Читать книгу Dämon II - Alfred Broi - Страница 16
Raumschiffe
ОглавлениеAlles ging jetzt sehr schnell.
Während Christopher ihm ernst zunickte, entfuhr Douglas ein ziemlich genervtes „Verdammt!“
Dann sprang Christopher zu dem Schrank an der rechten Wand, riss eine der Schubladen auf, griff unter sie und holte eine Beretta hervor. Sofort prüfte er den Inhalt des Magazins, war zufrieden, dass es gefüllt war, schob es wieder in den Griff, lud die Waffe durch, entsicherte sie und steckte sie sich in den Gürtel am Rücken.
Douglas huschte ans Fenster und spähte durch den schmalen Schlitz in den Jalousien nach draußen.
„Und?“ fragte Christopher.
„Das sieht nicht gut aus!“ gab Douglas zurück. „Ein Wachtposten vor der Tür...!“ Er konnte den Hünen in dem dunklen Anzug deutlich erkennen, wie er wie ein Türsteher vor einer Disco mit vor dem Bauch verschränkten Händen stand. „...und mindestens zwei verdächtige Fahrzeuge auf der anderen Straßenseite!“ Damit meinte er die beiden Lieferwagen, die Schnauze an Schnauze standen. Bei dem Lkw der Getränkefirma war er sich nicht ganz sicher. „Da werden wir wohl kein Glück haben!“
Christopher nickte ihm zu und rannte zurück zur Eingangstür. Er öffnete sie einen Spalt und spähte hindurch. Die Bürotür einige Meter weiter war nicht verschlossen, sondern halb geöffnet. Dahinter konnte er deutlich den blauen Rücken eines Mechanikers erkennen. Hier würden sie niemals ungesehen nach draußen kommen. Sofort schloss Christopher die Tür wieder. „Hier auch nicht!“ meinte er und schaute in die Runde.
„Und jetzt?“ fragte Talea deutlich nervös.
Christopher schaute sie einen Moment ausdruckslos an, dann sagte er nur. „Das Schlafzimmer!“
Douglas nickte sofort, denn er dachte an die Feuerleiter.
Zusammen mit seinem Freund stürmte er voraus. Der Rest folgte ihnen dichtauf.
Dass Christopher jedoch nicht zum Fenster lief, registrierte er nicht. Er selbst jedenfalls schob seinen Kopf durch die Gardinen und blickte in den Hinterhof und dann zum Ausgang zur Straße. Und spätestens jetzt brachen alle Hoffnungen zusammen, denn als er die vier Männer sah, die dort nur darauf warteten, dass Jemand über diesen Weg zu flüchten versuchte, wusste er, dass sie wohl verloren hatten. „Das ist auch eine Sackgasse, verdammt!“ brummte er, als er sich zurück in den Raum drehte.
„Was dachtest du denn?“ rief ihm Christopher unbeeindruckt zu. Dann wandte er sich an Alfredo. „Helfen sie mir mal?“ Er deutete mit dem Kopf auf sein Bett und griff selbst am Kopfende unter das Gestell. Alfredo brauchte eine Sekunde, bis er verstand, dann griff er unter das Fußende und gemeinsam schoben sie es zur Fensterwand, wo Douglas gerade noch überrascht zur Seite springen konnte.
„Das reicht!“ meinte Christopher, erhob sich, machte einen Schritt zurück und zog wie selbstverständlich eine Holzplatte von einem mal einem Meter Größe im Boden beiseite, gerade dort, wo eben noch das Bett gestanden hatte.
„Was ist das?“ fragte Douglas verblüfft.
„Der Einstieg in mein Raumschiff!“ erwiderte Christopher knapp und machte sich daran, hindurch zu schlüpfen. Ohne Probleme gelangte er in den darunter liegenden Raum, jedoch verharrte sein Kopf kaum unterhalb des Fußbodens. Als er aufblickte und sah, dass ihm niemand folgen wollte, rief er. „Worauf wartet ihr noch?“
Jetzt reagierte Cynthia als erste. Während Christopher unter der Öffnung verschwand, hangelte sie sich ebenfalls durch die Luke nach unten. Zu ihrer Überraschung spürte sie schnell festen Grund unter ihren Füßen und musste schließlich feststellen, dass sich unter der Öffnung eine stufenförmige Holzkonstruktion befand, auf der sie bequem und sicher stehen konnte und von der Christopher mittlerweile heruntergestiegen war. „Alles klar!“ rief sie nach oben. „Kommt schon!“
Das ließen sich die anderen jetzt nicht noch mal sagen. Talea folgte als erste, dann Alfredo, schließlich Francesca, der ihr Sohn natürlich behilflich war, obwohl sie eigentlich gar keine Probleme hatte.
Als sie das oberste Podest verlassen hatte, sprang Christopher wieder nach oben und schaute zu Douglas in das Schlafzimmer. „Nun los Alter! Und zieh das Bett wieder darüber!“
Douglas tat, wie ihm geheißen. Er hockte sich auf den Rand der Öffnung, zog das Bett ein Stück zu sich, dann ließ er sich auf das Podest herab und gemeinsam mit Christopher zog er das Bett wieder in seine Ausgangsposition zurück.
„Alles klar!“ meinte Christopher und während Douglas vom Podest stieg, zog er noch die Klappe sauber über das Loch und verschloss es wieder.
Anschließend kam auch er zu den anderen.
„Was ist das hier?“ fragte Douglas.
„Mein Raumschiff!“ erwiderte Christopher trocken und grinste ihn kurz breit an. Dann huschte er aus dem kleinen Zimmer in den großen Wohnraum.
Alle anderen folgten ihm und waren sehr überrascht, dass auch hier keinerlei Möbel standen. Die Wohnung war von der Raumaufteilung ein Abbild der Wohnung über ihnen, jedoch war sie vollkommen leer und unbewohnt. Christopher aber reagierte nicht auf sie, sondern rannte zur Wohnungstür, öffnete sie und spähte hinaus. Offensichtlich war er zufrieden mit der Situation dort, denn er drehte sich zurück und rief leise. „Die Luft ist rein. Weiter jetzt! Aber leise!“ Er warf allen noch einen mahnenden Blick zu, dann riss er die Tür vollkommen auf und rannte über den Hausflur zur Treppe, die in den Gebäudekeller führte.
Auf halber Strecke blieb er abrupt stehen und lauschte kurz mit besorgter Miene, doch konnte er keine Geräusche wie etwa Stimmen oder gar Schritte hören. Der Trupp war also wohl noch in seinem Büro. Etwas zufriedener riss er sich wieder zusammen und rannte weiter die Treppe hinab. Unten angelangt, öffnete er leise eine weitere Tür und blieb dann stehen, während er allen anderen andeutete, nach links in den Kellergang hinein zu gehen.
Als letztlich auch Douglas erschien, schloss er die Tür wieder leise, rannte an den anderen, die natürlich nicht wussten, wie es weitergehen sollte, vorbei den Kellergang bis zum Ende durch, dann nach rechts in einen kleinen Raum, in dem sich allerlei alter Hausrat befand. Christopher bahnte sich seinen Weg bis an die rückwärtige Wand, an der eine alte Decke gespannt war. Ohne zu zögern fischte er sie an der rechten Seite von dem Haken, an dem sie befestigt war und ließ sie zur Seite klappen. Zum Vorschein kam – ein kleiner Tunnel. Christopher griff nach rechts in ein Holzregal und holte zwei Taschenlampen hervor. Eine davon behielt er und schaltete sie ein, die andere reichte er Douglas.
„Was zum Henker ist das denn jetzt?“ raunte der ihm angesäuert zu und starrte auf den Tunnel.
„Der Geheimgang zu meinen zweiten Raumschiff!“ erwiderte Christopher erneut trocken, dann wandte er sich ab und übernahm wieder die Führung.
Der Tunnel war nicht besonders groß und alle mussten sich tief bücken, um hindurch zu gelangen, doch er war trocken und hatte nur wenige Ecken und Kanten. Aber es war sehr warm und stickig in ihm.
Glücklicherweise dauerte es kaum mehr als eine Minute und sie hatten sein Ende erreicht. Christopher stoppte ab und schaute auf die Bretterwand, die sich vor ihnen auftat. Er reichte Cynthia hinter ihm die Taschenlampe, dann beugte er seinen Oberkörper nach hinten, stützte seine Arme am Boden des Tunnels ab und trat dann mit dem rechten Bein wuchtig dagegen. Er brauchte jedoch zwei Versuche, bevor er sie aus den Angeln befördert hatte und sie in den Raum, der sich anschloss, hineinfiel.
Hiernach richtete sich Christopher wieder auf und stieg hindurch. Während ihm alle anderen langsam folgten, rannte er zur Frontseite des Raumes und knipste eine kleine Deckenlampe an.
Sofort konnten alle erkennen, dass sie sich in einem weiteren Kellerraum befanden. Alle Wände waren mit deckenhohen Holzregalen versehen und vollgepackt mit Kartons und Kisten unterschiedlicher Größen.
Christopher öffnete die Eingangstür und deutete allen an, an ihm vorbei in den angrenzenden Kellergang zu gehen.
„Wo sind wir?“ fragte Douglas, als er neben Christopher stand und schaute seinen Freund direkt an. Als Christopher den Mund öffnete, um zu antworten, schüttelte er jedoch den Kopf. „Nein, sag es nicht! In deinem Raumschiff!“ Er musste kurz grinsen.
Doch Christopher schaute nur verständnislos zurück. „Quatsch! In Barneys Keller!“ Er schüttelte genervt den Kopf. “Blödmann!”
Dann drehte er sich um und übernahm wieder die Führung, während er einen äußerst angepissten Douglas zurückließ.
In einem der anderen Kellerräume konnten sie zwei Männer entdecken, die gerade damit beschäftigt waren, Getränkekästen einzuräumen. Als sie die Gruppe wahrnahmen, schauten sie ihnen verdutzt aber stumm hinterher.
Christopher hetzte schließlich die Kellertreppe hinauf, die sie in einen kleinen Flur führte, der hinter der Küche des Lokals lag. Während Christopher dort zur Vorsicht erst einmal hineinspähte, folgten ihm die anderen wieder.
Dann erkannte er, dass niemand in der Küche war und er huschte hindurch, um am anderen Ende hinter dem Tresen in das Lokal zu gelangen.
In dem Moment aber, wo er die andere Seite erreicht hatte, kam Barney aus dem Lokal in die Küche. Als er Christopher sah, war er sichtlich verdutzt. „Chris?“ Er erstarrte in seiner Bewegung und seine Augen weiteren sich. „Was ist los?“ Dann sah er die anderen Personen hinter ihm, von denen er natürlich nur Douglas wiedererkannte. „Wer sind all diese Leute? Und was macht ihr hier?“
Christopher musste kurz lächeln, dann wurde er wieder ernst. „Hör zu, Barney!“ Er legte dem Alten beide Hände auf die Schultern und schaute ihm tief in die Augen. „Du erinnerst dich, dass ich dir erzählt habe, dass in meinem ersten Leben in New York nicht alles wirklich glatt gelaufen ist?“
Barney nickte.
„Dann weißt du auch noch, dass ich dir gesagt habe, dass es sein könnte, dass ich eines Tages sehr schnell von hier verschwinden muss!?“
„Ja, weiß ich! Und?“
„Na, wie es aussieht, ist dieser Tag heute gekommen!“
Barney schien im ersten Moment nicht zu verstehen, doch dann bekam er riesig große Augen und er atmete erschrocken ein. „Du meinst?“
Christopher nickte. „Genau! In meinem Büro und in meiner Wohnung wimmelt es gerade von widerwärtigen Parasiten, die mich aussaugen wollen!“
„Und wer sind alle diese Leute?“ Er deutete auf Douglas und die anderen.
Christopher schaute hinter sich, dann wieder mit einem Lächeln zu Barney. „Freunde aus meinem früheren Leben!“
„Ist bei ihnen das Gleiche schiefgelaufen, wie bei dir?“
Christopher musste leise auflachen. „Im Großen und Ganzen, ja!“
Barney nickte und betrachtete die anderen mit einer gewissen Ehrfurcht.
„Steht mein Wagen noch in deiner Garage?“
Wieder nickte Barmey. „Natürlich? Wo sollte er sonst sein?“
„Na ja...!“ Christopher grinste. „...hätte ja sein können, dass du dir den Hobel mal ausborgen wolltest, um ein paar hübsche Frauen aufzureißen!“
Barney schaute ihn erst ausdruckslos, dann ernst an. Schließlich brummte er verächtlich. „Mein Sexleben ist vollkommen in Ordnung, Mr. Peabody! Ich brauche keine künstliche Schwanzverlängerung dafür! Du scheinbar schon, was?“
„Was?“ Barneys Bemerkung schockte Christopher sichtlich. „Nein!“ Er schaute zu den anderen, die ihn deutlich musterten. „Wie kommst du denn darauf?“ Er schüttelte vehement, aber doch leicht errötet den Kopf. „Wir haben jetzt auch keine Zeit mehr für einen langweiligen Plausch mit einem alten Sack!“ Er grinste Barney breit an, dann drehte er sich um und wollte schon wieder in der anderen Richtung davonlaufen, als der Alte ihn zurückhielt.
„Halt! Warte!“
„Was?“
„Was ist mit Karen?“
Christopher hielt inne und zog seine Augenbrauen zusammen. „Was soll mit ihr sein?“
„Na, ich nehme an, sie sitzt in deinem Büro und arbeitet!“
„Ja, und?“
Barney zog die Augenbrauen in die Höhe. „Mann! Wenn du sagst, das da gerade Leute bei ihr sind, denen du nicht begegnen willst, die dich aber offensichtlich unbedingt finden wollen, dann...!“
„Dann was?“ Christopher wurde sichtlich ungeduldig.
„...könnte es sein, dass sie sich nicht mit einem Tut mir leid, ich weiß nicht, wo er ist! von Karen zufrieden geben und ihren Frust dann an ihr auslassen!“
Es dauerte nur einen halben Sekundenbruchteil und Christopher hatte verstanden. „Ach du Scheiße!“ Sein Gesicht zeigte bittere Erkenntnis, Entsetzen und Sorge zugleich. „Du hast Recht!“
Barney schürzte die Lippen. „Ich weiß, dass ich recht habe!“
„Er hat Recht!“ Christopher drehte sich zu den anderen und nickte mehrmals.
„Ja…!“ Douglas brachte dieses Wort lang gezogen, voller Frust und mit zerknautschtem Gesicht hervor. „...hat er!“
„Wir müssen ihr helfen!“ rief Christopher.
„Ja, müssen wir!“ Wieder kamen Douglas Worte äußerst angesäuert. „Verdammt, ich wusste, dass so etwas passieren würde!“ Er atmete einmal tief durch. „Oh, wie ich das alles hasse!“
Doch dann machte er sich schon auf den Weg in das Lokal.
Sie hatten Glück, denn sie konnten aus den Frontscheiben von Barneys Lokal ungesehen die komplette Straße überschauen und sich einen guten Überblick über die Situation verschaffen.
Fakt war, dass vor dem Haus ein riesiger Kerl als Wachposten stand, dessen Waffe man in einem Schulterhohlster deutlich unter dem Jackett erkennen konnte.
Dass der Fahrer des grünen Lieferwagens zu dieser Drecksbande gehörte, sah man ihm sofort an. So unbeteiligt, wie er zu wirken versuchte, konnte niemand sein.
Ansonsten aber war niemand zu sehen. Zusammen mit den vier Männern, die im Gebäude selbst waren und den vier Kerlen hinter dem Haus machte das insgesamt zehn Gegner.
Schnell waren sich alle einig, dass sich Francesca, Alfredo und natürlich auch Barney aus diesem Kampf heraushalten sollten.
„Ihr kümmert euch um die Jungs von der Brauerei und sorgt dafür, dass sie hier drinnen bleiben!“ meinte Christopher.
Niemand widersprach ihm, alle nickten und die drei machten sich auf den Weg in die Küche.
Somit verblieben auf ihrer Seite also noch vier Personen, von denen...
Christopher wollte Cynthia und Talea gerade allenfalls als Hilfe betrachten, als Douglas Frau eine Handfeuerwaffe zog.
„Seit wann kannst du mit so was umgehen?“ fragte Christopher sichtlich überrascht.
Cynthia lächelte verschwörerisch. „Zu irgendetwas muss ein Bulle als Ehemann ja gut sein!“
Christophers Kopf wirbelte herum. „Doug!“ rief er erbost.
„Was?“ Douglas beobachtete weiterhin die Straße.
„Wie kommst du dazu, deiner Frau den Umgang mit der Waffe beizubringen?“
„Lass gut sein!“ meinte Cynthia aber sofort. „Das ist eine lange Geschichte. Wichtig ist nur...!“ Sie wartete, bis Christopher sie ansah. „...dass ich es kann!“ Wie zur Bestätigung klinkte sie das Magazin aus, prüfte es, schob es dann wieder in den Griff und lud die Waffe durch.
Talea neben ihr tat es ihr gleich.
„Und sie?“ fragte Christopher.
„Dito!“ Talea grinste kurz.
Christopher schüttelte den Kopf und blies die Luft in die Wangen. „Weiber!“ Dann drehte er sich um und ging zu Douglas.
„Schon eine Idee?“ fragte sein Freund.
„Nicht wirklich!“ meinte Christopher.
„Nutzt, was da ist!“ Cynthia und Talea waren hinter sie getreten. Douglas und Christopher drehten sich überrascht zu Cynthia um.
„Was meint du?“ fragte Douglas.
Cynthia lächelte und deutete mit dem Kopf aus dem Fenster. „Den Wagen der Brauerei!“
„Was?“ Douglas verstand nicht.
Dafür Christopher sofort. „Natürlich!“ Sein Gesicht erhellte sich. „Prima Idee!“ Er lächelte Cynthia an, dann wandte er sich mit ernster Miene an seinen Freund. “Warum kommt von dir so was eigentlich nie?”
„Was?“ Douglas war jetzt unangenehm verwirrt.
„Ja, schon gut Alter! Hier ist der Plan...!“
Als er geendet hatte, fragte er. „Alles klar?“
Talea und Cynthia nickten, Douglas aber nicht.
„Okay!“ Christopher übersah das. „Dann los jetzt!“
„Moment!“ Douglas hielt ihn zurück.
„Was ist jetzt noch, Doug?“
„Was ist mit den vier Pennern an der Rückfront?“ Er schaute Christopher fragend an. Cynthia und Talea hielten inne und taten das ebenfalls, denn in der Tat hatte Christopher sie mit keiner Silbe erwähnt.
Christopher wusste das und lächelte verlegen. „Behalten wir die im Sinn und gehen mal davon aus, dass wir wieder draußen sind, bevor sie reinkommen!“
„Und wenn nicht?“ fragte Talea.
„Kein Gewinn ohne Risiko!“ erwiderte Christopher, der wusste, dass das ein blöder Spruch war.
„Oh ich wusste es!“ brummte Douglas verärgert.
„Was?“ rief Christopher.
“Dein Plan ist ein feuchter Furz und voll Scheiße!“
„Ja, und?“
„Das ist genau wie immer, verdammt! Es hat sich nichts geändert!“
„Und was zum Geier sollen wir jetzt tun?“ Christopher war jetzt ebenfalls angepisst.
„Na, was wohl?“ Douglas brummte wieder mürrisch. „Das was wir immer tun!“ Er atmete tief durch. „Nicht nachdenken, Arschbacken zusammenkneifen und dann ab durch die Mitte!“
Der Wagen der Brauerei stand ziemlich genau vor dem Eingang von Barneys Bar. Deshalb konnten sie sie auch verlassen, ohne dass man sie dabei beobachten konnte.
Sie huschten über den Bürgersteig zu dem Lieferwagen, Douglas öffnete leise seine Seitentür und sie schlüpften hinein.
Während er durch die Seitenscheibe auf der anderen Seite des Innenraums zu dem Wachtposten an der Tür blickte und ihn beobachtete, suchten Christopher und Talea nach irgendetwas, dass sie mehr wie Mitarbeiter der Brauerei aussehen ließ. Cynthia ihrerseits blieb vor einem Paket mit kleinen Halbliterflaschen Mineralwasser aus Plastik stehen, riss die Plastikfolie auf, entnahm alle sechs Flaschen, schraubte sie auf, sodass es zischte, schüttete kurz ein wenig von dem Inhalt auf den Boden und verschloss sie wieder.
Talea war inzwischen fündig geworden und hielt eine Jacke mit dem Namenszug der Brauerei auf dem Rücken in die Höhe. „Die ist für dich!“ sagte sie und gab sie Christopher.
„Wieso für mich?“ fragte er sofort.
„Weil sie mir zu groß ist...!“ Und das war sie wirklich. Selbst Christopher kam sie noch wie ein Zelt vor. „...und ich in meinem Overall schon ganz gut aussehe!“
Christopher grinste kurz und nickte. „Aber dann nimm wenigstens die hier!“ Auch er war fündig geworden und hatte drei Schirmmützen aufgetan. Talea nahm eine davon wortlos mit einem Nicken entgegen, denn so konnte sie ihre langen Haare gut verbergen.
„Hier!“ Christopher reichte Cynthia ebenfalls eine.
„Danke!“ Sie nahm sie und setzte sie so auf, dass auch sie ihre Haare gut darunter verstecken konnte.
„Was machst du da?“ fragte Christopher, als er sah, was sie mit den Wasserflaschen getan hatte.
„Wir müssen den Kerl schnell und ohne Lärm erledigen, richtig?“
Christopher nickte. „Richtig!“
„Dann übernehmt ihr beide die Vorhut und lenkt ihn ab. Den Rest mache ich!“
„Und wie?“
„Diese Dinger...!“ Sie warf eine Flasche hoch, ließ sie in der Luft einmal um ihre Achse wirbeln und griff dann wieder fest zu. „...sind geile Wurfgeschosse!“ Sie grinste breit.
„Stimmt!“ Douglas drehte sich zu ihnen. „Damit hat sie mal einen Taschendieb außer Gefecht gesetzt. Der war sofort ausgeknockt und hatte danach tierische Kopfschmerzen!“ Auch er grinste breit.
„Und warum hast du sie geöffnet?“ fragte Talea.
„Verschlossen sind diese Dinger wie Beton. Ich will ihn nur umhauen, nicht umbringen!“
Talea nickte.
„Und du glaubst, du triffst ihn mit einem Wurf?“
„Klar!“ Cynthia antwortete absolut selbstsicher.
„An ihr ist ein echter Quarterback verloren gegangen!“ meinte Douglas und lächelte seine Frau liebevoll an. „Präzise und sehr hart!“ Er schaute zu Christopher. „Vertrau ihr!“
„Und achtet auf meinen Pfiff!“ fügte Cynthia noch hinzu.
Christopher nickte. „Also gut, dann los!“
Er und Talea stiegen aus der geöffneten Heckklappe des Lieferwagens. Talea schulterte eine leere Getränkekiste, Christopher ein leeres Zehn-Liter-Bierfass.
Natürlich trugen sie sie so, dass sie ihre Gesichter dabei so weit es ging verdeckten und sie wählten leere Gegenstände, um im Notfall noch schnell reagieren zu können.
Gemeinsam gingen sie mit halb gesenktem Kopf auf den Wachtposten an der Tür auf der anderen Straßenseite zu.
Der blieb nur im ersten Moment scheinbar unbeteiligt, dann aber öffnete er seine Arme, die er vor dem Körper verschränkt hatte. Damit war klar, dass ihm nicht gefiel, was er sah und damit war auch klar, dass sie ihn nicht mehr überraschen konnten.
Dennoch flüsterte Christopher, der in Taleas Gesicht Zweifel sehen konnte, zu, dass sie weitergehen sollte. Je näher sie ihm kamen, desto mehr verdeckten sie sein Blickfeld und desto besser konnte Cynthia agieren.
Und genau das tat sie auch. Langsam schob sie sich an der verdeckten Heckklappe vorbei, beobachtete aufmerksam Chris und Talea, sowie den Kerl und die weitere Umgebung, eine der Wasserflaschen fest ihn der rechten Hand und wartete auf den richtigen Moment zum Zuschlagen.
Mittlerweile hatten Chris und Talea den Kerl fast erreicht.
„Was wird das?“ fragte der sofort und ohne jegliche Freundlichkeit.
Christopher schaute auf und lächelte freundlich, während er weiter auf ihn zuging. „Wir bringen Getränke für Mr. Peabody!“ Im Gesicht des Mannes zeigte sich jedoch keine Reaktion. Plötzlich hörte Christopher deutlich einen Pfiff hinter sich. „Wir haben auch was für sie dabei!“
„So?“ Jetzt war der Mann doch etwas irritiert und er blickte suchend an ihnen entlang. „Wo?“
„Hier!“ Christopher verlor sein Lächeln und zuckte blitzschnell zur Seite.
Damit gab er den Weg für Cynthias Geschoss frei. Mit einem kurzen Pfeifen schoss die Wasserflasche zwischen ihm und Talea hindurch und krachte nur einen Wimpernschlag später in das völlig verdutzte Gesicht des Wachtpostens, wo sich die beiden sofort von den enormen Auswirkungen des Wurfes überzeugen konnten. Es gab einen dumpfen Knall und noch während die Wasserflasche zerplatzte, wurde der zwei Meter große und mindestens einhundert Kilo schwere Körper des Mannes aus dem Stand heraus nach hinten gegen die Hauswand geschleudert, wo er wuchtig dagegen schlug und ohne irgendeinen weiteren Mucks ohnmächtig zu Boden sank.
Christopher zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe, da er nicht damit gerechnet hatte, dass eine simple, kleine Wasserflasche derartigen Totalschaden anrichten konnte. Doch er konnte es selbst sehen und war sehr zufrieden.
Ihnen war von vornherein klar gewesen, dass sie im Wagen der Brauerei und vielleicht auch noch bis zur Mitte der Straße für den Fahrer des grünen Lieferwagens unentdeckt bleiben, dann jedoch seine Aufmerksamkeit haben würden.
Also war klar, dass er ihre Aktion zum Ausschalten des Wachtpostens mitbekommen und Alarm schlagen würde.
Um das aber zu verhindern, hatten sie ja Douglas.
Er hatte sich aus der seitlichen Tür des Brauereifahrzeugs auf den Bürgersteig und an den parkenden Fahrzeugen entlang bis zur Beifahrertür des Lieferwagens des Sanitärdienstes geschlichen.
Dort machte er sich noch kleiner und schob sich langsam und vorsichtig zwischen diesem Wagen und dem grünen Ford hindurch zur Straßenseite. Als er das geschafft hatte, spähte er zu Christopher und Talea und hoffte, dass dort alles glatt gehen und nicht zu lange dauern würde. Denn beim Blick in die Höhe konnte er schemenhaft erkennen, wie sich der Kerl am Steuer des Fords bereits bewegte.
Aber schon eine Sekunde später klatschte die Wasserflasche in die miese Visage des Hünen und er krachte gegen die Hauswand.
Das war das Zeichen für Douglas. Ohne zu zögern spritzte er in die Höhe, machte dabei einen Sprung in Richtung Fahrertür und wollte sich mit aller Kraft durch das geöffnete Seitenfenster in den Innenraum werfen, um den Fahrer dort auszuschalten. Doch das Schicksal meinte es gut mit ihm. Wie als müsse er sich erst aus dem Seitenfenster herausbeugen, um sicher zu sein, dass der Kerl an der Tür umgehauen wurde, schob er seinen Oberkörper nach außen und gab Douglas damit freies Feld zum Agieren.
Einen Augenblick später donnerte ein irrsinnig wuchtiger Faustschlag gegen seine linke Gesichtshälfte, die ihn so schnell und trocken erwischte, dass er sie sicher nicht einmal hatte kommen sehen. Mit einem dumpfen Klatschen und einem halb erstickten Aufschrei, wurde er zurück gegen den Türrahmen geschleudert, wo er die Besinnung verlor, während sein Kopf kurz wie ein Punchingball hin und her zappelte.
Zufrieden mit seiner Tat, drehte sich Douglas zur Straße und hob mit einem breiten Grinsen kurz beide Daumen. Während die Geste mit einem knappen Nicken von Christopher erwidert wurde, konnte er sehen, dass Cynthia über die Straße huschte und sich den beiden anschloss.
Er selbst drehte sich zurück zu dem Fahrer, drückte ihn so in den Innenraum zurück, dass er weiterhin zumindest einigermaßen aufrecht hinter dem Steuer saß, dann huschte er ans Ende des Fords und von dort zurück zum Bürgersteig. Sie waren sich alle nicht sicher gewesen, doch so wie sie ihren Gegner aus der Vergangenheit einschätzten, war der Laderaum des Lieferwagens sicher nicht unbewohnt.
Zusammen mit Cynthia machten sich Christopher und Talea daran, in das Innere des Gebäudes zu gelangen.
„Geiler Wurf!“ meinte Christopher anerkennend und Cynthia huschte ein Lächeln über die Lippen.
Dann hielten alle für einen Moment inne, als sie den Hausflur erreicht hatten.
Deutlich waren männliche Stimmen zu hören, die lauter waren, als bei einem normalen Gespräch. Christopher erkannte zudem, dass sie aus seiner Wohnung und nicht mehr aus dem Büro kamen.
Er legte seinen Finger auf die Lippen und huschte dann die Treppe halb hinauf, hielt dort nochmals inne, erkannte, dass der Flur frei war und beschleunigte dann beinahe lautlos. Die beiden Frauen hielten problemlos mit und nur eine Sekunde später standen sie direkt vor Christopher Wohnungstür, die bis auf einen schmalen Spalt geschlossen war.
Plötzlich ertönte eine kräftige, verärgerte Männerstimme. „Wo sind sie hin?“
„Ich...!“ Das war Karens Stimme, die weit weniger kräftig, dafür aber sehr überrascht klang. „...weiß es nicht!“
Christopher schaute zu Cynthia und Talea. Er deutete an, dass er vorhatte, die Tür mit seinem rechten Bein aufzutreten, dann hineinzustürmen, um mit dem Überraschungseffekt Punkte zu sammeln.
Beide Frauen nickten.
Christopher atmete einmal tief durch, zählte innerlich bis drei, dann hob er das rechte Bein an und donnerte es gegen die Tür, die daraufhin blitzartig aufflog.
Sofort danach stürmte Christopher vor. Mit einem einzigen Blick erfasste er die Situation, die sich ihnen im Wohnraum seiner Wohnung bot.
Direkt neben dem Küchentresen stand einer der beiden Mechaniker. Er hatte eine Waffe in der rechten Hand und schaute in Richtung Fensterfront.
Hinter der Couch, vielleicht nur zwei Meter vom Eingang entfernt stand der zweite Mechaniker. Ob er eine Waffe in der Hand hielt, konnte er nicht sagen, denn er stand seitlich zu ihm.
An der gegenüberliegenden Wand, direkt vor dem Wohnzimmerschrank in der Nähe des Ledersessels stand der kleinere der beiden Schlipsträger. Schräg vor ihm stand Karen.
Als die Tür aufflog, warfen alle ihre Köpfe in die entsprechende Richtung und starrten auf das, was auf sie zugestürmt kam.
Christopher hielt sich links an den Kerl am Tresen und hoffte, dass Talea oder Cynthia - oder beide – sich mit dem Kerl rechts neben der Tür befassen würden.
Deutlich konnte er sehen, dass sein Gegner bereits die Waffe anhob und auf ihn zielen wollte. Doch Christopher machte zwei weitere Schritte, dann riss er mit einem lauten Brüllen das leere Bierfass in die Höhe und ließ es auf Kopfhöhe waagerecht kreisen. Der Kerl hatte keine Chance. Ein lauter, hohler Schlag war zu hören, dann hüpfte er förmlich aus dem Stand über den Küchentresen und schlug bewusstlos zu Boden. Dabei verlor er seine Waffe und Christopher aufgrund der großen Wucht seines Schlages das Bierfass aus den Händen, sodass es quer durch die Küche flog und wuchtig in einen Hängeschrank mit verglasten Türen krachte und dort alles kurz und klein pflügte.
Christopher ärgerte sich darüber nur einen Sekundenbruchteil, dann wirbelte er herum zu Karen und dem Kerl hinter ihr, der sein nächstes Opfer werden sollte. Er konnte jedoch gerade noch in Karens Gesicht schauen, in dem er außer einer großen Portion Überraschung, noch etwas anderes sah - das er im Moment aber nicht zuordnen konnte - und erkennen, dass der Kerl hinter ihr seine Waffe in die Höhe gerissen hatte, als er wieder etwas durch die Luft sirren hörte.
Fast zeitgleich krachte eine weitere Wasserflasche, abgefeuert von der in der Tür stehenden Cynthia mit großer Wucht gegen den Brustkorb des Mannes und zerplatzte dort beinahe explosionsartig. Der Kerl schrie auf, war vollkommen überrascht und taumelte einen Schritt nach hinten, während er die Arme in die Höhe riss. Zu diesem Zeitpunkt war Cynthia längst losgespurtet, auf den Couchtisch gesprungen und sauste jetzt von dort aus mit ausgestrecktem rechten Bein auf ihn zu. Im nächsten Moment donnerte ihr Fuß auf seine Brust und ihre Masse schleuderte ihn weiter nach hinten, wo er rüde in den Wohnzimmerschrank krachte und dann seitlich von ihr zu Boden gerammt wurde, sodass das altersschwache Möbelstück vollkommen auseinanderbrach und er die Besinnung verlor.
Zur selben Zeit war Talea bei ihrem Gegner und nutzte ihrerseits die Getränkekiste, die sie in den Händen hatte, ebenfalls als Schlaginstrument. Da sie aber wesentlich leichter war, als das Bierfass und sie nicht die gleiche Kraft aufbringen konnte wie Christopher, gab sie dem Kerl vor ihr die Möglichkeit seine Hände schützend vor den Kopf zu reißen. Als die Kiste dann dagegen krachte, schrie der Mann wütend auf, doch konnte er nicht verhindern, dass er seine Waffe aus den Händen verlor.
Sofort setzte Talea nach und war dabei unerbittlich. Zwei Mal sauste ihr ausgestrecktes rechtes Bein blitzschnell hintereinander seitlich gegen seinen Oberkörper, dann sprang sie vor, packte das Revers seines Overalls, riss ihn erst kurz nach rechts und dann kraftvoll nach links. Der Kerl war völlig hilflos und als Talea ihn los ließ, polterte er mit einem waschechten Salto über die Couchlehne und schlug schließlich mit dem Rücken auf den Couchtisch, der daraufhin unter seinem Gewicht zusammenbrach.
Er hatte aber gerade noch die Zeit, mit großen Augen nach Luft zu ringen, als sich Talea auch schon mit einem mächtigen Sprung ebenfalls über die Couchlehne auf ihn stürzte und ihm ihr linkes Knie gnadenlos in den Unterleib rammte. Ein schmerzhaftes Aufstöhnen noch, dann krachte eine knallharte rechte Gerade in sein Gesicht und alle Lichter in ihm erloschen fürs erste.
Christopher hatte zunächst Cynthia und dann Talea für eine halbe Sekunde bei ihren Aktionen zuschauen können und wollte gerade beeindruckt und sprachlos über ihr Vorgehen sein, als er in den Augenwinkeln einen Schatten sah, der aus seinem Schlafzimmer kam. Sofort erkannte er ihn als den fehlenden vierten Mann, den Zwei-Meter-Hünen im Anzug. Er hatte eine Waffe vor seinem Körper in Anschlag gebracht und zielte auf Cynthia.
Christopher erschrak, seine Augen zuckten herum, fanden auf dem Küchentresen eine kleine Glasschale, seine Hände griffen sofort danach und schon sauste sie kraftvoll durch die Luft.
Ein schmerzhafter Aufschrei zeugte von einem Treffer, bei dem die Schale an den Händen des Mannes zersprang und ihm dabei die Waffe aus der Hand riss.
Entsetzt und überrascht starrte der Kerl Christopher an, der damit rechnete, dass er ihn jetzt angreifen würde, doch stattdessen wirbelte er auf dem Absatz herum und stürmte zurück in das Schlafzimmer.
Das Fenster!, schoss es Christopher sofort in den Kopf und er setzte hinterher.
Doch das Schlafzimmer war klein, der Kerl mit zwei großen Sätzen an der gegenüberliegenden Wand. Schon schob er seinen Oberkörper durch die Gardinen, wandte seinen Kopf nach rechts und rief lauft: „Jack?“
Einer der vier Männer, die den Innenhof bewachten, blickte auf, doch konnte er gerade noch erkennen, wie sein Kollege in der Wohnung der Zielperson sich wieder in das Innere schob.
Absolut unfreiwillig, doch das konnte er ja nicht ahnen. Denn Christopher handelte schnell und kompromisslos. Er packte den Kerl am Fenster mit beiden Händen am Kragen, riss ihn förmlich zurück in das Zimmer und schleuderte ihn mit aller Kraft über das Bett hinweg gegen die gegenüberliegende Wand, wo er hart mit dem Rücken aufschlug und mit einem tiefen Stöhnen kraftlos zu Boden sank.
Christopher aber wusste, dass das nur die halbe Miete war, also beugte er sich aus dem Fenster und sorgte dafür, dass die Gardine sein Gesicht halbwegs verdeckte. Tatsächlich konnte er sehen, dass der eben angesprochene Jack mit ernster Miene zu ihm heraufschaute. „Fehlanzeige!“ rief er schnell. „Hat sich erledigt!“ Er hoffte, er konnte den Kerl täuschen und ein deutliches „Alles klar!“ zeigte ihm, dass es ihm gelungen war. Zufrieden wandte er sich ab und wollte schon das Zimmer verlassen, als sein Blick auf die Decke an der Wand neben dem Bett fiel. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er wohl nie wieder hierher zurückkehren würde und obwohl er Silvia und die Erinnerungen an sie stets und zuallererst immer in seinem Herzen getragen hatte, konnte ein Bild von ihr jedoch nicht schaden. Also schob er die Decke beiseite machte einen Schritt in den Raum hinein, betrachtete kurz die Bilderwand und nahm dann ein kleines Polaroid-Foto an sich, in dem Silvia verträumt in die Kamera lächelte, während die Sonne ihr wundervolles Antlitz noch mehr erstrahlen ließ. Mit einem liebevollen Lächeln küsste er ihr Bild, dann steckte er es in die Brusttasche seines T-Shirts.
Draußen auf der Straße hatte Douglas gerade laut und deutlich gegen die Seitentür des Fords geklopft. „Hey Mann, mach auf!“ sagte er beinahe gelangweilt und mürrisch. Sofort danach drückte er seinen Körper dicht an die Tür und spannte ihn an.
Er brauchte nicht lange zu warten und die Tür wurde geöffnet. Ahnungslos beugte sich der Mann im Inneren hinaus. Nur ein kleines Stück, doch das reichte Douglas vollkommen aus.
Er ergriff den äußeren Öffnungshebel und schob die Tür mit aller Kraft wieder zu. Der Mann hatte keine Chance, wurde eingeklemmt und die Tür knallte ihm hart in die Seite. Er schrie auf, doch da hatte Douglas die Tür schon wieder aufgerissen, legte wie beiläufig seine rechte Hand an seinen Kopf und donnerte ihn nochmals mit großer Wucht gegen das Chassis. Ein kurzes Stöhnen, dann wich jegliche Kraft aus dem Körper des Mannes und Douglas konnte ihn problemlos auf den Bürgersteig ziehen.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass im Innenraum niemand sonst mehr war, schloss er den Laderaum wieder und zog den bewusstlosen Mann in einen Hauseingang um eine Ecke, sodass man ihn von der Straße aus nicht mehr sehen konnte.
Jetzt konnte er den anderen zur Hilfe eilen.
Christopher wandte sich um und verließ den Raum mit Silvias Bildern. Gerade hatte er die Gedanken an sie wieder verdrängt und wollte sich ihrer Mission zuwenden, als ein großer, schwarzer Schatten auf ihn hernieder stürzte und ihn irrsinnig hart gegen die Wand neben dem Fenster drückte.
Zu seiner Überraschung musste Christopher erkennen, dass der Hüne nicht so bewusstlos war, wie er zu sein schien und sich jetzt wütend auf ihn stürzte.
Doch Christopher war so leicht nicht zu überwinden. Er stemmte sein rechtes Bein in die Wand hinter ihm, packte den Kerl wieder am Kragen, drückte sich dann ab und gemeinsam krachten sich auf und schließlich über das Bett hinweg, das unter ihrem Gewicht zusammenstürzte.
Blitzschnell rappelten sich beide Männer wieder auf. Christopher verpasste dem Kerl vor ihm eine harte Kopfnuss, die ihm sofort wieder Kopfschmerzen verursachte, dann wirbelte er blitzschnell um seine eigene Achse. Für seinen Gegner eine überraschende Aktion, konnte er nicht verhindern, dass Christopher ihm aus den Händen glitt, dieser ihn fast gleichzeitig selbst losließ und er seitlich durch die Schlafzimmertür quer über den Flur polterte und hart direkt neben der Badezimmertür gegen die gegenüberliegende Wand krachte.
Bevor er jedoch mehr als einmal aufschreien konnte, war Christopher schon bei ihm, ergriff ihn erneut mit der linken Hand am Kragen, donnerte ihm sofort danach einen Faustschlag in den Magen, dann zuckte auch seine rechte Hand nach oben, er wirbelte wieder um seine eigene Achse und warf seinen Gegner schließlich wuchtig gegen die Wand neben dem Küchentresen.
Während der Kerl wieder aufstöhnte und sichtlich schon angeschlagen war, schaute Christopher zu Cynthia und Talea, die ihn mit ernster Miene anstarrten.
„Raus hier!“ rief er ihnen zu und deutete auf Karen.
Das ließen sich die beiden Frauen nicht zweimal sagen. Cynthia schnappte sich Karen und zusammen mit Talea rannten sie zur Wohnungstür.
Christopher hechtete zu seinem Opfer und wollte es endgültig zu Boden strecken. Doch der Kerl sorgte mit einem überraschenden Gegenangriff dafür, dass sie sich quasi ineinander verkeilten und mehrmals um die eigene Achse drehten, während sie verbissen miteinander rangen. Dabei kamen sie der Ausgangstür immer näher und schossen schließlich durch sie hindurch und an den drei Frauen vorbei auf die Treppe zu, wo sie beide den Halt verloren. Wild polterten sie die Stufen hinab und stöhnten mehrfach schmerzvoll auf. Am Ende lag Christopher unter dem Kerl und es schien, als könne der diesen Vorteil für sich nutzen, doch dann gelang es seinem Gegner ihn über sich hinweg nach unten zu schleudern, wo der Hüne brüllend und sehr hart auf den Boden klatschte und mit seiner Besinnung ringen musste.
Christopher wirbelte auf der Treppe herum, erhob sich mit einem tiefen Stöhnen, sprang zu seinem Gegner, riss ihn in die Höhe und schleuderte ihn mit dem Rücken voran und einem wütenden Aufschrei durch die Haustür auf die Straße.
Sicherlich wäre er wieder mit dem Rücken voran zu Boden gestürzt und letztlich endgültig geschlagen gewesen, wenn nicht das parkende Auto direkt vor dem Haus seinen Sturz vorzeitig abgebremst hätte. Der Schlag des Rückens gegen die Beifahrertür aber war derart hart, dass die Scheibe dort zerbarst.
Während die drei Frauen die Treppe herabliefen und zu Christopher aufschlossen, der gerade aus dem Haus ging, war deutlich zu sehen, dass sich der Kerl kaum noch auf den Füßen halten konnte.
Schweratmend drehte er sich zur linken Seite, sein linker Arm rutschte über die Frontscheibe auf die Kühlerhaube, wo sein Oberkörper vornüber kippte und er versuchte, zu Atem zu kommen.
Kaum aber hatte er das getan, als er sich mit einem angewiderten Stöhnen blitzartig wieder aufrichtete, schließlich die Augen verdrehte und bewusstlos zu Boden sank.
„Was war das denn?“ fragte Cynthia überrascht.
Christopher zuckte mit den Schultern.
„Da hat Jemand auf den Wagen gekotzt!“ rief Talea beim Blick auf die Kühlerhaube und verzog angewidert das Gesicht.
„Wer macht denn so was?“ fragte Cynthia verärgert und schaute Christopher an.
Doch der zuckte erneut nur vollkommen unbeteiligt mit den Schultern. „Keine Ahnung! Aber es hat geholfen!“