Читать книгу Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera - Andreas Loos Hermann - Страница 14

Kapitel 10

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Vera hatte noch ein wenig Zeit. Sie sah aus dem Fenster ihres Zimmers im fünfzehnten Stock des Hiltons. Sie blickte über die Stadt, die heute so ganz anders aussah, als vor zwei Tagen, es war alles viel freundlicher und viel sonniger. Vorgestern war sie unzufrieden mit sich selbst gewesen und wusste nicht, was sie in Brüssel erwarte. Nun freute sie sich auf den Abend mit Georg. Sie war ganz aufgeregt und viel zu früh fertig, was ihr normalerweise nicht passierte. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass sie doch ein ganz schönes Bisschen in Georg verknallt war und gestand es sich schließlich auch ein. „Was soll´ s, dachte sie, „frau lebt schließlich nur einmal, wer weiß, wohin er mich heute ausführen wird.“

Der Tag war bis jetzt eher ereignislos verlaufen. Die Konferenz war heute nicht spannender gewesen als gestern. Der einzige Lichtblick des Tages war ein kurzes Gespräch beim Mittagessen, wo sie mit Georg einige Worte allein wechseln konnte. Sonst waren ständig irgendwelche Kollegen dabei gewesen und es wurde nur über belanglose Themen gesprochen. Dr. Swift, der Brite, hatte, so schien es, ein Auge auf sie geworfen, aber sie ignorierte ihn hartnäckig, was nur dazu führte, dass er seine Bemühungen verstärkte, mit ihr in ein Gespräch zu kommen. Aber Vera blieb standfest. Georg schienen die Versuche von Swift sehr zu amüsieren. Er sah von der Entfernung zu, wie sie ihn abwimmelte. Vera dachte daran, wie viele Beziehungen wohl auf solchen Konferenzen schon entstanden sein mögen.

Sie war viel zu früh aus ihrem Zimmer aufgebrochen, da sie das Wiedersehen mit Georg nicht mehr erwarten konnte. Als sie aus dem Lift trat und in der Lobby des Hilton ankam, sah sie die Uhr über der Rezeption. Eine Stunde zu früh, sie hatte in der Hektik ihre Uhr falsch abgelesen. Für ein Rendezvous ist das kein guter Anfang, wenn man den Mann wieder treffen will, in den man sich gestern Nacht verliebt hat. Frau sollte doch Mann warten lassen und nicht umgekehrt.

Zum Shopping hatte sie unter normalen Umständen zwar immer Lust, aber dafür war eine Stunde wohl zu kurz. Bevor sie irgendwo sein konnte, war die Zeit vorbei und Georg wollte sie um Halb neun in der Lobby abholen. Nun klopfte ihr Herz bis zum Hals, wenn sie nur an Georg dachte. Sie wollte sich auf keinen Fall abhetzen, da sonst womöglich ihr Make Up leiden würde. Wie konnte ihr das nur passieren, wo sie doch sonst immer ihre Zeit gut im Griff hatte. Sie verstand sich selbst nicht mehr. War das wirklich die Verliebtheit oder war da noch etwas Anderes. Ein kurzer Schauer durchrieselte sie. Sie konnte es sich nicht erklären. Sie dachte, wenn Georg wieder eine Enttäuschung wird, dann ist mein Leben gelaufen. Zumindest was Beziehungen angeht. Dann bleibe ich wirklich Single. Michael in Wien, mit dem sie vor der Abreise noch so gestritten hatte, war bereits vergessen. Unter welchen Umständen sie ihn wiedersehen würde, ahnte sie jetzt noch nicht im Entferntesten.

Es war jetzt sieben Uhr Dreißig. Von draußen schien die Abendsonne durch die getönten Scheiben der Halle. Vera bemerkte es, als sie durch die hohen Fenster nach draußen sah. Die Lobby war nicht der geeignete Ort, um eine Stunde nur herumzusitzen und auf jemanden zu warten. Es herrschte reges Treiben. Geschäftsleute kamen von ihren Terminen und eilten auf ihre Zimmer um sich für den Abend frisch zumachen. Eine Gruppe von drei jüngeren Herren in modisch geschnittenen schwarzen Anzügen kam gerade vom Aufzug und steuerte direkt auf Vera zu. Dies hatte nichts zu bedeuten, da direkt hinter Vera der Ausgang war und sie planlos mitten im Weg herumstand. Vera spürte, wie ihr der Mittlere der drei einen intensiven Blick zuwarf. Daraufhin drehte sie ihnen ruckartig den Rücken zu und setzte sich in Bewegung. Sie verließ die Halle und trat ins Freie. Ihr kurzes gelbes Kleid brachte nicht nur ihre hübschen Beine zur Geltung, sondern ließ auch am Dekollete sehr viel Haut erkennen. In dieser Aufmachung zog sie wahrscheinlich die Blicke aller Männer an, denen sie begegnete. Nichts wie weg, war daher ihr einziger Gedanke, denn sie wollte nicht so kurz vor dem Rendezvous mit Georg noch von irgendjemandem dumm angesprochen werden. Sie hätte zurück aufs Zimmer gehen sollen, aber daran dachte sie leider nicht.

Der Boulevard de Waterloo, eine der großen Prachtstraßen von Brüssel, war noch von der Sonne beschienen, da er nach Südwesten lief und die Abendsonne sich in den Hausfassaden brach. Hinter ihr stieg die turmhohe Fassade des Hilton in den Himmel. Es hatte inzwischen komplett aufgeklart und das regnerische Wetter der letzten Tage war vorbei. Der Verkehr toste auf den Hauptfahrbahnen, die aber durch breite Grünstreifen und breite Nebenfahrbahnen vom Hotel getrennt waren, so dass der Lärm nicht unmittelbar in Veras Bewusstsein drang. Ein frischer Wind hatte den Dunst und Smog der letzten Tage weggeblasen, und die Luft lud richtig frisch und würzig zum Atmen ein. Die Seeluft, die der starke Westwind vom britischen Kanal herein geblasen hatte, belebte die Stimmung von Vera noch zusätzlich.

Als sie einige Schritte gegangen war, fiel ihr ein, dass ihr eine Kollegin aus der belgischen Niederlassung heute erzählt hatte, dass vis-a-vis von ihrem Hotel einige mondäne Einkaufspassagen wären, wo sie ganz tolle Mode finden könnte. Das ist jetzt genau das Richtige, wo sie doch nicht viel Zeit hatte. In fünfzig Minuten konnte sie sich dort ein wenig in den Boutiquen umschauen und war rechtzeitig zum Date zurück, wobei sie Georg ruhig ein wenig warten lassen konnte. Es sollte ja nicht so aussehen, als ob sie ihm um den Hals fallen wollte. Auch wenn sie verliebt war, so sollte Frau den Männern nicht alles so einfach machen. Umworben wollte sie schon werden, sie war ja schließlich eine Frau, auch wenn in der heutigen Zeit immer alles so schrecklich nüchtern und sachlich ablief. So träumte auch Vera immer noch von Romantik. Nur hatte sie diese Träume als resolute Managerin die meiste Zeit weit ins Unterbewusste verschoben. Doch manchmal bahnten sie sich ihren Weg ins Bewusstsein und drangen in ihre Gedanken ein. Dann sehnte sie sich nach Geborgenheit und wünschte sich, die Dinge einfacher und überschaubarer haben zu können.

Meistens hielten solche Anwandlungen nicht lange und sie schalt sich sentimental, da es im Leben doch schließlich nur auf den Erfolg ankam, den Frau hatte. Die Männer waren im Berufsleben ja doch die Gegner, die es mit allen Mitteln zu überlisten und zu besiegen galt. Manchmal allerdings gab es Ausnahmen bei denen sie schwach wurde. Heute war wohl eine solche.

Mit ihren hohen Absätzen über die 8 Spuren der Hauptfahrbahn zu kommen war gar nicht so einfach, doch zum Glück wurde der Verkehr durch die einige hundert Meter weiter gelegenen Ampeln immer wieder unterbrochen. Dann waren die Fahrbahnen für kurze Zeit komplett leer und sie konnte gefahrlos den Boulevard überqueren.

Der Eingang einer Passage lag nur wenige Meter von der Stelle entfernt, wo sie die Strasse überquert hatte, und war nicht zu verfehlen. Da war sie also, mitten im Zentrum der Brüsseler Mode. Die Passage selbst war recht schmal und zu beiden Seiten mit Geschäften gesäumt. Jedes zweite zeigte die neueste Mode, die es für den kommenden Winter zu kaufen gab. Vera fühlte sich hier mit ihrem kurzen Kleid etwas falsch angezogen, hier war schon alles auf Winter eingestellt und in ihrem Herzen begann gerade wieder der Frühling. Nach wenigen Metern teilte sich die Passage in mehrere Gänge. Vera wählte den erstbesten und begann neugierig die Auslagen zu erkunden um festzustellen, dass die Geschäfte großteils bereits geschlossen hatten.

„Typisch, Ladenschlusszeiten wie in Österreich“, schimpfte sie in Gedanken vor sich hin. Dabei glaubt man immer, im Ausland ist alles besser, aber nein, auch hier wird um sechs Uhr der Rollbalken runtergelassen.“ Es waren zwar keine Rollbalken da, aber die Boutiquen hatten ihre Türen fest versperrt. Und bei genauerem Hinsehen war in den Auslagen nicht viel Interessantes zu sehen, da sie die kommende Wintermode bereits von den Boutiquen der Wiener City sehr gut kannte. Je weiter sie in die Passage hinein kam, umso weniger interessant waren die Auslagen. Manche Geschäfte waren gar nicht in Betrieb und hatten die Scheiben mit Packpapier verklebt. Kein einladender Anblick, dachte sie.

Zudem bemerkte sie erst jetzt, dass außer ihr eigentlich fast niemand in der Passage war. Nur einige Angestellte am Weg vom Büro nach Hause hasteten rasch vorbei, da sie die Passage als Abkürzung zwischen zwei Straßenzügen nahmen. Diese Leute wollten nur rasch ihren Weg zurücklegen und hatten keinen Blick für die Auslagen. Vera sah sich um. Sie stand alleine in der Passage, nur ganz hinten kehrte ein Ladenmädchen einer Boulangerie den Schmutz des Verkaufslokals durch die weit geöffnete Ladentür direkt auf den Gehweg. Auch nicht die korrekte Abfallbeseitigung. Einige Meter weiter stand ein älterer Mann, der wie ein Obdachloser aussah.

Vera blickte auf ihre Armbanduhr. Es waren erst zwanzig Minuten vergangen, seit sie die Hotelhalle verlassen hatte. Hier war nicht der richtige Ort, um im Minikleid herumzuspazieren. Da war sie wohl in der Hotelhalle besser aufgehoben. Ihr kam aber nicht in den Sinn, Angst zu haben. Bei genauerem Hinsehen sah es hier sehr heruntergekommen aus. Der Tipp ihrer Kollegin war wohl nicht wirklich gut gewesen. Morgen würde sie ihr gehörig etwas erzählen, nahm sie sich vor.

Doch es gelang ihr nicht, sich zu ärgern. Sie war eher belustigt und schalt sich selbst naiv. In Europa gab es die selbe Mode an allen Orten zur gleichen Zeit. Was sollte schon an Brüssel so viel anders sein als in Wien.

Diese Passage konnte sie abhaken, da gab es nichts für sie. Vera beschloss, zurückzugehen und diesen seltsamen Ausflug rasch zu beenden. In der Hotelhalle gab es sicher etwas zu trinken, da konnte sie auch auf Georg warten. Frau muss flexibel sein dachte sie, als sie sich umwandte, um Richtung Ausgang zu gehen.

Das Seelenkarussell - Band 1 - Vera

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