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Die Meditation der Leere

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Keinem Gedanken anhaften, geistige Ausgeglichenheit
und einen Zustand innerer Harmonie schaffen
ist das Ziel der Meditation der Leere.

Keinem Gedanken anhaften heißt, keinen Gedanken aufnehmen, keinen Gedankenblitz weiterverfolgen, eine aufkeimende Idee nicht weiter ausspinnen, an keinem Gedanken festhalten.

Während einer Meditationssitzung werden Gedanken permanent versuchen uns abzulenken. Zusätzlich zu dem Gedankenfeuerwerk werden uns auch noch die unterschiedlichsten Sinneseindrücke abzulenken versuchen, z. B. die Fliege an der Fensterscheibe, Geräusche, Gerüche. Wenn Ihnen das passiert, dann lassen Sie das Geräusch oder den Geruch einfach nur das sein, was es ist – ein Geräusch, ein Geruch. Das Geräusch an und für sich will von Ihnen nichts, es hat seine eigene Ursache, seine eigene Existenz, will Sie nicht ärgern, hat mit Ihnen nichts zu tun. Es besteht für Sie keine Notwendigkeit, eine Beziehung zu diesem Geräusch herzustellen oder sich anderweitig in Gedanken darauf einzulassen. Lassen Sie also das Geräusch einfach ein Geräusch sein. Nach diesem Prinzip halten Sie auch jeden Geruch, jeden Sinneseindruck, den Sie wahrnehmen, auf Abstand. So sollte Sie die Musik aus Nachbars Wohnung, das Hundegebell auf der Straße oder der Knoblauchgeruch aus dem Treppenhaus künftig überhaupt nicht mehr stören.

Wie eingangs erwähnt, können wir unsere Gedanken nicht abschalten, aber keiner zwingt uns, sie zu verfolgen, weder die Gedanken noch die Sinneseindrücke. Genau das wollen wir ab jetzt bei der Meditation anstreben, das wollen wir ausgiebig üben.

Das wird eine harte Übung. In 20 Minuten ist das nicht zu erlernen und das ist vermutlich auch der Grund, warum, an diesem Punkt angekommen, sich die Geister, der Spreu vom Weizen, trennen. Wer sich auf die Meditation der Leere nicht einlassen will, läuft Gefahr, auf dem Weg zur Erleuchtung nicht weiterzukommen.

Sie sind jetzt schon so weit gekommen, geben Sie nicht auf. Halten Sie durch.

Sie haben im letzten Absatz meine Formulierung „sich die Geister, der Spreu vom Weizen trennen“ gelesen. Blumige Sprache nennt man so etwas und gleichzeitig ist es eine Kombination volkstümlicher Sinnsprüche, aber nur auszugsweise und unvollständig. Ich gehe beim Schreiben davon aus, dass in unserem Kulturkreis jeder versteht, was ich mit meinen Formulierungen aussagen möchte. Auch die Mönche, Meister und Gelehrten aus Indien, China und dem Himalaja verfassten ihre Texte über den Buddhismus in ihrer jeweiligen Heimatsprache mit volkstümlichen Sinnsprüchen und in blumiger Sprache. Ein Inder oder Chinese wird mit großer Wahrscheinlichkeit meine schmückenden Redewendungen nicht verstehen. Und weil wir „eine andere Sprache sprechen“, fällt es uns Europäern schwer, deren Texte zu verstehen, insbesondere wenn sie erst ins Englische und anschließend vom Englischen ins Deutsche übersetzt wurden.

Das war übrigens ein Gedankenblitz, einer von denen, die an unpassender Stelle hervorbrechen und unbedingt Gehör finden wollen. Wenden wir uns wieder unserem eigentlichen Thema zu.

Die Meditation der Leere ist das
3. Charakteristikum der Richtigen Meditation.

Und so geht’s. Wir üben die Meditation der Leere:

Nehmen Sie Ihre bevorzugte Meditationsstellung ein. Eröffnen Sie Ihre Meditationssitzung mit dem Wort „Ohmm“, und atmen Sie in aller Ruhe bei geschlossenem Mund durch die Nase ein und aus. Atmen Sie so, wie Sie es zuvor geübt haben, konzentrieren Sie sich auf die intensive Bauchatmung und wechseln Sie den Zungendruck jeweils beim Ein- bzw. Ausatmen, ähnlich einem Kippschalter.

Achten Sie nun bewusst auf Ihre Gedanken. Sie werden feststellen, dass Sie nicht ohne Gedanken sind. Irgendein Gedanke wird Ihnen durch den Kopf schießen, irgendein Gedanke wird versuchen, Sie an etwas zu erinnern, wird versuchen, Sie etwas tun zu lassen. Beobachten Sie einfach im Geiste das Treiben in Ihrem Kopf, genießen Sie Ihre geistigen Aktivitäten. Schließen Sie als Anfänger anfangs noch die Augen und dann lassen Sie die Gedanken ziehen: Üben Sie mit aller Hartnäckigkeit, keinen Gedanken aufzunehmen, einen Gedankenblitz gedanklich nicht weiterzuverfolgen, an keinem Gedanken festzuhalten.

Vermutlich wird Ihnen das nur für wenige Sekunden glücken. Genießen Sie diese paar Sekunden der Nichtanhaftung an Ihre eigenen Gedanken. Sie werden nun eine bisher nicht gekannte Leere zwischen Ihren einzelnen Gedankenblitzen feststellen können. Konzentrieren Sie sich auf diese kleinen Pausen zwischen Ihren Gedankenblitzen und versuchen Sie, diese Pausen immer länger werden zu lassen, versuchen Sie, sich in diese Phasen der Leere hineinfallen zu lassen, versuchen Sie, jeden Gedanken, der aufkommt, einfach vorüberziehen zu lassen und in der Leere zwischen den Gedanken zu verweilen. Denken Sie aber nicht über die Pausen nach und denken Sie auch nicht, ob Sie es so richtig machen. Wenn Sie es irgendwann beherrschen, gehen Ihre Gedanken in die Leere – im wahrsten Sinne des Wortes.

Anfänglich werden Ihnen diese Gedankenpausen nur für wenige Sekunden glücken, denn Ihre Gedanken werden vermutlich mit noch mehr Nachdruck und Intensität versuchen, Oberhand zu erlangen. Das ist völlig normal. Immer wenn Sie merken, dass Ihre Gedanken während dieser Übung wieder die Oberhand erlangen wollen und die Pausen nicht mehr aufrechtzuerhalten sind, dann gehen Sie in Gedanken die Reihenfolge aller Charakteristika für die Richtige Meditation erneut durch. Ich wiederhole diese gerne nochmals:

 Ich nehme die bevorzugte Meditationsstellung ein,

 eröffne die Meditationssitzung mit dem Wort „Ohmm“,

 atme in aller Ruhe bei geschlossenem Mund durch die Nase ein und aus,

 konzentriere mich auf die bewusste und intensive Bauchatmung, und

 konzentriere mich auf den richtigen Wechsel des Zungendrucks.

Üben Sie immer wieder mit aller Hartnäckigkeit, keinen Gedanken aufzunehmen, jeden Gedankenblitz nicht weiterzuverfolgen, an keinem Gedanken festzuhalten, die Leere zwischen den Gedanken immer weiter auszudehnen.

Anfänglich werden Sie diese Übung vermutlich als extrem schwer empfinden und sie wird Ihnen vielleicht sogar im wahrsten Sinne des Wortes Kopfschmerzen bereiten. Verzweifeln Sie nicht, mit jeder neuen Meditationssitzung werden Sie spürbare Fortschritte machen.

Bei dieser Art der Meditation, der Meditation der Leere, müssen Sie sich in hohem Maße konzentrieren. Obwohl das paradox klingen mag, so führt doch gerade diese Art der extremen Konzentration auf die Leere, auf die Nichtanhaftung an die Gedanken zu einer Beruhigung des Geistes. Die Folge ist auch die Beruhigung von Gefühlen und Emotionen. Jegliche Aufgeregtheit lässt sich mit dieser Meditationsmethode abstellen. Es ist nur eine Sache der Übung.

Wenn Sie diese Art der Meditation irgendwann gut beherrschen, kann sich bei Ihnen nach 15-20 Minuten Meditation tatsächlich innere Ruhe und Ausgeglichenheit einstellen. Ihr Geist ist dann klar und Sie haben den Eindruck, dass Geist und Körper in Harmonie verweilen. Auch sollten Sie sich in diesem Zustand nicht mehr von Ihren Gedanken bedrängt fühlen. Danach können Sie ganz in Ruhe Ihre Meditation beenden, sich erheben und entweder Ihren Alltagstätigkeiten nachgehen, oder, wenn es Ihre Zeit erlaubt, sich tiefergehende Gedanken zu den einzelnen buddhistischen Puzzleteilen machen. Sie können in Gedanken üben, wie es ist, dieses oder jenes loszulassen; üben, Ursachen des Leidens zu ergründen – alles Übungen, auf die ich an späterer Stelle noch ausführlich eingehen werde.

Am Anfang werden Sie aber mit diesem lockeren und ruhigen Übergang in den Alltag noch Schwierigkeiten haben. Ihr Unterbewusstsein wird vermutlich versuchen, Sie sofort mit Gedanken und Problemen zu überhäufen, sobald Sie nur beginnen an das Ausklingen der Meditationssitzung zu denken. Daher empfehle ich Ihnen, insbesondere in Ihrer Anfangszeit, wenn beunruhigende Gedanken übermächtig auf Sie eindringen, folgend geschilderte Abschlussübung zu praktizieren:

Zum Abschluss einer im Geiste noch unruhigen Meditationssitzung und zum Übergang in den Alltag stellen Sie sich vor, Sie würden am helllichten Tag an einem weißen Sandstrand stehen und über das bewegte Meer bis an den Horizont sehen, einen Horizont, der wie mit dem Lineal gezogen die sich unentwegt auftürmenden Wellen von dem hellen, freundlich wirkenden Himmel trennt. Stellen Sie sich draußen auf dem Meer ein, meterhohe Wellen vor, wie sie vom Horizont kommend, mit sich brechender Gischt auf den weißen Sandstrand auflaufen und ihre Ausläufer völlig kraftlos vor Ihren Füßen im Sand versickern.

Atmen Sie ruhig und bewusst mit der von mir beschriebenen, zeitlich ausgedehnten Bauchatmung und lassen Sie nun – in Ihrem Geiste – das Meer zur Ruhe kommen. Lassen Sie die Wellen, soweit Sie übers Wasser sehen können, immer kleiner, immer flacher werden, bis Sie nur noch eine ganz glatte Wasseroberfläche vor Augen haben, bis absolute Flaute eintritt. Es herrscht völlige Ruhe, angenehmer Frieden und grenzenlose Harmonie vor Ihrem geistigen Auge, in Ihrem Kopf. Genießen Sie dieses Bild zum Abschluss Ihrer Meditationssitzung, bis Sie innere Ruhe verspüren, vielleicht 5-10 Minuten, und mit diesem Meditationsabschluss wechseln Sie wieder in Ihren Alltag zurück.

Sollte auch diese abschließende Übung Ihren Geist nicht merklich beruhigen, dann variieren Sie die Abschlussübung in einer bewusst überzogenen intensiveren Form, so wie folgt: Wenn Sie in Gedanken das Meer zu Ihren Füßen zur Ruhe gebracht haben und Sie nun auf eine glatte, beruhigte Wasseroberfläche schauen, dann lassen Sie in Ihrem Geiste den Horizont und den darüberliegenden Himmel in gleißend hellem Licht erstrahlen, so als wären Sie vom hellen Licht derart geblendet, dass über der Wasseroberfläche, ab der Horizontlinie, alles weiß erscheint.

Nun bewegen Sie sich in Gedanken auf diesen Horizont zu, in Richtung dieses gleißend weißen Lichts, sehr schnell, so schnell, als wenn Sie mit Ihrem Körper übers Wasser fliegen, immer in Richtung des gleißenden, weißen Lichts, minutenlang, bis Sie das Gefühl haben, immer leichter, immer schneller zu werden. So fliegen Sie in Gedanken immer weiter, ohne jedoch den Horizont je zu erreichen. Der Abstand zwischen Ihnen und dem Horizont bleibt annähernd immer gleich.

Bei dieser Vorstellung sollten Sie Ihre Gedanken im wahrsten Sinne des Wortes abhängen können. Sie sollten nun im Geiste so schnell fliegen, dass die Gedankenblitze, die Sie bisher belasteten, an einem Punkt entstehen, an dem Sie sich schon den Bruchteil einer Sekunde später nicht mehr befinden, ähnlich einem Überschallflugzeug, dessen Schallwellen es nie schaffen, das Flugzeug einzuholen. Gedankenblitze haben wie die Sonnenstrahlen ihre eigene Richtung, können Ihnen bei Ihrem Flug in Richtung Horizont nicht folgen und sind darüber hinaus auch viel, viel langsamer als der Schall. Eine gute Methode, die Gedanken abzuhängen.

Wenn Sie das Gefühl haben, Ihre belastenden Gedanken abgehängt zu haben, genießen Sie in aller Ruhe diesen Flug über das ruhige Wasser in Richtung des hellen, gleißenden Lichts. Achten Sie dabei stets auf die Richtige Atmung und auf alle anderen Charakteristika der Richtigen Meditation. Wenn Sie dann von innerer Ruhe und grenzenloser Harmonie erfüllt sind, beenden Sie die Meditation, erheben Sie sich und gehen Sie wieder Ihren Alltagstätigkeiten nach.

Das ist sicherlich eine extreme Meditationsvariante, die aber bei starker Belastung des Kopfes durch negative und quälende Gedanken angebracht sein kann.

Die Meditation der Leere befähigt Sie zur inneren Sammlung und zu weitergehenden intensiven Gedanken über den Weg zur Erleuchtung und den Sinn des Lebens. Die klare See und der heitere blaue Himmel spiegeln dann Ihren inneren Gemütszustand, Ihre seelische Verfassung, Ihre Losgelöstheit von all Ihren Gedanken wider. Sie können sich nun sammeln, um sich den wahren, weltumfassenden Gedanken zu widmen, den essenziellen Fragen des Lebens, Fragen, denen sich auch Buddha widmete.

Sie sollten nun bei jeder weiteren Meditationssitzung Spaß und Freude empfinden und etwas kontrollierter mit Ihrem Geist umgehen können. Gewinnen Sie mit jeder Meditationssitzung – Tag für Tag – eigenen Raum in der Leere. Mit fortgeschrittener Sicherheit beim Meditieren lassen wir am Ende auch die bildliche Vorstellung von dem absolut ruhigen Wasser weg. Wir wollen unbedingt zur gegenstandslosen Meditation finden.

Es gibt Menschen, die versuchen schon während einer Meditation Lösungen und Antworten zu finden. Diese Vorgehensweise läuft dem ursprünglichen Grundgedanken der Meditation der Leere, nämlich während der Meditation die Nichtanhaftung zu üben und eben keine Gedanken aufzunehmen, entgegen. Bleiben Sie bitte strikt bei meinen Anleitungen zur Meditation. Die Erkenntnis, die Antworten und Lösungen kommen in einer separaten Phase, immer im Anschluss an die Meditation der Leere.

Bei intensiver Übung führt Sie das initialisierende Wort „Ohmm“ umgehend in die Meditation der Leere. Ich selbst vermag mich bereits bem letzten ausklingenden Buchstaben „m“ des Wortes „Ohmm“ – noch in der Ausatmungsphase – in den Meditationszustand der Leere und somit in absolute innere Ruhe und in höchste Konzentration zu versetzen. Wenn ich das kann, können Sie das auch erlernen.

Ach, beinahe hätte ich es vergessen, weil es so selbstverständlich ist: das Lächeln.

Buddhismus für Anfänger, Fortgeschrittene und Gottverlassene

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