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Wir sammeln uns

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Ein unerbittlich kalter Nordwestwind stürmt – über das offene Meer kommend – die Steilküste empor, um mit ungezügelter Kraft das bis an den Klippenrand herangewachsene Strandgras zu zerfleddern, den verbliebenen Strandrosen die letzten Blätter abzureißen und den wenigen bereits entlaubten Bäumen am Wegesrand die nicht nur dörren Äste – manche armdick – zu knicken. Blätter, Äste, ganzes Buschwerk und Papierfetzen wirbeln, dicht über dem Boden kreisend, über den menschenleeren Weg, der zu meiner Hütte führt und die weitläufigen Wiesen, die das kleine Haus umgeben, als wolle der Sturm die schon jetzt zerschunden aussehende Natur bis aufs Äußerste zerstören und strafen gleichermaßen.

In unregelmäßigen Abständen hält der Wind inne, scheint verschnaufen zu wollen, was nichts anderes ist als Kräfte sammeln, um dann umso unerbittlicher auf die Landschaft und das kleine Blockhaus einzustürmen.

Schneeflocken wirbeln wie irre in der Luft umher. In dem sich abschwächenden Licht der Abenddämmerung offenbart sich mir eine zügellose Naturgewalt. Mit jeder neuen Bö schlägt der Wind heftiger gegen die Eingangstür und gegen die geschlossenen Fensterläden, dabei aufheulend, als wollte er seinen Unmut kundtun, weil er es nicht vermag, in dieses Haus einzudringen.

Müsste ich diese Naturgewalt beschreiben, so täte ich es mit den Worten: erbarmungslos und völlig sinnlos.

In dieser Abgeschiedenheit ist dieses Blockhaus weit und breit die einzige menschliche Behausung. In Ermangelung elektrischen Stroms brennt eine Petroleumlampe auf dem hölzernen Tisch inmitten des Raumes. Mit jedem Aufheulen des Windes duckt sich die Flamme oberhalb des Dochts nervös in alle Richtungen weg und erzeugt eine Atmosphäre höchster Aufmerksamkeit, und auch das offene Kaminfeuer gleicht in seinem Verhalten dem des nervösen Flämmchens in der Petroleumlampe.

Allein mein Hund scheint von der Erbarmungslosigkeit der Naturgewalten wenig beeindruckt. Erschöpft von unserem langen Marsch und satt vom Fressen, hat er sich nun am Rand der steinernen Fläche vor dem Kamin, die eigentlich dem Funkenflug Raum geben soll, ausgestreckt und seinen Rücken dem knisternden Feuer zugewandt. Vertrauensvoll und unendlich viel Ruhe ausstrahlend hat er seine blauen Augen auf mich gerichtet, beobachtet mein Treiben, wie ich, in einem alten Armlehnsessel, der mit olivgrünem Leder überzogen ist, Platz nehme, mir eine karierte Wolldecke über den Schoß lege und Füße und Beine mit ihr sorgfältig einschlage. Zu meiner Linken habe ich ein Beistelltischlein hingerückt, auf welchem ein Stövchen mit einem kleinen Teelicht steht, das im Schutz meines Körpers viel ruhiger brennt als die Petroleumlampe. Auf dem Stövchen ruht eine schwarze, gusseiserne Teekanne mit heißem Wasser. Eine kleine, grün-rot lackierte und goldverzierte Teedose, die ich immer in meinem Gepäck habe, gefüllt mit meinem grünen Lieblingstee, steht offen neben dem Stövchen und verströmt einen angenehmen Duft von Jasmin.

Während ich den heißen Jasmintee schlürfe, darauf bedacht, die grünen Teeblätter, die noch nicht alle den Grund der Tasse gefunden haben, nicht mit aufzusaugen, noch immer beäugt von den blauen Augen meines Hundes, dem sichtlich wohl zumute ist, kommt mir eine Frage in den Sinn: „Kann auch ein Hund vom Buddhageist, dem Mind of Buddha, beeinflusst sein?“ Ein Geschöpf aus Fleisch und Blut wie ich selbst, und wenn ich es auf das Wesentliche reduziere – Essen, Schlafen, Trinken, et cetera – dann wohl auch mit gleichen Bedürfnissen. Wenn ich ihn da so liegen sehe, dann könnte ich glauben, er sei schon vorausgeeilt ins Sukhavati, ins Land der Seligkeit. Er scheint einfach glücklich und zufrieden zu sein, trotz des draußen tobenden Unwetters und des hier drinnen Funken sprühenden Feuers.

An dieser Stelle, ich vor dem Kaminfeuer sitzend, den Blick auf meinen Hund gerichtet – mache ich einen abrupten Schnitt.

Buddhismus für Anfänger, Fortgeschrittene und Gottverlassene

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