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VIII

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„Okay Leute!“ rief Mavis in sein Mikrofon. Seine Stimme klang kraftvoll, aber auch irgendwie enttäuscht. „Das muss jetzt wirklich reichen! Wir sind hier, um die Dinger zu testen, nicht um uns mit ihnen einen runter zu holen!“

Als Antwort erhielt er mehr oder weniger verständliches Murren und Stöhnen. Da er selbst nicht viel anders empfand, verzichtete er auf einen weiteren Kommentar.

Klar war, dass er sich nicht erinnern konnte, wann er das letzte Mal diesen Spaß empfunden hatte, den ihm sein Boritas in der letzten Stunde bereitet hatte. Die Maschine, an deren Entwicklung er selbst beteiligt gewesen war, sprengte in der Tat alle Hoffnungen, die sie in sie gesetzt hatten. Sie war schnell, dabei irrsinnig wendig und überaus robust. Das Triebwerk, der Kugelantrieb, die seitlichen Fahrwerke, all das funktionierte reibungslos und auch im absoluten Grenzbereich von Fliehkraft und größter Belastung exakt und ohne Störungen. Dabei leistete der Kreiselkompass perfekte Arbeit und ermöglichte den Piloten so, nach einer gewissen Zeit der Eingewöhnung, die kontrollierte Handhabung der Maschine.

Mit den Boritas wollte man eine Waffe entwickeln, die den Insektenbestien auf Augenhöhe entgegentreten konnte. Die schnell genug war, um mit ihrem irren Tempo mithalten zu können und dabei gleichzeitig wendig genug war, um nicht in den Fängen der meist in Rudeln auftretenden Monstern gefangen zu werden. All das hatten die sechs Männer in der letzten Stunde ausgetestet und keiner zweifelte mehr daran, dass die Boritas genau diese Waffe auch waren.

Jetzt galt es nur noch zwei Dinge zu klären.

Das eine war der Test der Bewaffnung, denn die Boritas waren schließlich für den Angriff, nicht für die Verteidigung konstruiert worden. Dabei war darauf zu achten gewesen, dass eine Bewaffnung nur dann einen Sinn machte, wenn Projektile abgeschossen werden konnten, die stark genug waren, die knüppelharten Panzer der Bestien zu durchschlagen, ohne dabei Apparaturen zu benötigen, die zu groß und zu schwer waren oder nicht in das kompakte Gesamtkonzept der Kugel passten.

Die Lösung lieferten nach wochenlangen, schwierigen Tests die Waffentechniker. Mit Hilfe von überaus robusten, aber dennoch ultraleichten Metalllegierungen, gelang es ihnen, Waffensysteme zu bauen, die klein genug waren, um die Anforderungen zu erfüllen. Dabei wurde der Raum zwischen innerer und äußerer Hülle der Boritas kurzerhand auch als Geschossmagazin genutzt. Am Ende gelang es den Ingenieuren über fünfhundert Schuss schwerer Stahlmantel-Munition unterzubringen. Durch eine neuartige Verarbeitungsweise konnten sie die Größe der Geschosshülsen dabei deutlich verringern und ihnen sogar noch einen winzigen, aber überaus leistungsstarken Sprengzünder verpassen. Die Boritas verfügten somit über die effektivsten Waffensysteme des gesamten Planeten.

Die Geschosse waren nicht nur in der Lage, mühelos jeden Panzer zu durchschlagen, sondern der Sprengsatz detonierte eine Winzigkeit nach dem Einschlag und würde jedes Monster in einem gleißenden Feuerball zerfetzen.

Zu diesem Zweck standen dem Piloten drei getrennt voneinander einsetzbare Waffen zu Verfügung. Eine befand sich direkt über seinem Kopf. Über einen Mechanismus wurde die Minikanone ausgefahren. Sie wirkte dann wie ein Frisbee unter dem man ein frei drehbares, kleines Abschussrohr installiert hatte. Die Kanone war mit einem Sensor ausgestattet, der die Waffe in den Schutz der Außenhaut zurückriss, sobald die Gefahr bestand, dass sie durch Schläge oder Angriffe beschädigt werden könnte.

Die beiden anderen Waffen befanden sich an den seitlichen Laufwerken, etwa fünfzig Zentimeter von der Außenhaut entfernt. Über einen Mechanismus klappten sie nach oben auf und bestanden eigentlich aus nichts anderem als einem kurzen, stabilen Stahlrohr, auf dem ein kurzer, dicker, frei drehbarer Geschosslauf angebracht war. Auch hier gab es Sensoren, die dafür sorgten, dass die Waffen in den Schutz des Stahls zurückschnellten, falls dies erforderlich war.

Erste Tests waren durchaus zufriedenstellend, wenn nicht gar beeindruckend verlaufen. Die größte Schwierigkeit bestand zweifellos darin, den Waffen eine derart hohe Bewegungsflexibilität bei höchstmöglicher Geschwindigkeit zu verleihen, dass sie den schnellen und abrupten Abläufen in einem Kampf gegen die Insektenmonster gewachsen waren.

Die Ingenieure entwickelten hierfür ein vollkommen wartungsfreies Kugellager, dass mit einem hochempfindlichen, aber absolut exakten Laserpeilsystem verbunden war, dass in der Lage war, bis zu zehn unterschiedliche Ziele in nur einer Sekunde anzupeilen. Die Trefferquote war dabei dennoch um einhundert Mal exakter, als bei jeder anderen Waffe dieser Art zuvor.

Soweit zumindest zur Theorie oder zu den Tests in den unterseeischen Labors von Eshamae. Sicherheit sollte ein erster Härtetest an der Planetenoberfläche bringen und er war hier und jetzt der dritte und letzte Teil der Mission um Mavis, Vilo und ihren Männern.

Hierbei aber würden sie die Hilfe von Captain Cosco benötigen.

„Captain?“ sprach Mavis in sein Mikrofon.

„Commander!“ erwiderte Cosco an Bord der Bonitira.

„Wir sind soweit. Wir können jetzt die Waffensysteme checken!“

„Na endlich! Ich dachte schon, sie wollten gar nicht mehr aufhören, Lenkung und Fahrwerk zu testen!“

„Das…ähm...hat getäuscht!“ Mavis suchte nach Worten. „Wir wollten...ähm...einfach nur...sichergehen!“

„Natürlich, Sir!“ bestätigte Cosco ungerührt. „Mir war gleich klar, dass ich mich geirrt haben musste!“

„Wieso?“

„Ich dachte, ich hätte da ein paar Freudenschreie gehört!“

„Ach was?“ Mavis musste innerlich grinsen. „Hat sich das so angehört, ja?“

„Ein wenig!“ Cosco nickte.

„Okay!“ Mavis atmete einmal tief durch. „Ich erwarte, dass sie ihre Gehörgänge gründlich untersuchen lassen, wenn wir wieder zuhause sind!“ Jetzt musste er auch äußerlich grinsen.

„Zu Befehl Commander!“ Cosco drückte ein breites Grinsen weg.

„Haben wir grünes Licht?“

Cosco schaute auf seinen Radarschirm, obwohl er die Antwort schon kannte. „Ja, Sir! Das nächste Rudel ist gut achtzig Meilen entfernt. Und die nächste Staffel liegt fünfhundert Meilen südwestlich von uns in Paminari, wo sich auch eine Anomalie befindet! Alles in allem sollte uns das eine weitere Stunde Luft verschaffen!“

Mavis nickte. „Prima! Dann tun sie uns jetzt bitte den Gefallen und setzen ihre Nikas aus!“

„Zu Befehl, Commander!“ wiederholte Cosco. Er beugte sich vor und drückte einen Schalter an seinem Kontrollpult.

Hierdurch wurde am Boden des Schiffes eine kleine Luke geöffnet, durch die schon eine Sekunde später drei schwarz schimmernde Kugeln von vielleicht einem Meter Durchmesser in die Tiefe fielen.

Während die Bonitira sich entfernte, wurde der freie Fall der Kugeln immer langsamer. Einen Augenblick, bevor sie vollkommen zu schweben schienen, zerfielen sie förmlich in jeweils fünfzig kugelförmige Einzelteile unterschiedlicher Größe. Es gab Objekte, die durchaus das Volumen eines Tennisballs erreichten, aber auch Teile, die kaum größer waren, als eine Murmel. Eines aber hatten sie alle gemeinsam: Sie verfügten über einen eigenen Antrieb, der sie höllisch schnell beschleunigte, ihnen eine teuflische Wendigkeit verlieh und zu Geschwindigkeiten von über einhundert Meilen in Stunde befähigte.

Sie sollten den Boritas als Zielobjekte dienen und angreifende Insektenbestien simulieren. Zumindest, was die Schnelligkeit und Wendigkeit anging, die sie am Ende sogar noch übertrafen. Natürlich waren sie wesentlich kleiner als diese Monster, doch klar war, wenn die Waffensysteme in der Lage waren, derart exakt zu arbeiten, dass sie diese Nikas erwischten, würden sie das auch mit den Insektenbestien tun können.

Entsprechend wurde ihnen ein Programm eingespielt, das die Boritas als feindliche Objekte charakterisierte, die sie mit schnellen und wendigen Manövern angreifen sollten. Quasi wie Kampfjäger nur ohne Munition, lediglich ausgestattet mit einem Laserzielsystem, das den Piloten in den Boritas über ein Leuchtsignal anzeigen würde, wann ein Treffer der Nikas erfolgt wäre. Das Programm legte dabei das Geröllfeld und einige Verwerfungen und Erhebungen im Süden als begrenztes Spielfeld fest und erlaubte den Nikas nur eine maximale Einsatzhöhe von fünf Metern über Grund.

Ziel dieses Tests war es natürlich, dass auf den Kontrollpulten der Boritas möglichst kein Leuchtsignal eines fremden Treffers zu sehen war, während die Piloten selbst über scharfe Munition verfügten und am Ende alle Nikas ausgeschaltet sein sollten.

Unter diesen Voraussetzungen konnte das Spiel beginnen.

Gestärkt durch die guten Erfahrungen in der letzten Stunde gingen alle Piloten der Boritas dann auch mit viel Optimismus und großer Entschlossenheit zur Sache. Mit hoher Geschwindigkeit und ständigen Hakenschlägen wollten sie den Nikas kein Angriffsziel bieten, während sie selbst versuchten, ihre Gegner vor die Kanonen zu bringen, um sie zu eliminieren.

Doch ganz so einfach, wie Mavis und die anderen es gehofft hatten, war die Sache dann doch nicht.

Eigentlich sogar das genaue Gegenteil.

Auf dem unübersichtlichen Geröllfeld gab es genügend Versteck- und Ausweichmöglichkeiten für beide Seiten, sodass zunächst nur ein vages Abtasten beider Gruppen erfolgte, dass lediglich mit einigen Beinahe-Treffern der Boritas endete.

Die menschliche Natur neigt in solchen Fällen etwas zu Ungeduld und tatsächlich schlich sich eine gewisse Unkonzentriertheit ein, die dafür sorgte, dass die Nikas die ersten „echten“ Treffer landen konnten. Allerdings dauerte es nicht lange und die Menschen konnten zurückschlagen. Erste kleine Feuerbälle, die die Zerstörung der kleinen Kugeln anzeigten, sorgten für Aufmunterung und neue Motivation.

Dennoch blieb es ein harter Kampf, bei dem beide Seiten nie einen echten Vorteil erringen konnten.

Vilo hatte die Verfolgung von ein paar Nikas aufgenommen, der sich Captain Tibak anschloss. Gemeinsam nahmen sie die kleinen, teuflischen Dinger in die Zange. Allerdings mussten sie ihre Boritas auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigen und konzentrierte Ausweichmanöver ausführen, um ihnen auf den Fersen zu bleiben. Dennoch kamen sie langsam in gute Schussposition.

Dass sie ihr Kampf an den südlichen Rand des Geröllfeldes trieb, registrierten sie nur peripher.

Andere jedoch taten es dafür jedoch umso mehr!

Und als sich genau in dem Moment, da Vilo und Tibak eine kleine Anhöhe hinauf donnerten und zielsichere Schüsse auf die Nikas abgaben, die sie sofort zerfetzten, blitzschnell mehr als ein Dutzend Insektenbestien aus dem höhlenartigen Eingang der sich anschließenden Gesteinsverwerfung quollen und hektisch und quiekend auf sie zurasten, wussten sie, dass sich die Fronten in diesem Kampf schlagartig verändert hatten.

„Kontakt!“ brüllte Vilo und riss sein Boritas herum, um nicht direkt in die ersten Monster hineinzurauschen. Dabei gelang es ihm, einige Schüsse abzufeuern. Die meisten donnerten in den Felsen hinter den Bestien, doch zwei trafen ins Ziel, wo die Sprengzünder sofort detonierten, das Monstrum wie ein Luftballon zerplatzte und seine Innereien durch die Luft sausten.

Dadurch kam der Ansturm der Bestien für einen kurzen Moment ins Stocken, doch der reichte, um Vilo und Tibak die Flucht zu ermöglichen. Sie hatten aber gerade erst wieder das Geröllfeld erreicht, als die Monster mit einem kollektiven Aufschrei erneut die Verfolgung aufnahmen. Wie dickflüssiger, schwarzer Sirup quollen sie aus der Höhle und zu ihrer aller Entsetzen mussten sie erkennen, dass es über einhundert Insektenbestien waren, die auf sie zuhielten.

Mittlerweile waren natürlich auch die anderen Piloten auf ihre neuen Gegner aufmerksam geworden und wie ein Mann stürmten sie Vilo und Tibak zur Hilfe. Immer wieder spuckten ihre Kanonen Projektile aus, die jedoch anfangs kaum ihre Zeile fanden. Stattdessen explodierten sie wuchtig in den Gesteinsbrocken überall auf dem Gelände. Nur eine Handvoll Monster konnten von ihnen getötet werden.

Danach schien es so, als würde eine dunkle Welle über das Geröllfeld schwappen.

Mavis und die anderen mussten ausweichen, um nicht einfach überrannt zu werden.

Pures Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben, als Captain Cosco die Monster sah, die aus der Höhle quollen.

Gerade noch konnten zwei Boritas ausweichen, ihre Schüsse, die sie abgegeben hatten, waren jedoch zu hektisch gewesen, um mehr als ein Opfer zu finden.

Schon machten sich die anderen auf den Weg zu ihnen, feuerten dabei ebenfalls, doch mit welch kreuzgefährlichen Gegnern sie es zu tun hatten, war schnell ersichtlich. Nur wenige Treffer brachten Opfer, die meisten Geschosse donnerten in die Felsbrocken und machten den Rest nur noch wütender.

Gerade noch rechtzeitig konnten die Boritas ausweichen, doch waren ihnen die Monster dicht auf den Fersen, sodass sie innerhalb kürzester Zeit in alle Richtungen versprengt wurden. Dabei gelang es ihnen jedoch nicht, den Abstand zu halten. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis der erste heftige Zusammenstoß erfolgen würde.

Und wenn er sich die von hier aus so winzig kleinen Boritas auf der einen Seite und die Horde Bestien auf der anderen Seite anschaute, verließ ihn jegliche Hoffnung auf ein gutes Ende und ihm wurde klar bewusst, was er zu tun hatte.

Mavis hatte alle Hände voll zu tun, sein Boritas unter diesen Umständen zu lenken. Die Gewissheit, hinter sich diese blutrünstigen Monster zu haben, gepaart mit der Überraschung, hier so unvermittelt auf sie zu treffen, ließen seinen Puls deutlich ansteigen und in den ersten Momenten keinen klaren Gedanken zu.

An der Reaktion der anderen konnte er erkennen, dass es ihnen ähnlich ging.

Dann aber übernahm wieder der Soldat in ihm die Oberhand. Er wurde merklich ruhiger und während er sich darauf konzentrierte, sich von einem direkten Kontakt mit den Monstern fern zu halten, analysierte er die Situation.

Ihr Test sollte drei Phasen haben. Phase eins und zwei hatten sie zur Genüge ausführen können. Bei Phase drei waren sie jetzt gestört worden. Phase vier, der reale Kampf gegen Insektenbestien, sollte nicht hier und heute, sondern erst später unter halbwegs kontrollierten Bedingungen erfolgen.

Das Schicksal aber hatte ganz offensichtlich anders entschieden.

Und wenn er ehrlich war, dann musste Mavis zugeben, das Phase vier doch im Grunde nichts Anderes war, als Phase drei unter Gefechtsbedingungen. Warum sie also nicht einfach miteinander verbinden und damit Zeit sparen?

Hatten sie denn auch überhaupt noch eine andere Wahl, als direkt ins eiskalte Wasser zu springen?

„Vilo?“ rief er in sein Mikrofon.

„Keine Zeit, hab Scheiße am Hacken!“ kam als Antwort zurück.

„Sehe ich!“ bestätigte Tibak und feuerte eine Salve auf Vilos Verfolger ab, die zumindest eine Bestie zu Boden streckte und den Rest kurz aufhielt.

„Danke!“ Vilo atmete einmal durch.

„Zwei Möglichkeiten!“ rief Mavis. „Aufgeben...oder kämpfen?“

„Ich laufe nicht weg!“ erwiderte Buras und steuerte auf eine Gruppe von Bestien zu, die er mit einigen, pfeilschnellen Richtungsänderungen quasi um kurvt hatte.

„Ich auch nicht!“ stimmte Dek mit ein und gab eine Salve ab.

„Ich bin dabei!“ bestätigte Florak, während er mit schmerzverzerrtem Gesicht einer Gruppe Bestien ausweichen musste, die urplötzlich von rechts auf ihn zustürmte.

„Das war nicht geplant!“ meinte Vilo und gab Florak Feuerunterstützung.

„Das ist Schicksal, so was kann man nicht planen!“ erwiderte Tibak, während er einige Bestien aufs Korn nahm.

„Stimmt auch wieder!“ meinte Vilo.

„Dann sind wir uns einig!“ hob Mavis an. „Wir gehen gleich über zu Phase vier!“

Doch kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als urplötzlich die Bonitira und die Wanuma über sie hinwegdonnerten und er deutlich Mündungsfeuer aus ihren Bordwaffen erkennen konnte. Innerhalb von Sekundenbruchteilen gingen drei Monster zu Boden und einige, andere sprangen zur Seite.

„Cosco, nein!“ brüllte Mavis.

„Aber sie brauchen Hilfe. Sie werden das niemals allein schaffen!“ erwiderte der Captain voller Sorge, während er sein Schiff in eine enge Kurve zwang.

„Wer zum Teufel sagt das?“ raunte Mavis.

„Aber, ich...!“

„Wir werden es nie mit Sicherheit wissen, wenn wir es nicht austesten!“ erklärte Mavis. „Und entweder, wir überleben das hier und die Welt hat eine echte, neue Hoffnung oder es bleibt alles beim Alten und wir werden sterben!“

„Und sie verlangen ernsthaft von mir, dass ich ihnen dabei zuschauen soll?“

„Ja...!“ Mavis Worte kamen klar und deutlich. „Ich befehle ihnen, sich hier rauszuhalten! Wenn es schiefgehen sollte, brauchen wir Jemanden, der den anderen davon berichtet!“

Coscos Antwort kam nicht sofort, sondern erst nach ein paar Sekunden. „Aye, Commander!“ Seine Worte klangen gepresst. „Ich will verflucht sein, aber ich werde es tun!“

„Danke!“ meinte Mavis aufrichtig. „Aber sie werden sehen, wir packen das!“

Und wirklich schienen Mavis und seine Männer seinen starken Worten Taten folgen zu lassen. Unter Ausnutzung aller Möglichkeiten, die ihnen die Boritas boten, stemmten sie sich der feindlichen Übermacht entgegen. Es entbrannte ein irrwitziger Kampf innerhalb des Geröllfeldes, der trotz der beengten Verhältnisse ein irrsinniges Tempo innehatte und ständig durch abrupte Richtungsänderungen geprägt war.

Wenn möglich, versuchten die Männer ihre Boritas von den Bestien fern zu halten, doch gelang ihnen das nicht immer, denn die Monster waren schlau, unglaublich stark und kannten weder Furcht noch Gnade.

Captain Tibak erwischte es als ersten, als er so sehr auf eine kleine Gruppe von Monstern konzentriert war, dass er die anderen Bestien von der linken Seite nicht kommen sah. Mit widerlichem Quieken schwappten die acht Kreaturen über seine Kugel hinweg und rissen sie trotz der hohen Geschwindigkeit sofort aus der Bahn. Mit ihren rasiermesserscharfen Krallen hieben sie auf das Drahtgeflecht, konnten es jedoch nicht zerstören oder auch nur teilweise durchdringen. Dennoch gelang es ihnen in dem engmaschigen Geflecht mit den äußersten Spitzen ihrer Krallen Halt zu finden, sodass sie an dem Boritas hingen, wie Spinnen an einem Kokon.

Tibak hatte kaum eine Chance, sich zu wehren. Der Hauptantrieb funktionierte nicht, weil sich die Kugel nicht mehr am Boden befand, die seitlichen Laufwerke hatten nur sporadisch Kontakt, was ein abgehacktes Fortkommen zur Folge hatte. Anfangs zeigten auch die Kanonen kaum Wirkung, da die Sensoren immer wieder dafür sorgten, dass sie in den Schutz der Hülle zurückgerissen wurden.

Dann aber fand eines der Projektile doch sein Ziel und als der Sprengsatz detonierte, wurde der Boritas samt seiner Anhängsel in die Luft geschleudert. Dabei verloren einige der Monster ihren Halt und als die Kugel wieder zu Boden krachte, reagierte Tibak blitzschnell und konnte mittels des Hauptantriebs flüchten. Im ersten Moment erfreut darüber, spürte er sehr schnell schon eine ziemlich deutliche Unwucht und musste knallhart erkennen, dass die Bestien in den vielleicht zwanzig Sekunden, in denen er in ihrer Mitte war, der Kugel mehr zugesetzt hatten, als er befürchten konnte. Zwar waren alle Kanonen noch intakt, doch konnte er jetzt nicht mehr gefahrlos auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigen.

Mavis donnerte eine kleine Anhöhe hinauf, schwenkte herum und verschaffte sich so für eine kurze Sekunde lang einen schnellen Überblick über das Geschehen. Alle Boritas waren in Kämpfe verwickelt, auch hinter ihm waren mehrere Monster her. Dabei schätzte er die Zahl der Bestien noch auf etwa sechzig. Immerhin ein gutes Drittel hatten sie damit schon eliminieren können. Zum Sterben aber waren es noch immer mehr als genug Gegner.

Eigentlich hatte er vorgehabt, wieder auf das Geröllfeld zu rasen, doch da sah er schon ein halbes Dutzend Kreaturen den Hügel hinaufpreschen. Hinter ihm waren nach wie vor Bestien, die sich schnell näherten.

Mavis traf einen schnellen Entschluss, beschleunigte seine Kugel auf das Äußerste, erklomm die Hügelspitze, donnerte ein paar Meter auf ihr entlang, bis er auf eine Verwerfung traf, die fast wie eine Schanze schräg in die Höhe ragte und dabei einem sanften Knick in Richtung Geröllfeld machte. Ohne zu zögern jagte er sie hinauf und über sie hinweg. Dabei drehte er den Boritas im allerletzten Moment in Richtung der heranstürmenden Monster. Dann drückte er die Auslöser für alle drei Kanonen.

Während er so in einem hohen Bogen durch die Luft flog, spuckten die Waffen ihre todbringenden Geschosse aus, die dieses Mal zu einem großen Teil ihr Ziel fanden. Quasi im Sekundentakt zuckten Monster zusammen, weil sie getroffen und aus dem Lauf gerissen wurden, nur um einen Wimpernschlag später durch die detonierenden Sprengzünder vollkommen zerfetzt zu werden. Eine ekelhafte Wolke aus Blut, Fleisch und Knochen entstand, die sich wuchtig verteilte und auch Mavis noch erwischte.

Doch das war ihm fast schon egal, denn er konnte erkennen, dass es ihm mit seiner schnellen Aktion gelungen war, wahnsinnige sieben Bestien auf einen Schlag zu töten.

Zeit zur offenen Freude blieb ihm jedoch nicht, denn der Aufprall des Boritas in dem Geröllfeld war hammerhart. Mavis hatte alle Hände voll zu tun, wieder die Kontrolle über seine Kugel zu erlangen. Als ihm das endlich gelungen war, sah er schon wieder neue Gegner auf sich zukommen, die irgendwo noch wütender zu sein schienen, als zuvor.

Florak steckte in echten Schwierigkeiten, denn auf seiner Flucht war er quasi einmal falsch abgebogen und saß jetzt am Rande des Geröllfeldes in einer Sackgasse, umgeben von hohen Gesteinsbrocken und einer Verwerfung im Rücken, in der Falle, während sich ihm gut ein Dutzend Bestien näherten.

Als Dek das sah, war ihm sofort klar, dass er seinem Freund helfen musste. Doch mitten hinein in dieses Vorhaben, wurde sein Boritas von einigen, anderen Monstern aus der Bahn gerissen und er musste sich um sich selbst kümmern. Dabei konnte er dennoch erkennen, mit welch tödlicher Energie die Insekten vorgingen, denn zwei von ihnen standen auf der Verwerfung hinter Florak und warfen sich mit ihrer ganzen Kraft gegen einen mächtig großen Gesteinsbrocken, der dort am Rand lag. „Um Himmels Willen, Florak!“ rief Dek entsetzt, denn er ahnte, was gleich geschehen würde. „Mach, dass du da rauskommst!“

Während er eine erste Salve abgab, die jedoch nur überraschend geringen Schaden anrichtete, erwiderte er. „Ich mach ja! Ich hab’s...!“ Jetzt ging sein Blick selbst zufällig nach oben und genau in diesem Moment hatten es die beiden Bestien über ihm tatsächlich geschafft, den riesigen Brocken in Bewegung zu setzen. „Oh Mann!“ Mehr brachte Florak nicht hervor, als er den tonnenschweren Felsen auf sich herabsausen sah.

Einen Sekundenbruchteil später krachte er mit irrsinniger Wucht auf den Boritas. Dek hörte Florak noch schreien, dann verstummte sein Freund.

„Nein!“ Entsetzen befiel Dek. „Florak, nein!“ Doch er konnte nicht zu ihm, musste sich erst um die Bestien kümmern, die ihm noch immer hart zusetzten. In seiner Verzweiflung aber reagierte er kaum wirklich sinnvoll und effektiv, so dass er es geschehen lassen musste, dass immer mehr Gegner auf ihn zustürmten. Innerhalb kürzester Zeit war er umgeben von einer ganzen Traube von Insekten, die aus ihm einen Spielball ihrer irrsinnigen Kräfte machten. Das Drahtgeflecht um ihm herum begann zu reißen, immer tiefer drangen die Klauen der Monster ein, schon flogen Funken und es zischte an anderen Stellen, was zeigte, dass die Elektronik Schaden nahm. Dek war vollkommen hilflos und versuchte verzweifelt, aus dieser tödlichen Bedrängnis zu entkommen.

Plötzlich zuckten zwei der Monster unter dem Einschlag von Projektilen zusammen und einen Augenblick später zerplatzten ihre Körper in einem wuchtigen Feuerball, der Deks Boritas etwas freisprengte, sodass er die Chance hatte, wieder selbst zu agieren, was er auch schnell und konsequent tat, indem er weitere zwei Bestien erledigte. Dann endlich konnte er sehen, wer ihn aus der Umklammerung befreit hatte, doch Vilo war bereits wieder anderweitig beschäftigt. All das war auch nicht wichtig für Dek, doch bevor er die Gelegenheit bekommen sollte, sich wieder der Stelle zu nähern, an der er seinen Freund Florak das letzte Mal gesehen hatte, musste er noch mehrere, harte Gefechte bestreiten. Der immer mehr aufkommende Hass in ihm, sorgte jedoch dafür, dass er brillant agierte und innerhalb kürzester Zeit neun weitere Monster töten konnte.

Da auch die anderen Männer ihre Arbeit gut machten, waren am Ende tatsächlich nur noch sieben Bestien übrig, um die sich jedoch bereits Mavis, Buras und Tibak mit vereinten Kräften kümmerten. Erste schmerzhafte Schreie der Insekten zeigten, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis auch sie ausgeschaltet waren.

Dek beteiligte sich nicht an diesem letzten Kampf. Sein Boritas sah übel mitgenommen aus, eierte nur noch durch die Gegend und längst nicht mehr alles an ihm war noch funktionstüchtig. Doch das Haupttriebwerk war noch intakt und so lenkte er die ehemalige Kugel langsam in die Sackgasse, in der er Florak zuletzt gesehen hatte. Sein Herzschlag war erhöht und er hatte eine böse Vorahnung.

Was er dann aber am Ende direkt vor der Verwerfung zu sehen bekam, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen und jagte ihm sofort eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken. Außerdem spürte er, wie ihn Übelkeit befiel.

Floraks Bonita war derbe zerdrückt worden. Das musste durch den Gesteinsbrocken geschehen sein, den die beiden Monster in die Tiefe gestoßen hatten. Dadurch war das Drahtgeflecht aufgerissen. Doch das war es nicht, was Dek erschaudern ließ. Denn deutlich war zu sehen, dass die Kugel hiernach förmlich mit großer Gewalt aufgebrochen worden sein musste. Der Blick in das Innere zeigte, dass die Haltegurte sämtlich zerrissen waren. Florak war im Inneren nicht zu sehen, die Bahre, die als Rückenstütze diente, war ebenfalls nicht da.

In einem kurzen Moment hatte Dek die Hoffnung, seinem Freund wäre möglicherweise die Flucht aus dieser schier ausweglosen Situation gelungen, doch dann vernahm er das leise Schmatzen und Quieken hinter dem Felsbrocken, der nach rechts weggerollt war, nachdem er den Boritas zerdrückt hatte.

Mit zittrigen Händen lenkte er seine Kugel um den Felsen herum.

Die Bestie, die mit dem Rücken zu ihm stand, war so sehr mit Fressen beschäftigt, dass sie ihn gar nicht registrierte. Dafür aber konnte Dek jetzt umso deutlicher hören, wie erregt sie war und wie genussvoll sie ihr Opfer verschlang. Eine riesige Blutlache hatte sich über den felsigen Boden ausgebreitet, Floraks ausgeweideter Körper glänzte förmlich in der Sonne.

Ein tiefer Schmerz erfasste Dek, denn Florak war nicht nur ein Mitstreiter gewesen, sondern auch ein Freund, von denen er so viele schon verloren hatte. Er konnte sich erster Tränen nicht erwehren.

Plötzlich reckte das Monster seinen Oberkörper in die Höhe, denn es hatte sein Schluchzen gehört. Mit einem irritierten Krächzen drehte es seinen mächtigen Schädel zu ihm herum, doch als es ihn sah, schien es ein neues Opfer zu wittern und brüllte erfreut auf.

Dek, der bisher nicht reagiert hatte, spürte unbändige Wut in sich aufkommen, die sich augenblicklich im Betätigen der Auslöser für alle drei Kanonen entlud und von einem verzweifelten Brüllen des Sergeanten begleitet wurde. Innerhalb eines Wimpernschlages zuckte das Monstrum unter den mehrfachen Einschlägen wild hin und her, bevor es in einer gewaltigen Explosion verging.

Doch Dek jagte auch weiterhin Projektile in seine Richtung und entfachte ein wahres Inferno vor ihm, bevor dann die Magazine vollständig geleert waren und so verstummten. Nur noch sein schmerzvolles Brüllen war zu hören, das schließlich in einem Tränenschauer mündete.

Durch den Kampflärm angezogen, erschienen Mavis, Vilo, Tibak und Buras neben ihm. Mittlerweile hatten sie die letzten Bestien am anderen Ende des Geröllfeldes erledigt. Als sie den aufgebrochenen Boritas und Deks Tränen sahen, wussten sie sofort, was geschehen sein musste.

Doch niemand sagte etwas, in ihren Gesichtern aber war ebenfalls Trauer zu erkennen.

„Commander?“ Das war Cosco.

„Ja?“ Mavis Stimme klang krächzend.

„Sie müssen da weg!“

„Was? Warum?“

„Der Feind ist im Anmarsch!“ Er schaute auf seinen Radarschirm. „Drei Staffeln. Mindestens zwölf Maschinen!“ Deutlich konnte er die feindlichen Signale erkennen, die sich schnell aus Südwesten näherten.

„Okay! Kabus soll auftauchen und uns wiederaufnehmen!“

Keine zwei Minuten später erschien die Manitura über ihnen und setzte zur Landung an. Während die beiden anderen Flugboote über ihnen kreisten, öffnete sich die hintere Ladeluke und die Boritas konnten, einer nach dem anderen, hineinfahren, wo sie sofort wieder an die Haken genommen wurden, die sie über die Gleitschienen unter der Decke ins Innere zogen.

Kaum war der letzte Boritas verstaut, wurde die Ladeluke wieder geschlossen und die Manitura hob ab.

Im Inneren wurden die Kugeln mit großen, teils beeindruckten, teils entsetzten Augen der Techniker und des Wartungspersonals angestarrt. Von den einst glänzenden und intakten Maschinen, die sie vor weniger als zwei Stunden entladen hatten, war fast nichts mehr übriggeblieben. Deks Boritas war derart beschädigt und verbogen, dass man wohl von einem Totalschaden sprechen musste. Tibaks Kugel würde nur mit sehr viel Aufwand wieder repariert werden können. Die Anderen waren wohl noch intakt, doch würde man sie komplett durchchecken müssen.

Die Stimmung unter den Piloten war gedrückt, was angesichts der Tatsache, dass ein Boritas fehlte, wohl mehr als verständlich war.

Mavis ließ sich geduldig abschnallen. Dann ging er mit steifen Beinen aus der Kugel in den Laderaum.

Dort konnte er Vilo und Tibak sehen, die im vorderen Bereich zusammenstanden. Während er auf sie zuging, gesellten sich auch Buras und Dek zu ihnen. Der hünenhafte Soldat hatte dabei dem Anderen einen Arm umgelegt, um ihn zu stützen. Deks Tränen waren zwar getrocknet, doch stand ihm der Schock noch deutlich ins Gesicht geschrieben.

Buras nickte ihnen zu und schob Dek weiter in die Krankenstation. Tibak folgte ihnen.

Jetzt waren Mavis und Vilo allein. Sie drehten sich herum und schauten aus einem Seitenfenster auf das unter ihnen liegende Geröllfeld, dass Kabus offensichtlich nochmals in einer großen Schleife umflogen hatte.

„Das war große Scheiße, was?“ meinte Vilo mit geschaffter Miene.

Mavis nickte, ohne ihn anzusehen. „Aber es war dennoch die richtige Entscheidung!“

„Stimmt! Einen besseren Test hätte es nicht geben können!“

„Einer von uns hat ihn aber mit dem Leben bezahlt!“ gab Mavis traurig zu bedenken.

„Ich weiß!“ Vilo drehte zu sich seinem Freund. „Aber das waren mindestens einhundert von diesen Viechern. Gegen Sechs von uns. Das macht am Ende ein Verhältnis von mehr als fünfzehn zu eins. Ich kann mich nicht entsinnen, wann das jemals auch nur annähernd der Fall gewesen wäre! Wir müssen das gleich nach unserer Rückkehr dem Rat vorbringen!“

„Was meinst du?“ Mavis schaute ihn direkt an.

„Bei all dem Schmerz über einen sicherlich traurigen Verlust dürfen wir nicht verkennen, was er uns gebracht hat! Niemals zuvor hat irgendjemand diesen Monstern so viel Paroli bieten können. Ihr habt...ganz sicher...fantastische Arbeit bei der Konstruktion der Boritas geleistet. Zum ersten Mal, seid dieser verdammte Krieg begonnen hat, haben wir eine echte Chance diesen Bestien auf Augenhöhe entgegenzutreten. Ihr habt hier nicht nur eine brillante Waffe gebaut, Mavis. Mehr noch...!“ Er wartete, bis sein Freund ihn wieder direkt ansah. „...wir können den Menschen damit wieder Hoffnung auf das Überleben geben!“

Genesis IV

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