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»Denkst du nicht, dass du dich langsam zum Obst machst?« Oberleutnant der VP Ludwig Unger nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und schüttelte den Kopf. »Ich meine, jeden Tag ins Möbelhaus Intecta latschen, um nach dieser bescheuerten Schrankwand zu fragen. Nimm doch einfach eine von denen, die sie dahaben.«

Leutnant Uwe Friedrich, der bereits die Hand auf die Türklinke gelegt hatte, trat zurück in den Raum. »Hast du dir die Holzkästen mal angesehen? Eine hat runde Fenster wie Bullaugen. Da kann ich mir ja gleich einen Dampfer in die Stube stellen. Nein, ich will die Poel Satin. Und um die zu kriegen, müssen mich die Verkäuferinnen schon am Klang meiner Schritte erkennen. Irgendwann haben die mein Gesicht so satt, dass sie die Poel für mich reservieren.« Nach diesen Worten verließ Uwe schnell das Büro. Aus Erfahrung wusste er, dass eine Diskussion mit seinem Vorgesetzten ausarten konnte.

Er überquerte den Neumarkt und lief an dem riesigen Trümmerhaufen der Frauenkirche vorbei. Während er das Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung rechts liegen ließ, schüttelte er über Ludwig den Kopf. Manchmal konnte der richtig nervig sein. Dabei hatte sein Kollege nicht die geringste Ahnung, wovon er eigentlich sprach. Obwohl Ludwig sieben Jahre älter war als er, wohnte er noch bei seiner Mutter und musste sich um solche Kleinigkeiten wie Möbel, Essen sowie Wäschewaschen nicht kümmern. Dafür war schließlich Mami da. Einzig seine tägliche Dosis Alkohol, die besorgte er sich selbst.

Getauscht hätte Uwe allerdings nie mit ihm. Er fand es gut, auf eigenen Beinen zu stehen. Vor einem halben Jahr hatte er den Schlüssel für eine Einraumwohnung in Prohlis in die Hand gedrückt bekommen. Seitdem kannte sein Glück keine Grenzen.

Natürlich war Uwe sich bewusst, dass er aufgrund seines Berufs einen Sonderstatus genoss und eher als ein normaler Werktätiger an eine der begehrten Wohnungen gekommen war. Doch das Wohnungsbauprogramm lief auf Hochtouren, und in paar Jahren würde dieses Problem der Vergangenheit angehören.

Inzwischen hatte Uwe das Intecta erreicht. Heute lachte ihm das Glück, die heiß begehrte Schrankwand war eingetroffen. Mithilfe einer Verkäuferin stellte er seine Wunschteile zusammen, vereinbarte einen Liefertermin und verließ nach einer knappen Stunde fröhlich strahlend das Geschäft.

Uwe hatte einen hohen Aufwand betreiben müssen, um seine Anbauwand zu ergattern. Aber die Poel Satin war es wert.

Dass es noch ein langer Weg war, bis Konsumgüter in ausreichender Menge zur Verfügung standen, wusste Uwe. Er war jedoch überzeugt, dass sich die Engpässe nach und nach in Luft auflösen würden, denn auf dem VIII. Parteitag hatte Genosse Honecker die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik nachdrücklich hervorgehoben.

Uwe war sich sicher, wenn jeder in diesem Land seinen Beitrag leisten würde, ginge es stetig bergauf. Er jedenfalls war fest entschlossen, sich mit vollem Einsatz an der Gestaltung des Sozialismus zu beteiligen.

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