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Hymne

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Der Long Island Expressway war vollgestopft mit einer kilometerlangen Blechlawine. Tausende Scheinwerferaugen blinzelten sich ihren Weg durch die Dämmerung des frühen Abends gen Osten.

Es schien so, als wäre die halbe Stadt auf den Beinen, um im Schutz der Dunkelheit für staufreie Autobahnen zu demonstrieren.

Und in der Tat, so war es auch!

Also nicht etwa, dass es sich hier um eine geheimnisvolle Massenkundgebung frustrierter Autofahrer handelte, sondern vielmehr, dass tatsächlich die halbe Stadt auf den Beinen war.

Jetzt, gegen 19.30 Uhr war das höchste Verkehrsaufkommen des ganzen Tages und nicht nur dieser Expressway hatte seine Kapazität längst überschritten.

Dennoch blieb das Chaos aus, das doch eigentlich angesichts dieser Automassen schon vorprogrammiert schien.

Denn der heranwachsende New Yorker lernte eines ziemlich schnell: Sich damit abzufinden, seinen Wagen niemals ausfahren zu können, weil spätestens nach fünfzig Metern die nächste Stoßstange vor einem auftauchte.

Man konnte fluchen und hupen, brüllen und schreien, aber man musste verdammt nochmal versuchen, ruhig zu bleiben und den Abstand zum Vordermann auf einem Minimum zu halten, damit nicht irgendein Drängler die Situation ausnutzte und sich dazwischen zwängte.

Und so gingen sie alle für Minuten eine ungeliebte Gemeinschaft ein, die jedoch notwendig war, wenn man nicht gerade vorhatte, die ganze Nacht auf diesem verfluchten Expressway zu verbringen.

Also beugte man sich dem Gesetz der Masse und ließ sich treiben im Stau der stinkenden Auspuffgase, die einem die überfällige Zigarette ersparen konnten - konnten.

Tatsache aber war, dass in diesen Stoßzeiten ähnlich viel Nikotin, wie Kohlenmonoxid gen Himmel trieb und die tödliche Dunstglocke über der Stadt noch verstärkten.

Gottverdammt, warum konnte der Vordermann nicht auch ein bisschen aufs Gas treten und diesen miesen Drängler dahinten endlich zur Ruhe bringen? - Gottverdammt!

So mancher Fluch zischte aus nikotingetränkten Mündern und ließ kein gutes Haar an dieser Stadt, in der es augenscheinlich mehr Verrückte gab, als irgendwo sonst auf der Welt.

Und doch war jeder tief in seinem Inneren stolz darauf, hier leben zu dürfen, denn natürlich war man ja auch selbst ein bisschen verrückt.

Trotzdem lohnte es sich, hier zu leben, denn immerhin war man hier am wirklichen Nabel der Welt.

Hier war man in dieser wunderbaren, gottverfluchten Multi-Millionen-Seelen-Gemeinde, die sich City of New York nannte!

Und in diesem Nabel der freien, kapitalistischen Welt gab es auch die Rassen dieser Welt.

Von weiß über gelb, wobei dazwischen jede Menge Grauschattierungen zu finden waren, einem blässlichen rot - ja rot! - dazu Spuren von grün und letztlich jede Menge kakaobraun und schwarz.

Da waren die Weißen, die sich bemühten, die Stadt, Ihre Stadt, amerikanisch zu führen, zu leiten, geleiten, was ihnen nur mittelmäßig gelang, denn irgendwie schienen sie sich alle der Tatsache bewusst zu sein, dass nicht einer - wirklich? - nicht mal sie selbst echte Amerikaner waren, es im ganzen New York nicht einen echten - e c h t e n - Amerikaner gab.

Wie zum Teufel sollten sie also diesen Millionenkochtopf der Rassengemüse amerikanisch führen, wenn nirgendwo auch nur ein Tropfen amerikanisches Blut in ihnen floss?

Englisches, irisches, deutsches, französisches, russisches?‚ aber ganz sicher kein amerikanisches.

Weil sie ja alle Nachkommen derer waren, die verrückt genug waren, aus ihrem wirklichen Heimatland zu flüchten, bevor man sie wohl rausgeschmissen hätte, und glaubten, sie konnten hier - h i e r - ausgerechnet - großer Gott, warum nicht woanders? - ein neues, besseres Leben beginnen.

Der überflüssige Rest der Völker baut ein neues Volk auf, weit weg von den Anderen, in einem Land, das so groß ist, dass sich ihre grenzenlose Verrücktheit direkt perfektionieren konnte. - Extrem verrückt, extrem groß.

Und ihre Nachkommen versuchten New York zu führen, politisch, rechtlich, wirtschaftlich, geistig.

Die Kinder der Überflüssigen führten ein Volk, extrem groß, extrem verrückt!

Sollten sie doch nach Hause gehen in ihre Fünf-Millionen-Dollar Wohnungen in der 5th-Avenue, einem Haus im Haus - Hochhaus, Wolkenkratzer - Stolz! - und sich an ihren Millionengehältern erfreuen, aber sie sollten verdammt nochmal nicht versuchen, diese Stadt zu regieren.

Da waren die Schwarzen, die sich immer wieder darüber aufregten, dass man ihnen nicht die Führung überließ.

Immerhin beherrschten sie ganze Stadtteile.

Sie waren keine Minderheit - oh Schreck, etwa die Mehrheit? - und sie hatten die gleichen - ein Elend - Rechte, wie die Weißen oder Blassen.

Aber glaubten sie denn wirklich, sie konnten New York regieren? Glaubten sie das allen Ernstes? - Etwa auch naiv?

Gut, da gab es Leute wie Martin Luther King, Muhammed All, Reverend Bacon - Gott bewahre - oder Eddie Murphy, die zeigten, oder doch zumindest andeuteten, dass auch über einem schwarzen Arsch mehr sitzen konnte, als kiloweise Dummspeck.

Und doch konnten sie New York nicht führen - wie gut, wie gut - denn eines durften sie niemals vergessen: Dass sie nicht dieselbe Bibel haben, wie alle anderen Menschen auf der Welt.

Kein Adam, keine Eva, sondern verdammt nochmal nur Kunta Kinte!

Was ist mit den Gelben?

Sie sind zur Gelbsucht geworden!

Zeig mir eine Stadt in Amerika, in der es kein Chinatown gibt und ich zeige dir ein Schlitzauge mit blonden Haaren.

Ein Bruce Lee macht halt noch keinen Sommer.

Eine gelbliche Stadtregierung würde sicher nicht mehr als konfuziöse Klimmzüge vollbringen.

Rot!? Hugh, ich habe gesprochen!

Winnetou war ein guter Mensch. Er hätte es vielleicht gekonnt, aber seine Brüder und Schwestern haben zu viel Wut auf die Bleichgesichter und versuchen sich im Feuerwasser zu ertränken.

Der oberste Stuhl New Yorks ist sicher nicht der richtige Platz, um die Friedenspfeife zu rauchen.

Blieben noch die Grünen, aber wer will schon ernsthaft behaupten, es gäbe Marsmenschen in New York?

Obwohl, sie wären vielleicht die Einzigen, die intelligent genug dafür wären, ohne Frustrationen und überheblichen Familiensinn, Antialkoholiker und vor allen Dingen mit einer natürlichen, neu-ökologisch, naturfreundlichen, umweltbewussten Hautfarbe!

Was bleibt, ist die Tatsache, dass es niemanden gab, der New York wirklich führen konnte.

Und irgendwie schien das jeder zu spüren, zu fühlen.

Das Verhalten der Menschen hier ist so völlig anders, als irgendwo sonst auf der Welt.

Hier gibt es nichts, was es nicht gibt, und das in einer so schillernden Vielfalt, dass einem Besucher die Luft wegbleibt.

Also Vorsicht:

Wer New York besucht, sollte sich auf etwas gefasst machen.

Und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass man als anderer Mensch wieder

herauskommt.

Eben um ein vielfaches verrückter!

Dämon I

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