Читать книгу Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun - Alfred Hein - Страница 23

18.

Оглавление

Van Heusen wartete mit seinen M.G.-Schützen noch immer am Grabeneingang. Die Maschinengewehre, die er bei Anbruch der Dunkelheit in die zusammengeschossene Sappe geschickt hatte, waren wieder zurückgezogen.

„Womit habt ihr denn die drüben geärgert?“

„Einer von der Artillerie baute sich mit weissem Holz einen Ausguck.“

Van Heusen fragte nur, eine abfällige Aeusserung unterdrückend: „Was gibt’s?“

„Ich wollte bloss sehen, ob Sie noch da sind, Herr Leutnant.“

„Wir sind noch da. Auf Wiedersehn!“

Lutz kroch zurück. Die M.G.-Schützen sassen da vorn herum wie auf den Trümmern Babylons.

Aber sie weinten nicht. Sie klebten an der Erde neben den Maschinengewehren, den Blick auf den Feind.

Nachmittags begann die deutsche Artillerie zu schiessen. Sie schoss gut. Wenn auch die beiden Artilleristen gefallen waren, sie haben im ersten Dämmergrauen zusammen mit dem Oberleutnant die Entfernungen festgestellt. Bis sie schwiegen und ihre Telefonstrippe zerriss. Aber nun schoss es vom Toten Mann hinüber nach 304 ebenso wild und sicher wie von Höhe 304 zum Toten Mann.

„Heute wirst du die Lerche nicht hören, Rinkel,“ flüsterte Lutz. Sie lagen zusammen in ihrem neuen provisorischen Unterschlupf.

Rinkel war ein wenig gefasster, man gewöhnt sich an alles, er lächelte: „Heute nacht — Ablösung — da hinten gibt’s noch Grün.“

„Heut nacht — — da hinten — —“ sprach Lutz vor sich hinsinnend. Wie weit — wie lange — — —

Alle paar Minuten kam wieder eins der dicken Dinger an der Skatklubecke des Grabens vorüber. Wenn man die Skatbrüder ihre Trümpfe ausrufen und mit der im Graben aufgesammelten Löhnung klimpern hörte, wusste man: jetzt gehen die ewig die Luft durchpfeilenden Geschosse woanders hin. Wenn aber beim Kartendreschen statt der Faustaufschläge auf Pogoslawskis Tornister ein wildes Getöse zu hören war und ein Geprassel von Schutt und verirrten Splittern, die noch heiss sich anfühlten, wenn man sie aufhob, daniederging, und nach einer recht bangen Minute, in der vier bis sechs solcher Dinger in einer saftigen Salve ganz nah herniedersausten, schaute sich ein jeder nach dem andern um: Ist nichts passiert? Und dann gab’s wieder fünf Minuten Atempause, während der das Feuer weiterwanderte.

„Amerikaner —“ Wynfriths Bursche hob einen langen Granatsplitter auf, der ganz gezackt während der Explosion aufgeschmolzen war. „So’n Ding in die Leber, wat?“

Und der lange Kerl, Franz Krause mit Namen, aus Berlin-Pankow, ass seine Marmeladenstulle weiter. Wenn er mit der Marmeladenstulle fertig war, machte er irgendeine eiserne Portionsbüchse, die er herrenlos im Graben fand oder gegen Zigarren eingetauscht hatte, auf, und schmierte sich den Gulasch aufs Brot oder zündete auf seinem Kocher den Hartspiritus an und briet sich die Chose.

Es gab, wenn die Essenholer täglich richtig zurückkamen, für jeden Tag ein ganzes Kommissbrot hier vorn, ein Viertelliter Rum, 3 Zigarren oder 10 Zigaretten, einen Beutel Zwieback und eine halbe Fleischbüchse. Lutz ass aber kaum mehr als zwei bis drei Marmeladenstullen und dann und wann ein Häppchen Fleisch. Gewöhnlich nahm er seine Mahlzeit beim stiller gelegenen Bataillonsstab ein, im vordersten Graben steckte er nur so beiläufig ein paar Zwiebacks in den Mund.

Aber Krause konnte essen. Fressen. Den ganzen Tag. Und nachts, wenn ihn eine scharfe Sache in der Nähe weckte, war sein erster Griff nach Kommissbrot, Marmeladenbüchse und Messer.

Auch jetzt hatte er seine Granatsplitterbetrachtung mit kauendem Munde ausgesprochen, wie Wynfrith ihn überhaupt nur bissenrunterschluckend kannte, so oft er ihn rief und ihm eine Anweisung gab.

Lutz sagte: „Die Amerikaner leben in Frieden mit uns, heisst es. Aber vielleicht verlängern sie den Krieg am meisten, wenn sie den Franzmännern und Tommys die Zuckerhüte liefern.“

Rinkel betete: „Herr, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun — Jessus — Maria —“ Und wieder schlug es dicht über den Köpfen ein, mit riesigem Plumps fiel ein Stück Brustwehr ein, so dass Lutz von seinem Erdloch durch den Spalt das Niemandsland sehen konnte.

„Beim wievielten Skat seid ihr denn schon heute?“

„Komm mitspielen, Lutz.“

„Welche Ehre, Pechtler, ihr wollt mit Lucie Skat spielen?“

„Du hast einen richtigen Schiffervollbart, Lutz, man kann dich jetzt schlecht Lucie nennen.“

Pogoslawski fragte: „Wann soll denn die Schweinerei heute abend losgehn, pierona?“

„Ich denke, so gegen sechse, Herr Leutnant, wie?“

Wynfrith hob die Zeltbahn vor seinem Loch, guckte heraus: „Was quatscht ihr da?“

„Wann die Franzosen erwartet werden?“

„Um sechs. Seid ihr noch alle da?“

„Als wie icke — Herr Leutnant,“ lachte Töz. „Lass sie man heut abend die Nase rinstecken. Die Schweine sollen schon gekitzelt werden dafür, dass sie uns im Skat stören.“

„Der Skat ist ihre ganze Vaterlandsliebe,“ sagte Lutz zum Leutnant. „So hat jeder fast einen anderen Grund, vorn zu bleiben und dreinzuschlagen. Aber alle bleiben und alle schlagen drein, hüben und drüben.“

„Ja, und zu Hause denken sie, wir singen dazu in einem fort: Deutschland, Deutschland, über alles — selbst noch auf der Latrine —“

„Kinder, geht nicht auf die Latrine mehr. Seit heute schiessen sie hin. Wie ich heut drauf sass —“

„Wie oft sitzt du Fresssack denn am Tage drauf?“ fragte Pechtler und schrie gleichzeitig: „Ramsch!“

„Dreimal geht er abladen —“

Bsching — „Jessus — Maria —“ schrie Rinkel.

„Da hat so ein Mistbock von drüben wieder abgeladen — Kinder, wir können nicht weiter spielen — verfluchte Bande,“ wütete Pechtler, „unser Karo-Bube hat ein Loch gebrannt gekriegt — da, hier ist der Splitter —“

„Und mir haben sie das Brot mit Granatsplittern belegt —“ schrie Krause. „Seht ihr, das habt ihr davon, wenn ihr einen hellen Balina veräppelt —“

Einer kam herangekrochen, Ekel im Gesicht.

„In der Latrine —“

„Siehste —“ sagte Krause. „Wer?“

„Der Gefreite Gutt und der Unteroffizier Maurer.“

„Tot?“ fragte Wynfrith.

„Volltreffer.“

„Kinder,“ schrie Töz, „das ist nun auf dem Felde der Ehre.“

„Die Sanitäter weigern sich, sie rauszuholen.“

Wynfrith: „Sie müssen. Lindolf, sag’s ihnen!“

Lindolf kroch zu den Sanitätern, zu zwei dreissig- bis vierzigjährigen, immer missvergnügten Herren. Verschiedene in der Kompagnie, darunter auch Lutz, Pechtler, Hirschfeld, hatten unter sich abgemacht, sich lieber gegenseitig zu helfen, als sich den beiden ziemlich bequemen Herren anzuvertrauen, die offensichtlich aus Mangel an Mut zu den Sanitätern gegangen waren, in der Hoffnung, im Feldlazarett zu bleiben. Nun mussten sie doch für ein paar Wochen Grabendienst machen.

„Ihr sollt Gutt und Maurer nach hinten bringen.“

„Das kann keiner von uns verlangen.“

„Vielleicht leben sie noch.“

„Die Köpfe stecken doch ganz drin. Wir haben schon vieles gesehen, so was —“

„Leutnant Wynfrith gibt den dienstlichen Befehl: sofort!“

Da erhoben sie sich aus ihrem Erdloch, krochen Lindolf nach, bogen dann rechts ab, wo die Latrine lag, während Lutz zur Skatecke zurücklief, fast aufrecht — obwohl die Schüsse auf ihn zuwanderten.

Die Sanitäter riefen ihm nach: „Komm doch mit helfen, Grossfresse!“

Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun

Подняться наверх