!“
Christopher lachte wieder auf, dann beugte er sich mit versteinerter Miene zu ihm. „Ich glaube, ich habe dir das heute schon mal gesagt. Sieht das so aus, als würde mich das noch interessieren?“
„Aber...?“ Douglas hielt inne und atmete gestresst aus. „Nein!“ Auch sein Blick wurde hart. „Du hast Recht! Dich interessiert das wirklich nicht! Aber vielleicht interessiert dich der wahre Grund, warum ich hier bin?“
Christophers Mundwinkel zuckten, doch dann kniff er sein rechtes Auge zusammen. „Und der wäre?“
„Du!“ Douglas schaute ihm geradewegs in die Augen und hielt seinem Blick problemlos stand. „Ich! Unsere Vergangenheit...und Silvia!“
Als er ihren Namen nannte, bemerkte Douglas, wie Christophers Körper sich verspannte, doch eine weitere Reaktion blieb aus. Für einige Momente starrte ihn sein Freund nur durchdringend an. Dann atmete er schnell tief ein. „Barney!“ rief er. „Zum Abschied noch zwei Gläser für mich und meinen Freund!“
Douglas schüttelte jedoch den Kopf. „Ich...will nicht mehr. Und du solltest auch nicht...!“
„Ach papperlapapp!“ wehrte Christopher rüde ab. „Du willst mit mir reden...?“
Douglas nickte.
„...dann werden wir erst noch einen trinken!“ Er drehte sich zu Barney und warf ihm einen fordernden Blick zu.
„Hier!“ Der Barkeeper brummte verärgert und knallte ihm eine halbvolle Flasche Whiskey auf den Tresen. „Bedien dich selbst! Ich habe keine Lust mehr auf dich!“ Damit drehte er sich um und verschwand in einem Raum hinter der Theke.
Christopher schaute ihm einen Augenblick verdutzt nach, dann lächelte er in sich hinein, öffnete die Flasche, warf den Verschluss achtlos auf den Tresen und füllte ihre Gläser. Dabei verschüttete er einen Großteil, weil er die Flasche nicht mehr ruhig halten konnte, doch das schien ihn nicht sonderlich zu stören. Dann reichte er Douglas den Schnaps und prostete ihm zu. „Also los Mann! Rein damit!“ Seine Stimme lallte dabei ziemlich deutlich, was ihn belustigte. Im nächsten Moment kippte er den Whiskey in sich hinein und atmete dann laut aus. Dabei entwich ihm ein tiefer Rülpser, was ihn erneut belustigte und er kichern musste.
Douglas Gesicht verfinsterte sich bei dem erbärmlichen Anblick seines Freundes zusehends und er stellte sein Glas mit einem mürrischen Brummen auf den Tresen zurück.
„Was ist?“ fragte Christopher jedoch und zog dabei seine Augenbrauen zusammen.
„Ich...!“ Douglas schaute ihn mit ernster Miene an. „Mir ist die Lust darauf vergangen!“
„So?“ Christopher zog die Augenbrauen hoch. „Das ist schade. Aber dann...!“ Seine rechte Hand zuckte nach vorn und ergriff das Glas, wobei etwas von seinem Inhalt verschüttet wurde. „...nehme ich ihn eben!“ Und mit einer ruckartigen Bewegung stürzte er den Whiskey in sich hinein.
Douglas war sofort verärgert. „Mann, Chris, verdammt, Jetzt reicht es aber!“ Er rutschte von seinem Stuhl und baute sich vor ihm auf.
„Was?“ Sein Freund schien seine Aufregung nicht zu verstehen. „Du wolltest doch nicht!“
„Dann musst du ihn doch aber nicht trinken!?“
„Wäre doch Verschwendung, wenn er vertrocknen würde, oder?“ Seine Stimme war jetzt immer schwerer zu verstehen.
„Das ist Bullshit, Alter!“ brummte Douglas. „Und jetzt raus hier, bevor ich dich doch wieder verprügele!“
Christopher nickte und lachte. „Alles klar!“ Er rutschte von seinem Hocker und kramte in seiner Hosentasche. „Hast mich überzeugt!“ Er holte ein paar Geldscheine hervor, betrachtete sie und warf dann einen Fünfzig-Dollar-Schein auf den Tresen. „Hau rein, Barney!“ rief er in den angrenzenden Raum hinein.
„Geh ins Bett Chris!“ kam es mürrisch zurück.
Christopher grinste breit, dann drehte er sich zu Douglas, der sich seinerseits anschickte, die Bar zu verlassen. Zufrieden registrierte er, dass sein Freund ihm folgte. Doch an der Ausgangstür blieb Christopher plötzlich stehen, lachte leise auf, schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging zurück zum Tresen.
„Was ist jetzt schon wieder?“ fragte Douglas.
„Ich hab meine Jacke vergessen!“ meinte Christopher leichthin.
Douglas brummte und atmete mit einem unverständlichen Kopfschütteln tief durch. Dabei schaute er zu Boden. Mit einem Male aber versteifte sich sein ganzer Körper. Von wegen, Jacke vergessen! Christopher hatte gar keine dabei gehabt! Sofort riss er seinen Kopf in die Höhe und starrte in Richtung Tresen. Und tatsächlich! Da stand Christopher, hatte die Flasche Whiskey am Hals und trank in vollen Zügen. „Verdammt, Chris, jetzt hab ich aber...!“ Douglas wurde sofort wütend und stapfte auf seinen Freund los.
Doch im selben Moment donnerte Christopher die Flasche zurück auf den Tresen. Sie war leer! „Zu spät...!“ rief er atemlos und musste dann erneut mit großen Augen rülpsen.
„Oh warte!“ Douglas stoppte ab und funkelte seinen Freund giftig an. „Wenn du wieder nüchtern bist, hau ich dich kurz und klein!“
Christopher lachte daraufhin laut auf. „Tu dir keinen Zwang an!“ Er kam auf ihn zugewankt und obwohl genug Platz war, um sauber an ihm vorbeizugehen, trieb sein Körper gegen den von Douglas und er schob sich an ihm entlang zur Ausgangstür.
„Mann, Christopher, warum zum Teufel hast du das gemacht? Wir wollten doch noch reden!“ Douglas folgte ihm nach draußen auf die Straße. Die kühle Luft, die ihm dort entgegenwehte, erfrischte ihn sofort und trieb ihm die stickige Luft aus der Bar aus dem Körper.
„Weil...!“ Christopher blieb stehen, drehte sich zu ihm und hob seinen Blick an. Dabei ging eine deutliche Veränderung in ihm vor und es schien, als habe ihm Jemand ein Brett vor den Kopf geknallt. Während Douglas sich noch fragte, was geschehen sein mochte, schwankte Christoper immer mehr und seine Gesichtsfarbe wurde zunehmend grauer. Und da erkannte er, dass die frische Luft hier draußen auf seinen Freund eine vollkommen gegenteilige Wirkung auf seinen Zustand hatte. Innerhalb weniger Sekunden vervielfachte sie die Auswirkungen des Alkohols in ihm. „...ich...!“ Christopher bekam plötzlich große Augen, dann driftete er schlagartig nach rechts quer über die Straße.
Douglas folgte ihm mit besorgter Miene.
Christopher knallte gegen den Kotflügel eines parkenden Wagens und konnte sich gerade vorher noch genug abbremsen, um sich nicht böse dabei wehzutun. Während er an dem Auto entlang zum Bürgersteig taumelte, bekam er langsam wieder halbwegs sicheren Stand.
„Was ist los?“ fragte Douglas.
„Ich...!“ Christopher starrte ihn mit großen Augen an, dann begann er zu würgen. „Mir ist schlecht!“
Douglas hatte gerade noch die Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, als Christophers Oberkörper schon vornüber kippte und er sich furchtbar wuchtig und ausgiebig teils auf der Frontscheibe des Wagens, teils auf seiner Motorhaube lautstark erbrach.
Douglas blickte sich besorgt um, weil er nicht wollte, dass sie hier jetzt noch Aufmerksamkeit erregten, als sein Freund aufhörte zu würgen und nur noch schwer und röchelnd atmete.
Douglas drehte sich zu ihm um, doch als er das Dilemma dort auf dem einst so herrlich weißen Wagen sah, musste er sich schnell wieder abwenden, denn zusammen mit dem widerlichen Gestank von frisch Erbrochenem – und wie es schien, purem Alkohol – drohte ihm selbst schlecht zu werden. „Oh Mann, das kann doch alles nicht wahr sein!“ stöhnte er.
„Hey!“ meinte Christopher, der langsam wieder zu Atem kam. „Das tut mir jetzt echt leid! War das dein Wagen?“
„Nein!“ erwiderte Douglas. „War es nicht!“
„Oh!“ Christopher kicherte wieder. „Dann sollten wir uns schleunigst vom Acker machen, was, bevor der Besitzer sieht, was du gemacht hast!“
„Was? Ich?“ Douglas war sofort wieder verärgert. „Du blöder, besoffener Arsch!“ Er trat zu Christopher und ergriff ihn am Jackenkragen.
„Ja, du!“ entgegnete Christopher aber ziemlich klar. „Warum sonst wohl hab ich mich so zugeschüttet?“ Er schob Douglas von sich und kramte in seiner Jackentasche. „Du kommst einfach hierher. Ohne Anmeldung, ohne Vorwarnung...!" Er zog einen Schlüssel hervor, drehte sich um und ging zur Haustür des Gebäudes, in dem er auch seine Büros hatte. „...und erzählst mir einen solchen...!“ Er versuchte, den Schlüssel in das Schloss zu stecken, doch es gelang ihm nicht. „...Scheiß von wegen unserer Vergangenheit und...ihr!“ Sein Blick wurde traurig und er senkte den Kopf.
„Mann, Chris!“ Douglas trat zu ihm. „Es tut mir leid, aber es ist wirklich wichtig!“
„Nein!“ Christopher hob seinen Kopf wieder an. Seine Stimme klang jedoch nicht wütend, sondern traurig und kraftlos. „Silvia ist gegangen. Nichts ist jetzt noch wichtig!“
„Aber...!“ Douglas brach ab und atmete tief durch. „Wenn du heute nicht mehr reden wolltest, warum hast du das nicht einfach gesagt?“
„Weil du es nicht verstanden hättest!“ Christopher begann wieder deutlicher zu schwanken und seine Stimme lallte schwer.
„Ich...!“ Douglas hielt erneut inne. „Ach gib her!” Er nahm Christophers Schlüssel an sich und öffnete die Tür. „Ich bringe dich jetzt einfach nur noch ins Bett und dann schläfst du deinen verdammten Rausch aus, bis du wieder klar im Kopf bist!“
Christopher stolperte hinter ihm in den Hausflur. „Prima Idee! Trägst du mich? Und singst mir ein hübsches Schlaflied?“
„Das könnte dir so passen, was?“ raunte Douglas, doch war ihm klar, dass er seinen Freund, der kaum noch gehen konnte, zumindest stürzen musste, um ihn in die erste Etage zu schaffen.
„Hey, Doug?“ fragte Christopher plötzlich.
„Ja?“
„Hast du Hunger?“
„Was?“
„Ich glaube ich habe noch Pizza von gestern im Kühlschrank. Oder war es vorgestern?“ Er kicherte. „Kann auch sein, dass sie nicht im Kühlschrank steht! Also wenn du Hunger hast, bedien dich!“
Douglas brummte. „Wohl kaum!“
Endlich hatten sie den ersten Stock erreicht.
„Also ich könnte jetzt noch einen Happen vertragen!“ meinte Christopher, während Douglas ihn zu seiner Bürotür schleifte.
„Damit du deine eigene Bude auch noch voll kotzt? Vergiss es!“
„Aber?“ Christopher blieb plötzlich stehen. „Wo willst du denn hin?“
„In dein Büro!“
„Warum? Ich hab jetzt echt keine Lust mehr zu arbeiten!“
„Aber...?“ Douglas schaute ihn irritiert an. „Ich dachte, da gäbe es eine Couch, wo du dich lang machen kannst!“
„Ja, gibt es!“ bestätigte Christopher. „Aber ich will lieber in mein Bett!“
Douglas brummte. „Und wo ist das?“
Christopher drehte sich nach links und deutete auf eine Tür am Ende des Ganges. „Da!“
„Du hast deine Wohnung auch hier?“
„Klar!“ Christopher wankte den Gang hinunter und wartete, bis Douglas die Tür aufgeschlossen hatte. Während er in das Wohnzimmer torkelte, schloss Douglas die Tür wieder hinter ihnen und knipste das Licht an. Als er sich umdrehte konnte er in eine kleine, mit wenig Liebe und meist älteren und wenig schön anzusehenden Möbeln eingerichtete Wohnung blicken, die noch dazu muffig roch und ziemlich unaufgeräumt war. Im Wohnraum lagen Kleidungsstücke auf der alten, abgewetzten Couch, auf dem Tisch stand noch einiges an gebrauchtem Geschirr.
Von dem Wohnraum aus konnte Douglas in eine halb-offene Küche blicken, in der er ebenfalls schmutzige Teller, Gläser und ähnliches, sowie einige Essensreste und einen geöffneten Karton mit einer halben Pizza unbestimmten Herstellungsdatums sehen konnte. Mit einem gequälten Gesichtsausdruck wandte er sich weiter um und sah im hinteren Bereich der Wohnung noch zwei weitere Türen, von denen er annahm, dass sie in ein Schlafzimmer und in ein Bad führten.
„Reizend hast du es hier!“ brummte er ziemlich angewidert.
„Mehr brauche ich nicht!“ lallte Christopher und zog sein Jackett aus. Er ließ es achtlos zu Boden sinken und wankte dann auf einen Schrank an der hinteren Wand zu.
„Was hast du vor?“ fragte Douglas mit einer gewissen Vorahnung.
„Ich brauche noch einen Absacker!“ erwiderte sein Freund ungerührt.
„Wenn du heute noch einmal Alkohol anrührst...!“ Douglas kam sofort zu ihm. „...Alter, das schwöre ich dir, dann schieb ich dir deine Leber höchstpersönlich in dein Arschloch!“
Christopher hielt inne und schaute Douglas in seinem Nebel aus Alkohol und Erschöpfung an. „Du meinst das ernst, oder?“
Douglas nickte ungerührt. „Probier es aus!“
Christopher aber lachte in sich hinein, dann schüttelte er den Kopf. „Keine Lust!“ Er wandte sich von dem Schrank ab. „Spielverderber! Ich gehe jetzt ins Bett!“
„Das will ich dir auch geraten haben!“ Douglas drehte sich herum und folgte Christopher in das linke Zimmer am Ende des Wohnraums. Es war klein und im Schein der Wohnzimmerlampe konnte Douglas gerade noch ein zerwühltes, unordentliches Bett ausmachen. Doch er beschloss, kein weiteres Licht zu machen. „Willst du dir nicht wenigstens noch das Gesicht waschen?“ fragte er stattdessen. „Du hast in den letzten zwei Stunden immerhin mindestens zweimal gekotzt!“
Christopher drehte sich zu Douglas herum. Er konnte jetzt kaum noch seine Augen aufhalten. „Dreimal!“ Er grinste kurz, dann nahm er mit seiner rechten Hand Douglas Schlips, führte ihn zu seinem Mund und wischte sich damit darüber.
„Was zum Teufel...!“ Douglas hatte nicht mit einer solchen Aktion gerechnet und kam zu spät. Bevor er ihm seinen Schlips wieder entwenden konnte, war das Malheur schon geschehen. „Du blöder Arsch. Was soll denn das?“ rief er erbost auf.
„Du hast doch gesagt, ich soll mich sauber machen!“ erwiderte Christopher emotionslos.
„Ja, aber...doch nicht an meiner Krawatte, Mann!“
„Also...!“ Christopher pustete genervt aus. „...du weißt auch nicht, was du willst!“
„Ich...!“ Douglas hielt inne und schaute seinen Freund in einer Mischung aus Verständnislosigkeit, Frust und der Erkenntnis an, dass er hier nichts mehr erreichen konnte. „Weißt du was?“ Er hob seinen rechten Arm an und ballte seine Hand zur Faust. „Du nervst!“ Ohne zu zögern donnerte er Christopher eine Gerade ins Gesicht. Deutlich war der Einschlag als Klatschen zu hören, doch im Gesicht seines Freundes zeigte sich kaum eine Reaktion, außer der, dass er langsam hinten über kippte.
„Gute Nacht!“ flötete er noch mit lallender Stimme, dann schlug er auf der Matratze auf und stöhnte einmal auf.
Douglas wollte zu ihm treten, doch da drehte sich Christopher schon mit einem breiten Grinsen im Gesicht zur Seite, zog die Bettdecke über sich und seine Beine an den Körper und begann herzhaft zu schnarchen. Fast hätte Douglas damit gerechnet, dass er sich auch noch seinen Daumen in den Mund schob, doch das blieb aus.
„Verdammter Idiot!“ raunte er ihm noch zu, während er mit einem leichten Grinsen den Kopf schütteln musste. Dann drehte er sich um, ging aus dem Zimmer und zog die Tür bis auf einen kleinen Spalt hinter sich zu.
Im Wohnraum schaute er sich zunächst noch einmal um, doch er konnte nichts Besonderes erkennen, obwohl er das unbestimmte Gefühl hatte, dass hier irgendetwas nicht stimmte.
Doch er wusste nicht zu sagen, was es sein mochte.
Schließlich spürte er wieder eine gewisse Müdigkeit in sich und er hatte den Wunsch, sich zu setzen. Ein Blick auf die Couch jedoch sagte ihm sofort, dass diese nicht dafür in Frage kam. Weder die Kleidungsstücke, die darauf verstreut lagen, noch das abgewetzte, teils verschmutzte Polster sahen einladend aus.
Glücklicherweise gab es da noch einen bestimmt viel älteren und nicht minder abgewetzten, braunen Ledersessel, der schon weitaus bessere Tage gesehen hatte, doch schien er zumindest sauber. Douglas ließ sich mit einem vorsichtigen Stöhnen darin sinken und war sogleich angenehm überrascht, wie bequem das Möbelstück war. Er konnte sofort entspannen.
Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, holte er sein Handy aus der Hosentasche.
Es blieb ihm jetzt nicht mehr viel zu tun: Christopher schlief seinen Rausch aus und würde dazu sicherlich bis zum nächsten Mittag brauchen. Das würde den anderen die Zeit geben, hierher zu kommen. Alles, was er dafür tun musste, war sich mit ihnen in Verbindung zu setzen, also wählte er die entsprechende Nummer und wartete, bis am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde.
„Hallo Schatz!“ sagte er mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, als die Verbindung zustande kam. „Ja...tut mir leid, dass es so lange gedauert hat!“ meinte er, nachdem er einen Moment gelauscht hatte. „Ich hätte es mir auch etwas schneller gewünscht!“ Er schaute in Richtung Schlafzimmertür, dann lauschte er wieder. „Ja, ich habe ihn! - Ja, er ist…soweit wohlauf! - Natürlich hat er sich gefreut...!“ Douglas verzog sein Gesicht zu einer gequälten Grimasse. „...mich zu sehen! - Nein, ich hatte noch nicht die Gelegenheit dazu! - Weil,...weil er heute Nacht einen schwierigen Auftrag zu erledigen hatte und dabei ein paar Schläge abbekommen hat! - Nein, es ist nichts schlimmes, aber ich hielt es für besser, wenn er erst einmal schlafen geht!“ Während er weiter lauschte, nickte er einige Male. „Ja, ich denke, ihr solltet euch auf den Weg machen. Dann könnt ihr hier sein, wenn er aufwacht. Dann können wir ihm gemeinsam alles erzählen! - Ja, finde ich auch!“ Er lächelte einmal kurz. „Schön! Dann entwickeln sich die Dinge ja, wie sie sollen!“ Er nickte zufrieden. „Ich erwarte euch also dann hier! Ruf an, wenn ihr gelandet seid, dann gebe ich dir die Adresse...!“ Wieder lauschte und nickte er. „Prima! Dann bis in ein paar Stunden...! Schatz?“ Er wartete einen Moment. „Ich liebe dich! Vergiss das niemals!“ Er lauschte und strahlte dann breit. „Bis bald!“ Damit kappte er die Verbindung.
Er steckte das Handy wieder ein und legte sich in dem bequemen Sessel zurück. Dabei aktivierte er einen Liegemechanismus, bei der die Lehne sich weiter nach hinten schob und gleichzeitig eine Liegefläche für seine Füße aus dem unteren Bereich des Sessels nach oben klappte. Douglas stieß einen angenehm überraschten Ton aus und rekelte sich erst recht in das weiche Polster.
Während ihm langsam die Augen zufielen, huschten noch einmal die Erlebnisse dieser Nacht an ihm vorbei und einige Gedanken durch seinen Kopf.
Er hatte Christopher gefunden, doch ihm die Sachlage zu erklären, würde unter Umständen beschwerlicher und unangenehmer werden, als er sich das gedacht hatte.
Noch problematischer aber würde sein übermäßiger Alkoholgenuss werden, der ihm möglicherweise seiner körperlichen Fähigkeiten beraubt hatte, sie zumindest aber schwer beeinträchtigt haben könnte.
Ihr Vorhaben, soweit Christopher es überhaupt akzeptieren würde, würde sich dadurch womöglich verzögern.
Und wenn er es nicht akzeptierte?
Douglas hatte mit dieser Möglichkeit nie gerechnet, doch erkannte er, dass er sie nicht mehr ausschließen durfte. Denn urplötzlich wusste er, was an dieser Wohnung hier nicht stimmte. Er schlug seine Augen auf und blickte sich nochmals um, doch er fand nicht, was er zu finden gehofft hatte: Es gab hier kein einziges Bild von Silvia!
Entweder Christopher wollte nicht an sie erinnert werden – oder er hatte sie aus seinem Leben vollkommen gelöscht.
Ersteres wäre am Ende vielleicht sogar hilfreich für sie, Letzteres aber würde eine völlig neue Situation schaffen, die am Ende alles in Gefahr bringen konnte.
„Oh Mann Christopher, tu mir das nicht an!“ Douglas Stimme klang kraftlos und besorgt.
Doch er wusste, dass er selbst jetzt ganz sicher auch alle Kraft brauchen würde, um seinen Freund von ihrer Sache zu überzeugen. Deshalb schloss er wieder seine Augen und kam endlich zur Ruhe.