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Uwe und Ludwig saßen sich in ihrem Büro gegenüber und blätterten deprimiert in den vor ihnen liegenden Akten. Obwohl die Kollegen fleißig gewesen waren, hatten sie eine magere Ausbeute erzielt. Die Ermittlungen in Rosts Umfeld bei Pentacon und der Kampfgruppe hatten nichts Neues zutage gefördert. Im Wesentlichen bestätigten sämtliche Personen die Aussagen von Rosts Vorgesetztem.

Durch geschicktes Nachforschen war es den Polizisten gelungen, Frau Dorns Liste der mutmaßlichen Geliebten von Rost zu überprüfen und zu vervollständigen. Die Befragungen dieses Personenkreises stellten sich als außergewöhnlich kompliziert heraus. Nur durch äußerstes Fingerspitzengefühl konnten die betreffenden Frauen zur Zusammenarbeit bewegt werden. Jedoch nicht alle. Einige stellten sich quer und verweigerten die Kooperation.

Die Genossen standen vor der Mammutaufgabe, sich mühsam durch die Namensliste zu arbeiten und den Hintergrund der Frauen sowie der zugehörigen Partner zu durchleuchten. Erst wenn wirklich feststand, dass tatsächlich eine Liebesbeziehung zu Rost bestanden hatte, wurden die Alibis überprüft. Bis zum jetzigen Zeitpunkt tendierten die Ergebnisse dieses Ermittlungsansatzes gegen null.

Auch die Klingeltour in der Umgebung des Tatortes hatte nichts von Belang ans Tageslicht gebracht. Keiner kannte Rost, und niemand wusste, ob irgendeiner der Nachbarn Antiquitäten privat verkaufte.

Nach mehreren Stunden erfolglosen Blätterns in den Berichten und dem Vergleichen der vorliegenden Fakten schlug Ludwig schließlich den Ordner zu und schnaufte frustriert. »Wenn das so weitergeht, gute Nacht.«

»Wir stehen doch erst am Anfang«, versuchte Uwe zu beschwichtigen. »Die Kollegen haben sich ja noch gar nicht richtig warmgelaufen.«

Ludwig lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. »Spar dir deinen übersteigerten Zweckoptimismus. Du weißt ganz genau, dass die ersten vierundzwanzig Stunden in einer Mordermittlung entscheidend sind. Übrigens ...«, sein Blick schien Uwe zu durchbohren, »warum hast du die Höntsch eigentlich gefragt, welche speziellen Münzen Rost gesucht hat? Das interessiert nun wirklich kein Schwein.«

»Ich fand es wichtig«, parierte Uwe. »Wenn Sie gelogen hätte und die Sache mit den Münzen aus der Luft gegriffen wäre, hätte sie einen Moment überlegt und uns mit irgendeiner Antwort abgespeist. Doch die Notiz in ihrem Buch stimmte mit ihren Worten überein. Natürlich kann es sein, dass sie einfach ein eiskaltes Luder ist und den Eintrag nachträglich hinzugefügt hat.« Er verzog das Gesicht. »Über den Weg traue ich dieser Raubkatze jedenfalls nicht.«

Dieses Argument besänftigte den Oberleutnant. »Hm, da könnte was dran sein.« Er schloss die Augen und kippelte mit seinem Stuhl. Dann begann er zu grinsen. »Raubkatze, das trifft es gut. Ist schon ein heißer Feger, die Höntsch. Aber für mich wäre die nichts. Eine Eiskönigin mag ich nicht im Bett, da bekomme ich kalte Füße.«

Uwe gestattete sich einen kurzen Augenblick der Schadenfreude. Zu gut stand ihm der Blickaustausch zwischen seinem Kollegen und der Antiquarin noch vor Augen. In neutralem Tonfall sagte er: »Mir wäre sie zu alt, die ist doch schon vierzig.«

Ludwig lächelte überlegen. »Du hast ja keine Ahnung. Ab dem Alter sind die Frauen doch erst richtig knackig.»

Urplötzlich stand Major Günzel neben ihren Schreibtischen. Geräuschlos war er durch die offenstehende Tür gekommen, und was er von ihrem Gespräch mitbekommen hatte, würden sie wohl nie erfahren. »In mein Büro, sofort!« Und auf den ratlosen Blick seiner Kriminalisten fügte er hinzu: »Beide.«

Vollkommen verdattert sprangen Uwe und Ludwig hoch und folgten ihrem Chef. Im Büro blieben sie betreten vor seinem Schreibtisch stehen.

Der Major musterte sie durch zusammengekniffene Augen; nach ein paar Minuten erbarmte er sich und deutete auf die Besucherstühle. »Wem seid ihr bei euren Ermittlungen auf die Füße getreten?«, fragte er in scharfem Ton.

Uwe und Ludwig blieb kurz die Spucke weg. Der Leutnant fing sich als Erster. »Ich kann nur für die Befragungen sprechen, bei denen ich dabei war, aber da lief alles korrekt ab.« Er tauschte einen nervösen Blick mit seinem Kollegen.

Ludwig hob abwehrend die Hände.

»Gut, das wollte ich nur abklären.« Nachdenklich drehte der Major einen Kugelschreiber zwischen seinen Fingern. »Wenn ihr keine einflussreichen Personen verärgert habt, muss etwas anderes dahinterstecken. Etwas, das zu beeinflussen nicht in unserer Macht steht.« Er schmiss den Kuli wütend in die Stiftschale. »Der Fall Rost ist uns entzogen worden. Ab sofort übernimmt die Staatssicherheit. Ihr packt sämtliche Akten zusammen und bringt sie ins Sekretariat.«

Uwe war fassungslos, dachte kurz nach und setzte eine rebellische Miene auf. »Und wenn wir bloß ein wenig auf eigene Faust ...«

Krachend schlugen die Handflächen des Majors auf die Tischplatte. »Denkt nicht mal daran! Das ist keine Bitte gewesen, sondern ein Befehl!«

Uwe und Ludwig schwiegen. Uwe verstockt, Ludwig gleichgültig.

Es fiel Günzel nicht schwer, ihre Mienen zu deuten. »Damit ihr nicht auf dumme Gedanken kommt«, er fixierte Uwe drohend, »habt ihr heute Abend einen Einsatz. Punkt 17 Uhr meldet ihr euch bei mir auf dem Neumarkt, vor der Ruine der Frauenkirche. Wie ihr wisst, schreiben wir heute den 13. Februar. Wir sollen gemeinsam mit den Genossen der Staatssicherheit dafür sorgen, dass keine konterrevolutionären Elemente das Gedenken der Dresdner stören. Und jetzt zurück an die Arbeit. Ich denke, ihr habt noch jede Menge ungeklärter Fälle auf dem Schreibtisch.«

Wie zwei geprügelte Hunde schlichen seine Ermittler aus dem Büro.

Verlorenes Land

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