Читать книгу Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun - Alfred Hein - Страница 7

2.

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Als der Namenaufruf begann, wusste jeder sofort, worum es ging. Die Stimme des Feldwebels zitterte. Das Schikanöse in seiner Haltung und in seinen Zügen war fort. Alle baten ihm in dieser Stunde ab, auf ihn geflucht und schlecht über ihn gesprochen zu haben. Er trug also nur in den gewöhnlichen Tagen des Kommisses das dazu passende disziplinstarre Gesicht. Für manchen von der Kompagnie brach sogar etwas wie Zärtlichkeit aus seiner Stimme hervor, wenn er den Namen rief.

Der alte Hauptmann aber, der daneben stand, Schulrat in Zivil, mit einem guten weinseligen Gesicht, das von einem wuseligstruppigen Bart umhangen war, Koesel hiess er — Klösel nannten sie ihn, weil er klein und rundlich war, ja, der alte Hauptmann liess zwei Tränen in seinen Schifferbart rollen und sah die Jungens, die er einexerziert für den grossen Marsch in den Tod, starr und fassungslos an. Zu Weihnachten sollten sie schon hinaus, damals hatte er sie aber alle doch noch auf Urlaub zu Muttern schicken können — er liess sich lieber einen Rüffel geben, warum die Ausbildung so langsam vorwärts ging, aber was kam es auf ihn alten Knaben viel an? Die Front wird nicht gleich einstürzen, wenn seine Jungens fehlten. Die Front — — das war, was nie einstürzte. Lieb Vaterland, magst ruhig sein.

Er hörte die Namen, seit sieben Monaten so vertraut: Meyer, das war kein xbeliebiger Meyer, das war sein stud. med. Meyer, blass und schmal, Liebetanz, das war der kleine kiewige Unteroffizier, Moerse, ein Schlächter, aber ein gutes Luder, bisschen doof, Kalinchen, der lange Kalinchen, nie wird er seinen unförmigen Zinken vergessen, der immer aus Reih und Glied hervorragte, als sollte man daran sein Portepée hängen, Lindolf mit den Kinderaugen, wer hätte den Jungen im Frieden zum Militär zugelassen, nun soll er in den Schlamassel da hinaus, Groeber I, hinter dessen breiter Brust haben drei Lindolfs Platz, Groeber II, die beiden Brüder, müssen sich für ihr Gardemass besondere Unterstände bauen, dass mir die beiden bloss die Köpfe einziehen können im Graben — Wittke, Riemer, Pogoslawski, Maruhn, Töz, Stegen, Hirschfeld, der kleine, ungeschickte Jude, richtig — fällt ihm wieder eine Patronentasche ab, da er aufgerufen wird — aber siehe, der Feldwebel brüllt heute nicht: „Hirschfeld, aus welcher Menagerie haben sie dich losgelassen?!“ Er knurrt nur: „Festschnallen, Hirschfeld!“ Und das ist wie eine Mahnung: Schnall auch dein Herz fest, Junge! Schultz, Schulze, Schütz, Schützel — die vier Es-Ce-Has in seiner Kompagnie — immer wird der Hauptmann wissen, dass er diese vier Namen in dieser Reihenfolge in seiner Kompagnie hatte — ach, nun bekam er wieder irgendein Landsturmbataillon, mürrische alte Knaben da irgendwo in einem Gefangenenlager oder in der russischen Etappe.

Name um Name fiel. Und wessen Name fiel, der löste sich aus dem gewohnten Glied, trat vor und ging in die Baracke, in der er feldgraue Sachen empfing. Nagelneu. Wie wenn man, ein Kind noch, Geburtstag hätte und einen neuen Anzug bekäme. Geburtstag — — des Todes — vielleicht — — —. Da war die Blechnummer. 394 567. 394 568. 394 569. 394 570. 394 571.

Von manchen bleibt nicht einmal diese Nummer übrig.

Mit den Sachen auf dem Arm trat jeder noch einmal an.

Der Hauptmann sagte, da die Kompagnie sich versammelt hatte, die Erkennungsmarken hingen jedem um den Hals: „Es ist so weit, Jungens. Macht’s gut. Vergesst euren alten Hauptmann nicht, der gern mitkäme, wenn er da draussen mit seinen Gichtknochen nicht im Wege wäre. Feldwebel, Urlaub bis zum Wecken!“ Dann drehte er sich um und verschwand, der alte gute Hauptmann, der bei jedem strammen Exerzierdienst sagte, ehe die Stunde um war: „Es ist genug. Draussen ist alles ganz anders. Jungens, Augen auf, an sich selber glauben, fest zufassen, wenn ihr in Druck seid — na, ihr versteht! Also los — Gewehre zusammensetzen! Fussball ’raus!“

Das war Klösel beim Exerzieren.

Und den mussten sie hier lassen?

„Stillgestanden!“ kommandierte der Feldwebel. Aber er schnauzte nicht die an, die die Füsse nur schlapp zusammenzogen, nicht so: Ruckzuck! und die Wendung! er kommandierte weiter, auch nur mit halblauter Stimme: „Wegtreten!“

Die Kompagnie drehte sich um sich selbst — und ging auseinander.

Koesel aber besoff sich, wie es ein guter Hauptmann tut, der an seiner Kompagnie hing. Und nach Verdun — seine Jungens.

Eine Kompanie Soldaten - In der Hölle von Verdun

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