Читать книгу Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun - Alfred Hein - Страница 11

6.

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Da lag, schön wie in einem Ritterspiel, die Bergfeste Dun an der Maas — hier assen sie zu Mittag. Aber als der Zug stillstand, ging ein Murmeln weiter, und es waren nicht mehr die Räder, die da leise und monoton murmelten, es kam von ferne her, und es sprach vom Tod.

Eine halbe Minute, und schweigend sahen sich alle an. Dann schwatzte man wieder. Und langsam ebbte auch das innere Zittern in den Stimmen ab, bis ein derber Witz explodierte und ein extra lautes Gelächter sich über das spukhafte Murmeln erhob.

Lutz träumte abseits vor sich hin, wie es seine Art war — Du schönes stolzes Frankreich! sann er in die heroische Maaslandschaft hinein. Und dann wanderten die Gedanken den Weg zur Stadt hinauf entlang und wieder hinab am Fluss dahin — ach, Adelheid, wenn du die wärest, die ich mir träume — du aber ahnst nicht, wie gross und schön und einsam-herrlich das Leben sein kann. —

Solch liebende Wanderung hier am sanften Strom, horch, Glocken fallen aus der Stadt, sie suchen Gott, für uns, für die Feinde — ich weiss es nicht, aber es ist schön, Tränen habe ich, siehst du, Adelheid, du aber trinkst Sekt mit deinem Unterarzt und ihr sagt vielleicht mitleidig: Der arme kleine Lindolf, wenn er fällt — ein braver Schiesssoldat in seiner Uniform. Sie war ihm viel zu gross, lacht Adelheid.

„Mal herhören!!“ sagte ein fremder Oberleutnant. „Ihr könnt jetzt in die Stadt gehen, bis fünf Uhr, dann fährt der Zug weiter.“

„Wohin?“ schrie einer.

Alles lachte die Antwort. Bis fünf — drei Stunden frei. „Viel boku! Bon fortzionös!“ schrie Töz. „Sind noch Weiber da?“ brüllte Pechtler dazwischen. Und dann zerstob alles in Trupps und Gruppen, die Maashöhe hinauf, wo die Stadt wartete, fast unversehrt, nur wenige Ruinen — doch von ferne murmelte es zu jedem Wort, zu jedem Schritt.

Die Estaminets waren von den sechshundert Soldaten des Transportzuges im Nu gefüllt.

Das Kauderwelschen begann.

„He, Madame, einen — (Nun kam die Schuapsgeste) zum bon choucher!“

„Oui, Oui!“

Die Kellnerin, dürr und ausgemergelt, wurde beim Bestellen und Servieren betastet, gezwickt und gedrückt, ein müdes Lächeln, das das Ekeln vor sich selbst und vor der Welt verlernt hat, war auf ihren Lippen erstarrt.

Einer gab ihr durch Gesten zu verstehn, dass sie verwelkt sei: Malheur! Malheur!

Alles lachte.

Sie aber wurde jetzt zornig und stiess mit letztem Feuer hervor: „C’est votre guerre!“

Dann trat sie zu Lindolf, der mit einem fremden Kameraden aus einer andern Ersatzkompagnie abseits von den Lärmenden sass, und sah ihn fragend an.

„Kaffee!“

Sie nickte lächelnd, eilte fort und brachte unter dem Schimpfen der lauten Bande Lutz und seinem Tischgenossen zuerst das Bestellte.

„Lucie macht Eroberungen!“ brüllte Wittke aus dem Haufen, der um den grössten Tisch in der Mitte sich lümmelte und räkelte.

Die Kellnerin sah die Johlenden giftig an. Sie schrie in ihrer Sprache: „Wenn alle so wären wie die beiden Knaben, gäbe es keinen Krieg, ihr Hunde!!“

Lindolf verstand ungefähr mit seinem Schulfranzösisch, was sie meinte, und sah sie zärtlich an.

Zwischen dem Tisch Lindolfs und dem grossen Tisch lagerte sich plötzlich etwas wie schlecht verhohlene Feindschaft. Das Weib machte parteiisch, weil es ganz den ureigenen Gefühlen folgend ungerecht Partei ergriff und Vorliebe zeigte.

Plötzlich aber wurde ans Fenster geklopft und mit einer schmutzigen Gebärde zeigte Pechtler, dass er etwas viel Feineres und Verlockenderes gefunden hätte.

Einer nach dem andern verschwand so schnell wie möglich, sein Glas hinunterkippend. Dann folgten sie Pechtler mit grossmächtigen Reden, die Begierde im Blick.

Sie vergassen noch einmal. Die gemeine Lust hielt ihre Sinne völlig befangen.

Lindolf und der fremde Kamerad und die welke Kellnerin sassen indes stumm zusammen. Die Minuten rannen. Und keiner wusste, warum sie unter solchen Rätseln und Qualen verrannen.

„Ick — nix mehr — schön!“ sagte wehmütig die Kellnerin.

„Oh — votre coeur est bon!“ sprach der fremde Kamerad.

Lutz streichelte die Kellnerin über die Wange. Er streichelte Frankreich. Und irgend etwas sprach ihn bei allem verstandesmässigen Widerlegen schuldig.

Er hatte mit dem Morden da vorn nichts zu tun.

Aber er konnte auch nicht feige sein.

„Komm, Kamerad. ’s ist Zeit! Adieu!“

„Adieu!“ Die Kellnerin wollte ihnen nachrufen: „Kämpfen Sie glücklich!“ aber das Gefühl: sie sind trotz allem Feinde, hiess sie schweigen. Dennoch war sie unzufrieden mit sich, dass sie schweigen musste. Was ging sie dieser fürchterliche Krieg an?

Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun

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