Читать книгу Datenschutz im Krankenhaus - Andrea Hauser - Страница 79
9.7.1 Notstandslage
ОглавлениеDer rechtfertigende Notstand im Sinne von § 34 StGB setzt eine Notstandslage voraus. Eine solche zeichnet sich dadurch aus, dass eine Gefahr für eigene oder fremde Rechtsgüter nicht anders als durch den Bruch der Schweigepflicht abwendbar ist. Darüber hinaus muss bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen das gefährdete Rechtsgut wesentlich schwerer wiegen als das Interesse des Patienten an der Geheimhaltung seiner Daten. Dies ist im Einzelfall anhand aller relevanten Umstände sorgfältig abzuwägen.147
In Fällen des Verdachts auf Kindesmisshandlung besteht eine Gefahr für die Gesundheit und gegebenenfalls sogar das Leben des betroffenen Kindes. Kann das Kind durch eine Anzeige des Verdachts beim Jugendamt und/oder der Polizei vor weiteren Verletzungen geschützt werden, geht der Schutz des Kindes vor weiteren Misshandlungen der ärztlichen Schweigepflicht vor.148 Die Anzeige des Verdachts muss jedoch geeignet und angemessen sein.149 Bei der Frage der Angemessenheit der ergriffenen Maßnahmen zum Schutz des Kindes könnte allenfalls überlegt werden, ob es im Einzelfall möglich ist, als »milderes Mittel« anstatt der Polizei zunächst das Jugendamt zu informieren. Die Abwägung, ob das Jugendamt oder die Polizei informiert wird, ist im Einzelfall anhand des jeweiligen Gefährdungsgrades zu treffen (je akuter die Gefahr, desto mehr spricht für ein sofortiges Einschalten der Polizei).
Für eine Weitergabe von Informationen an die Polizei muss aber der begründete Verdacht einer Kindesmisshandlung vorliegen. Die Rechtsprechung sieht dafür ein typisches Verletzungsbild als ausreichend an.150 Ärzte sind danach nicht verpflichtet, einen möglichen Verdacht »auszuermitteln«. Dies fällt allein in die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden. Ist demnach eine Kindesmisshandlung nur eine mögliche Erklärung für eine festgestellte Verletzung und kommen noch andere Geschehensabläufe als Erklärung in Betracht, ist es nicht Aufgabe der Ärzte, andere mögliche Geschehensabläufe auszuschließen.