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11.

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Pechtler, der rüde Geselle, der schon mit einer gewissen Krankheit abhauen wollte, war vorn einer der Tapfersten. Nun wie er drin war in dem ganzen Dreck, wie er sich ausdrückte, er hatte manchmal noch ein saftigeres Wort dafür, da wollte er zeigen, dass er keineswegs Angst hatte. Er war wirklich der Einzige vielleicht, dem Angst ohne Heuchelei oder Selbstüberwindung etwas Fremdes war. Er duckte sich nicht, wenn die Blumentöpfe oder die Maikäfer, wie er die Flintenkugeln nannte, flogen; er ging drauflos, wie man es ihm befahl, und stand grinsend still, wenn das Ganze Halt kommandiert wurde.

Zu seiner Seite stets Töz und Wittke. Kaum waren sie vorn angelangt, hatten sie sich eins der grössten Erdlöcher ausgesucht, in dem sie zu dritt sitzen konnten, und spielten nach dem ersten Ausschnarchen ihren Skat, während die Granaten die Front auf und ab tasteten.

„Langsam bekommen die Stinktiere“ — so nannte Pechtler die Sanitäter — „zu tun. Na, Junge, Heimatschuss?“ fragte er einen Verwundeten aus einer fremden Kompagnie, die weiter vorn an der besonders gefährlichen Sappe lag, und der vorbeihumpelte. Der lächelte: Hoffentlich trifft mich keine zweite, ehe ich aus dem Graben hinaus bin —

Die Granaten auf und ab machten einen solchen Lärm, dass Pechtler ruhig brüllen konnte:

Ja, in Morslede, ja in Morslede, ja in Morslede

schmeckt der Wein so süss.

Nachmittags vor dem Sturm munterte Pechtler alle auf mit derben Widmungen, die er den trommelnden Granaten nachschickte, die die Franzosen zermürben sollten, mit Gelächter über die paar Nasenpopel, die von drüben geflogen kamen, er verband Leichtverwundete mit seinem Verbandstoff, und auf die Frage, was er für sich „eventuell“, ja, so sprach man von Tod und Wunden: eventuell — —, verbrauchen wolle, sagte er: „Mein Hemde ist sowieso verdreckt ....“

Leutnant Wynfrith sagte plötzlich: „Nun halt die Klappe, in drei Minuten müssen wir raus. Lindolf, durchsagen! In drei Minuten —“

Es regnete. Alle waren lehmbeklebt. Wenn man versuchte, hochzukommen, glitschte man an der Grabenwand ab.

Doch kein Gegenbefehl kam. Der Leutnant hatte noch einmal telefoniert und auf den Schlamm zwischen den Gräben hingewiesen. Er war vom Major angepfiffen worden, was denn das heissen sollte. Befehl sei Befehl.

Durch diesen Anschnauzer fühlte aber Wynfrith sein Gewissen rein. Er hatte wieder einmal versucht, seine Leute bis zum äussersten zu schonen — dass sie heute in dem Dreck die Höhe 304 hinan kamen, war ausgeschlossen — aber, na ja, — von Zeit zu Zeit musste gestürmt werden — —

4 Uhr. Man stieg aus den Gräben. Der Regen nebelte die grauen schleichenden und kriechenden Gestalten ein. Mit Ellenbogen und Knien blieb man im Lehm stecken, mühsam kroch die ausgeschwärmte Kompagnie Meter für Meter vor. Drahtverhaue — — — nur dort eine schmale Gasse. Nun sammeln und durchlaufen. „Lindolf, Bernöckel — die Flügel hier herandrängen!“

Doch ehe die Kompagnie immer zu drei und vier Mann durch die enge Gasse zwischen den Drahtverhauen durchzuflitzen beginnen konnte, fing der Franzose von der Höhe 304 herab zu tacken an. Ein, zwei, drei Maschinengewehre. Das langsame Tack-tack der Franzosen .... Die deutschen Geschütze hatten aufgehört zu schiessen. Sturmstille.

„Zurück!“ schrie Wynfrith. „Hinlegen! Abwarten!“

Er hätte sich auch heute leicht das E. K. I. holen können. Als erster durchlaufen: Mir nach! Er wäre noch vor dem Einsetzen des Feuers durchgekommen. Und dreissig Mann von seinen zweihundert wären wohl übrig geblieben, mit denen er sich hätte halten können. Er wusste, dass mancher Führer es so machte.

Aber er sah sich seine Jungens an.

Nun setzte auch Geschützfeuer ein. Nur die lieblichen kleinen Dingerchen der Feldgeschütze, wie Pechtler sagte, die man dort auf der Höhe losfunken sah.

Wo ist Pechtler mit einem Mal? Wo sind die Skatbrüder?

Bernöckel totenblass und müde den Kopf hängen lassend sagte: „Getürmt!“

Doch Lindolf wusste seit gestern es besser und er verteidigte: „Pechtler türmt nicht!“

Da — horch — „Herr Leitn’nt! Herr Leitn’nt!“

Das war Pechtler. Mitten im Drahtverhau, den er mit blutiggerissenen Händen auseinanderbog. „Hier durch! Der Skatklub hat die Chose aufgeknipst! Los! Das gibt einen Grand mit Vieren!“

Noch immer lag das Maschinengewehrfeuer auf der alten Drahtverhaugasse.

Doch durch die neue Gasse konnte dreiviertel der Kompagnie tapsen mit ihren Lehmklumpenschritten, ehe das Feuer einsetzte.

Dann lag die Garbe der Maschinengewehre allerdings auf dem Durchlauf.

„Lindolf, zurückkriechen! Der Rest soll zurückbleiben bis abends! Sie bleiben auch da!“

Neben dem Maschinengewehrfeuer begannen jetzt auch Gewehrschüsse zu pfeifen.

Lindolf kroch durch den klebrigen Lehm. Und noch immer rann der Regen. Zweiter Osterfeiertag. Vor einem Jahr hatte er einen Waldspaziergang mit Adelheid gemacht — — — Penk! Das war ein Schuss ganz in der Nähe. „Lass ihm!“ wie Pechtler sagt.

Jetzt war er herangekrochen an die Drahtverhauöffnung. Zwei Tote. Kopfschüsse. Winder, Matusezyk, zwei Neue. Doch er musste durch. Sonst fielen noch mehr — umsonst.

Er lief. Aufrecht. Er kam durch.

Da war Unteroffizier Liedetanz mit noch etwa vierzig Mann. Irgendwo in einem Erdloch stöhnte es: „Krauss verwundet — Beinschuss! Sanitäter nicht da.“ — „Was gibt’s?“ fragte der Unteroffizier. „Jeder, der hier durch will, bleibt liegen.“

„Ihr sollt euch hier eingraben und liegen bleiben,“ meldete Lindolf.

„Na ja — das ist eine Antwort“, meinte Liebetanz. „Das andere wäre ja Selbstmord.“

Pechtler, Töz und Wittke nahmen ein paar Eierhandgranaten und liefen an den feindlichen Graben heran durch das Gewehrfeuer und das Maschinengewehrgetacke.

Fünf Schritt vor dem Graben schmissen sie ihre Handgranaten, dann tasteten sie mit dem Bajonett sich vor.

„Tak — tak — tak —“ ganz dicht von der Seite.

Wittke fiel.

Pechtler und Töz liefen zurück. Sie hatten hineingesehen. Der Graben war voll besetzt trotz des Trommelfeuers. Die anderen Kompagnien müssen noch weiter zurückliegen. Nichts von Nahkampf auf der ganzen Linie.

„Eingraben“, befahl der Leutnant.

Da war man nun vielleicht vierzig Meter vorgekommen. Wer weiss, wie lange die Ausbuchtung zu halten war.

„Wer steckt in der Sappe?“ fragte er plötzlich. Die Sappe war von den Franzosen hart umkämpft. Für Stunden oft waren die Deutschen, dann wieder die Franzosen darin. Sie bildete einen Quergraben zwischen den beiden Fronten.

„Bernöckel, Sie müssen feststellen, ob die Sappe von uns besetzt ist, sonst sind wir durch den Vorstoss abgeriegelt.“

Bernöckel lief. Er taumelte mehr. Er entledigte sich mechanisch des Auftrags.

„Wir sind drin!“ kam er nach einer Weile angetorkelt.

Das Gewehrfeuer der Franzosen war verstummt. Sie warteten mit den Bajonetten auf die Deutschen. Nur die französische Artillerie wurde nervös und funkte ziemlich wahllos in die Gegend, vor allem auf die hinteren Stellungen, um ein Nachdrücken von Reserven zu vereiteln.

„Ran mit den Spaten. Bis Mitternacht müssen wir hier unsere Bleibe haben“, sagte Leutnant Wynfrith. „Der Regen wird ja auch mal aufhören.“

Und sie buddelten und buddelten.

Gegen neun Uhr abends kamen Lindolf und Liebetanz mit den letzten vierzig an.

„Los, buddeln!“ wurden sie empfangen.

Der Regen rann.

Die Spaten quietschten.

Immer tiefer sank die Kompagnie in die Erde ein.

Sowie drüben eine Leuchtkugel hochging, klebte alles an der Brustwehr. Pechtler und Töz lagen auf Horchposten und fluchten dem Hund, der ihren Skatbruder Wittke abgeknallt hatte.

„Wenn ich das Schwein treffe,“ sagte Pechtler, „ich beiss ihm kreuzweise die Gurgel durch. Ins Gesicht sch ..... müsste man so einem Schwein. Unser Alois, unser gutes, versoffenes Aas, der Alois. Nun liegt er da. Hat er überhaupt eine Mutter?“

„Weess icke,“ knurrte Töz. „Wer wird nu unser dritter?“

Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun

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