Читать книгу Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera - Andreas Loos Hermann - Страница 17
Kapitel 13
ОглавлениеDie Hotelhalle hatte immer noch die selbe Geschäftigkeit, die sie gehabt hatte, als Vera aufgebrochen war. Sie sah zur großen Uhr hinauf. Es war neun Uhr. „Mein Gott, Georg“, wie hatte sie ihn vergessen können. Panik stieg auf. Vera sah sich in der Halle um. Tatsächlich, da saß Georg mit einem großen Blumenstrauß in einem der überdimensionalen Ledersofas, die überall in der Halle aufgestellt waren und machte sich Sorgen. Das wusste sie sofort. Sie wusste, dass er wusste, dass sie aus dem Hotel gegangen war, denn das hatte er an der Rezeption erfahren können.
Sie stürzte auf ihn zu und rief: „Georg, hier bin ich, so schau mich doch an, ich lebe noch, mir geht es gut, es ist mir nichts passiert!“
Georg drehte den Kopf und sah direkt in ihre Richtung. Sie stand einen halben Meter vor ihm und sah ihn an. Georg sagte nichts. Seine Gedanken waren bei ihr. „Vera wo bist du bloß, warum kommst du nicht, du hast nicht so ausgesehen, wie eine, die ihre Verabredungen nur zum Spaß nicht einhält.“ Vera hätte schreien mögen, doch sie erkannte, dass dies nicht das Geringste an der Situation ändern würde. Sie spürte seine Gedanken, sie wusste, dass er sie liebte und sie wusste, dass sie ihn liebte. Sie konzentrierte sich auf seine Gedanken, es geschah wie von selbst.
„Vera, was ist denn los, warum kommst du heute nicht, ruf doch wenigstens an, meine Nummer hast du doch.“
„Georg eine Mitteilung machen, das ist es, was ich tun muss, das muss doch ganz einfach gehen.“ Sie legte die Arme um seine Schultern. Ihr Körper berührte seinen Körper. Georg durchrieselte es. Sein Körper prickelte richtiggehend elektrisch. So ein Gefühl hatte er noch nie gehabt. Er wusste plötzlich, dass dieses Gefühl mit Vera zu tun haben musste, dass etwas geschehen war, das nicht schön war, das aber nicht mehr geändert werden konnte. „Vera, geht es dir gut“, dachte er. „Ja, Georg“, konzentrierte sich Vera, „mir geht es gut, bitte hör´ mich doch“, flehte Vera inständig.
Eine Welle von Unruhe und Trauer durchflutete Georg, so als wüsste er bereits, dass er Vera nie wiedersehen würde. Er spürte ihre Nähe, konnte aber seine Gefühle nicht richtig deuten. Er wusste nicht, dass sie es war, die neben ihm saß. Eine medial veranlagte Person hätte jetzt einen Lichtschein neben Georg sehen können. Es gab aber niemanden in der Halle, dem irgend etwas aufgefallen war.
Als die beiden Polizisten zur Rezeption kamen, war Georg bereits aufgestanden, als hätte er sie erwartet und war in Richtung Rezeption gegangen. Als er dort war, hörte er wie der eine fragte, ob eine gewisse Vera Zimmermann hier wohne, da sie in ihr Zimmer wollten.
Nun konnte sich Georg nicht beherrschen, er sprach sofort den einen der beiden Polizisten an und fragte, was mit Frau Zimmermann los sei. Er erhielt als Antwort die Gegenfrage: “Kennen Sie Frau Zimmermann.“ Georg erklärte, dass er seit einer Stunde auf Frau Zimmermann warte, da sie zum Abendessen verabredet seien.
Nun sah der Polizist den Blumenstrauß und blickte plötzlich viel ernster drein, als noch vor ein paar Sekunden. „Das tut mir aber sehr leid“, entgegnete er plötzlich mitfühlend, „aber Frau Zimmermann ist tot, sie wurde ermordet, wir tun alles, um die Täter zu fassen, aber soviel wir bis jetzt wissen, ist Frau Zimmermann unglücklicherweise mit zwei Terroristen zusammengestoßen“.
„Was hatte Vera mit Terroristen zu tun?“, entfuhr es Georg entsetzt. „Vermutlich gar nichts, aber Ihre Bekannte wurde niedergeschossen, da sie sich den Terroristen in den Weg stellte, sagte eine Zeugin aus. Das Ladenmädchen einer Boulangerie hatte den Vorfall beobachtet und sofort die Polizei gerufen.“
Georg hielt sich am Tresen der Rezeption fest. Sein seltsames Gefühl vor wenigen Minuten war also wahr gewesen. Die Frau, von der er gestern noch geglaubt hatte, dass sie endlich die Frau seines Lebens sein könnte, obwohl sie sich gerade das erste Mal begegnet waren, war tot, unwiderruflich tot. Dabei hätte doch das neue Leben erst angefangen für sie beide, dachte er verzweifelt. Eine Frau, wie Vera würde es für ihn niemals mehr geben, das glaubte er in diesem Augenblick ganz fest zu wissen.
Vera stand traurig daneben und sah von einem zum anderen. Nun begriff sie, dass das kein Traum war. Georg war so nahe, sie konnte seine Gedanken lesen, und gleichzeitig war er unerreichbar weit weg. Die letzte Stunde hatte ihr Leben verändert, mehr als alle Stunden davor. Doch was war das eigentlich für eine Art Leben, in dem sie sich jetzt befand? Vera wusste es nicht, doch sie begann Ahnungen zu verspüren, dass sie erst am Anfang von „Etwas“ stand, das sie noch nicht begriffen hatte, Sie wusste nicht, ob sie sich fürchten sollte.
Als sie Georg wieder ansah, war er ihr vertraut, wie seit einer langen, langen Zeit. Sie kannten sich, und nicht erst seit gestern, das war ihr in Sekundenbruchteilen klargeworden, auch wenn sie noch nicht verstand, warum und auch im Moment noch nicht wusste, wer er einmal gewesen war.
Oma legte die Hand auf ihre Schulter und sagte mitfühlend: „Kind, es wird Zeit, dich zu verabschieden, denk dir ´lebe wohl` und denk daran, ihr seht euch wieder.“ „Meinst du“, flüsterte Vera, „jetzt habe ich endlich jemanden gefunden, wo ich glaube, wir kennen uns und den ich liebe und der mich liebt und nun dauert die Beziehung keine 48 Stunden.“
„Das stimmt, ihr kennt euch schon eine sehr lange Zeit, aber ihr habt euch zu früh getroffen“, entgegnete Oma trocken, „nicht zu spät.“
„Mir ist nicht mehr nach Rätseln zumute, ich will ins Bett, mir ist sterbenselend zumute“.
Vera wollte in Tränen ausbrechen, wie ein kleines Kind, aber es ging nicht. „Kann man denn nicht mehr losheulen, wenn einem danach zumute ist“, dachte sie.
„Das bringt doch nichts“, sagte darauf ihre Oma, „im so genannten Tod ist vieles anders, als im Leben auf der Erde, da wirst du schon noch drauf kommen.“
„Tod, Himmel, Hölle, ….“. Ihr Religionslehrer aus der Schulzeit kam ihr in den Sinn. Ein schrecklicher Mensch, der immer mit der Hölle gedroht hatte. Vera hatte ihn immer gehasst. Bis fast zur Matura hatte er sie mit seinen schrecklichen Moralvorstellungen gequält, bis sie sich schließlich vom Religionsunterricht abgemeldet hatte. War das nicht auch eine Sünde – Abmeldung vom Religionsunterricht. Sie war auch mit Michael oft im Bett gewesen und hatte ihn nicht richtig geliebt. Das immerhin wusste sie bereits seit gestern. Verheiratet waren sie auch nicht gewesen. Das war doch eine schreckliche Sünde, auf die Höllenstrafen standen, wie der Lehrer ihnen immer angedroht hatte. „Das sechste Gebot wird euch noch allen zum Verhängnis werden, wenn ihr erst einmal erfahrt, was die Hölle wirklich ist. Heulen und Zähneklappern wird es dann geben.“ Die Klasse hatte immer nur gelacht, doch nun kam Vera als erste dran, denn sie war ja die erste aus der Klasse, die gestorben war.
„Oma, wie ist das eigentlich mit der Hölle“, fragte Vera leicht ängstlich ihre Großmutter, „die gibt es doch nicht, oder gibt es die vielleicht wirklich…?“