Читать книгу Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera - Andreas Loos Hermann - Страница 18

Kapitel 14

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„Nein, nicht an die Hölle denken, mein Kind, ich erklär dir das gleich“, rief die Oma erschrocken, “das habe ich doch ganz vergessen, was für ein schrecklicher Fehler von mir, denk nicht daran, denk an was Schönes, schnell, ich erkläre dir dann, warum ….“

Doch die plötzliche Hektik in der Stimme ihrer Großmutter bewirkte das genaue Gegenteil. Vera musste plötzlich an das Höllenfeuer denken und bekam es mit der Angst zu tun. Wieso war Oma auf einmal so aufgeregt. Bisher hatte sie doch immer ruhig und freundlich gewirkt. Da stimmte doch etwas nicht.

Vera spürte einen heißen Hauch hinter sich und fuhr herum. Die Fensterfront der Hotelhalle war verschwunden. Der Boulevard de Waterloo ebenfalls, stattdessen blickte sie direkt von der Rezeption aus in eine weite dunkle Landschaft, die bis zu einem fernen Horizont reichte. Ein bleischwerer Himmel, mit dunkelgrauen und schwarzen Wolken verhangen, verbarg jeden Sonnenstrahl. In einer weiten düsteren Ebene loderten überall riesige Feuer empor, die ihren heißen Hauch durch die Hotelhalle bis zu Vera sandten.

Plötzlich beneidete Vera die umstehenden Hotelgäste inständig, da diese von den schrecklichen Veränderungen nichts mitbekamen und weiterhin an der Bar ihre Cocktails schlürften. Da kamen sie auch schon. Zwei grässliche Kreaturen mit schuppiger Haut, Teufelsfratzen anstelle von Gesichtern und langen Bratspießen in den Klauen kamen durch die Halle direkt auf Vera zu. Sie waren mindestens zweieinhalb Meter groß. Vera wollte weglaufen, aber ihre Beine versagten den Dienst. „Es ist alles wahr, was der Lehrer gesagt hatte“, durchfuhr es sie, „die Oma war nur der Übergang, das Fegefeuer, jetzt kommen die höllischen Qualen.“ Sie schrie nach ihrer Oma, aber da war keine Oma mehr.

Panik stieg in ihr auf, denn nun gab es kein Entkommen. Schon hatten die Kreaturen sie gepackt und zerrten sie aus der Halle mit den gut gekleideten Menschen und den eleganten Ledersofas direkt in diese schreckliche, feurige Landschaft hinein.

In den lodernden Feuern sah sie die armen Seelen braten. Ausgemergelte Körper steckten auf langen Spießen, andere hatte man an Ketten in die Feuer gebunden. Alle brannten und litten, aber keiner verbrannte dabei. Die Qualen dauern ja schließlich ewig, hatte es geheißen.

Neben den Feuern stolzierten die Teufel auf und ab und stachen mit langen Spießen auf die Gepeinigten ein. In welches Feuer werde ich wohl geworfen, war ihre bange Frage. Die Antwort kam sogleich: „Das sind nur die leichten Sünder, die in diesen Feuern brennen, das sind nur die Opfer der Völlerei. Du aber hast das sechste Gebot übertreten, du kommst ganz woanders hin.“

Was war das für eine entsetzliche Hölle, wo bereits gutes Essen so bestraft wurde. Was war das überhaupt für ein Gott, der das so wollte. Sie dachte an Gott, der bis vor zwei Stunden in ihrem Leben kaum eine Rolle gespielt hatte und wimmerte: „Bitte lieber Gott, lass mich nicht ewig leiden und lass mich die Qualen überleben.“

Die beiden Kreaturen zerrten sie tiefer und tiefer in das finstere Land hinein. Sie kamen an mit Dornen bespickten Mühlrädern vorbei, wo Dämonen beschäftigt waren, arme Seelen auf die Dornen zu werfen. Jeder der hängen blieb, wurde vom Rad in den kochend heißen Mühlbach getaucht, wieder hochgehoben und erneut untergetaucht. Wer herunterfiel, wurde gepackt und erneut auf das Rad geworfen.

Dünnbeinige Teufel mit Dreizacken in den Klauen ließen ganze Gruppen von armen Seelen im Kreis laufen, um ein gewaltiges hölzernes Drehkreuz anzutreiben. Die armen Sünder stemmten sich mit aller Kraft gegen die Speichen des Drehkreuzes, der Boden aber, auf dem sie sich abstützen mussten, war über und über mit langen Dornen bestreut, die ihnen bei jedem Schritt in die Füße stachen. Eine Stimme sprach zu ihr, das seien die Faulen gewesen, die nun alle Arbeit nachholen müssten.

Vera glaubte, sich übergeben zu müssen, als sie das alles sah, denn diese Torturen würde sie keine drei Minuten überstehen können. Sie wollte ohnmächtig werden, aber es ging nicht. Sie schrie laut auf, aber niemand reagierte darauf, ihr Schrei war gefroren und niemand hörte ihn. Da fiel ihr der Umstand auf, dass es überhaupt keine Geräusche in dieser Hölle gab, alles geschah vollständig lautlos und stumm. Nur die Stimme sprach immer wieder mit eisiger Kälte zu ihr.

Sie begann zu ahnen, was auf die Sünden der Unzucht stand. Der Begriff grub sich in ihr Hirn ein und sie wünschte sich, niemals einen Mann kennen gelernt zu haben. Es kam näher und dort drüben sah sie es bereits. Unter einem Felsüberhang hatten rote Teufel mit langen dünnen Hörnern auf der Stirn einige schlanke Baumstämme vorne angespitzt und an Seilen in die Höhe gezogen.

Die Pfählung kam auf sie zu. Alles in Vera verkrampfte sich, als sie sah, wie eine arme Seele langsam der Länge nach auf den Pfahl gestoßen wurde, bis der Pfahl bei den Schultern wieder hervorstand. Der Pfahl mitsamt der darauf steckenden armen Seele wurde von den Teufeln in den Boden gerammt. Die Seele blieb darauf stecken. Die Teufel kümmerten sich nicht mehr um sie. Die kalte Stimme sagte: „So wird es dir ergehen, verfluchte Sünderin, das ist deine Strafe, nun kommt der endgültige Pfahl in dich, von dem es kein Entkommen mehr gibt.

Die beiden Kreaturen hatten sie bereits auf den Boden geworfen und hielten ihr mit eiserner Kraft die Beine auseinander, als die roten Teufel mit dem Baum bereits auf sie zu kamen.

„Nein“, schrie es in Vera, „das ist nicht mein Schicksal, verfluchter, tyrannischer Gott!“ Vera wollte sich nicht auf den Pfahl stecken lassen. Sie nahm alle ihre Kraft zusammen und riss sich von den beiden Kreaturen los. Sie hatte all ihren Willen für dieses Losreißen aufgewandt. Daher war sie völlig überrascht, wie leicht es gelang. Sie war aufgesprungen und sah, wie die beiden Kreaturen mit ihren Spießen auf sie eindrangen.

Durch den plötzlichen Erfolg ermutigt, dachte sie, voll Wut auf diesen schrecklichen Gott, der sie in diese Hölle gebracht hatte: „Ihr könnt mir gar nichts tun, ich werde mich wehren.“ Das Absurde an dieser Idee, sich als arme Seele gegen den Teufel zur Wehr setzen zu können, kam ihr dabei nicht in den Sinn.

Der Spieß der ersten Kreatur drang in ihren Hals ein und durchbohrte Vera komplett. Der zweite Spieß durchstach ihren Bauch. Sie spürte nicht das Geringste. Auch dann nicht, als sich die Kreaturen auf sie warfen und sie mit ihren Hörnern aufschlitzen wollten. Die Bestien glitten durch Vera hindurch, als ob sie gar nicht vorhanden wären.

Vera fuhr herum, da sie einen Angriff der Bestien von hinten erwartete, aber zu ihrer Überraschung waren beide Kreaturen verschwunden. Sie sah zu den Gepfählten hinüber. Diese steckten reglos auf ihren Pfählen und bewegten sich nicht. Sie sahen auch nicht so aus, als ob sie Schmerzen hätten. Dies verwunderte Vera noch mehr. Langsam ging sie auf die Pfähle zu. Ihre Angst war plötzlich wie weggeblasen, seit sie die beiden Dämonen besiegt hatte. Ihr Verstand begann wieder zu arbeiten. Sie berührte einen der leeren Pfähle, die da hingen. Ihre Hand fuhr durch den Pfahl hindurch, als ob er aus Luft sei. Auch die Teufel, die gerade die eine Seele auf den Pfahl gesteckt hatten, waren auf einmal verschwunden.

Vera sah sich um. Diese düstere Landschaft hatte sie doch schon irgendwo gesehen. Ihr Verstand begann zu arbeiten, da gerade kein Teufel in der Nähe waren. Ein Name fiel ihr ein, es war der Name eines berühmten niederländischen Malers. Hieronymus Bosch mit seinem Weltgericht. In dem Augenblick, als ihr dieser Name einfiel, hörte sie von ganz fern ihren Namen rufen. Es war Oma, die sie rief.

„Oma, hier bin ich“, versuchte Vera zu schreien, doch ihr Schrei blieb stumm. Ein Anflug von Furcht setze ein. Da bog auch schon ein Teufel hinter einem Felsen hervor. Er trug den Kopf einer armen Seele auf einer langen Stange mit sich.

„Nicht schon wieder, geht das schon wieder los, ich will hier endlich weg und zwar sofort.“ Sie versuchte, es nicht zu schreien, sondern sie dachte es so intensiv sie konnte. Im selben Moment begannen die Farben des Teufels zu verblassen. Die Landschaft rings um sie begann sich in einem milchigen Nebel einfach aufzulösen und verschwand im Nichts.

Das nächste was sie hörte, war ihre Oma, wie sie „… du vor der Hölle keine Angst zu haben brauchst, mein Kind, weil es keine Hölle gibt“, sagte.

Vera stand in der Hotelhalle und sah sich um. Ihre Oma stand neben ihr und Georg mit den beiden Polizisten stand drei Schritte weiter an der Rezeption. Die Polizisten schrieben gerade seine Adresse auf, für den Fall, dass sie noch Fragen an ihn hätten. Die anderen Leute in der Halle benahmen sich alle so, wie man es in Hotelhallen normalerweise tut. Von irgendeiner Art von Hölle war nicht das Geringste zu bemerken.

Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera

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