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Das Antiquitätengeschäft auf der Bautzner Straße empfing Uwe und Ludwig mit einer tiefen Stille. Rings an den Wänden standen Kleinmöbel sowie mit altertümlichem Schmuck, Spielzeug und Gläsern gefüllte Vitrinen. An jedem freien Fleck hingen Gemälde oder Blechreklameschilder.

Unschlüssig standen die beiden Kriminalisten herum. Nachdem sie ein paar Minuten gewartet hatten, hüstelte Ludwig.

Die einzige Reaktion bestand in einem ungeduldigen »Moment«.

Die Quelle der eindeutig weiblichen Stimme musste hinter dem Bedientresen verborgen sein. Neugierig traten Uwe und Ludwig an die wuchtige Sperre heran und entdeckten dahinter einen Lockenkopf, der sich über eine Münzsammlung beugte.

Ein erneutes Hüsteln ließ den Lockenkopf hochschrecken. Die schlanke Frau sprang auf, kam hinter der wuchtigen Sperre hervor und musterte die Polizisten durch eine schwarze Lupe, die in ihrem linken Auge klemmte. Da sie ihr anderes Auge zugekniffen hatte, fiel die Überprüfung unscharf aus. Sie gab ein gereiztes Brummen von sich, nahm die Lupe aus dem Auge und begutachtete die Besucher erneut.

»Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«, fragte sie und seufzte leicht genervt.

Da fällt mir eine ganze Menge ein, dachte Ludwig und verkniff sich ein süffisantes Grinsen. Interessiert studierte er das von rotbraunen Locken umrahmte Gesicht. Nicht hübsch, aber interessant, zog er sein erstes Fazit. Er warf sich in Positur und öffnete den Mund, um einen lockeren Spruch vom Stapel zu lassen, doch das kalte Lächeln, das in den scharfen Zügen der Frau nistete, ließ ihn zurückzucken. Hatte ihn gerade eine Spinne fixiert, die spürte, dass eine Fliege in ihrem Netz zappelte? Irgendetwas in seinem tiefsten Inneren schrie ihm zu, die Finger von dieser Frau zu lassen.

Schnell streifte er das aufflackernde Unbehagen ab, ergriff die Initiative und stellte sich und Uwe vor. Da er die Frau als Sexobjekt ausgeschlossen hatte, verzichtete er auf einleitende Nettigkeiten und kam sofort zur Sache. »Wir hätten gern Frau Höntsch gesprochen.«

»Dürfte ich Ihre Dienstausweise sehen?«

Nachdem die Frau seelenruhig die Dokumente geprüft hatte, setzte sie sich auf einen der altmodischen Stühle und schlug ein Bein über das andere. Sie verkniff es sich, den beiden Polizisten einen Platz anzubieten. »Was verschafft mir die Ehre?«

»Wir ermitteln in einem Tötungsverbrechen und haben ein paar Fragen an Sie.« Ludwig steckte seinen Ausweis wieder ein und bemerkte, dass er allmählich die Geduld verlor.

»Bitte schön.« Frau Höntschs herablassende Handbewegung hätte die Gräfin Cosel vor Neid erblassen lassen. »Ich kann mir zwar nicht vorstellen, was das mit mir zu tun haben könnte, aber machen Sie nur.«

»Ob Sie etwas damit zu tun haben, wird sich herausstellen. Jedenfalls sind wir im Zug unserer Ermittlungen auf Ihren Namen gestoßen.«

Frau Höntsch sah den Oberleutnant abwartend an. Um ihre Lippen spielte ein Lächeln, ihre Augen erreichte es nicht.

»In welcher Beziehung standen Sie zu Herrn Siegfried Rost?«

»Rost? Da muss ich überlegen.« Sie schloss die Lider und mehrere Minuten verstrichen in drückendem Schweigen.

Gerade als Ludwig genervt aufstöhnen wollte, öffnete sie die Augen und schaute ihn offen an. »Jetzt habe ich es. Schlank, sportlich, gut aussehend, ein interessanter Mann. Wenn er es ist, der ermordet wurde, dann ist es ein Verlust.« Sie lächelte mit einem Hauch von Traurigkeit. »Herr Rost hat sich mir als Münzsammler vorgestellt. Er suchte ein paar Stücke, die in seiner Sammlung noch fehlten.«

»Um welche Münzen handelte es sich dabei genau?«, klinkte sich Uwe in das Gespräch ein.

»Moment, da muss ich nachschauen.« Frau Höntsch kam federnd in die Höhe, lief um ihren Tresen herum und schlug ein Buch auf.

Ihre wenigen Schritte ließen Ludwig Unger aufmerksam werden. Frau Höntschs geschmeidige Bewegungen holten Bilder vor sein geistiges Auge. Es war bei seinem letzten Besuch im Zoo gewesen. Lange hatte er die Löwen beobachtet, die faul in ihrem Gehege herumlagen. Aus irgendeinem nur ihr selbst ersichtlichen Grund war die Löwin auf einmal aufgesprungen und hatte mehrere Runden gedreht. Diese Frau besaß dieselbe Anmut, hinter der eine tödliche Kraft lauerte.

Inzwischen war die Verkäuferin fündig geworden. »Hier steht es.« Sie wandte den Kopf und schaute Uwe direkt an. »Herr Rost suchte nach einem 5-Mark-Stück. Und zwar mit der Prägung: Albert, König von Sachsen, von 1875. Erhaltungsgrad sehr schön bis vorzüglich.«

Uwe trat näher, sah ihr über die Schulter und verglich den Eintrag mit ihrer Auskunft.

»Was kostet denn diese Münze?«

Frau Höntsch kicherte belustigt.

»Fangen Sie schon mal an zu sparen. Da müssen Sie mit einem hohen vierstelligen Betrag rechnen.»

»Und wann war Herr Rost in Ihrem Laden?«, schaltete Ludwig sich ein, den Uwes detaillierte Fragen ärgerten.

»Ende November vorigen Jahres.«

»Laut einer Zeugenaussage haben Sie Herrn Rost zu Hause angerufen. Erinnern Sie sich noch, wann das war und warum?«

»Natürlich, ich bin ja nicht senil.« Der Oberleutnant erntete einen säuerlichen Blick. »Das muss Mitte bis Ende Januar gewesen sein. Ich wollte ihm mitteilen, dass die von ihm gesuchte Münze zurzeit nicht angeboten wird.«

Ihre Arroganz prallte an Ludwig ab wie an einer Ölhaut. »Wo haben Sie sich gestern zwischen 22 und 23 Uhr aufgehalten?«

»Das geht mir jetzt ein wenig zu weit. Verdächtigen Sie mich etwa, einen potenziellen Kunden umgebracht zu haben? Für wie dämlich halten Sie mich eigentlich?«

»Beantworten Sie einfach meine Frage!«

Frau Höntsch presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Es gelang ihr nur mit Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Ich war daheim. Und falls Sie nach Zeugen fragen, da gibt es keine.«

Uwe hob beschwichtigend die Hände, um die Situation zu deeskalieren. »Sie sind in keiner Weise verdächtig. Uns geht es hauptsächlich darum, Sie als mögliche Täterin auszuschließen.« Er setzte ein komplizenhaftes Lächeln auf. »So ein Kundengespräch kann sich ja in die Länge ziehen. Manchmal kommt es vor, dass dabei auch andere Dinge zur Sprache kommen. Hat Herr Rost eventuell erzählt, ob er Bekannte in der Gegend hat, oder eine Stammkneipe? Es wäre gut, wenn Sie uns das mitteilen würden, denn wir versuchen zu verstehen, was Herr Rost am späten Abend in der Neustadt gewollt hat.«

Frau Höntsch legte den Kopf schief und sah ihn an, als hätte er ihr vorgeschlagen, gemeinsam eine Runde Gummitwist auf der Straße zu spielen. Dann sprang sie ruckartig auf, lief zur Eingangstür und gab den Polizisten ein Zeichen, ihr zu folgen. Stumm zeigte sie auf das Schild mit den Öffnungszeiten und sagte in verschwörerischem Ton: »Wie Sie sehen können, schließt das Geschäft 18 Uhr. Danach gehe ich nach Hause. Ich wohne übrigens in der Pirnaer Vorstadt, aber das wissen Sie sicherlich bereits. Und nein, ich weiß nicht, was ein mir völlig fremder Mann spätabends hier im Viertel treibt. War es das jetzt?«

Unger war fassungslos. Er war davon ausgegangen, dass es in Frau Höntschs eigenem Interesse liegen müsste, bei der Aufklärung dieses Verbrechen mitzuhelfen. Immerhin arbeitete sie in dieser Gegend. Aber es schien sie nicht im Mindesten zu kümmern, dass ein Mörder durch die Straßen streifte. Er schluckte die Bemerkung herunter, die ihm auf der Zunge lag, und wandte sich nach einem gemurmelten Gruß ab. Zum Abschied gönnte er sich einen giftigen Blick und ließ die Frau einfach stehen.

Uwe folgte seinem Beispiel, im Gegensatz zum Oberleutnant nickte er jedoch freundlich.

Die Antiquarin vergeudete keine Zeit. Ohne den beiden Polizisten nachzusehen, lief sie schnurstracks in ihr Geschäft, nahm den Hörer vom Telefon und wählte eine Nummer, die in keinem Telefonbuch zu finden war.

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