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III. Erlass und Zustellung des Bußgeldbescheids
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Sobald der Bußgeldbescheid behördenintern unterzeichnet und in den Geschäftsgang gegeben ist, ist er erlassen, §§ 33 Abs. 2 i.V.m. 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG. Der Bußgeldbescheid muss sodann zugestellt werden.
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Das Zustellungserfordernis im Verfahren gegen den Betroffenen folgt aus §§ 50 Abs. 1 S. 2, 51 Abs. 2 OWiG. Bescheid- und Zustellungsadressat können wie im Fall des nicht verteidigten Betroffenen identisch sein. Ist der Betroffene (bzw. die Nebenbeteiligte) hingegen verteidigt, ist Zustellungsadressat i.d.R. der Verteidiger. Hat der Betroffene mehr als einen von höchstens drei Verteidigern, genügt die Zustellung an einen der Verteidiger unter Benachrichtigung des Betroffenen bzw. der Nebenbeteiligten.[292]
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Vertiefung: Zustellung an den Verteidiger
- | Rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht: Hat der Betroffene seinem Verteidiger – zusätzlich zur Vertretungsvollmacht – eine Zustellungsvollmacht rechtsgeschäftlich erteilt, kann die Zustellung des Bußgeldbescheids an den Verteidiger unproblematisch bewirkt werden. |
- | Gesetzliche Zustellungsermächtigung: Liegt den Akten lediglich eine Vertretungs- aber keine Zustellungsvollmacht bei, gilt der Verteidiger kraft Gesetzes gleichwohl als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen, § 51 Abs. 3 OWiG. Die Regelung enthält eine Fiktion, die eine wirksame Zustellung an den Verteidiger ermöglicht, obgleich dieser als solcher nicht rechtsgeschäftlicher Vertreter des Betroffenen, sondern nur dessen Beistand (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 137 StPO) ist.[293] Die Zustellung an den Verteidiger ist auch in dem Fall wirksam, wenn die zur Akte gelangte rechtsgeschäftliche Vollmacht keine Ermächtigung zur Entgegennahme von Zustellungen enthält oder eine solche dort sogar ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.[294] - Beachte: Während beim Pflichtverteidiger die gesetzlich fingierte Zustellungsvollmacht lediglich den Bestellungsakt voraussetzt, muss sich beim Wahlverteidiger die allgemeine Verteidigervollmacht (bzw. eine Kopie oder ein Telefax) im Zeitpunkt der Zustellung[295] bei der Akte befinden. Nur dann ist er Empfangsberechtigter i.S.d. § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG („Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, (…)“). Liegt die Verteidigervollmacht zu diesem Zeitpunkt nicht vor, greift die Fiktion nicht und die Zustellung an den Verteidiger ist unwirksam.[296] |
- | Die rechtsgeschäftliche sowie die gesetzlich fingierte Zustellungsvollmacht wirkt so lange wie die Verteidigervollmacht selbst. Sie endet in dem Zeitpunkt, in dem die Beendigung des Mandatsverhältnisses aktenkundig geworden ist.[297] |
- | Die BaFin als Verwaltungsbehörde hat ein Wahlrecht, ob sie den Bußgeldbescheid an den Betroffenen oder an dessen Verteidiger zustellt.[298] Wird an den Betroffenen zugestellt, erhält der Verteidiger gem. § 51 Abs. 3 S. 3 OWiG eine formlose Abschrift des Bußgeldbescheids. Zu empfehlen ist demgegenüber, den Bußgeldbescheid in der Regel an den Verteidiger zuzustellen, da die Zustellung durch Empfangsbekenntnis einfach und kostensparend (keine PZU) durchgeführt werden könne.[299] In diesem Fall wäre dem Betroffenen eine formlose Abschrift des Bescheides mitzuteilen, § 51 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 OWiG. |
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Auch der betroffenen Gesellschaft muss der Bußgeldbescheid als Nebenbeteiligte im einheitlichen bzw. selbstständigen Verfahren zugestellt werden, §§ 88 Abs. 3, 87 Abs. 2 S. 2 OWiG. Nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 6 Abs. 2 VwZG werden Zustellungen (und Ladungen) an jeden gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft bewirkt, der nicht durch Gesellschaftsvertrag oder durch gerichtliche Anordnung von der Vertretung ausgeschlossen ist, auch wenn er nicht allein vertretungsberechtigt ist.[300]
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Wird im einheitlichen Verfahren der Bußgeldbescheid an die betroffene Gesellschaft zugestellt, ist die Zustellung nach der Rechtsprechung auch dann wirksam, wenn als deren gesetzlicher Vertreter das geschäftsleitende Organ bezeichnet wird, das wegen seiner Betroffenenstellung als Vertreter der Nebenbeteiligten ausscheidet.[301] Etwaige Interessenkollision im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und deren gesetzlichen Vertreter führen nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung.[302] Diese können bei dolosem Verhalten des gesetzlichen Vertreters lediglich Schadensersatzansprüche auslösen.[303] Etwas anderes folgt auch nicht aus der Vorschrift des § 178 Abs. 2 ZPO (über § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 3 Abs. 2 VwZG anwendbar),[304] die nur für den Fall der Ersatzzustellung gilt und nicht für die hier einschlägige Zustellung an den gesetzlichen Vertreter nach § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 6 Abs. 2 VwZG.[305]
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Um gleichwohl mögliche Problemlagen für die nebenbeteiligte Gesellschaft zu vermeiden, die aus der wirksamen Zustellung an das von der Vertretung ausgeschlossene Leitungsorgan entstehen können (z.B. Einlegung eines möglicherweise unwirksamen Einspruchs durch das betroffene Leitungsorgan), empfiehlt sich das folgende Vorgehen: Ist die Zustellung an einen anderen gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft nicht möglich (etwa im Fall des alleinvertretungsberechtigten Organs), sollte der Bußgeldbescheid entweder an den anwaltlichen Beistand der Nebenbeteiligten – der ggf. aus diesem Grund zuvor noch zu bestellen sein wird (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 428 Abs. 2 StPO)[306] – zugestellt werden. Oder die Zustellung des Bußgeldbescheids wird an den Passivvertreter der Gesellschaft bewirkt; im Fall einer Aktiengesellschaft also an ein Mitglied des Aufsichtsrats (vgl. § 78 Abs. 2 S. 2 AktG). Entsprechend § 78 Abs. 2 S. 3 AktG wäre der Bußgeldbescheid an die im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift der Gesellschaft zu richten.