Читать книгу Datenschutz im Krankenhaus - Andrea Hauser - Страница 72

9.1 Schwerwiegende lebensbedrohliche Verletzungen

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Das Kammergericht Berlin urteilte über einen Fall, in dem die Eltern ihren wenige Monate alten Säugling wegen eines Krampfanfalls in die Notaufnahme des beklagten Klinikums brachten.137 Der Vater gab an, das Kind sei vor wenigen Tagen mit dem Kopf gegen die Schale eines Autokindersitzes vom Typ »Maxi Cosi« gestoßen. Es wurden subdurale Blutungen und Netzhautablösungen beidseits diagnostiziert. Die Fontanelle war vorgewölbt. Der Säugling wurde in die pädiatrische Neurochirurgie verlegt und dort operiert. Mitarbeiter des Krankenhauses äußerten gegenüber den Eltern den Verdacht einer Kindesmisshandlung und eines hierdurch ausgelösten Schütteltraumas. Die Eltern erklärten die Verletzungen weiterhin mit dem Stoß am Kindersitz, zeigten sich zunächst kooperativ, lehnten dann aber weitere Gespräche ab. Die Mitarbeiter des Krankenhauses teilten daraufhin dem Landeskriminalamt (LKA) und dem zuständigen Jugendamt mit, bei dem Säugling lägen für ein Schütteltrauma typische Verletzungen vor, deren Herkunft ungeklärt sei. Dies führte nach einer vorläufigen Festnahme der Eltern durch die Polizei zu einem Ermittlungsverfahren wegen Kindesmisshandlung und zu Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls, unter anderem einer zeitweiligen Unterbringung des Kindes bei Pflegeeltern. Das gegen die Eltern eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde im Ergebnis eingestellt, da zwar ein Schütteltrauma vorlag, aber nicht festgestellt werden konnte, wodurch dieses ausgelöst wurde. Das Familiengericht übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge zurück auf die Eltern. Diese begehrten vom Krankenhaus Schmerzensgeld sowie Ersatz der ihnen entstandenen Kosten für die anwaltliche Vertretung im Ermittlungsverfahren und vor dem Familiengericht. Da es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Kindesmisshandlung gegeben habe, hafte das Krankenhaus für die Folgen der Anzeige an das LKA und das Jugendamt.

Das Kammergericht sah die Einschaltung der Behörden als gerechtfertigt an. Nach Meinung der erkennenden Richter konnten die Mitarbeiter des Krankenhauses angesichts der für ein Schütteltrauma »typischen« Verletzungen annehmen, dass möglicherweise ein Fall von Kindesmisshandlung vorlag. Dieser Verdacht reichte auch für eine Information der Behörden aus. Es sei nicht Aufgabe der Ärzte, einen Verdacht »auszuermitteln«, d. h. definitiv zu klären, welche Ursache eine Verletzung habe. Es reiche aus, dass die betreffenden Verletzungen typischerweise durch eine Kindesmisshandlung hervorgerufen würden und somit ein begründeter Verdacht vorhanden sei. Dies schließe aber nicht aus, dass auch andere Geschehensabläufe denkbar seien, denen keine Kindesmisshandlung zugrunde liege. Erschwerend kam hier hinzu, dass die vorhandenen Verletzungen nicht mit dem geschilderten Unfallgeschehen in Einklang gebracht werden konnten. Der im Verfahren hinzugezogene Sachverständige hatte ausgeführt, um die Verletzungen durch einen Anstoß des Kopfes an den Kindersitz beim Durchfahren einer Kurve hervorzurufen, hätte der Vater mit seinem Kind im normalen Verkehr mit einer Beschleunigung um eine Kurve fahren müssen, die weit über der eines Formel-1-Wagens liege.

Die Mitarbeiter des Krankenhauses durften nach Ansicht des Kammergerichts auch von einer Wiederholungsgefahr ausgehen, obwohl nur eine Verletzung festgestellt werden konnte, weil diese eine Verletzung für sich genommen derart schwerwiegend und lebensbedrohlich war. Auch die Art und Weise der Information an das LKA und das Jugendamt war nicht zu beanstanden. Die Anzeige habe lediglich Angaben zu den festgestellten Verletzungen und zum Verhalten und den Äußerungen der Eltern enthalten. Dass die Verletzungen nur von den Eltern herrühren könnten und diese dringend tatverdächtig seien, könne hieraus nicht abgeleitet werden. Wichtig ist auch der Hinweis des Kammergerichts, dass das Krankenhaus nicht für ein etwaiges Fehlverhalten oder eine »Überreaktion« der Strafverfolgungsbehörden oder des Jugendamtes verantwortlich gemacht werden kann.

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