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XIII

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Der Ilo-Fluss hatte seinen Ursprung im östlichen Hochland von Poremien und floss dann fast fünfhundert Meilen schnurgerade nach Süden, bevor er auf die Riminak-Senke traf. Dies hatte zur Folge, dass sein Lauf nicht nur nach Südosten abgelenkt wurde, sondern vor allem, dass seine Fließgeschwindigkeit rapide anstieg und er sich in einen reißenden Strom verwandelte, der die nächsten zweihundert Meilen durch das sich anschließende Mumarith-Tal floss, bis dieses sich zu einer weitläufigen Ebene in Küstennähe öffnete.

Der Strom, seiner Ufer beraubt, breitete sich großflächig aus und es entstand das größte Flussdelta auf dem gesamten Planeten mit unzähligen Nebenarmen und einigen atemberaubend schönen Wasserfällen. Da sich diese hauptsächlich in den größeren, breiteren und tieferen Flussarmen fanden, war man gezwungen gewesen, ein gewaltiges Schleusensystem zu installieren, damit der Strom bis in den hohen Norden zu den wichtigen Rohstoffvorkommen des Hochlandes mit großen Schiffen befahrbar blieb.

Vor dem Krieg waren diese Anlagen stets eine besondere Attraktion für Besucher der Stadt gewesen, jetzt aber waren sie vielfach zerstört worden. Und diejenigen, die noch intakt waren, konnten nicht genutzt werden, da ihre Inbetriebnahme viel zu viel Aufmerksamkeit erregt hätte.

Somit war die Fahrt nach Norden für die Rettungstrupps aus Ajuminaja mit einem Umweg verbunden, der jedoch nötig war, wenn man den Schutz des Flusses behalten wollte.

Deshalb dauerte die Fahrt des kleinen Flugbootes, in dem sich neben Malissa, Rupas und dem Piloten, sowie Malawi, Idis, Kendig und Rimbo, noch ein vierköpfiger Rettungstrupp befand, dem ein Sanitäter angehörte, fast doppelt so lang, wie zu Friedenszeiten, doch schließlich erreichten sie die nordwestlichen Ausläufer des Fluss-Deltas und die dort befindlichen Vororte von Ajuminaja.

Der Pilot, der das Schiff sauber und problemlos führte, lenkte es in einen kleinen, breiten Nebenarm und ließ es schließlich zwischen einigen Schiffswracks langsam auftauchen. Inmitten der riesigen, halb gesunkenen, vielfach ausgebrannten und zerstörten Stahlkolosse fiel das kleine Boot absolut nicht auf, zumal sich der Himmel wolkenverhangen zeigte und die Nacht noch düsterer machte.

Malissa führte die Gruppe aus dem Schiff – der Pilot blieb als Einziger zurück - auf den Kai und von dort aus in eine Seitengasse, wo sie zunächst verharrten und das Gelände sondierten. Doch es war alles ruhig, für Kendigs Geschmack eher zu ruhig. Die feindlichen Linien befanden sich im Osten und auch die gewaltigen Atmosphärenwandler schienen weit entfernt.

Malissa und der Anführer des Rettungstrupps hatten jeweils ein tragbares Radargerät bei sich, das ihnen zeigte, dass auch das nächste Rudel Insektenbestien gute vier Meilen entfernt war.

„Wissen sie, woher das Signal kommt?“ fragte Rimbo Malissa.

Sie nickte und deutete auf ihren Radarschirm, wo im oberen linken Bereich ein blauer, pulsierender Punkt zu sehen war. „Richtung Nordosten!“ meinte sie. „Vielleicht eine Meile!“

„Los geht’s!“ erwiderte Rupas. „Ich und Malissa übernehmen die Führung. Sergeant?“ Er schaute den Anführer des Rettungstrupps an und wartete, bis er seinen Blick erwiderte. „Sie und ihre Männer bilden die Nachhut!“ Der Soldat nickte. „Der Rest...!“ Rupas sah Kendig und Rimbo an. „...hält sich in der Mitte und deckt die Flanken!“ Kendig und Rimbo nickten ebenfalls. Damit war Rupas zufrieden. „Okay, dann ab dafür!“

Allmählich verließ auch ihn die Zuversicht und seine Stimmung sank unter die Grasnarbe. Doch so sehr sie sich auch bemühten, es wurde immer wahrscheinlicher, dass Shamos Recht und ihre Mission nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte.

Dabei war er sich doch so sicher gewesen, dass sie dennoch Glück gehabt hatten.

Zwar hatten sie nur eine knappe Stunde in der Bibliothek von Ajuminaja zur Verfügung gehabt, doch die hatten er und Shamos wirklich hervorragend und konsequent genutzt. Matu war sicher, dass sie in der richtigen Ecke gesucht hatten. Deshalb hatten sie auch so viele Bücher und Schriften aus den Regalen genommen, weil sie förmlich gespürt hatten, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Bevor sie jedoch mehr als weitere Andeutungen und Hinweise erlesen konnten, brachen die Insektenbestien über sie herein.

Es war reiner Instinkt und reiner Reflex gewesen, dass er seine Tasche aufgerissen und den Tisch quasi in einem einzigen Handstreich abgeräumt hatte.

Des Rätsels Lösung lag dort vor ihnen, doch, wenn sie einfach nur die Flucht ergriffen hätten, hätten sie sich jeder Chance beraubt, es zu lüften.

Deshalb hatte Matu auch nicht lange gewartet und sich gleich nachdem sie hier eingetroffen waren, darangemacht, die Schriften wieder zu ordnen. Natürlich war ihm dabei nicht entgangen, dass Shamos sich bereits aufgegeben zu haben schien, zumindest aber in tierischem Selbstmitleid zerfloss.

Es war wirklich nicht leicht, sich davon nicht beeindrucken und herunterziehen zu lassen, doch er zwang sich zur Konzentration und arbeitete verbissen und akribisch.

Irgendwann dann kam Shamos doch zu ihm und brachte ihm eine Tasse Kaffee. Während er ihm von seinem Gespräch mit Esha erzählte, genoss Matu grinsend das dampfende Getränk, das ihn sofort belebte.

Danach gingen sie gemeinsam daran, die in aller Eile zusammengeklaubten Schriften weiter zu ordnen.

Anfangs war Shamos dabei noch ein wenig langsam, behäbig und lustlos, doch allmählich steigerte sich sein Enthusiasmus und sie kamen gut voran.

Nach einer gewissen Zeit aber stellte sich bei beiden die bittere Erkenntnis ein, dass ihre Mühen doch vergebens waren. Alle Schriften drehten sich zwar um den Anbeginn der Menschheit und viele davon waren auch aus den Reihen derer, die die Dinge anders oder nicht ganz so sahen, wie die Allgemeinheit. Ja, sie hatten sogar Schriften des Mannes gefunden, der letztlich als Begründer der geheimen Sekte galt, die man als Hexamerer kannte. Das Buch, in dem er seine Thesen und Schlussfolgerungen für die Nachwelt festgehalten hatte, hatten sie jedoch nicht entdecken können.

Dennoch war Matu zuversichtlich gewesen. Wenn die Lösung in diesem Buch zu finden gewesen wäre, dann hätten all die Gelehrten und Wissenschaftler, die es in Jahrtausenden unzählige Male durchsucht und überprüft hatten, sicherlich schon gefunden. Deshalb erschien es ihm nicht einmal unlogisch, dass sie das, was sie suchten, in einem anderen, eher unscheinbaren Textstück finden würden.

Aber nachdem sie nunmehr alles, was sie aus der Bibliothek hatten mitnehmen können, sauber und ordentlich zusammengestellt und zugeordnet hatten, musste Matu zugeben, dass sie zwar einige vage Andeutungen darauf gefunden hatten, dass da in der Tat noch etwas mehr war, dass er aber keinen einzigen echten, verwertbaren Hinweis erkennen konnte.

Die Tatsache, dass sich Shamos Theorie als absolut nicht irrsinnig darstellte, sie aber weiterhin hoffnungslos blind waren, frustrierte und verärgerte ihn.

Shamos atmete einmal sehr tief durch, dann ließ er sich müde auf einen Stuhl sinken. Sein Blick war kraftlos und verschwommen. „Das war es! Wir sind gescheitert!“

Matu schaute den Wissenschaftler einen langen Moment an, in dem er wusste, dass Shamos Recht hatte. Dennoch schüttelte er den Kopf. „Nein! Das kann es nicht gewesen sein!“ Er versuchte kraftvoll und zuversichtlich zu sprechen, doch seine Stimme klang zittrig. „Das darf es nicht gewesen sein. Ich bin mir sicher, dass wir die Lösung hier vor Augen haben. Wir sehen... nur nicht richtig hin!“ Er schaute Shamos flehend an.

Doch der Wissenschaftler schüttelte traurig den Kopf. „Das alles hat irgendwie irgendwo damit zu tun. Aber es fehlt etwas Entscheidendes!“

„Und jetzt?“

„Es war klar, wo es zu finden ist!“ Shamos sah Matu direkt an. „Daran hat sich nichts geändert. Wir müssen nochmals in die Bibliothek!“

„Aber?“ Matu wusste nicht, was er sagen sollte, nur das Shamos wahrscheinlich Recht hatte. „Das können wir nicht. Das ist viel zu gefährlich!“ Er sah in den Augen des Wissenschaftlers keine Zustimmung. „Außerdem haben diese Monster den Raum verwüstet. Wenn wir es beim ersten Mal nicht gefunden haben, wird uns das beim zweiten Mal erst Recht nicht gelingen!“

„Dann sind wir gescheitert und können wieder nach Kimuri zurückkehren!“

„Nein!“ rief Matu und schüttelte vehement den Kopf. „Wir dürfen noch nicht aufgeben. Es ist zu wichtig!“ Er erhob sich und trat an den Tisch zurück. „Wir müssen es noch mal durcharbeiten. Vielleicht haben wir etwas übersehen. Ich bin mir...sicher, dass es hier irgendwo einen echten Hinweis geben muss!“ Er drehte sich zurück zu Shamos. „Wir sind die einzigen, die diese furchtbarste aller Katastrophen noch verhindern können. Wir dürfen noch nicht aufgeben!“ Er wartete, bis Shamos ihn ansah. „Bitte!“

Der Wissenschaftler schaute ihm einen langen Moment in die Augen, dann nickte er langsam. „Sie haben Recht!“ Er erhob sich mit einem tiefen Stöhnen. „Wir überprüfen alles noch einmal!“

Matu lächelte dankbar und gemeinsam beugten sie sich wieder über die uralten Schriften.

Ihr Weg führte sie durch eine Gegend mit kleinen, überwiegend einstöckigen Häusern, die sicherlich einmal ein schönes Wohngebiet gebildet hatten, jetzt aber beinahe dem Erdboden gleich in Schutt und Asche lagen.

Bisher war alles ruhig um sie herum und sie kamen sehr schnell voran.

Rupas und Malissa führten sie schnell und sicher und so hatten sie ihr Ziel schon nach zwanzig Minuten erreicht.

Rupas deutete der Gruppe an, stehen zu bleiben. Gleichzeitig hockte er sich im Schutz einer halb eingestürzten Hauswand nieder und sondierte die Umgebung mit einem Nachsichtgerät. „Alles ruhig!“ meinte er dann. „Sarge!“ Er wandte sich an den Truppführer. “Sie blieben hier und geben uns Deckung. „Sie...!“ Er schaute Kendig und Rimbo an. „...können mitkommen, wenn sie möchten!“

„Klar!“ Rimbo grinste.

Kendig nickte.

Rupas drehte sich um und rannte zusammen mit Malissa in hohem Tempo, aber beinahe lautlos, über die ehemals idyllische Dorfstraße, um kurvte einige Trümmerteile und ausgebrannte Wracks und huschte dann in einen Zwischenraum zwischen zwei Hausruinen.

Kendig, Malawi, Idis und Rimbo folgten ihnen in geringem Abstand.

„Da vorn!“ Rupas deutete über eine halbhohe Mauer nach links auf einen Bereich, der den Angriffen der Feinde standgehalten hatte.

Kendig schätzte, dass es vielleicht zwei oder drei Räume waren, die kaum beschädigt waren und bei denen vor allem das Dach noch intakt zu sein schien. Er nickte Rupas zu.

Der sprang daraufhin auf, übersprang die Mauer und rannte auf eine geschlossene Tür zu. Die anderen folgten ihm und verteilten sich zu beiden Seiten an der Wand.

„Wir checken die Hintertür!“ meinte Kendig. Rupas nickte ihm zu. Zusammen mit Malawi und Malissa huschten sie um die nächste Ecke.

Rimbo trat mit vorgehaltener Waffe direkt vor die Tür. Rupas legte seine linke Hand vorsichtig auf den Türknauf und drehte ihn, bis die Tür mit einem leisen Klicken aufsprang. Idis drückte sie langsam immer weiter auf, bis sie komplett aufgeschwungen war. Rimbo hielt sich schussbereit.

Aber es blieb alles ruhig.

Rupas zuckte um die Ecke und huschte, ebenfalls mit vorgehaltener Waffe in den Raum hinein. Idis und Rimbo folgten ihm. Ihnen offenbarte sich eine ehemalige Küche, die beinahe komplett ausgebrannt war. Es war jedoch niemand zu sehen. Während Rupas die linke Seite absuchte, hielt sich Idis nach rechts. Rimbo deckte den Rückraum. Idis entdeckte an der hinteren rechten Wand eine weitere Tür. Sie schnalzte mit der Zunge und hatte sofort die Aufmerksamkeit der beiden Männer, die ihr folgten.

Beinahe lautlos huschten sie in den anderen Raum, der sich als ehemaliges Wohnzimmer entpuppte. Hier waren zumindest noch einige Möbelstücke halbwegs intakt. Dennoch war auch hier niemand zu sehen.

Plötzlich vernahmen sie ein Geräusch und alle drei zuckten herum. Im selben Moment aber erkannten sie, dass sie Kendig, Malawi und Malissa gegenüberstanden, die nicht minder erschrocken ihre Waffen auf sie gerichtet hatten.

Alle entspannten sich und atmeten einmal durch.

Rupas schaute sich in dem Raum um und erkannte an der rechten Wand einen kleinen Tisch, auf dem ein Funkgerät stand. Er ging darauf zu und betrachtete es. „Von hier aus kam der Hilferuf!“ stellte er fest.

Malissa nickte. „Aber, wenn hier Jemand war, dann ist er es jetzt nicht mehr!“

„Wir sollten uns zurückziehen!“ meinte Idis. „Ihr Verschwinden muss einen Grund haben!“

Rupas schaute sie einen Moment ausdruckslos an, dann nickte er. „Sie haben Recht! Rückzug!“

„Moment!“ Rimbo hatte sich ebenfalls umgeschaut und einige Teller in der Ecke ausgemacht. Das Essen darauf sah zwar alles andere als gesund aus, war aber noch nicht wirklich angetrocknet. Für ihn ein Zeichen, dass der Schein vielleicht trügen konnte. Entsprechend hatte er sich weiter umgesehen und tatsächlich etwas entdeckt. Als er die anderen darauf aufmerksam machte, stand er in dem kleinen Flur, der zu einer Hintertür führte, durch die Kendig mit den beiden Frauen gekommen war und deutete mit der Waffe auf den Boden, wo sich bei genauerem Hinsehen die Kanten einer Luke abzeichneten.

Alle anderen schauten ihn zunächst einen kurzen Moment irritiert an, dann hatten sie begriffen. Rupas und Malawi kamen herbei und stellten sich neben ihn. Rupas hockte sich nieder, nahm die Waffe aus dem Anschlag und legte eine Hand an den Rand der Luke. Dann schaute er zu den beiden anderen hinauf, die daraufhin nickten und sich schussbereit machten.

Ohne weiter zu zögern, hob er die Luke an und ließ sie hintenüberfallen. Innerlich zuckten alle zusammen, als sie zu Boden schlug. Doch nichts geschah, bis auf die Tatsache, dass deutlich aus dem sich auftuenden Dunkel einige erstickte Aufschreie zu hören waren.

Kendig fackelte daher nicht lange, zog einen Leuchtstab aus seiner Hose, brach ihn in der Mitte, sodass die Leuchtkristalle in ihm aktiviert wurden und warf ihn in die Tiefe. Augenblicklich war ein vielleicht drei mal drei Meter großer Raum, der in das Erdreich gegraben worden war und dessen Wände mit Holzbrettern abgestützt wurden, in kaltes, blaues Licht getaucht, was sofort wieder erstickte Schreie nach sich zog.

Rimbo beugte sich hinab und spähte in die Tiefe und war wenig überrascht, als er im hintersten Bereich des Raumes ein Knäuel Menschen sehen konnte. Er zählte vier Erwachsene – zwei Männer, zwei Frauen – die sich schützend über vier Kinder gebeugt hatten und in pansicher Angst zu ihm aufschauten. „Prima!“ meinte er und lächelte. „Da haben wir unsere verlorenen Seelen ja doch noch gefunden, was?“ Er streckte seine rechte Hand aus. „Kommen sie. Ihr Taxi ist da!“

Widerstrebend löste sich das Knäuel auf. Rimbo ließ sich hinabgleiten. Als sie ihn so direkt vor sich hatten, schienen die Flüchtlinge etwas Mut zu fassen.

„Dem Himmel sei Dank!“ meinte der ältere der beiden Männer zu ihm. „Wir hatten keine Hoffnung mehr!“

Rimbo lächelte. „Sie sind auch noch nicht aus dem Schneider! Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bevor wir in Sicherheit sind!“ Rimbo schnappte sich eines der Kinder und reichte es in die Höhe, wo Kendig und Rupas es entgegennahmen. „Wie sind sie überhaupt hierhergekommen?“

„Wir hatten ein Versteck in den Hügeln im Norden gehabt. Vielleicht einhundert Meilen von hier. Dort leben noch mehr Menschen. Etwa siebzig. Doch unsere Kinder wurden krank. Wir hatten keine Medizin. Deshalb sind wir hierher gegangen, weil wir hofften, hier gäbe es Hilfe für uns!“

Rimbo hörte ihm aufmerksam zu, während er die beiden anderen Kinder und schließlich eine der Frauen nach oben reichte. Bei den Kindern hatte er das Gefühl, er würde luftleere Hüllen anheben. So leicht, so blass, so blicklos waren sie. „Da wo wir hingehen, gibt es sicherlich Medizin für sie!“ Er schaute hinauf zu Rupas. „Richtig?“

Er nickte. „Ich denke schon!“

„Prima!“ Rimbo war zufrieden. „Dann schnell jetzt!“

Eine Minute später waren alle Flüchtlinge aus dem Raum befördert und Rimbo streckte seine Hände aus. Kendig und Rupas zogen ihn hinauf, doch mussten sie sich ziemlich dabei anstrengen und stöhnten nicht schlecht.

„Gott, bist du fett!“ stellte Kendig fest

„Blödsinn!“ erwiderte Rimbo gereizt. „Nur Muskelmasse und...!“ Er schaute an sich herab und grinste dann breit.

„Träum weiter!“ Kendig konnte sich ein abschätziges Lächeln aber nicht verkneifen.

„Maul halten jetzt!“ meinte Rupas. „Und Abmarsch!“

Das ließ sich niemand zweimal sagen.

Rimbo und Kendig nahmen je ein Kind Huckepack, ebenso die beiden Väter.

Schnell huschten sie zu dem Rettungstrupp auf der anderen Straßenseite und dann gemeinsam weiter zurück zum Flugboot.

Sie hatte versucht, sich zu entspannen. Immer nur zwei hochkonzentriert arbeitende Männer anzuschauen, machte ihr aber nicht sehr lang Spaß. Also hatte Esha beschlossen, sich ein wenig die Beine zu vertreten und war in dem Stützpunkt umhergewandert. Anfangs tat ihr das sehr gut, doch dann verlor sie auch hier die Lust daran, vollkommen allein zu sein. Sie konnte jetzt einen Kaffee vertragen und dann wollte sie sich vielleicht ein bisschen nützlich in der hiesigen Krankenstation machen.

Doch als sie wieder zu ihrem Mann und dem Priester zurückkehrte, erkannte sie sofort in ihren Gesichtern, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie goss sich eine Tasse Kaffee ein und betrat dann den Raum, in dem die beiden arbeiteten.

Keiner von ihnen schien sie zu bemerken, so sehr waren sie auf ihre Arbeit konzentriert. Esha betrachtete sie zunächst stumm. Deutlich konnte sie spüren, wie unruhig die beiden waren. Außerdem waren immer wieder frustriertes Stöhnen und leise, kurze, resignierende Ausrufe zu hören.

Esha brauchte keine Hellseherin zu sein, um zu wissen, dass sie offensichtlich nicht das fanden, wonach sie suchten.

Zufällig schaute sie natürlich auch auf den Tisch, auf dem die Bücher und Schriften lagen, die sie aus der Bibliothek in aller Eile hatten mitnehmen können. Mit einem Male stutzte sie und runzelte die Stirn. Sie trat von der Stirnseite näher heran und begann, einige Bücher anzuheben und Blätter beiseite zu schieben.

Plötzlich erschrak sie, denn Shamos riss unvermittelt seine Hände in die Höhe, wobei er einen Stapel Blätter über den Tisch fegte. „Verdammt!“ brüllte er beinahe wütend und stöhnte verärgert. „Das ist doch alles sinnlos!“ Er drehte sich vom Tisch weg. „Es ist nicht hier und damit Basta!“

Matu blickte auf. In seinen Augen sah Esha deutlichen Schmerz und die Erkenntnis, dass er Shamos zwar widersprechen wollte, aber nichts hatte, womit er das begründen konnte.

„Habt ihr nicht gefunden, wonach ihr gesucht habt?“ fragte Esha unsicher.

Shamos wirbelte herum und war sichtlich überrascht, seine Frau zu sehen. „Esha!“ rief er aus.

Matu schaute sie an und schüttelte den Kopf. „Nein! Wir haben es jetzt zweimal durchgesehen. Es gibt Andeutungen, Hinweise, aber nichts Greifbares. Fakt ist, dass Shamos Recht hat. Irgendetwas ist da. Aber wir können nicht sagen, was!“

„Weil wir nicht das mitnehmen konnten, was wir brauchen, um das Rätsel zu lösen!“ hob Shamos wieder an.

„Also...! begann Esha langsam. „...wenn ich ehrlich bin, habe ich noch immer keine wirkliche Ahnung, von dem, was ihr sucht. Als ich jung war, habe ich an die allgemeine Version der Geschichte geglaubt, später dann an die wissenschaftliche Erklärung. An eine Verquickung von beiden kann ich mich nur schwer gewöhnen. Deshalb werde ich euch auch kaum helfen können!“ Sie wartete, bis Shamos sie ansah. Dann trat sie direkt vor ihn. „Aber eines weiß ich. Ihr könnt nicht behaupten, ihr würdet die Lösung des Rätsels nicht finden...!“ Sie drehte sich zu Matu und schaute auch ihn direkt an. „...wenn ihr noch gar nicht alle Unterlagen geprüft habt!“

Shamos Gesicht verdunkelte sich augenblicklich. „Was?“

Matu war sichtlich überrascht. „Was...meinen sie damit?“

„Ich meine damit, dass hier...!“ Sie deutete auf den Tisch. „...nicht alles liegt, was ihr mitgenommen habt!“

„Häh?“ rief Shamos nochmals und in seiner Stimme schwang Verärgerung. Dann schüttelte er den Kopf. „Was bitte schön soll denn das sein?“

Esha schaute ihm einen Moment stumm in die Augen, dann beugte sie sich vor und küsste ihn sanft auf die Wange. Mit einem Lächeln drehte sie sich um und verließ das Zimmer.

Vollkommen irritiert stürmten Matu und Shamos zur Glasscheibe und starrten ihr hinterher, wie sie an den Stuhl trat, über dem Shamos Jacke hing. Sie klappte die linke Seite um, griff wie selbstverständlich in die Innentasche und kam mit einem kleinen, in dickes, schwarzes, längst abgegriffenes Leder gebundenes Notizbuch in der Hand wieder hervor.

„Was zum Teufel...?“ entfuhr es Shamos sofort, dann schaute er beschämt zu Matu. „Tut mir leid!“

„Schon gut!“ Matu hatte seinen Blick fest auf das kleine Buch gerichtet, antwortete mehr wie in Trance und ging zur Durchgangstür, wo Esha gerade wieder zurückkehrte.

„Du hattest es nachträglich noch eingesteckt, weißt du nicht mehr?“ fragte sie ihren Mann.

„Ich...!“ Shamos war verblüfft. „Himmel ja, natürlich. Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich hatte gerade darin gelesen, als...!“ Sein Blick hellte sich auf und er nahm es Esha aus der Hand.

„Gab es einen bestimmten Grund, warum sie es genommen haben?“ fragte Matu hoffnungsvoll.

Shamos grinste breit. „Und ob!“ Dann drehte er sich zu Esha um. „Du bist unglaublich!“ Er strahlte sie offen an. „Gott, ich liebe dich!“ Er verpasste ihr einen wilden, stürmischen Kuss, den Esha total überrascht über sich ergehen ließ. Dann trennte er sich von ihr, lief zum Tisch, setzte sich und öffnete das kleine Buch.

„Sie haben sich getäuscht!“ meinte Matu.

„Womit?“ fragte Esha irritiert.

„Offensichtlich waren sie doch hilfreich!“ Er lächelte ihr zu, dann setzte er sich neben Shamos und studierte mit ihm das Buch.

Obwohl sie Zivilisten bei sich hatten, waren sie auf ihrem Rückweg kaum langsamer, als auf dem Hinweg. Die Angst trieb die Männer und Frauen sichtlich an.

Das Wohngebiet hatten sie gerade hinter sich gelassen und näherten sich zügig dem Hafengelände, als Malissa plötzlich stehenblieb. Da sie mit Rupas die Vorhut bildete, registrierten alle anderen ihr Verhalten natürlich sofort und stoppten ebenfalls. Nur Rupas brauchte einen Moment, bis er bemerkte, dass ihm niemand mehr folgte.

Malissa schaute starr auf ihr Radargerät und ihr Blick zeigte echte Besorgnis.

„Was ist?“ fragte Rupas.

„Wir bekommen Besuch!“ erwiderte sie tonlos und deutete auf den Radarschirm, wo deutlich zu sehen war, dass sich mehrere, rote Signale von Osten her näherten.

„Verdammt!“ raunte Rupas. „Wie weit noch?“

„Zu nah!“ entgegnete Malissa und schaute ihm direkt in die Augen. „Das werden wir nicht mehr schaffen!“

Rupas atmete einmal tief durch und schien zu überlegen. „Okay!“ meinte er dann und nickte. Er wandte sich ab und legte seine linke Hand auf sein Ohr. „Tuk?“ Er nahm Verbindung zu ihrem Piloten im Flugboot auf. „Ja, du musst kommen und uns abholen! Schnell!“

„Das wird eng!“ meinte Kendig mit einem Blick auf den Radarschirm.

Rupas, der sich wieder zurückgedreht hatte, nickte. „Aber unsere einzige Chance!“


Das Buch war in der Tat faszinierend. Es war zwar nur klein und hatte kaum mehr als zwanzig Seiten, doch die waren prall angefüllt mit vielen Informationen aus dem Anbeginn der Zeit. Matu spürte eine steigende Erregung, als er die Zeilen las. Kein Zweifel, sie waren auf der richtigen Spur.

Mit neuer Energie griff er zu seiner Kaffeetasse, doch die war leer. Kurzerhand nahm er die Kanne und füllte seine Tasse und dann auch die von Shamos.

„Was ist denn das?“ rief der Wissenschaftler plötzlich aus.

Matu blickte zu ihm und sah, dass Shamos verwirrt schien und das Buch in seiner Hand auf den Kopf drehte. „Was ist denn?“ fragte er neugierig.

Shamos lachte leise auf. „Die Seite ist auf dem Kopf geschrieben worden!“

„Was?“ Matu beugte sich zu ihm und betrachtete die Sache ungläubig. Doch Shamos hatte nicht gescherzt. Die Worte standen auf dem Kopf. Erst, wenn man das Buch drehte, war der Text problemlos zu lesen.

„Hier steht...!“ begann der Priester. „...dass die Wahrheit die Welt auf den Kopf stellen würde. So wie dieser Text es tut!“ Jetzt musste auch er lächeln. „Die Leute kannten offensichtlich damals schon Humor!“ Er schüttelte den Kopf, dann las er weiter. „Die einfache Wahrheit wird dem Ungläubigen verborgen bleiben und sich nur demjenigen offenbaren, der bereit ist, seine Grenzen zu sprengen und sich von den alten Fesseln zu lösen. Dann wird er erkennen, dass es hier nicht darum geht, die Allmacht Gottes in Frage zu stellen, sondern im Gegenteil seine Wunder offen und lebendig zu erleben!“

Shamos und Esha hatten ihm aufmerksam zugehört. Shamos nickte immer wieder und schien zufrieden. Esha spürte, wie eine Gänsehaut ihren Rücken hinaufkroch.

Matu blickte auf und legte das Buch auf den Tisch. „Die einfache Wahrheit...!?“ wiederholte er nachdenklich.

Shamos beugte sich vor. „Was sind das hier für Zeichen?“ Er deutete auf vier geometrische Figuren ziemlich in der Mitte der Seite.


„Sieht aus wie eine Raute, ein Dreieck, ein Kreuz und ein Quadrat!“ meinte er und blickte zu Matu. „Wie hoch ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass sie dort nur zufällig stehen?“

Der Priester schaute ihn einen Moment ausdruckslos an, dann blickte er in das Buch. „Aber natürlich!“ meinte er plötzlich und riss seine Augen auf. Als er Eshas und Shamos irritierten Blick sah, musste er lächeln. „Moment!“ sagte er langgezogen, sprang von seinem Stuhl auf und schaute über den Tisch.

„Was ist los?“ Esha war sichtlich nervös.

„Ich habe diese Symbole schon einmal gesehen!“ erwiderte Matu, ohne sie anzuschauen. „Hier!“ rief er nur einen Wimpernschlag später und riss förmlich einige Seiten Pergament in die Höhe. „Hier ist es!“ Er setzte sich wieder und breitete die insgesamt vier Seiten vor sich aus. „Da!“ Er deutete auf die jeweils linke, untere Ecke der fast durchsichtigen Seiten, wo deutlich je eines der Symbole zu erkennen war.

Shamos beugte sich vor, schaute kurz darüber, dann nickte er und lehnte sich wieder zurück. „Ja, mag sein. Aber diese Seiten hatten wir doch schon durchgearbeitet. Sogar einmal mehr, als alle anderen!“

„Und wieso das?“ fragte Esha.

„Hier!“ Matu schob ihr die Seiten zu. „Sehen sie selbst!“

Esha beugte sich hinab und wusste schon nach wenigen Augenblicken, was der Priester meinte. Eine derartige Handschrift, wie sie auf den vier Pergamentseiten zu finden war, hatte sie noch nie zuvor gesehen. Zwar war der Text in ihrer Sprache verfasst, doch konnte sie ihn teilweise gar nicht oder nur mit äußerster Mühe entziffern. Esha war sich schnell ziemlich sicher, dass der Verfasser an einer Krankheit gelitten haben musste, die sich sehr negativ auf seine motorischen Fähigkeiten und somit auf seine Handschrift ausgewirkt hatte. Kein Buchstabe war jemals auf die gleiche Weise geschrieben worden. Die Worte waren mal klein und langgezogen oder groß und hochgestellt. Selten befanden sie sich auf einer geraden Linie, verliefen mal schräg nach unten oder oben oder auch in Wellenlinien auf und ab. Und nicht selten waren gerade die Anfangsbuchstaben von Worten mit ausgedehnten und ausgefeilten Verschnörkelungen versehen. Esha gab sich redlich Mühe, den Text zu entziffern, doch schon nach der ersten halben Seite gab sie entnervt auf, wobei das nicht nur an der Optik des Textes lag. „Mann!“ stieß sie hervor. „Das ist ätzend! Das kann man ja kaum entziffern. Und außerdem ist das ja nur Kauderwelsch, was dort steht! Was soll denn das?“ Sie schaute ihren Mann fragend an.

Doch nicht er, sondern Matu antwortete ihr. „Sie haben völlig Recht. Die Schrift ist grauenhaft und der Text ergibt nicht einmal mit viel Wohlwollen auch nur einen einfachen Sinn!“ Dann schüttelte er den Kopf. „Doch irgendetwas stimmt daran nicht!“

„Und das wäre?“ fragte Esha.

„Da ist zum einen das Papier, auf dem der Text geschrieben wurde!“ erwiderte Shamos und beugte sich vor.

„Borimant!“ meinte Esha.

„Borimant!“ Ihr Mann nickte. „Ein Material, das zu keiner Zeit üblich war. Heute wird es nicht mehr benutzt, weil es wesentlich widerstandsfähigere und glattere Oberflächen gibt. Früher aber war es nahezu unerschwinglich. Borimant in der Menge für diesen Text war sicher zwei, wenn nicht gar drei Rinder wert!“

Esha zog die Augenbrauen in die Höhe. „Wow!“

Matu nickte. „Deshalb wurde es nur verwendet, um wirklich wichtige Texte darauf zu schreiben!“

Esha runzelte die Stirn und atmete einmal tief durch. „Dann war der Verfasser nicht bei Sinnen!“

„Warum?“

„Weil er ein Vermögen für...sinnlose Worte ausgegeben hat!“

„Mag sein!“ warf Shamos ein. „Aber verrückt war er nicht!“

„Woher weißt du das?“

„Weil fast die Hälfte aller Texte, die du hier siehst, von ihm sind. Und nicht einer davon ist auch nur annähernd so wirr und unverständlich wie dieser hier!“

„Dann denkt ihr, dass dieser Text doch einen tieferen, verborgenen Sinn hat, weil der Verfasser sonst klar geschrieben und dieses für die damalige Zeit teure Material benutzt hat!“ Shamos und Matu nickten. „Deshalb habt ihr ihn auch mehrmals untersucht!“

„Stimmt, aber leider ohne Erfolg. Der Sinn ist uns nach wie vor verborgen!“

„Aber das diese Zeichen hier...!“ Sie deutete exemplarisch auf das Quadrat auf der Seite, die sie gerade versucht hatte zu lesen. „...sowohl in diesem Buch, als auch auf diesen Seiten hier stehen, ist doch nicht zufällig oder?“ Sie blickte die beiden hochkonzentriert an und nahm das kleine Buch in die Hand. „Außerdem...!“

„Außerdem was?“ fragte Shamos.

„Die Seite hier in dem Buch, auf der die Zeichen sind, ist ebenfalls aus Borimant!“

„Ja, das ist uns auch schon aufgefallen!“ erwiderte Matu.

„Und die Worte hier stehen nicht nur auf dem Kopf...!“ Sie klappte die Seite um und fuhr mit dem Finger über die vermeintliche Rückseite. „…sondern wurden auch spiegelverkehrt auf die Rückseite geschrieben!“

„Was?“ Shamos war sofort überrascht und sprang auf.

„Ja, hier!“ bestätigte Esha und reichte ihm das Buch. „Fühl selber!“

Shamos strich mit dem Zeigefinger über das Borimant und nickte dann. „Du hast Recht! Die Schrift ist auf der Rückseite!“ Er klappte die Seite wieder um. „Und so kann man es lesen!“ Er schaute den Priester mit großen Augen an.

Der schien in tiefen Gedanken und wurde plötzlich hektisch. „Moment mal!“ Er nahm die vier Seiten Borimant und legte sie entsprechend ihrer Seitenziffern, die sich in den unteren rechten Ecken befanden, zusammen. „Also. Auf dem Kopf!“ Er drehte die Seiten entsprechend. „Und dann spiegelverkehrt!“ Er drehte den kleinen Stapel herum, sodass die letzte Seite jetzt oben lag. Dann schob er sie sorgfältig übereinander, sprang auf und hielt sie gegen das Licht der Deckenlampe.

„Und?“ fragte Shamos erwartungsvoll und erhob sich.

„Ich...weiß nicht?“ Matu betrachtete die Seiten intensiv. Doch dann schüttelte er den Kopf. „Nein!“ fügte er enttäuscht hinzu. „Fehlanzeige!“ Er gab die Seiten dem Wissenschaftler, der sie ebenfalls im Gegenlicht anstarrte, sie jedoch nach einigen Momenten gleichsam enttäuscht sinken ließ und frustriert auf den Tisch warf.

Sowohl er, als auch Matu drehten Esha den Rücken zu und ließen ihrer Enttäuschung stumm freien Lauf, sodass es sehr still im Raum wurde.

Esha, die im ersten Moment nicht recht wusste, was sie tun sollte, trat an den Tisch und nahm die vier Seiten, die ihr Mann dorthin geworfen hatte und die jetzt verstreut herumlagen, wieder zur Hand und beschloss, sich das einmal selbst zu betrachten. Sie fügte die Seiten zusammen, drehte sie auf den Kopf, drehte sie herum und trat vor die Lampe. Sofort offenbarte sich ihr ein vollkommen neuer Text. „Oh wow!“ stieß sie überrascht aus. Sie hatte nicht mit dem gerechnet, was sie jetzt erkennen konnte, nachdem Shamos und Matu so frustriert waren. Doch ganz klar stand hier ein neuer Text vor ihr und nicht nur das. Auf wundersame Weise hatten sich all die merkwürdig geschriebenen Worte geordnet. Das Schriftbild war jetzt klar und sauber, die Worte bildeten gerade Linien. „Das ist unglaublich!“ meinte sie.

„Was ist unglaublich?“ fragte Shamos nach einem Moment.

„Dass ihr beide blind sein müsst, wenn ihr nicht das erkannt habt, was ich gerade sehe. Ich bin mir...ziemlich sicher, dass das hier Worte sind!“ Esha betrachtete die Seiten weiterhin aufmerksam, während sich ihr Mann und der Priester zu ihr umwandten. „Aber ich habe keine Ahnung, welche Sprache das ist!“

„Was?“ Shamos trat zu ihr und besah die Seiten. Innerhalb eines Wimpernschlages entglitten ihm förmlich seine Gesichtszüge. „Aber das ist doch!“

Auch Pater Matu war sichtlich überrascht. „Wie haben sie das gemacht?“ Er wartete, bis Esha ihn ansah. „Was haben sie gemacht?“

„Gott!“ Jetzt war Esha ziemlich nervös. „Was habe ich gemacht?“ Sie lächelte fast verlegen. „Ich habe die Seiten einfach...zusammen...getan!“

Matu sah sie verwirrt an und nahm ihr die Blätter aus der Hand. Einen Moment später drückte sein Gesicht größten Unglauben aus. „Wieso haben sie das gemacht?“

„Was denn?“ Esha fühlte sich langsam nicht mehr wohl in ihrer Haut.

„Die Seiten!“ Er hielt sie ihr hin. „Sie haben sie nicht in der richtigen Reihenfolge zusammengelegt!“ Er deutete auf die Seitenzahlen unten rechts. Als Shamos es sah, starrte auch er sie fragend an.

„Aber, das da Zahlen sind, habe ich gar nicht gewusst!“ erwiderte sie. „Ich habe sie nach den Symbolen in dem Buch...!“ Sie wies auf den Tisch, wo noch immer die entsprechende Seite aufgeschlagen lag. „... geordnet!“

„Nach den...!“ Shamos brach ab und staunte nicht schlecht, als er erkennen musste, dass Esha sich in der Tat nach der Reihenfolge der Symbole in dem kleinen Buch und nicht nach den Seitenzahlen gerichtet hatte. „Mein Gott!“ Er starrte sie mit großen Augen an. „Du bist wirklich unfassbar!“ Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

Esha lächelte unsicher. „Danke! Aber ich kann die Worte trotzdem nicht entziffern!“

Matu nahm Shamos die Seiten ab und hielt sie wieder gegen das Licht. Dann grinste auch er breit. „Aber ich!“

Stetig wechselten seine Blicke zwischen Radarschirm und Himmel hin und her, wobei Kendig sich mit jeder Sekunde sicherer wurde, dass ein Kampf gegen die anrückenden Insektenbestien immer wahrscheinlicher wurde.

Plötzlich aber tauchte ein großer Schatten über ihnen auf und Triebwerke heulten auf.

Ein paar Sekunden später war das Schiff gelandet und die seitliche Einstiegsluke öffnete sich.

Während Rupas und Malissa die Flüchtlinge zur Eile trieben, hielten Kendig, Malawi, Idis und Rimbo die Stellung und weiterhin nach ihren Feinden Ausschau.

Gerade als die widerlichen Monster über eine kleine Kuppe vielleicht fünfzig Meter von ihnen entfernt rauschten, rief Rupas. „Los jetzt! Rein mit euch!“

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen und stürmten in den Innenraum des Bootes. Kaum waren sie drinnen, gab Rupas das Okay zum Abflug und während sich die Maschine in die Lüfte erhob, schloss sich die Einstiegsluke.

„Das war knapp!“ stellte Kendig sichtlich erleichtert fest.

„Ach was!“ meinte Rimbo jedoch nur lax. „Ein bisschen Herzrasen hält dich gesund!“ Er grinste und zwinkerte ihm zu.

Einen Wimpernschlag später aber verging ihm das Grinsen, denn das Flugboot wurde brutal durchgeschüttelt. Gleichzeitig ertönte ein naher Explosionsdonner.

Kendig und Rimbo stürmten nach vorn zum Cockpit.

„Was ist los?“ rief Kendig.

„Wir werden angegriffen!“ erwiderte der Pilot. „Das war der Preis für eure Rettung. Wir mussten unsere Tarnung aufgeben!“ Verzweifelt versuchte er, dass Schiff stabil zu halten und sie gleichzeitig mit einem waghalsigen Manöver aus der Gefahrenzone zu bringen. Innerhalb weniger Sekunden schlugen vier, fünf Granaten in ihrer Nähe ein. Deutlich waren die Geräusche der feindlichen Jäger zu hören, die über sie hinwegdonnerten.

„Wie viele?“ rief Rimbo.

„Zwei Staffeln!“ erwiderte der Pilot mit schmerzverzerrtem Gesicht. „Aaarrrggghhh!“ Sein Schrei wurde von einem ohrenbetäubenden Knall beinahe übertönt, als eine weitere Granate so dicht neben der Außenhülle detonierte, dass sie ihre Druckwelle brutal gegen das Cockpit hämmerte. Der Pilot wurde böse durchgeschüttelt, in seinem Sitz zur Seite gerissen, wo er mit dem Kopf hart gegen die Außenwand krachte und die Besinnung verlor. Er hatte den Fehler begangen und sich nicht angeschnallt. Dies wurde ihm jetzt zum Verhängnis.

Doch nicht nur ihm, denn natürlich war das Flugboot nun führerlos. Sofort begann es zu Rollen und seine Nase neigte sich nach unten.

Kendig sprang geistesgegenwärtig ein paar Schritte nach vorn, packte sofort den bewusstlosen Piloten, zog ihn vom Sessel und reichte ihn nach hinten durch, wo helfende Hände ihn ergriffen. Er selbst wuchtete sich auf den Pilotensitz, schnallte sich an und überprüfte innerhalb weniger Sekunden die Instrumente. Bei einem kurzen Seitenblick sah er, dass Rimbo sich auf den Sitz des Copiloten fallen ließ. Dann griff er das Ruder und zog es sanft zu sich. Während das Schiff weiterhin übelst hin und her schwankte, hob sich der Bug langsam wieder an und ihre Lage stabilisierte sich.

Doch schon waren auf dem Radarschirm die fremden Jäger zu sehen, die ihre nächste Angriffswelle flogen.

„Achtung!“ rief Kendig, dann riss er das Steuer nach rechts, konnte so den ersten Geschossen ausweichen, nur um sofort auf Gegenkurs zu gehen. Rimbo reagierte blitzschnell, nahm die beiden, feindlichen Jäger an der linken Flanke ins Visier und feuerte eine gut gezielte Salve. Während zwei gleißende Feuerbälle von den Abschüssen zeugten, jagte Kendig bereits parallel zu den verbleibenden Gegnern dahin, vollführte dann zwei abrupte, enge Kurven, sodass er sich schräg hinter die noch intakte Viererstaffel setzen konnte. Wieder zögerte Rimbo nicht lange und jagte eine Salve direkt in ihr Ziel. Ein Schiff explodierte vor ihren Augen, ein anderes wurde beschädigt und zog fortan eine Rauchfahne hinter sich her.

Die verbleibenden Jäger schossen nach rechts und links davon, sodass sich Kendig entscheiden musste, wem er folgen wollte.

Kaum hatte er das getan und lenkte das Schiff nach links, wurden sie alle wieder brutal durchgeschüttelt, weil zwei Jäger sie von hinten attackierten. Kendig konnte gerade noch ausweichen, riss sofort danach den Schubhebel zurück und das Flugboot kam innerhalb einen Augenblicks beinahe zum Stillstand.

Das hatte zur Folge, dass die feindlichen Jäger über sie hinwegdonnerten, ohne weitere Schüsse abgeben zu können. Im richtigen Moment rammte Kendig den Schubhebel wieder nach vorn und das Flugboot jagte hinter ihnen her. Rimbo zielte wieder blitzschnell, aber genau und weitere, drei Sekunden später wurden diese beiden, feindlichen Jäger zerfetzt. Während Rupas einen Freudenschrei ausstieß, um seine Anspannung etwas zu lösen, nahm Rimbo wie zufällig den bereits beschädigten Jäger aufs Korn und eliminierte auch ihn mit einer kurzen, trockenen Salve.

Somit waren nur noch zwei weitere feindliche Jäger übriggeblieben, doch Kendig ließ in seiner Konzentration nicht nach, denn er wusste, dass sie nichts gewonnen hatten, solange nicht alle Maschinen ausgeschaltet waren.

Deshalb zwang er das Flugboot zu einigen ruppigen Flugmanövern, die jedoch notwendig waren, um sich selbst in aussichtsreiche Schussposition zu bringen. Dabei wurde sehr schnell klar, dass sie es nicht in einem Abwasch würden tun können, da sich die beiden Jäger getrennt hatten.

Dass sie ihr Kampf ziemlich weit nach Südosten geführt hatte, bemerkten sie nicht, doch mittlerweile hatten sie den Hafen, in dem sie geankert hatten, längst hinter sich gelassen und näherten sich deutlich den ersten Atmosphärenwandlern im Stadtgebiet von Ajuminaja.

Kendig aber hatte sich gerade mit einem weiteren, sehr geschickten Flugmanöver direkt hinter einen der Jäger setzten können, dass ihm dieser Umstand entging. Und auch Rimbo war zu sehr auf seine Aufgabe konzentriert.

Doch noch etwas entging ihnen: Der letzte Jäger schob sich mit einem wirklich sehr guten, hinterlistigen Flugmanöver hinter sie und eine Sekunde, bevor Rimbo abdrückte, gab der Pilot dort seine Raketen frei. Aber sie waren schlecht gezielt und donnerten nur dicht neben das Flugboot. Dadurch aber wurde es erneut abrupt zur Seite gerissen, als Rimbo seinerseits seine Geschosse freigab.

Natürlich verfehlten auch sie ihr Ziel, doch anstatt irgendwo einzuschlagen, wo sie kaum Schaden anrichteten, waren Rimbos Fehlschüsse geradezu brillant gezielt.

Das erkannte auch er sofort, doch mehr als ein ziemlich erschlagenes „Oh Scheiße!“ brachte er nicht hervor, dann musste er sich erneut konzentrieren, denn Kendig hatte ihren Gegner bereits wieder in Sichtweite.

Während er eine zweite Salve abfeuerte, die den Jäger endlich zerfetzte, donnerten seine beiden ersten Raketen in ihre ungewollten Ziele. Und es war fast schon gespenstisch, wie sauber sie direkt jeweils in das untere Drittel eines der vier Standbeine eines gewaltigen Atmosphärenwandlers jagten, dort irrsinnig wuchtig ihre tödliche Energie freigaben und den Stahl komplett zerstörten.

Ein tiefes, markerschütterndes Ächzen der riesigen Konstruktion erfüllte das Szenario, als die fast eintausend Meter hohe Zigarre ihren Halt verlor und langsam zur Seite kippte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Kendig zwei blitzschnelle Flugmanöver ausgeführt und raste jetzt direkt von der Seite auf den letzten feindlichen Jäger zu. „Was war das?“ fragte er unsicher.

„Das.…!“ Rimbo konzentrierte sich auf seinen letzten Schuss, nahm Maß, setzte die Projektile frei, wartete einen Sekundenbruchteil, bis der Jäger in einem gleißenden Feuerball zerplatzte, nickte zufrieden brummend und deutete seinem Freund dann wie beiläufig mit dem ausgestreckten rechten Arm auf den beschädigten Atmosphärenwandler. „...war das!“

Kendig war augenblicklich sprachlos und riss seine Augen auf, als er noch die Flammenfäuste an den Stützen der Maschine erkennen konnte und sah, wie sie sich langsam unter weiterem Stöhnen nach Nordwesten zur Seite legte. „Oh Scheiße!“ entfuhr es ihm nicht minder geschockt.

„Eben!“ Rimbo nickte wieder.

„Was zum Teufel hast du da wieder gemacht?“ rief Kendig vorwurfsvoll.

„Aber, ich...!“ Rimbo starrte seinen Freund verwirrt an.

„Weg, weg, weg!“ brülle Rupas, als er sah, dass sich das Flugboot direkt auf den fallenden Wandler zu bewegte.

Kendig erschrak ein wenig, doch reagierte er blitzschnell und lenkte das Schiff aus der Gefahrenzone.

„Oh Scheiße!“ meinte Rimbo dann auf einmal erneut, als er erkennen konnte, wo die gewaltige Apparatur aufschlagen würde. Als Kendig ihn fragend ansah, nickte er in die entsprechende Richtung. Sein Freund war sofort wieder geschockt.

„Oh Scheiße!“ Das war Rupas, der sich zwischen die beiden geschoben hatte und mit großen Augen auf das Hebewerk des Ilo-Flusses vor ihnen starrte.

„Mann, was rede ich denn die ganze Zeit?“ platzte Rimbo gereizt hervor und wandte sich an ihren Anführer. „Scheiße, ja. Große Scheiße! Megagroße Scheiße!“

Doch für eine Antwort von Rupas war es bereits zu spät, denn nur einen Wimpernschlag später donnerte der beschädigte, mehrere tausend Tonnen schwere Atmosphärenwandler mit einer derart urgewaltigen Wucht auf das wundervolle, von Menschen errichtete Hebewerk, dass eine solche Detonation entstand, dass der Boden wie unter einem Erdbeben erzitterte und eine irrsinnige Druckwelle über das gesamte Stadtgebiet von Ajuminaja jagte.

Kendig hatte Mühe, das Schiff stabil zu halten.

Während der Wandler in einer wuchtigen und gewaltigen Explosion verging, zerfetzte er gnadenlos alles, was am Boden noch nicht zerstört worden war.

Eine sicherlich hundert Meter hohe Gischtwand schoss kreisförmig nach außen und wirkte fast wie eine Flutwelle. Immer wieder explodierten weitere Teile des Stahlkolosses, brachen das Hebewerk immer weiter auf, trieben den Beton auseinander und die Flutkammern zum Einsturz.

Innerhalb weniger Sekunden wurde der Ilo-Fluss seiner künstlichen Klammern entledigt und die Urgewalt des Wassers bahnte sich ihren Weg in die Tiefe. Fast einhundert Meter Höhendifferenz sorgten innerhalb kürzester Zeit dafür, dass der Fluss sich in einen reißenden Strom verwandelte, der unaufhaltsam Richtung Südosten auf das Meer zuraste.

Auf seinem Weg dorthin musste er den Stadtkern von Ajuminaja durchqueren und was der Feind bisher an Zerstörung nicht geschafft hatte, erledigte nunmehr das Wasser.

Doch nicht nur das.

Auf ihrem Weg in den Ozean donnerten die Fluten auch gegen den Hauptstützpunkt ihrer Feinde am östlichen Rand der Stadt und rissen noch drei weitere Atmosphärenwandler mit sich, die für weitere furchtbare Zerstörung sorgten.

Innerhalb von nicht einmal einer Minute, war der gesamte Flussverlauf zu einem Ort unfassbarer Kräfte geworden, die nichts übrigließen, außer Schutt und Asche.

Sprachlos und mit offenen Mündern starrten die Insassen des Flugbootes auf das Szenario, konnten sehen, wie unzählige Insektenbestien von den Wogen erfasst und getötet wurden, wie die Atmosphärenwandler zur Seite wegknickten und explodierten und wie das Hauptquartier ihrer Feinde in gleißenden Feuerbällen verging.

„Was um alles in der Welt ist das?“ rief Esha ängstlich aus, als sie den Donner aus der Ferne hörte, der irrsinnig schnell und unglaublich laut näherkam und den Stützpunkt immer mehr erschütterte.

Shamos blickte auf und war nicht minder entsetzt. „Ein Erdbeben!“ rief er und sprang in die Höhe. „Ein Angriff!“ Er schaute seine Frau besorgt an.

Esha nickte. „Wir müssen hier raus!“

Dann starrten beide auf Pater Matu, der noch immer über die Seiten gebückt saß und keine Anstalten machte, sich zu bewegen. Stattdessen hob er seinen rechten Arm und deutete an, dass er zwar verstanden hatte, was vor sich ging, er aber noch nicht wegkonnte.

„Um Himmels Willen, Pater!“ Esha sprang zu ihm und ergriff ihn am Arm. „Kommen sie schon!“

Doch Matu blieb eisern. Als würde ihn dies alles kalt lassen, las er in der alten Schrift und Esha schien es, als würde sie sogar ein Lächeln auf seinen Lippen sehen.

„Verdammt, Pater...!“ Esha wurde etwas vehementer und sie zog fester. „...wir müssen...!“ Urplötzlich wurden der Lärm und die Erschütterung um sie herum leiser und schwächer. „...hier weg!“ vollendete sie jedoch noch, während sie sich mit großen, überraschten Augen umsah.

„Es ist vorbei!“ meinte Shamos und war sichtlich erleichtert.

Esha schaute wieder zu Pater Matu, der seinen Kopf umgewandt hatte und sie jetzt direkt ansah. Auf seinen Lippen hatte er tatsächlich ein breites Grinsen. „Ich hab’s!“ meinte er nur.

Esha runzelte die Stirn. „Wir hätten sterben können!“ rief sie vorwurfsvoll.

„Was haben sie?“ hakte Shamos neugierig nach und beugte sich zu ihm.

„Hört mir denn keiner zu?“ Esha war sichtlich verärgert.

Matu schaute Shamos an. “Den Text entziffert!”

„Sie haben...?“ Esha hielt inne und blickte den Priester mit großen Augen an. „...ehrlich?“ Ein unsicheres Lächeln huschte über ihre Lippen.

Matu aber nickte nur grinsend.

„Gott, das ist ja großartig!“ rief Esha aus, beugte sich zu ihm und umarmte ihn voller Freude. „Lesen sie vor!“

„Unfassbar!“ stieß Rupas geschockt hervor, als er die gewaltige Zerstörung im Flussverlauf erkennen konnte. Dabei schüttelte er den Kopf.

„Es...!“ begann Rimbo kleinlaut. „...tut mir leid!“

„Was tut ihnen leid?“ fragte Malissa.

„Das ich derart danebengeschossen habe!“

Malissa lachte leise auf, dann schüttelte sie den Kopf. „Das muss es nicht!“ Ihr Blick wurde melancholisch. „Ajuminaja wurde vor sieben Jahren zerstört. Die Trümmer hier hatten nichts mehr mit der prachtvollen Stadt von einst gemein. Jetzt ist alles endgültig vernichtet. Auch der verfluchte Feind. Nun kann es ja eigentlich...!“ Sie musste wieder auflachen. „...nur noch besser werden!“

„Malissa hat Recht!“ stimmte auch Rupas ein. „Ajuminaja existiert schon lange nicht mehr. Und unser Lager liegt weit genug entfernt, es sollte nicht beschädigt worden sein. Dafür ist der Feind vernichtet und es wird ein bisschen dauern, bis er sich hier wieder festgesetzt hat!“ Er schaute Rimbo direkt an. „Grämen sie sich nicht!“ Er schüttelte den Kopf. „Sie haben nichts falsch gemacht!“

„Dann zurück zum Lager!“ meinte Kendig mit einem zufriedenen Lächeln.

„Ja, zurück zum Lager!“ Rupas nickte ihm zu.

„Ach du Scheiße!“ entfuhr es Esha ziemlich geschockt. Einen Moment später war ihr der Ausruf peinlich und sie hob die Hand vor den Mund.

Doch Shamos nickte nur mehrmals. „Das kannst du laut sagen!“ Dann wandte er sich an den Priester. „Sind sie sicher, dass das dasteht?“

Matu war nur für einen Sekundenbruchteil irritiert. „Ja, ich denke schon, dass ich den Text richtig übersetzt habe!“

„Und dort werden wir dann...was finden?“

Matu schaute nochmals auf die entsprechende Textstelle. „Ein...ähm...Medaillon. Oder sowas in der Art!“

Esha nickte. „Tja, wenn es eben so ist...!“ Sie schob ihre Unterlippe vor. „...dann ist es eben so!“

„Ja, aber warum von allen Orten auf diesem verda...!“ Shamos stoppte ab und räusperte sich. „......auf diesem Planeten ausgerechnet dort?“

Matu schüttelte den Kopf. „Das weiß ich auch nicht!“

„Und was jetzt?“ fragte Esha.

„Ich...weiß nicht?“ Shamos schien unschlüssig.

„Wir wollten das Rätsel lösen!“ meinte Matu. „Das haben wir getan. Das Medaillon ist der nächste Schritt!“ Er schaute die beiden Eheleute an. „Wir sollten keine Zeit verlieren!“

Esha überlegte einen Moment, dann atmete sie tief durch und nickte. „Sie haben Recht!“ Sie nahm Matus Umhängetasche und reichte sie ihm. „Packt euren Kram zusammen. Wir haben noch immer einen Job zu erledigen!“

Die Zerstörung des Stadtkerns hatte in der Tat kaum Auswirkungen auf die äußeren Bereiche des Fluss-Deltas gehabt.

Ihr Flug zurück in das Lager verlief ohne Probleme.

Kendig war so schnell es ging wieder getaucht, denn er war sicher, dass ihre ungewollte Aktion nicht unbeobachtet geblieben war. In Gedanken sah er bereits einen widerlichen Schlauch der Anomalie aus dem Himmel fahren, sodass sich der Feind hier wieder platzieren konnte.

Das Lager getaucht anzusteuern war klar die sicherste Variante.

Wenige Minuten später lenkte er das Schiff an den Kai und ließ es langsam auftauchen.

Nachdem er die Maschine gestoppt und zusammen mit Rimbo die Instrumente gecheckt hatte, verließen sie das Boot.

Draußen erwarteten sie überraschend bereits Esha, Shamos und Matu. Malawi und Idis standen neben ihnen. In ihren Blicken konnte Kendig etwas Undefinierbares erkennen, dass ihm sofort nicht gefiel.

„Ist etwas passiert?“ fragte er.

Esha nickte. „Wir müssen weiter!“

„Aber?“ rief Rimbo. „Wir sind doch gerade erst angekommen!“

„Und warum?“ hakte Kendig nach.

„Wir haben einen Hinweis!“ erwiderte Shamos.

„Worauf?“

„Auf die Lösung unseres Rätsels!“ meinte Esha.

„Stand das in den alten Schriften, die ihr mitgenommen habt?“

Matu nickte.

Kendig schien einen Moment zu überlegen. „Na gut! Wir sind einzig deswegen hierhergekommen. Wenn ihr sagt, wir müssen weiter, dann sollten wir das tun!“ Er blickte sich um, doch niemand widersprach. Kendig wandte sich an Rupas und Malissa. „Dann ist das schon wieder unser Abschied!“ Er reichte ihnen die Hand.

Rupas drückte sie kräftig. „Ich habe ihr Schiff durchchecken lassen. Es sollte startbereit sein!“

Kendig nickte. „Danke für alles!“

„Wir danken ihnen!“

Nacheinander verabschiedeten sich alle voneinander.

Wenig später saßen Kendig, Rimbo und die anderen im Cockpit der Amarula.

„Wo soll es eigentlich hingehen?“ fragte er mehr beiläufig, als er die Triebwerke zündete.

„Ähm...!“ Matu stoppte ab und senkte den Kopf.

Kendig blickte sich um, doch auch Esha und Shamos wichen ihm aus. „Was?“ rief er.

„Wir... ähm... müssen nach...!“ hob Matu wieder an, doch es fiel ihm sichtlich schwer. „...Tarimi!“

„Bitte, was?“ stieß Rimbo entsetzt hervor.

„Das ist doch nicht euer Ernst, oder?“

Doch Matu nickte nur.

„Oh Mann!“ Rimbo atmete gestresst aus. „Immer, wenn man glaubt, es könne nicht schlimmer kommen...!“ Er schaute zu Kendig.

Und gemeinsam vollendeten sie. „...kommt es garantiert noch viel schlimmerer!“

Genesis IV

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