Читать книгу Genesis IV - Alfred Broi - Страница 13

X

Оглавление

Es brannte nur eine einzige Kerze in seinem Zimmer, doch reichte sie aus, um den kleinen Raum in ein schwaches Dämmerlicht zu tauchen. Obwohl es schon seit nunmehr sieben Jahren sein Quartier hier auf Kimuri war, wirkte es noch immer kalt und unpersönlich. Doch das war Jorik absolut egal. Für ihn war dieser Raum ohnehin stets nur ein notwendiges Übel gewesen und er mied ihn, so oft es nur ging.

Rettungsaktionen, um Menschenleben dem sicheren Tod zu entreißen, Arbeiten, um die Lebensumstände der Menschen hier im Lager oder die Eigenschaften und Funktionen der Flugboote zu verbessern waren viel wichtiger für ihn. Sein Zimmer suchte er immer nur dann auf, wenn er duschen wollte oder auch musste oder sein Körper rebellierte und nach ein paar Stunden Schlaf schrie. Ansonsten empfand er diesen Raum, auch wenn er nicht recht wusste, warum, als erdrückend, belastend und abweisend.

Kraft tanken, abschalten oder einfach nur seine Seele läutern, dass konnte er hauptsächlich nur am Grab seiner Tochter Daria, aber natürlich auch seit geraumer Zeit in den Gesprächen mit Marivar.

Da die Veränderungen in der Atmosphäre jedoch immer mehr Einfluss auf das Wetter hatten, musste er seine Besuche bei seiner Tochter in den letzten Monaten deutlich einschränken. Und da er selbst und auch Marivar sehr stark eingespannt waren und lange nicht so oft Zeit miteinander verbringen konnten, wie zumindest Jorik es sich wünschte, blieb ihm am Ende doch nichts Anderes übrig, als sich in sein Quartier zurück zu ziehen und dort Ruhe zu finden.

Meist saß er dabei – so wie jetzt – in einem alten, aber durchaus bequemen Sessel, der neben dem kleinen Schreibtisch stand, beim Schein einer einzelnen Kerze und ließ seinen Gedanken freien Lauf, um die Erlebnisse und Geschehnisse um ihn herum zu verarbeiten. Immer hielt er dabei das alte, verblichene Foto seiner Frau Alisha in den Händen. Es war das Einzige, das er noch von ihr besaß und er konnte sich noch sehr genau daran erinnern, wann es gemacht wurde: Auf der Hochzeit von Kaleena und Vilo vor nunmehr fast acht Jahren. Kaleena war gut mit einem professionellen Fotografen befreundet gewesen, der es sich nicht nehmen ließ, die Hochzeit selbst zu fotografieren. Das Bild seiner Frau war erst gegen Ende der Feier in den frühen Morgenstunden entstanden, aber es war – zumindest für Jorik - das mit Abstand schönste Foto, das je von ihr gemacht worden war. Genau deshalb hatte er sich davon auch einen Abzug machen lassen, den er seither ständig in seiner Brieftasche mit sich trug. Die hatte er schon längst nicht mehr, doch dieses Foto hatte er zurückbehalten und er war stets dankbar, dass er diese wundervolle Momentaufnahme von ihr besaß.

Das Bild zeigt Alisha allein, halb im Profil von der rechten Seite. Sie saß mit etwas Abstand an einem Tisch, daher war nur ihr Oberkörper abgelichtet. Das atemberaubend schöne Kleid, das sie an diesem Tag trug, war deshalb nicht vollkommen zu sehen, doch zeigte schon dieser eingeschränkte Blick auf sie, wie brillant der dünne Stoff ihren wundervollen Körper umspielte und ihre Reize hervorhob. Natürlich war Alisha an diesem Tag hervorragend geschminkt - dezent, aber sehr verführerisch - und ihr langes, lockiges, blondes Haar herrlich frisiert. Für Jorik, aber das war ja auch kein Wunder, weil tief empfundene Liebe seinen Blick trübte, war sie die schönste Frau dort gewesen, selbst schöner als die Braut. Alisha schaute nicht direkt in die Kamera und hatte wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dass sie fotografiert wurde. Ihr Blick ging nach vorn und Jorik war sich ziemlich sicher, dass sie ihm und Vilo und Mavis und Shamos und vielleicht noch ein paar anderen auf der Tanzfläche zuschaute, wie sie zu Musik aus ihrer Jugendzeit im – teilweise äußerst peinlichen – persönlichen, jugendlichen Tanzstil abrockten. Alisha hatte offensichtlich ihren Spaß daran, denn nicht nur ihr Mund, sondern ihr ganzes Gesicht strahlte große Fröhlichkeit aus. Bilder einer lachenden Alisha hatte es zu dieser Zeit viele gegeben. was Jorik aber an diesem einen speziellen Foto vom ersten Moment an so sehr fasziniert hatte, war die Tatsache, dass er Alisha noch niemals zuvor so entspannt und zufrieden gesehen hatte. Obwohl oder vielleicht gerade weil ihr Lächeln nicht ausgelassen, sondern eher nur fröhlich war, wirkten ihre Gesichtszüge absolut strahlend und sinnlich und lieferten ein phantastisches Bild einer wunderschönen Frau.

Und obwohl es im Laufe der Jahre schon verblasst, zerschlissen und an einigen Stellen zerknittert war, hatte es für Jorik nichts von seiner Aussagekraft verloren und er fühlte sich jedes Mal absolut darin bestätigt, dass er nie einen besseren Entschluss gefasst hatte, als sein Herz an diese Frau zu verschenken.

Etwas machte ihn dann aber regelmäßig traurig: Das es kein Foto von seiner Familie gab. Dabei hätte er durchaus auf sich selbst verzichten können, Hauptsache Alisha und Daria wären zusammen zu sehen gewesen. Doch das Schicksal hatte es nicht zugelassen, dass es dazu gekommen war.

Und so blieb ihm nichts Anderes übrig, als Alishas Foto intensiv zu betrachten und dann seine Augen zu schließen, um an die kurze Zeit zurückzudenken, die er mit seiner geliebten Tochter Daria gehabt hatte. Doch ihm fiel es nie schwer, sich auch nach so langer Zeit an jede noch so winzige Kleinigkeit zu erinnern. Es war wie ein Film, der vor ihm ablief. Für jeden anderen wäre das sicherlich erstaunlich gewesen, für Jorik aber war es einfach eine Selbstverständlichkeit, die ihm half, das Andenken an seine Tochter zu bewahren.

Anfangs waren seine Erinnerungen an seine Frau und seine Tochter immer sehr tränenreich und schmerzhaft gewesen. Doch seit einiger Zeit hatte er gelernt, mit diesem furchtbaren Verlust umzugehen. Er wusste, er hatte diese beiden Menschen unwiederbringlich verloren, es sei denn, er wählte den Freitod. Doch dazu hatte er nicht den Mut gehabt. Also hatte er versucht, bei den Rettungsaktionen den Tod zu finden, indem er sich hemmungslos in Gefahr begab, doch musste er feststellen, dass es Menschen gab, denen es, ganz im Gegensatz zu ihm selbst, ganz und gar nicht egal war, was mit ihm geschah und ihn vor Unheil beschützten und so blieb er nach wie vor am Leben. Als diese Phase vorüber war, redete er sich ein, dass er noch nicht sterben durfte, solange der Planet und seine Bewohner noch immer im Krieg gegen diese Bestien standen. Erst, wenn der Sieg gegen sie auch mit seiner Hilfe geschafft war, konnte und durfte er gehen.

So lebte er lange Zeit, bis er teilweise erstaunt, aber auch teilweise entsetzt feststellen musste, dass es nicht nur Menschen gab, denen er etwas bedeutete, sondern es einen bestimmten Menschen gab, der ihm mit jedem neuen Tag immer wichtiger wurde und für den er weit mehr empfand, als die Liebe, die er für seine Freunde fühlte.

Und dieser Mensch war Marivar.

Anfangs war sie nicht mehr als eine Bekannte gewesen, die durch die Wirren des Krieges zu ihm gespült worden war, wenngleich sie schon von Beginn an stets eine besondere Stellung bei ihm eingenommen hatte. Denn Marivar war eine absolut brillante Ärztin, die bereits so vielen Menschen das Leben gerettet hatte, darunter auch seinem Freund Mavis. Doch noch mehr bewunderte Jorik ihre unzerstörbare Willenskraft und innere Stärke, denn natürlich lieferte der Krieg für einen Arzt weitaus mehr Gründe zum Verzweifeln, als zur Zufriedenheit. Und immer dann, wenn er diese eigentlich recht zierliche Frau sprichwörtlich knietief in Blut und Gedärmen in Aktion sah, fuhr ihm regelmäßig eine Gänsehaut über den Rücken, weil er ihre Entschlossenheit und ihre unbeugsame Kraft fast schon spüren konnte.

Dabei wusste Jorik jedoch nur zu genau, dass es in ihrem Inneren vollkommen anders aussah, denn Marivar war eine empfindsame, feinfühlige und sehr emotionale Frau mit einem goldenen Herzen. Und sie hatte ein ähnliches Schicksal ertragen müssen, wie er, denn auch sie hatte ihren Lebenspartner in den ersten Stunden des Krieges verloren.

All diese Gründe waren es, die von Beginn an dafür gesorgt hatten, dass zumindest Jorik immer etwas Besonderes in Marivar sah, wenngleich die Wirren des Krieges sie immer wieder auseinanderrissen.

Erst als sie hier auf Kimuri einen neuen Platz zum Leben gefunden hatten, entwickelte sich eine Freundschaft zwischen ihnen, die, ohne dass es einer von Beiden wirklich bewusst registriert hätte, immer enger wurde.

Das ging viele Jahre so, in denen Marivar mit jedem neuen Tag immer wichtiger für Jorik wurde. Ihre gemeinsamen Momente waren nach wie vor rar, dann aber umso schöner. Jorik genoss ihre Nähe, ihre Intelligenz und ihre Kraft und betrachtete sie eine ganze Zeit lang als seine beste Freundin.

Bis sich allmählich ganz andere Gefühle für sie einschlichen, als er – wann genau das war, vermochte er nicht mehr zu sagen – anfing, sie nicht mehr nur als Freundin, sondern auch als Frau zu sehen.

Und er brauchte wahrlich nicht lange, um zu erkennen, dass sie eine sehr attraktive und auch hübsche Frau war. Marivar war schlank gebaut, hatte mittelgroße, aber noch immer feste Formen und ein sehr hübsches Gesicht mit langen schwarzen Haaren. Ihre stahlblauen Augen funkelten manchmal wie Edelsteine und wenn sie lachte, lachte ihr ganzes Gesicht.

Jorik versuchte anfangs, seine aufkommenden Gefühle für sie zu unterdrücken, doch letztlich war er nicht länger dazu in der Lage.

Alisha war seine erste, wirkliche und große Liebe. Das würde sie auch immer bleiben. Und wenn er die Wahl zwischen ihr und Marivar gehabt hätte, hätte er immer und zu jeder Zeit Alisha gewählt. Doch nichts und niemand konnte ihm seine Frau jemals wiederbringen. Und er hatte mittlerweile erkannt, dass ihm sein eigener Freitod nichts nützen und sie ihm nicht zurückbringen würde.

Der Krieg war furchtbar und so oft schon hatte er sich Alisha neben sich gewünscht, um sein Leid und seine Qualen besser ertragen zu können. Doch eigentlich war es nicht Alisha selbst, die er brauchte, sondern einfach nur einen Menschen, dem er vertrauen und dem er sich öffnen konnte.

Mit Marivar hatte er einen solchen Menschen gefunden und er wollte ihr nun endlich seine Gefühle für sie eingestehen. Vielleicht empfand sie ebenso und sie beide, die der Krieg so sehr hatte leiden lassen, konnten von nun an enger oder sogar gemeinsam durchs Leben gehen.

Der schlimme Vorfall vor einigen Stunden hatte ihn in seinem Entschluss nur noch bestätigt.

Der Tod des Babys in seinen Armen hatte ihn sofort wieder an Daria erinnert und tiefste Verzweiflung in ihm ausgelöst. Und er war sich absolut nicht sicher gewesen, ob er nicht einfach nur daran zerbrechen würde. Doch diese Gefahr bestand nicht, denn – wieder einmal – war Marivar zur Stelle, um ihn zu trösten, ihn zu verstehen, ihm Kraft zu geben und den Schmerz zu nehmen.

So oft schon hatte sie das getan, ohne auch nur die geringste Gegenleistung dafür einzufordern.

Und da war ihm vollkommen klar gewesen, wie sehr er sich wünschte, dass sie fortan an seiner Seite sein würde.

Also lief er in die Krankenstation, um sie zu sehen, aber sie war bei der Beerdigung des kleinen Mädchens. Auch er ging dorthin, wollte im Anschluss mit ihr reden, doch Marivar ging, ohne das er es mitbekam und ohne, dass er sie sprechen konnte.

Als er dann nach der Beerdigung wieder in die Krankenstation ging, war dort mal wieder die Hölle los und Marivar nicht ansprechbar.

Etwas enttäuscht ging er in sein Quartier, löschte das Licht, bis auf diese eine Kerze, nahm Alishas Bild zur Hand und ließ seinen Gedanken freien Lauf.

Er hatte so lange mit seinem Entschluss gewartet, da spielte eine weitere Nacht keine Rolle mehr. Er würde morgen auf eine Gelegenheit warten, um mit ihr zu reden. Irgendetwas würde sich schon ergeben.

Dann überfiel ihn Müdigkeit und er schloss seine Augen.

Es klopfte leise an seiner Tür.

Jorik öffnete seine Augen und war zunächst erst einmal etwas verwirrt, weil er erkennen musste, dass er offensichtlich eingeschlafen war und er nicht wusste, wie lange. Doch ein kurzer Blick zur Kerze zeigte ihm, dass es nicht sehr lange gewesen sein konnte, denn sie war kaum weiter heruntergebrannt, als das letzte Mal, als er sie angeschaut hatte.

Er drückte sich in dem Sessel etwas aufrecht. Sofort überkam ihn ein ausgiebiger Gähnanfall und er musste ihm zunächst frönen. Dann blickte er sich um und horchte, doch er konnte nichts hören, sodass er glaubte, sich das Klopfgeräusch nur eingebildet zu haben. Er atmete einmal tief durch und entspannte sich wieder.

Einen Moment später aber klopfte es noch einmal. Dieses Mal etwas lauter und etwas länger.

Jorik atmete hörbar aus, denn er ahnte schon, dass es mit seiner Ruhephase jetzt vorbei sein würde. Wie oft schon war er hier gewesen und hatte geschlafen, als ihn ein nervöser Rekrut wachgeklopft hatte, weil wieder einmal irgendwo auf dem Planeten das Chaos tobte und sie unverzüglich zu Hilfe eilen mussten? Jorik hatte längst aufgehört zu zählen.

Aber er wusste auch, dass er sich nicht davor drücken konnte, auch wenn sich sein Körper gerade an die Ruhe gewöhnt und entspannt hatte.

Mit einem Stöhnen drückte er sich auf die Beine und machte die wenigen Schritte quer durch das Zimmer zur Eingangstür. Als er sie öffnete, ärgerte er sich im ersten Moment wieder über seine eigene Dummheit, denn das Licht des angrenzenden Ganges blendete ihn in den Augen, sodass er für eine Sekunde nichts als tanzende Sternchen sah.

Als die dann aber verflogen waren, war er sofort sichtlich überrascht, denn vor ihm stand kein Rekrut, der ihm seine Ruhe rauben wollte, sondern....

„Marivar!“ Jorik spürte, wie sich sein Körper anspannte.

„Ähm...!“ Auch Marivar war sichtlich nervös. „Störe ich?“

„Was? Nein...ach was. Ich meine...natürlich nicht!“ Er lächelte breit, was sie erwiderte. Dann trat eine bedrückende Stille ein. „Oh...!“ Er wurde zappelig. „Komm doch...! Ich meine, möchtest du...? Komm doch rein!“ Er drückte die Tür weiter auf und streckte seine rechte Hand nach ihr aus.

Marivar nahm sie, ohne zu zögern, mit einem sanften Lächeln und ließ sich in das Zimmer geleiten. Dann ließ sie los. Jorik war einen Moment unschlüssig, schließlich aber schloss er die Tür. Dadurch wurde es wieder sehr dunkel in dem Raum und er erneut nervös. „Oh...ich...ähm...hatte mich gerade ein wenig...ähm...ausgeruht...!“ Er lächelte verlegen.

„Dann störe ich doch!“ meinte Marivar und verlor ihr Lächeln.

„Oh, nein...! Nein!“ wehrte Jorik sofort ab. „Bitte! Ich mache das Licht an!“

„Nein!“ rief Marivar und war sofort ein wenig entsetzt, dass das Wort so laut herausbrach. Dann lächelte sie leicht. „Es ist schön so. Beruhigend, entspannend!“

„Okay!“ Jorik nickte. „Dann nur die Kerze!“

Marivar schaute ihm für einen Moment direkt in die Augen, dann wandte sie sich mit einem Lächeln ab. „Ich möchte auch nicht lange stören. Du hast die Ruhe wirklich nötig. Aber ich hatte den ganzen Tag über das Gefühl, als wolltest du mich sprechen!?“

Jorik schaute sie an und musste dabei lächeln. Ja, so war Marivar. Selbst immer am Rande des Machbaren, dachte sie an ihn und seinen Stress. „Ja...!“ Er nickte und wartete, bis sie ihn ansah. „...das wollte ich wirklich! Aber als ich vorhin das letzte Mal in der Krankenstation war, hattest du die Bude rappel voll und da dachte ich, wir verschieben das auf Morgen. Du kannst eine ordentliche Mütze voll Schlaf nämlich auch sehr gut vertragen!“

„Ja...!“ Marivar nickte lächelnd. „...das stimmt wohl. Aber es hat gar nicht so lange gedauert, wie es anfangs aussah. Und danach habe ich etwas gegessen und mich vernünftig geduscht. Das alles hat mir gutgetan. Und weil ich dieses Gefühl hatte, dass du mir etwas sagen wolltest, war es mir wichtig, hierherzukommen. Ich...!“ Sie wollte ihm wieder in die Augen schauen, doch sie war zu nervös dafür. „...mache mir nämlich noch immer Vorwürfe!“

„Vorwürfe?“ Jorik war erstaunt.

Marivar nickte. „Ich bin schuld an dem, was heute passiert ist. Ich hätte dir das Baby nicht geben dürfen, aber ich habe in diesem Moment nicht daran gedacht, was es in dir auslösen könnte. Das tut mir wirklich sehr leid. Ich habe einen großen Fehler gemacht!“ Sie war sichtlich traurig.

Jorik war sofort klar, dass er das nicht zulassen durfte. „Aber...!“ begann er und trat zu ihr. „...du hast keinen Fehler gemacht!“ Er wartete, bis sie ihn ansah. „Du hast nur versucht, ein Leben, das noch zu retten war, zu retten!“

Marivar huschte ein dünnes, aber unsicheres Lächeln über die Lippen, doch es erstarb sofort wieder. Stattdessen senkte sie wieder ihren Kopf.

Doch Jorik ließ das nicht zu. Er legte seine rechte Hand unter ihr Kinn und drückte es sanft nach oben, sodass sie ihm unweigerlich weiter in die Augen schauen musste. „Dass ich dort gestanden bin, war einfach...Schicksal. Natürlich hat mich das alles sofort wieder an Daria erinnert und ich war mir absolut nicht sicher, ob ich den Tod des Mädchens auf meinen Armen würde verkraften können. Doch am Ende hat sich gezeigt, dass ich mir keine Sorgen darum hätte machen brauchen!“

Marivars Augenbrauen zuckten irritiert zusammen. „Warum? Was meinst du?“

Jorik versuchte ernst zu bleiben, doch er musste lächeln. „Weil du da warst, um mich aufzufangen!“

Marivar nickte. „Als du gegangen warst, ist mir eingefallen, welchen Fehler ich gemacht hatte. Ich habe mich deshalb bemüht, die junge Frau schnell zu stabilisieren!“

„Ich weiß!“ Jorik lächelte wieder.

„Dann...bist du mir nicht böse?“

Jorik schüttelte den Kopf. „Bestimmt nicht!“

Marivar schien erleichtert. „Dann bin ich beruhigt!“ Sie lächelte und wieder trat ein Moment unangenehmer Stille ein. „Tja, also, dann werde ich wohl wieder gehen!“ Sie lächelte und drehte sich zurück zu Tür.

„Warte!“ Jorik hatte einen Wimpernschlag gezögert, doch er wusste, er musste seine Chance nutzen. „Geh nicht!“

„Was?“ Marivar drehte sich mit verwirrter Miene um.

„Bitte geh nicht!“ Jorik schaute ihr direkt in die Augen und lächelte. „Ich...!“ Er brach ab und musste schlucken. Er wusste, in seinem Gesicht stand sein Wunsch klar zu lesen. Doch er wusste nicht, was er sagen sollte. Stattdessen nahm er seine linke Hand und umfasste damit ihre rechte Hand. „Ich...!“ Wieder stoppte er, hob seinen rechten Arm und streichelte mit dem Rücken seiner rechten Hand sanft ihre linke Wange. „Ich...!“

„Ja, ich auch!“ erwiderte Marivar und ohne weiter zu zögern zuckte ihr Kopf nach vorn und sie küsste Jorik auf den Mund. Obwohl er etwas überrascht war, war es doch genau das, was er sich gewünscht hatte. Deshalb sperrte er sich nicht, öffnete seine Lippen leicht und schob seine Zunge hindurch. Als er auf Marivars warme, weiche Zunge traf, durchfuhr ihn ein kribbelnder Schauer und Marivar stöhnte leise auf.

Ihr erster Kuss dauerte fast eine ganze Minute und beide waren beinahe traurig, als er endete.

Jorik erkannte sofort, dass Marivar irritiert und nervös war. Doch das sollte und durfte sie nicht, deshalb küsste er sie gleich noch einmal. Wieder war es ein sehr leidenschaftlicher, langer, intensiver Kuss.

Als sie sich dann wieder trennten, schaute ihn Marivar ernst an. „Es ist besser, wenn ich jetzt gehe!“ sagte sie kurz, dann wandte sie sich um.

„Aber....nein!“ Jorik hielt sie sanft zurück. „Bitte...!“ Er wartete, bis Marivar ihn sichtlich widerwillig ansah, doch er ließ ihren Blick jetzt nicht mehr los. „Bitte bleibe heute Nacht bei mir, Marivar!“

Sie schaute ihm einen Moment tief in die Augen. „Willst du das denn wirklich?“

„Ja!“ Jorik nickte. „Ja, das will ich!“ Er lächelte und küsste sie nochmals.

„Aber...!“ Marivar wollte sich schon wieder wegdrehen, war sichtlich nervös. „...ich kann nicht!“

„Warum nicht?“ Jorik war fast entsetzt.

„Ich...!“ Sie schien Angst zu haben, doch sie schaute ihm direkt in die Augen. „...habe schon so lange nicht mehr. Ich weiß gar nicht, ob ich das noch kann?“ Sie war wirklich betrübt.

Jorik sah sie einen langen Moment an, dann strahlte er ein offenes, breites Lächeln. „Dann lass uns herausfinden, ob wir etwas verlernt haben!“

Marivar zögerte, doch nur für eine kurze Sekunde lang, dann küsste sie Jorik schon wieder leidenschaftlich und heiß.

Und als sie schließlich auf das Bett sanken und begannen, ihre Körper zu entblößen, spürten sie tiefste Erregung in sich aufsteigen.

Keiner von beiden hatte jetzt noch Zweifel daran, dass es richtig war. Beide vergaßen die Welt und die Zeit um sich herum, kreisten in einem fernen, wundervollen Universum nur um sich selbst. Sie gaben und nahmen, sperrten sich nicht, ließen geschehen, forderten ein, so oft und so lange es ihre Körper erlaubten.

Und als sie schließlich nach fast zwei Stunden vollkommen erschöpft Arm in Arm nebeneinander einschliefen, wussten sie, dass keiner von Beiden auch nur irgendetwas verlernt hatte.

Genesis IV

Подняться наверх