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II

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Es war jetzt knappe zwei Stunden her, dass sie Kimuri verlassen hatten.

Rimbo am Steuer der Amarula hatte das Schiff zunächst sanft und ruhig aus der unterirdischen Grotte gelenkt und dann mit halber Kraft ins offene Meer gesteuert.

Schließlich legte er in Absprache mit Kendig Nordkurs an und beschleunigte bei einer Tiefe von dreitausend Fuß auf Höchstgeschwindigkeit.

Entsprechend rauschte die Amarula mit fast sechshundert Meilen in der Stunde durch die Dunkelheit.

Im Licht der Außenscheinwerfer, die eigentlich einen sehr deutlichen und hellen Lichtkegel erzeugen sollten, konnten sie schnell erkennen, wie sehr die Verschmutzung des galpagischen Ozeans selbst in diesen Tiefen schon vorangeschritten war. Die Sichtweite lag kaum noch über fünfzig Metern, sodass sie bei dieser hohen Geschwindigkeit das Gefühl hatten, als würden sie durch eine widerliche Wolke aus gerade aufgewühlten Schlamm fliegen. Ohne Sonar wären sie hoffnungslos verloren gewesen. Dennoch waren sie erschrocken, wie schlimm es um den größten Ozean des Planeten bereits bestellt war. Ihre Stimmung wurde zusätzlich noch dadurch getrübt, dass sie die ganze Zeit über so gut wie kein Lebewesen zu Gesicht bekamen. Von der artenreichen, faszinierenden Vielfalt des Lebens hier unten schien nichts mehr geblieben zu sein. Ganz im Gegenteil. Mehr als lebendige Geschöpfe, konnten sie riesige tote Tiere oder gar nur noch Skelette sehen, die gespenstisch im Wasser trieben und über die sich die Räuber der Meere hermachten, bei denen sich jedoch – auch das konnten sie deutlich erkennen – vielfach bereits schlimme und ekelhafte Mutationen und Deformationen aufgrund der im Wasser gelösten Gifte zeigten.

Alles in allem war ihre Fahrt nach Norden eine gespenstische Angelegenheit und ihre besorgten Mienen wichen erst ganz allmählich einer grimmigen Entschlossenheit.

Bisher waren sie in einem Abstand von rund fünf Meilen der poremischen Küste gefolgt. Als das Sonar jedoch anzeigte, dass westlich von ihnen die Mimbas-Hochebene auftauchte, änderte Rimbo ihren Kurs und flog sie direkt an.

Wenig später schoss das Flugboot mit hoher Geschwindigkeit aus dem Wasser, jagte fast senkrecht die hoch aufragenden Klippen entlang, bis Rimbo das Schiff bei einer Geschwindigkeit von über fünfhundert Meilen in der Stunde kaum mehr als zwanzig Meter über dem Boden nach Nordwesten lenkte.

Die Eiswüste, die sich vor ihnen ausbreitete, schien endlos zu sein. Noch war der Boden unter ihnen zu erkennen. Er bestand hauptsächlich aus kargem, kalten, grauen Fels, der nur gelegentlich von braunen Stellen durchzogen wurde. Vegetation gab es hier so gut wie keine. Hier und da zuckten einige Morok- und Niariherden unter ihnen vorbei und gelegentlich konnten sie einen Sirukbären mit seinem charakteristischen, weißen Fell erkennen, doch sie waren sich einig, dass es viel weniger waren, als noch ein paar Jahre zuvor, als sie sich bei dem Manöver in der Hochebene ihren Iritat-Kristall verdient hatten, der sie zum Eintritt in die legendäre, aber längst schon nicht mehr existente Storp-Einheit berechtigte.

Rimbo lenkte die Amarula zunächst so schnell es ging weiter nach Norden, bis sie schließlich die Ausläufer des Pascabiro-Massivs erreichten, den größten und gewaltigsten Gebirgszug auf ganz Santara. Mittlerweile hatten sie bereits eine Höhe von sechstausend Metern über dem Meeresspiegel erreicht und der Boden unter ihnen war nur noch von einer dicken, orange-weißen Eisschicht bedeckt, doch angesichts der wuchtigen und gewaltigen Bergriesen, die sich links von ihnen auftürmten, wirkten sie noch immer lächerlich niedrig. Die Gipfel schoben sich von hier aus im Mittel nochmals weit über zehntausend Meter in die Höhe, doch auch sie wirkten nur klein und unscheinbar gegen den mit Abstand höchsten Berg des Planeten, dem Mos Iridas, der sich bis auf fast achtundzwanzigtausend Metern über dem Meeresspiegel erhob. Auf seinem Gipfel stand noch immer das größte und leistungsfähigste Teleskop Santaras, welches letztlich mit dafür gesorgt hatte, dass die Existenz der Anomalie, die ihnen diesen furchtbaren Krieg gebracht hatte, offenbart werden konnte, seither jedoch nicht mehr genutzt und daher auch nicht mehr gewartet wurde, sondern in seinem eisigen Grab längst in Vergessenheit geraten war.

Heute - so wie eigentlich ständig in den letzten Monaten - waren die Gipfel der größten Berge auch nicht zu erkennen, sondern wurden von gewaltigen, dunklen und beeindruckend bedrohlichen Wolkentürmen umhüllt, die kaum einen Blick in den Himmel zuließen. Immer wieder zuckten grelle Blitze in ihnen auf, die auf brutale Gewitterstürme hindeuteten.

Die Außenhülle der Amarula begann leicht, aber stetig zu erzittern, immer wieder peitschten wilde und gewaltige Regengüsse gegen die Frontscheibe.

„Was ist das?“ fragte Esha dann auch sofort, als sie zusammen mit Shamos und Pater Matu ins Cockpit trat. Ihnen folgten Malawi und Idis, die beiden jungen und sehr attraktiven kimurischen Truppenführer, in die sich Kendig und Rimbo Hals über Kopf verliebt hatten und mit ihnen schließlich sogar den ewigen Bund eingegangen waren. Zusammen mit den beiden waren jetzt alle sieben Besatzungsmitglieder des Schiffes im Cockpit zugegen. Da es nicht für so viele Personen ausgelegt war, fanden lediglich Esha hinter Rimbo, sowie Shamos hinter Kendig Platz. Idis deutete Matu an, sich auf den Sessel des Navigationsoffiziers hinter Shamos zu setzen, doch der Geistliche schüttelte den Kopf, sondern zog es vor, so wie Malawi, im Mittelgang auf den Sessellehnen gestützt stehen zu bleiben. Idis nickte und nahm daraufhin kurzerhand selber dort Platz.

Esha schaute mit großen Augen nach links aus dem Cockpit, wo das Felsmassiv aufragte.

„Das ist der Wind!“ gab Rimbo als Antwort auf ihre Frage zurück. „In den Wolken da…!“ Er deutete auf die sich bewegende, pulsierende und daher fast wie lebendig wirkende Masse über ihnen. „...toben permanente Gewitterstürme, die gegen die Berge prallen und dann als Fallwinde hinabstoßen. Dabei legen sie noch ordentlich an Geschwindigkeit zu, bevor sie südwärts über die Hochebene peitschen. Im Moment haben wir Windgeschwindigkeiten von...!“ Er schaute auf das entsprechende Instrument auf der Steuerkonsole. „...weit über vierhundert Meilen in der Stunde!“

„Wow!“ Esha war sichtlich beeindruckt, aber auch deutlich besorgt. „Das ist viel!“

„Genau!“ Rimbo grinste. „Und die bringen die Außenhaut der alten Lady hier mächtig ins Wanken!“

Kendig, der bisher stumm geblieben war, jetzt aber sehen konnte, dass Eshas Blick nur noch sorgenvoller wurde, lächelte müde. „Keine Sorge!“ Er wartete, bis Shamos Frau ihn ansah. „...das Schiff hält das locker aus!“

„Was?“ Rimbo war sichtlich überrascht und verlor sein Grinsen. „Haben sie etwa Angst?“ Er grinste wieder und lachte leise auf. „Lady, die gute alte Amarula hat schon ganz anderes hinter sich gebracht. Für sie ist das hier nicht mehr als ein kurzes Schaudern!“

„Und was ist das hier?“ Esha war nur für den Bruchteil einer Sekunde zufrieden, dann deutete sie auf die Außenscheiben des Schiffes. Deutlich war dort zu sehen, wie sich der Frost langsam von den Außenseiten immer weiter auf dem Glas ausbreitete. Es sah fast so aus, als würden die Scheiben splittern, was ihr augenblicklich sichtlich neue Sorgen bereitete.

„Wir sind hier auf der Mimbas-Hochebene!“ erwiderte Kendig ruhig und freundlich. „Die Außentemperaturen liegen hier normalerweise bei minus 45 Grad. Durch die Gewitterstürme und die Fallwinde aber sinkt das Thermometer nochmals deutlich ab. Im Moment haben wir eine Außentemperatur von...!“ Er schaute auf das entsprechende Instrument. „...minus 63 Grad!“ Als er Esha wieder ansah, schien er selbst ein wenig beeindruckt zu sein. „Trotzdem auch hier kein Grund zur Sorge. Das Schiff und ganz speziell seine Scheiben sind für extreme Belastungen gebaut worden. Dazu gehört der gewaltige Wasserdruck in den Tiefen der Meere, genauso wie dieser immense Frost!“

Esha schaute ihn einen Moment unsicher an, dann nickte sie.

„Warum sind sie hier entlanggeflogen?“ fragte dann auf einmal Shamos.

Kendig wandte sich zu ihm um. „Nun, als sie sagten, wir sollten die Ostküste ansteuern, sagten sie nicht, auf welchem Weg! Wir nahmen zwar an, dass sie es eilig haben, aber mehr noch, dass sie ihr Ziel überhaupt erreichen wollen!“

Shamos Blick verdunkelte sich. „Was soll das heißen?“

Kendig sah ihn fast schon verwundert an, doch bevor er antworten konnte, erledigte das Malawi mit einem nachsichtigen Lächeln für ihn. „Na, mal eben auf direktem Ostkurs quer übers Land zu brettern, ist wohl kaum wirklich dazu geeignet, unbemerkt und sauber nach Ajuminaja zu kommen. Es wimmelt überall von Feinden, mal ganz abgesehen davon, dass wir allein niemals ungeschoren an Ara Bandiks vorbeigekommen wären!“

Shamos sah die junge Frau mit großen Augen an und nickte dann kaum merklich. Dennoch rutschte ihm ein „Aber…?“ heraus.

Bevor irgendjemand jedoch darauf etwas erwidern konnte, sprang plötzlich Esha auf, machte einen Schritt auf die andere Seite des Cockpits, beugte sich über Shamos hinweg und starrte dort aus dem Cockpit nach Süden. Shamos war ob ihrer Geste sichtlich erstaunt und offensichtlich nicht in der Stimmung, die direkte Anwesenheit ihrer Brüste, die ihm quasi direkt vor der Nase hingen, zu nutzen. Mit einem mürrischen Brummen drückte er sich von ihr weg, auch weil er erkennen musste, dass sie scheinbar überhaupt nicht zugehört hatte, was er gesagt hatte und drehte sich dennoch gleichzeitig nach rechts, um ihrem Blick zu folgen.

„Esha?“ fragte Idis irritiert. „Was ist denn?“

„Das Eis!“ erwiderte Esha. „Es...leuchtet!“

Kendig schaute zu Rimbo und beide mussten breit grinsen. „Das ist Magma!“ sagte er dann.

„Magma?“ Esha runzelte die Stirn. „Soll das heißen, unter dem Eis gibt es flüssige Lava?“ Sie drehte sich herum zu Kendig und schob ihre Brüste dabei erneut Shamos direkt ins Gesicht.

Ihr Mann war sofort sichtlich verärgert und schob sie von sich.

Esha schaute ihn daraufhin ausdruckslos an. „Was? Sonst kannst du gar nicht genug von meinen Möpsen kriegen. Jetzt tu bloß nicht so, als wäre dir das unangenehm!“ Während Shamos rot im Gesicht wurde, huschte den anderen ein Grinsen über die Lippen. „Oder willst du sagen, sie gefallen dir nicht mehr?“

„Was?“ Shamos war sofort entsetzt. „Nein! Quatsch. Natürlich nicht. Aber…!“

Doch seine Frau überging ihn schon wieder. „Na also!“ Sie grinste freudlos und drückte ihm ihre Brüste erst recht ins Gesicht. „Dann hab dich nicht so!“ Sie wandte sich wieder Kendig und Rimbo zu.

Shamos, dem jetzt erneut jegliche Sicht versperrt wurde, machte jedoch keinerlei Anstalten, weiter mit Esha zu streiten, sondern er seufzte nur einmal gestresst, nahm dann je einer ihrer Brüste in eine Hand, drückte sie ein wenig auseinander und schob dann seinen Kopf nach vorn, sodass er wieder etwas sehen konnte, wenngleich sein Anblick jetzt ziemlich komisch wirkte. Esha aber reagierte gar nicht darauf, sondern ließ ihn gewähren. „Also wie ist das jetzt?“ wollte sie stattdessen von Kendig wissen.

Bevor er antwortete, musste Kendig einmal kurz grinsen. „Ähm, ja. Hier unter uns befindet sich ein Vulkan! Ein ziemlich großer sogar! Der Mos Vinuri!“

„Aber...!“ Esha war nicht zufrieden. „Wie kann sich über einem Vulkan eine Eisschicht bilden? Das ist doch...irre, oder nicht?“

Kendig lachte kurz auf und nickte. „Ja, wahrscheinlich. Aber Tatsache ist, dass der Mos Vinuri durchaus aktiv ist. Sein Hauptkrater liegt etwa sechzig Meilen südlich von hier, nicht unweit der Quelle des Kindagi-Stroms und seiner Schluchten. Dort tritt das Magma sogar trotz frostiger Außentemperaturen großflächig an die Oberfläche. Sind ihnen die Feuerfelder von Famarila kein Begriff?“

Esha schien einen Moment zu überlegen, dann hellte sich ihr Blick auf. „Doch! Davon habe ich schon einmal gehört!“

Kendig nickte zufrieden. „Dort tritt der Mos Vinuri an die Oberfläche. Mehrfach sogar. Es sieht aus wie eine Landschaft voller weißglühender Seen!“

Esha war sichtlich beeindruckt und blies ihre Luft in die Wangen. „Wahnsinn!“

Kendig nickte wieder zustimmend.

„Wenn sie genau hinsehen, können sie ihr Leuchten am Horizont erkennen!“ erklärte Malawi und deutete nach Süden.

Im nächsten Moment schauten alle in diese Richtung, wo sich in der Tat am Horizont ein dünner, schwacher Streifen weiß-gelb-rötlichen Lichts ausmachen ließ, der sich vom Rest der Umgebung abhob. Für einen Moment betrachteten alle Anwesenden stumm das Phänomen.

Plötzlich atmete Esha hörbar ein und wandte sich wieder an die anderen. „Was aber nicht erklärt, warum sich über flüssiger Lava eine Eisschicht bilden kann!“

„Magma, Schatz!“ erwiderte Shamos etwas nervös.

„Was Magma?“ raunte Esha.

„Das was du meinst ist Magma, keine Lava. Lava ist es erst, wenn es an die Oberfläche tritt, unter der Erde...“ Er hielt inne, weil er in dem Blick seiner Frau eine Spur Verärgerung sehen konnte. „...heißt es...!“ Die Spur wurde deutlicher. „...ähm...Magma!“

Esha sah ihn einen Moment ausdruckslos an, dann brummte sie und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Danke für den Ausbruch deiner unfassbaren Intelligenz, Schatz!“

„Es...!“ Shamos war sofort beschämt. „...tut mir leid!“

Doch Esha lächelte plötzlich. „Ach was! Das hast du gut gemacht!“ Sie klang wie eine Grundschullehrerin, beugte sich unvermittelt nach vorn und küsste ihn auf die Stirn. Als sie sich wieder erhob, war Shamos sichtlich erleichtert und lächelte ebenfalls, ihres jedoch war verschwunden. „Ein Klugscheißer bist du trotzdem manchmal!“ Während Shamos sein Lächeln schlagartig wieder verlor, tätschelte sie ihm durch seinen wilden Lockenschopf. „Und jetzt will ich das endlich hören, klar!?“ Sie schaute Kendig erneut fragend an.

Der zögerte noch einen kleinen Moment, dann sagte er. „Schauen sie nach unten!“ Er blickte selbst aus dem Cockpit. Die anderen taten es ihm – bis auf Rimbo, der sich auf die Steuerung des Schiffs konzentrierte - gleich. „Dann sehen sie, dass dort unten wirklich Magma fließt!“

Esha erkannte, dass er Recht hatte. Wenn man seitlich über das Eisfeld hinweg schaute, konnte man nur das orangefarbene Schimmern im Untergrund erkennen. Als sie aber jetzt, quasi direkt senkrecht darauf sah, wirkte das Eis nicht wie Eis, sondern wie Glas und die Magmakanäle durchzogen die Landschaft wie Adern. „Das sieht unheimlich aus!“ stellte sie fest. „Wie Adern unter einer transparenten Haut!“

Kendig nickte und lächelte. „Da haben sie nicht mal ganz Unrecht! Denn das, von dem sie ausgehen, dass es Eis ist, ist keines!“

„Hä?“ Esha war sichtlich verblüfft und schaute nochmals hinaus. „Aber was ist es denn dann?“

„Poryphyl!“

„Pory...was?“

„Poryphyl!“ wiederholte Kendig. „Das ist eine chemische Substanz, die ganz ähnliche Eigenschaften wie Glas hat, nur, dass es dabei noch so elastisch ist, wie...eine dicke Gummischicht. Halbstarr würde man das wohl nennen!“ Er schaute zu Shamos, der ihm jedoch zunickte.

Das registrierte Esha natürlich sofort und wandte sich an ihren Mann. „Hast du das gewusst?“

Shamos nickte.

Esha brummte. „Und warum hast du mir das nicht schon vorher erzählt?“

„Ich...wusste ja nicht, dass dich das interessiert!“

Esha lächelte ihn sanft an, doch ihre Augen funkelten ärgerlich. „Jetzt weißt du es!“

Für eine Sekunde trat Stille ein, dann fuhr Kendig mit einem Räuspern fort. „Über dem Vulkan und seinen Magmakanälen hat sich vor Millionen von Jahren schon eine Schicht Poryphyl gebildet. Sie liegt wie eine große Glocke über ihm, es entsteht dabei eine Art Höhle. Da Poryphyl absolut keine Wärmeleitfähigkeit besitzt, dabei selbst höchst hitzebeständig und – wie gesagt – noch dazu bis zu einem gewissen Grad elastisch ist, kann dort unten Magma fließen, obwohl hier oben Temperaturen von vierzig Grad unter null und mehr herrschen!“

Esha hatte ihm aufmerksam zugehört und nickte am Ende beeindruckt. „Das ist krass!“

Der junge Mann erwiderte ihre Geste. „Dieses Poryphyl-Vorkommen ist außerdem noch extrem rein, was bedeutet, dass es ebenso durchsichtig ist, wie Glas und man die Magmakanäle dadurch so klar erkennen kann!“

Esha nickte nochmals und lächelte, dann wandte sie sich wieder an Shamos. „Warum kannst du mir diese Dinge eigentlich nie so...verständlich erklären?“

„Ich...!“ Ihr Mann war sofort wieder nervös. „Aber ich gebe mit doch immer solche Mühe...!“

Esha huschte ein breites Grinsen über die Lippen. „Lass gut sein, Schatz!“ Sie tätschelte wieder sein krauses Haar. „Du hast schließlich andere Qualitäten!“ Ihr Grinsen wurde sehr süffisant und alle Anwesenden konnten nicht drum hin, sich davon anstecken zu lassen.

Nur Shamos blickte sie unsicher und irritiert an und war wohl auch etwas verärgert, denn als er sprach, klang seine Stimme gereizt. „Ich verstehe aber immer noch nicht, warum sie nicht den südlichen Weg über die Taistali-Bucht genommen haben!“ Er sah Kendig an.

„Mann, Shamos!“ hob Idis an. „Weil auch da zu viel Feindpräsenz ist! Außerdem ist der Weg sicher nicht kürzer, als dieser hier!“

„Sie mögen die Eiswüste wohl nicht, was?“ fragte Kendig.

Shamos schüttelte den Kopf. „Nicht sehr!“

Kendig lächelte. „Aber jetzt sind wir nun mal hier! Entspannen sie sich trotzdem. Wir fliegen mit höchstmöglicher Geschwindigkeit und werden die Ostküste in wenigen Stunden erreicht haben. Kein Grund zur Sorge!“

„Ich wüsste dann auch gleich mal...!“ rief Rimbo mit fester Stimme. „...wie wir uns die Zeit bis dahin sinnvoll vertreiben könnten, ohne dass hier Langeweile aufkommt!“

„Vergiss es!“ erwiderte Idis sofort. „Wenn dich einer krault, dann bin das ja wohl nur noch ich und ich habe jetzt keine Lust dazu. Und deine hässlichen, miefenden Füße küsst hier garantiert auch niemand!“ Sie stöhnte gestresst auf.

Rimbo lachte auf. „Jetzt, wo du es sagst, wären das keine schlechten Ideen gewesen, aber...!“ Er wurde wieder ernst. „...das habe ich gar nicht gemeint!“

„Sondern?“ fragte Malawi.

„Na, wie wäre es denn mal mit einer guten, abschließenden Erklärung, warum wir hier alle so hübsch zusammen hocken und nach Ajuminaja fliegen?“

Für einen Moment trat Stille ein, weil scheinbar niemand genau wusste, worauf Rimbo hinauswollte.

„Was meinst du?“ fragte dann auch Kendig.

„Ich weiß nicht, wie es dir geht...!“ erwiderte Rimbo. „...aber ich bin mir nicht wirklich sicher, weshalb ich hier sitze. Klar...!“ fügte er schnell hinzu, als er sah, dass Kendig noch immer nicht verstand. „...wir wollen die Welt retten...!“ Er verdrehte die Augen. „...aber ich für meinen Teil weiß nicht so recht wie! Shamos und Pater Matu waren zwar sehr überzeugend, aber das alles ging mir eigentlich viel zu schnell. Und jetzt weiß ich nicht mehr wirklich, ob ich hier noch das Richtige tue oder was ich überhaupt hier tue!?“

Kendig wollte schon zu einer schnellen Antwort ansetzen, doch er stoppte ab und überlegte. Dann meinte er. „Du hast Recht! Ich könnte auch noch einen Nachschlag an Motivation vertragen!“ Er drehte sich zu Shamos und schaute erst ihn, dann Pater Matu mit großen Augen an. „Also?“

Während Shamos sichtlich irritiert war, musste Matu lächeln. „Was wollen sie denn wissen?“

„Ähm...!“ begann Kendig. „...wie wäre es, wenn sie uns noch mal von dem glorreichen Geistesblitz erzählen, der ihnen diese...irrwitzige Idee geliefert hat, wegen derer wir jetzt hier diesen beschaulichen Flug über Land machen!? Schließlich waren auch Malawi und Idis gar nicht dabei“

„Und ich...!“ rief Esha dazwischen.

Kendig nickte. „Und Esha! Es wäre daher sicherlich sinnvoll, wenn sie so tun würden, als hätten wir gar keine Ahnung, was eigentlich abgeht!“

Wieder grinste Matu. „Seelig sind die Unwissenden!“

„Ja, aber auch ohne Motivation!“ erwiderte Rimbo. „Und ich nehme doch an, sie wollen ein engagiertes Team an ihrer Seite, oder?“

„Klar!“ Der Geistliche nickte sofort. „Aber ich denke, dann sollte Shamos damit anfangen!“

„Was, ich?“

„Ja! Schließlich hat es bei ihnen zuerst geblitzt!“

Shamos wollte etwas erwidern, doch er sah ein, dass der Pater Recht hatte. Also räusperte er sich wieder und begann dann zu erzählen. „Ich weiß nicht...? Es war einfach ein Gedanke, der mir durch den Kopf zuckte. Als ich Jorik dort auf den Knien sah und seine Verzweiflung spürte und dann auch seine Worte hörte...!“

Malawi und Idis, die die Vorgeschichte ja überhaupt nicht kannten, schauten sich verwirrt an. „Jorik? Verzweiflung? Worte?“

Matu erklärte daraufhin. „Als Jorik vom letzten Einsatz zurückkam, ging er zu Marivar in die Krankenstation. Dort war eine junge Frau gerade dabei, zu entbinden. Nachdem das Kind geboren war, erlitt sie einen Blutsturz und es bestand die Gefahr, dass sie sterben würde. Also hat Marivar Jorik gebeten, sich um das Kind zu kümmern!“

„Aber...?“ Malawi stutze mit finsterer Miene. „...wie kann sie ein Neugeborenes aus der Hand geben?“

„Weil...!“ Matu stockte und Schmerz zeigte sich in seinem Gesicht. „...es zwar gerade erst das Licht der Welt erblickt hatte, aber dennoch schon mit dem Tode rang!“ Er blickte sich um und sah in den Gesichtern der anderen tiefe Bestürzung. „Das Gift um uns herum hat ihm keine Chance gelassen. Wir mögen uns noch dagegen erwehren können, ein so kleines Geschöpf aber sicher nicht!“

„Und dann?“ fragte Esha.

„Jorik rannte mit dem Baby auf die Galerie und schließlich nach draußen!“ führte Shamos weiter aus. „Er wollte, dass es wenigstens einmal den Himmel und das Licht der Sonne erblicken konnte, bevor es...!“ Er verstummte und schluckte. „Das gelang ihm auch, doch leider nicht mehr als das. Das Baby starb bereits wenige Augenblicke später in seinen Armen!“ Wieder schluckte er. „Und ich nehme an, dass ihn diese Szene an seine eigene Tochter Daria erinnert hat, die er zusammen mit seiner Frau Alisha bei der ersten Angriffswelle auf Ara Bandiks verloren hatte. Auch Daria hatte er in den Armen gehalten, als die Hölle über uns allen losbrach. Am Ende hatte auch sie nur wenige Minuten zu leben gehabt!“ Shamos stoppte und atmete einmal tief durch. Dann räusperte er sich erneut und fuhr mit festerer Stimme fort. „Die Erinnerungen nahmen ihm wohl seine Kraft und er fiel auf die Knie. Dann brüllte er all seinen Schmerz und all seine Verzweiflung heraus. Das habe ich gesehen, gehört und ganz tief im Herzen auch gefühlt. Ich war nahe dran, ebenfalls zu schreien. Sieben Jahre dauert dieser verfluchte Krieg jetzt an, sieben gottverdammte Jahre, in denen wir jeden Tag immer und immer wieder ums Überleben gekämpft haben. Doch was haben wir erreicht? Der Feind ist noch immer da. Wir können zwar verhindern, dass er die Oberhand gewinnt, doch ihn besiegen können wir auch nicht. Dennoch haben wir es weiß Gott wie oft versucht und wirklich mit allen Mitteln. Doch was hat es uns gebracht? Nur weitere, furchtbare Opfer und die Erkenntnis, dass wir in der Wahl unserer Waffen zu sorglos waren. Um den Feind zu besiegen, haben wir zu Mitteln gegriffen, deren Konsequenzen wir nicht abschätzen konnten...oder wollten. Und jetzt ist es zu spät. Für Jeden von uns. Unsere Gifte, die Gifte, die der Feind mit seinen riesigen Maschinen in den Himmel sprüht, all das hat dafür gesorgt, dass die Atmosphäre des Planeten irreparabel geschädigt wurde. Die Auswirkungen bekommen wir seit einiger Zeit immer heftiger zu spüren und sie beschränken sich nicht nur auf die Luft und das Wetter, sondern haben das Erdreich, das Wasser...den ganzen Planeten bereits durchdrungen. Was wir gerade erleben, ist nur der Anfang einer globalen Katastrophe, die ihre Vorboten noch viel schlimmer und wuchtiger über uns senden wird, bevor das Ende kommt!“

„Das…Ende?“ fragte Idis voller Sorge.

Shamos nickte. „Wir haben Santara unwiderruflich zerstört. Wir alle werden sterben. Wenn nicht durch die Hand des Feindes, dann durch die Hand des Planeten. Niemand wird überleben. Auch der Feind nicht, was für einige vielleicht ein kleiner Trost sein mag!“

„Und...?“ Malawis Stimme zitterte. „...wann?“

„Sechs Monate...! Maximal ein Jahr!“

„Aber...?“ Malawi verstummte. Sie hatte Tränen in den Augen. Das hatte ihr noch niemand gesagt. Sie war schlicht entsetzt, so wie alle anderen auch und es entstand für einen langen Moment eine tiefe, bedrückende Stille.

Bis sich Rimbo räusperte und alle aus ihrer Lethargie riss. „Verdammt Shamos! Sie sollten uns doch motivieren und nicht die Passagiere in Angst und Schrecken versetzen!“

„Es...tut mir leid, dass ich ihnen keine besseren Nachrichten geben kann!“ Shamos war sichtlich betrübt.

„Das hätten sie sich überlegen sollen, bevor sie sich hier als Animationsbremse outen!“ rief Rimbo jedoch.

Bevor Shamos etwas darauf erwidern konnte, drehte sich Kendig zu ihm. „Wenn das alles aber schon so sicher ist, warum zum Teufel sind wir dann überhaupt hier?“

„Genau!“ stimmte Rimbo sofort zu. „Vor unserem Abflug klang das alles noch um einiges optimistischer!“

Alle Augen waren sofort auf Shamos gerichtet. Der registrierte das, doch anders als sonst, schien ihn dies dieses Mal nicht nervös zu machen. Auch war sein Blick verklärt und er schien irgendwie ganz woanders zu sein. „Ich war so kurz davor, ebenfalls zu verzweifeln und zu schreien, als ich Jorik mit dem Baby da vor mir sah...!“ Er schüttelte einige Male den Kopf. „Doch ich tat es nicht. Denn mit den Tränen schien es mir, als würde tief in meinem Inneren eine Tür geöffnet werden! Ein Tor...! Ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll!“ Er blickte kurz in die Runde. „Ich bin Wissenschaftler und einige Leute behaupten, dass ich richtig gut bin. Also gehe ich davon aus, dass meine Beobachtungen, meine Erkenntnisse und meine Schlussfolgerungen über die Zukunft dieses Planeten und aller Lebewesen auf ihm...richtig sind!“ Er atmete einmal tief durch. „Und deshalb bin ich mir ganz sicher, dass wir das Ende nicht mehr aufhalten können, selbst wenn der Krieg morgen enden würde. Die Wissenschaft kann uns nicht mehr retten und die Natur kann sich nicht mehr selbst regenerieren!“ Er blickte nochmals in die Runde und sah wieder die Frage aufkommen, was zum Teufel sie hier dann überhaupt machten. „Aber in dieser Welt gibt es noch mehr, als nur die Wissenschaft!“

„Und...?“ Eshas Worte waren unsicher, fast ängstlich. „...was wäre das?“

Ihr Mann hob seinen Blick und schaute ihr direkt und tief in die Augen, so intensiv, wie sie es selten vorher gespürt hatte. Eine eiskalte Gänsehaut kroch über ihren Rücken. „Der Glaube!“

„Der Glaube?“ fragte Idis und in ihrer Stimme klang Ablehnung mit. Dabei schaute sie zu Pater Matu, der ihren Blick ausdruckslos erwiderte.

„Ja...!“ Shamos nickte. „Der Glaube an ein...Wunder!“

Genesis IV

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