Читать книгу Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera - Andreas Loos Hermann - Страница 12

Kapitel 8

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Sie verabsäumten, das Taxi gleich vom Lokal aus rufen zu lassen. So gingen sie den Weg Richtung Grande Place zurück in der Hoffnung, unterwegs ein Taxi stoppen zu können. Der Abend war nun kühl geworden, Vera fröstelte es nach der Hitze des Lokals. Dr. Bauer schritt kräftig aus. Anscheinend wollte auch er schon in sein Hotel. Vera sah ihn von der Seite unauffällig an. Seine hohe Stirn glänzte im Schein der Straßenlampen. Weit und breit war kein Taxi zu sehen.

Sie bemerkten bald, dass sie wohl einen Fehler gemacht hatten, nicht gleich im Restaurant ein Taxi zu bestellen. Vera fragte, wo denn sein Hotel sei. Er erklärte, dass dieses fast beim Konferenzzentrum sei. „Da haben wir aber ziemlich getrennte Wege“, meinte Vera, „das Hilton liegt ja ganz woanders“. Die U-Bahn Abgänge waren auch schwer auszumachen. Sie hatten noch keinen einzigen gesehen, obwohl laut Stadtplan hier in der Gegend welche sein müssten.

Da fragte sie Dr. Bauer unvermittelt, ob sie eigentlich verheiratet sei, denn eigentlich müsse sie dies sein, er sehe aber keinen Ring.

Vera stockte und dachte, ob dies jetzt die neue Anmache sei, und entgegnete: „Ich weiß es nicht“. Erst nachdem sie es gesagt hatte, kam ihr die Unsinnigkeit ihrer Aussage in den Sinn.

„Diese Antwort ist neu, das habe ich noch nie gehört“. Jetzt war es an Bauer verblüfft zu sein. „Aber vielleicht hat es seine Richtigkeit“, meinte er darauf trocken. „Ich bin jedenfalls schon geschieden und habe die Ehe bereits hinter mir.“

„Oh, je, einer dieser Scheidungstypen“, kam es Vera in den Sinn, „die dir jetzt auf diese Weise kommen und dich um den Finger wickeln wollen, das hätte ich von ihm eigentlich nicht erwartet.“

„Ich weiß, was Sie denken“, sagte Bauer trocken, „da ist jetzt schon wieder so ein Geschiedener spät in der Nacht, der junge unschuldige Frauen um den Finger wickeln möchte, stimmt´ s etwa nicht.“

Vera errötete trotz der Kälte ein wenig. „Wie kommen Sie denn darauf“, rief sie aus, „Mich kann man so leicht nicht um den Finger wickeln, ich weiß mich zu wehren.“

„Das ist gut so, denn sonst könnte ich es am Ende sogar noch versuchen.“ Er sah ihr dabei in die Augen. Sie waren stehen geblieben und sahen sich an.

„Was wird das jetzt“, fragte Vera, „versuchen Sie jetzt, mich zu küssen, aber Achtung, ich beiße.“

„Unsinn, „meinte Bauer darauf knochentrocken, „jemand der nicht weiß, ob er verheiratet ist oder nicht, hat entweder Gedächtnisverlust oder ein Beziehungsproblem. Da Ihr Gedächtnis aber in Ordnung ist, bleibt nur das Beziehungsproblem, aber das geht mich ja nichts an, wie Sie schon treffend bemerkt haben, deshalb sollten wir jetzt weitergehen“, schlug Bauer vor.

Vera blieb wie angewurzelt stehen und entgegnete: „Vielleicht haben Sie das Beziehungsproblem und nicht ich, denn Sie können nicht wirklich mit Frauen umgehen.“

Bauer, der schon zwei Schritte gemacht hatte, blieb stehen, drehte sich um und sah sie an. „Vielleicht haben wir beide ein Problem mit unseren Beziehungen, aber ich habe noch nie jemanden getroffen, der so gar keine Emotion dabei zeigt.“

„Sollte ich das, ich wüsste nicht, warum?“.

„Frauen geben sich doch gerne als das emotionelle Geschlecht, zumindest dann, wenn sie den Männern vorwerfen, keine Emotionen zu zeigen“, meinte Dr. Bauer.

„Komisch, weshalb werfen Sie das dann mir vor, Sie sind der Mann und ich bin die Frau“, rief Vera verwundert.

„Daran besteht kein Zweifel, und eine sehr hübsche noch dazu.“

„Lassen Sie das, wir sollten ins Hotel gehen.“ „Das meinen Sie aber nicht so, wie Sie es gesagt haben“. Bauer schmunzelte dabei.

„Jeder in sein eigenes, meinte ich“, rief Vera jetzt wirklich erbost, da er sie anscheinend nicht ernst nahm. „Ich habe doch gar nichts gesagt, ich habe nur gemeint, dass Sie das nicht so gemeint haben können“, entgegnete Bauer amüsiert, „ich wollte Sie wirklich nicht in Verlegenheit bringen.“

Vera war verwirrt, was hatte sie wirklich gesagt oder hatte ihr das Unterbewusstsein da einen Streich gespielt. Freudscher Versprecher oder so, nannte man das doch. Sie musste mehr Acht geben, dieser Dr. Bauer war ihr irgendwie überlegen, und sie konnte ihm nicht wirklich böse sein.

Da war auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine geöffnete Bar, aus der leise Musik drang. Vera bemerkte sie zuerst und meinte: „Da können wir ein Taxi rufen, dort gibt es sicher ein Telefon“. Bauer war einverstanden. Irgendwie war diese Frau für ihn auf einmal sehr anstrengend.

Sie betraten die Bar. Es waren kaum Gäste darin, der Wirt schien sich gerade auf die Sperrstunde einzurichten. Bauer fragte auf französisch, ob er telefonieren könne, er brauche ein Taxi. Der Wirt meinte, ohne Konsumation gehe das nicht, sein Lokal sei ja keine Telefonzelle. „Na gut, trinken wir noch einen Schluck, was bleibt uns übrig.“ Vera war nicht begeistert und sagte zu Bauer, „da dürfen Sie aber zwei Schluck trinken“.

Er bestellte zwei Pernod zum Abschluss des Abends, wie er sagte. Als der Wirt die Gläser brachte, sagte er zu ihm, jetzt könne er ein Taxi rufen.

Da stellte sich heraus, dass ab heute Abend bis morgen Abend alle Taxis in Brüssel streikten und in der ganzen Stadt kein Fahrzeug zu bekommen sein werde. Wieso sie keine Zeitung gelesen hätten, meinte der Wirt.

„Richten wir uns auf einen Fußmarsch ein, das ist das Beste“, meinte Bauer, „denn die U-Bahn fährt mittlerweile auch nicht mehr und zum Hilton ist es nicht allzu weit zu Fuß, ich bringe Sie hin, damit Sie sicher dort ankommen“.

„Da brauche ich vorher was zum Aufwärmen“, seufzte Vera und griff Schicksals ergeben nach ihrem Pernod. „Weshalb lesen Sie auch keine Zeitungen“, versuchte sie witzig zu sein, „wenn Sie sich schon in Brüssel so gut auskennen.“

„Weil mein Flieger erst heute morgen hier gelandet ist“, erklärte Bauer. „Aber für die bevorstehende Nachtwanderung, ich heiße Georg.“ „Wie der Drachentöter, entfuhr es Vera. „Na gut, ich heiße Vera, aber das Du verpflichtet zu nichts, damit das klar ist.“

„Zu was denn auch, aber wenn zwei Beziehungsgeschädigte nachts in Brüssel in einer einsamen Bar auf ein Taxi warten, das nie kommen wird, hat dies etwas Skurriles an sich. Noch dazu, wenn die beiden sich wie ein altes Ehepaar streiten, obwohl sie sich gar nicht kennen“.

„Na ja, einen Tag kennen wir uns ja schon, “ entgegnete Vera, „aber was ist schon ein Tag.“

„Über die Länge der Zeit ist schon so unendlich viel philosophiert worden, da können wir ruhig noch eins drauflegen, vielleicht haben wir ja die große Erkenntnis“, warf Georg spöttische ein.

Irgendwie hatten sie in dieser Nacht wirklich ein Zeitproblem, denn als Vera das nächste Mal auf die Uhr sah, war es bereits kurz nach Eins und die letzten Gäste waren eben gegangen. Der Wirt wollte nun wirklich schließen. Die letzen beiden Stunden waren irgendwie vorüber geflogen. Sie hatte Georg dann doch von ihren Problemen mit Michael erzählt und dass sie nicht wusste, was sie wollte. Andi hatte sie auch erwähnt, obwohl sie das gar nicht gewollt hatte. Irgendwie wusste Georg schon alles, so kam es ihr zumindest vor. Er hatte ihr auch von seiner Ehe erzählt. Er war fünf Jahre verheiratet gewesen, nun war er seit drei Jahren geschieden. Kinder hatte es keine gegeben, aber seine Frau wollte unbedingt große Karriere machen und hatte keine Zeit mehr für ihn und ihre gemeinsame Beziehung gehabt. Georg war nicht der große Karrieretyp, obwohl er Geschäftsführer einer Niederlassung war. Das bedeutete ihm aber nicht allzu viel. Das hatte er nur über seine Familie erreicht, die sehr wohlhabend war und sein Vater kannte sehr viele Leute.

Er wollte eine echte Partnerschaft, in der nicht nur von Büro und Karriere die Rede war. Er wollte ein geregeltes Familienleben und Kinder großziehen und Segeln gehen. Das hatte ihm Sybille, so hieß seine Ex, immer vorenthalten, bis er festgestellt hatte, ihre Ehe sei eigentlich gar keine, da es nichts Gemeinsames mehr gebe. Es gab nicht einmal eine große Szene, sie ließ ihn einfach gehen, als er aus der gemeinsamen Wohnung auszog. Er ließ ihr die Wohnung und nahm den gemeinsamen Wagen. Seit der Scheidung hatte er sie nicht mehr wiedergesehen. Sie hatte ihn auch nicht mehr angerufen. Ihr Job als Chefin in einem Dolmetschbüro füllte sie mehr als aus, und außer Sprachen und Dolmetschen hatte sie eigentlich nichts anderes im Kopf. Georg verstand solch eindimensionale Menschen, wie er sie nannte, überhaupt nicht. Das Leben hatte für ihn viel mehr zu bieten. Da gab es Hobbys, seine Segelabenteuer auf der Nordsee, seine Abende mit Freunden und Bekannten, wo es oft hoch herging.

Vera hatte fasziniert zugehört. Georg konnte recht fesselnd erzählen. Ihre Müdigkeit war wie weggeblasen, sie wusste selbst nicht warum. Ihr anfänglicher Disput geriet dabei ganz in Vergessenheit. Sie erzählte über Dinge, die ihr im Leben wichtig waren und musste dabei erkennen, dass ihr Leben eigentlich nicht so verlaufen war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte vieles erreicht, aber wichtige Dinge, wie gute Freundschaften, oder einfach das Leben selbst einfach genießen zu können, war ihr nicht gelungen. Die Liebe war ihr wichtig und trotzdem hatte auch sie, wie Sybille, die Karriere vorgezogen. Statt bei Andi zu bleiben, war sie hier in Brüssel gelandet, diskutierte mit Georg, der eine Frau verlassen hatte, die sich so wie Vera verhalten hatte. Nur war es Georg gewesen, der gesagt hatte, so geht es nicht.

Vera vergaß, dass sie sich erst so kurz kannten, sie dachte, sie kenne Georg schon viel länger. Wenn sie etwas sagte, wusste sie auf einmal oft schon, was er darauf antworten würde, auch wenn er noch gar nichts gesagt hatte. So etwas war ihr seit Andi nicht mehr passiert.

Georg machte keinerlei Anstalten, sich ihr irgendwie zu nähern. Nicht einmal seine Hand berührte zufällig ihre Hand. Vera dachte auch nicht mehr darüber nach, ob er nun bestimmte Absichten hatte oder nicht. Sie genoss es einfach, dass da wieder einmal jemand war, der sie zu verstehen schien. Das hatte sie seit Andi nicht mehr erlebt. Dabei erinnerte Georg so gar nicht an Andi, er war ein ganz anderer Typ. Trocken und humorvoll mit einer sehr sanften Stimme und einem kräftigen Ansatz zu einer hohen Stirn, man könnte fast schon Teilglatze dazu sagen.

Jetzt war der Wirt allerdings unerbittlich und schloss wirklich sein Lokal. Da standen sie nun auf der Straße und sahen sich an. „Na, dann los, bringen wir den Marsch hinter uns“, munterte Georg Vera auf.

Sie schritten kräftig aus. Vera hatte sich bei Georg untergehängt. Sie spürte seine Nähe, er machte aber keine Anstalten, sie zu küssen oder etwas Ähnliches zu unternehmen. Die Kälte war nun wirklich schon unangenehm, so dass ihr Gespräch bald verstummte. Mit ihrem kräftigen Marschtempo durch das nächtliche Brüssel gelangten sie sehr bald zum Hilton, obwohl sie ein kräftiges Stück des Weges bergauf gehen mussten. Vera war wieder warm geworden.

Vor der Hotelhalle wechselten sie noch einige belanglose Worte. Fast schien es so, als ob Georg auf einmal nicht wusste, was er sagen sollte. Vera war auch irgendwie schweigsam. So verabschiedeten sie sich, als Georg den Vorschlag machte, sie könnten am nächsten Abend die ganze Gruppe der Konferenzteilnehmer sich selbst überlassen und die Stadt zu zweit entdecken. Er würde noch einige nette Plätze kenne, die einen Besuch lohnten.

Vera sagte zu, ohne lang nachzudenken.

Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera

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