Читать книгу Acht - Andreas Michels - Страница 24

Оглавление

Während er mit sichtlichem Genuss die Pfeife wieder anpaffte, musterte der alte Professor ihn eingehend. Zunächst hielt Alex seinem forschenden Blick noch stand, bis ihm dann der Tabakrauch in die Nase stieg und ihm neuer Hustenreiz den Hals hinaufwürgte. Sperlings nächste Worte drangen auf einmal nur noch wie aus weiter Ferne zu ihm durch »Ich kann mich nur wiederholen, Junge. Reiß dich zusammen, mach das letzte Semester fertig, dann hast du wenigstens das Studium komplett!«

Hustend erhob sich Alex, um eines der nahegelegenen Fenster einen Spalt breit zu öffnen. »Und dann?«, erwiderte er. »Habe ich eine Stelle als Museumsführer. Oder wenn ich Glück habe, komme ich einmal im Jahr auf eine Ausgrabung und fahre die restliche Zeit Taxi.« Er seufzte und winkte ab. »Von meinen Zensuren reden wir an dieser Stelle besser gar nicht!« Flehentlich sah er den Professor an und versuchte immer noch, den Hustenanfall gänzlich zu unterdrücken. »Wir hatten das Thema schon mehrfach, es bringt nicht viel, es neu aufleben zu lassen.«

Sperling verfolgte das Gehabe von Alex mit gerunzelter Stirn, beäugte seine Pfeife verwundert und legte diese weg. Stattdessen zog er einen der Kuchenteller zu sich heran. Alex suchte derweil hastig ein unverfänglicheres Thema, mit dem er die sich garantiert anbahnende Predigt schon im Keim ersticken konnte. »Ach, genau, was ich fragen wollte: Neues Schwert?«, kam ihm schließlich die rettende Erleuchtung. Schnell deutete er auf die ihm bis dato unbekannte Klinge.

Sein Plan ging auf. Bevor er es sich recht versah, fand er sich mit Sperling in eine ausufernde Diskussion über mittelalterliche Waffenkunde verstrickt, wie sie die beiden schon oft stundenlang geführt hatten. Ganz nebenbei wurden die ersten Kuchenstücke vertilgt und auch die Teekanne gänzlich geleert.

So verging die Zeit und zur Erleichterung von Alex schien das unrühmliche Thema Studienabbruch vom Tisch zu sein.

Wäre der Professor nicht gewesen, hätte er schon viel früher hingeschmissen. Nun aber nutzte Sperling jede sich nur bietende Gelegenheit, um Alex deswegen Vorhaltungen zu machen. Ungeachtet dessen genoss Alex aber die lange vermisste Diskussion mit dem Professor über ihrer beider Steckenpferd, wobei sie riesige Sprünge von den Kreuzzügen hin zu den Wikingern, über die Reconquista bis hin zu den Fechtbräuchen der Napoleonischen Kriege machten.

So ging das zwei Stunden lang, bevor Sperling schließlich weiteren Kuchen holte. Als er Alex sein Stück vorsetzte, klang er etwas ernster. »So, nun erzähl aber mal, Junge. Du hattest vorhin einen Unfall erwähnt?« Alex, der in Gedanken eben noch beim Türkensturm auf Wien weilte, musste zunächst radikal umdenken.

Kurz räusperte er sich und nahm einen Schluck Tee, um Zeit zu gewinnen. »Nun ja, die Sache ist etwas … komplex!«, druckste er herum, doch es gab vor den bohrenden Blick Sperlings kein Entrinnen. »Kennen, oder besser gesagt, kannten Sie einen Professor Uhlig?«, fragte Alex also geradeheraus.

Sperling musste nicht lange überlegen. »Kennen ist zu viel gesagt. Ich weiß nur, dass er hier in Regensburg lebte, hat aber nie hier unterrichtet. Hat sich nach seiner Pensionierung aus Bamberg hierher zurückgezogen. Fachkoryphäe in Sachen Bronzezeit, aber auch in vielen anderen Gebieten. War oft auf Grabung sonst wo in der Welt ...«, antwortete er gedehnt, während er die einzelnen Informationen aus seinem Gedächtnis zusammen zu suchen schien. »Warum fragst du?« Alex atmete langsam aus. »Was ich Ihnen jetzt erzähle, mag wie eine üble Räuberpistole klingen, aber es hat sich, soweit ich es sagen kann, genau so zugetragen!«

Die Furchen auf Sperlings Stirn vertieften sich. Zunächst wechselte er die Brille, dann lehnte auch er sich zurück, ohne dabei den Kuchenteller wegzustellen. »Dann schieß mal los, Alexander! Ich bin gespannt!«

Also begann Alex zu erzählen. Er kam nicht umhin zu erklären, dass er sich momentan seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsjobs verdiente, was ihm eine weitere stille Rüge des Professors einbrachte. Eilends fuhr er mit dem Auftrag fort, den Karel und er von Schneider erhalten hatten … und zu dem, was sich danach ereignete.

Die ganze Zeit über spielte er nervös mit seinem Smartphone in den Fingern herum und legte es zum Ende hin neben Sperling auf dessen Schreibtisch.

»Tja, mehr weiß ich nicht zu der Sache. Schneider hat sich auch nicht weiter über Hintergründe ausgelassen, warum sollte er auch. Gab mir die Kohle, ließ mich unterschreiben und verschwand.« Mit mehr als nur einem Hauch Verzweiflung in der Stimme starrte er Sperling an und biss sich auf die Unterlippe. »Ich weiß, wie verrückt das klingt, aber so ist es passiert. Die Bilder sind immer noch hier drauf, wenn Sie einen Blick darauf werfen wollen!«

Professor Sperling hatte entgegen seiner Gewohnheit schließlich doch das neue Kuchenstück unangetastet zur Seite gestellt und schüttelte nun ungläubig den Kopf. »Das ist wirklich starker Tobak, den du mir hier reichen willst, Alexander«, meinte er dabei, griff aber dennoch nach dem Gerät. »Hast du was dagegen, wenn ich mir die Fotos auf den Rechner ziehe? Mit diesem kleinen Display werde ich nicht froh!«

Der Professor scrollte inzwischen schon durch die einzelnen Bilder aus dem Handyspeicher. Alex fand es immer wieder verblüffend, wie sicher Sperling mit dem PC umgehen konnte, wo er doch sonst in nahezu jeder Hinsicht einen wandelnden Anachronismus darstellte.

Kaum wurde das Erste der Fotos vergrößert auf dem Bildschirm dargestellt, war es jedoch um die Ruhe Sperlings geschehen. »Meine Güte!«, flüsterte er tonlos, was bei dem Professor einem Gemütsausbruch gleichkam. Verständnislos schaut er zu Alex, dann zurück zu der Aufnahme. Wortlos klickte er die anderen Fotos durch und vergrößerte immer wieder einzelne Bildausschnitte mit einer Drehung des Mausrads. Es dauerte lange, bis er sich in seinen Sessel zurückfallen ließ, um dann Alex sichtlich perplex anzusehen.

»Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass es sich dabei nicht um eine Bildmontage handelt …?«, fragte er nachdrücklich. »Nein, Herr Professor! Ich scheine diese Aufnahmen dort im Keller gemacht zu haben, kann mich aber wie gesagt nicht daran erinnern!«, beteuerte Alex, woraufhin Sperling sich erneut vor den Monitor beugte und die Augen zusammenkniff.

»Ich kann kein Muster erkennen. Waffen, Waffenteile, Stücke mit theologischem Hintergrund verschiedener Religionen und Datierung, Alltagsgebrauchsgegenstände, Schmuckstücke, Schriften«, zählte er mehr zu sich selbst auf.

»Sieht aus, als ob der Herr Professor Uhlig eine kleine Privatsammlung sein Eigen nannte, oder?«, mutmaßte Alex vor sich hin. »Die Polizei konnte bislang nichts zu dem Hintergrund des Inhalts der Vitrine ermitteln, weder dessen Ursprung noch ob es sich dabei um Diebesgut handelt«, fügte er noch hinzu. »Allerdings weiß ich nicht, ob mir dieser Gottesknecht alles erzählt hat!« Schließlich riss sich sein Mentor von den Aufnahmen los und wandte sich wieder Alex zu. »Faszinierende Geschichte! Aber warum kommst du damit zu mir?«

Der hob mit zerknirschtem Gesichtsausdruck die Schultern. »Na ja, ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wer sonst auch nur im Ansatz in der Lage wäre, mir etwas über die abgebildeten Stücke zu sagen!«

Zum wiederholten Male an diesem Tag furchte Sperling die Stirn. »Ermittlungen in Eigenregie oder wie soll ich das verstehen?« Hastig winkte Alex ab. »Nein, ich bin sicher nicht so wahnsinnig und versuche den Kerl zu finden! Aber ich interessiere mich einfach für diese Sammlung an sich. Sie müssten doch wissen, wovon ich rede«, druckste er mit einem schiefen Grinsen herum. »Entdeckergeist und so ...«

Als Sperling daraufhin bedächtig nach seiner Pfeife griff und sie abermals umständlich zu stopfen begann, wusste Alex, dass er den Professor am Haken hatte.

»Ich denke … ich könnte ein paar Anrufe tätigen«, murmelte er in Gedanken vor sich hin. »Und ein paar Mails schreiben!«

Für Alex blühte der alte Professor binnen kürzester Zeit förmlich auf, jetzt da er in Gedanken bereits die Recherche über die verschiedenen Stücke anging. »Dann werde ich Sie einfach mal machen lassen und auch selbst meine Nase in diverse Foren stecken!«, meinte Alex, als er sich erhob, den Blick auf die Pfeife des Professors gerichtet, die immer noch in seinen Händen ruhte. »Entschuldigen Sie mich jetzt, ich habe noch einiges zu erledigen!«

»So?«, fragte der Professor mit hochgezogenen Augenbrauen. »Aber du hast deinen Kuchen ja noch gar nicht mal angerührt!« Alex lächelte entschuldigend, wusste er doch, dass Sperlings Begeisterung für dieses Backwerk an eine ausgewachsene Manie grenzte. »Tut mir leid, ich habe ganz vergessen, dass ich noch einkaufen muss. Und wenn meine Mitbewohner nach Hause kommen und ich habe mein Soll nicht erfüllt …«

Er ließ bewusst die möglichen Folgen offen, aber Sperling würde auch so wissen wie das Leben in einer Wohngemeinschaft ausarten konnte. Und tatsächlich lächelte er verstehend. »Dann nimm ihn mit, so etwas kann man ja nicht verkommen lassen!«

Mit diesen Worten riss er sein Streichholz an und paffte genüsslich den ersten Zug. Panik keimte unvermittelt in Alex auf. Er nickte hastig, griff sich das Stück Kuchen und floh zur Tür. »Danke! Ich melde mich morgen, muss jetzt aber wirklich los!«

Sperlings verblüffte Antwort konnte er schon nicht mehr hören, aber er musste einfach aus diesem Zimmer weg. Unten schnaufte er erst einmal tief durch, um das Beklemmungsgefühl in der Brust loszuwerden, das sich seiner zu bemächtigen drohte. Es dauerte eine Weile, bis er wieder frei durchatmen konnte und ihm der Puls nicht mehr in den Schläfen hämmerte. Mit einem unwirschen Brummen schüttelte er den Kopf, stellte den Kuchenteller in die Spüle und verschlang das Kuchenstück kurzerhand mit einigen wenigen Bissen. Bald darauf schloss er leise die hölzerne Wohnungstür hinter sich, um sich auf den Rückmarsch in die Altstadt zu machen.

Wie üblich führte ihn sein Weg einige alte Alleen entlang, die inmitten der großen Stadt den Eindruck wilder Natur vermittelten. Gemütlich schritt Alex voran, ließ den Blick mal hierhin, mal dorthin schweifen.

Erwartungsgemäß brauchte er bis zum Erreichen der Altstadtgrenze in gemächlichem Tempo etwa eine Viertelstunde. Hier erledigte er die anstehenden Einkäufe, um sich dann mit zwei Tüten und seinem vollen Rucksack beladen auf den Heimweg zu machen. Am Domplatz entlud eben der immer irgendwo in der Altstadt präsente Rundfahrtbus ein neues Rudel lärmender Touristen, also beeilte sich Alex ins Treppenhaus und damit in himmlische Ruhe zu gelangen. In Kombination mit den beiden Tragetaschen gestaltete sich der Weg nach oben zu einer ziemlichen Tortur und nicht zum ersten Mal verfluchte er die Tatsache, dass ihre Wohnung im obersten Stockwerk des Altbaus lag.

Wie üblich lag das Treppenhaus im Halbdunkel, denn die mittelalterlichen Architekten mussten wohl in diesem Abschnitt des Gebäudes Fenster für rein optionalen Luxus gehalten haben. Alex verzichtete darauf, den Lichtschalter zu betätigen, kannte er das Treppenhaus doch sprichwörtlich im Schlaf. Zudem schaffte man es sowieso nie bis ganz oben, bevor die eingebaute Zeitschaltuhr das Licht wieder löschte.

Gedanklich bereitete sich Alex bereits auf die Zubereitung des Abendessens vor, die ihm heute ebenfalls oblag, als ihn unvermittelt ein durchdringender Geruch am Fuße des letzten Treppenabsatzes innehalten ließ.

Verwundert blieb er stehen, schnupperte und versuchte zu ergründen, was er da roch. Zigarettenrauch. Der beißende Geruch eines scharfen Aftershaves. Männerschweiß. Und Wut. Alex spannte sich unwillkürlich an, um im Anschluss zwei Treppenstufen nach oben zu steigen, sodass er den im Halbdunkel liegenden Korridor überblicken konnte. Und tatsächlich, am anderen Ende des Ganges, kurz nach der Wohnungstür lehnte ein bulliger Kerl in Motorradhosen und schwarzem Tank-Top an der Wand und starrte genau in seine Richtung.

Mit etwas Verspätung registrierte Alex, dass er in Schwierigkeiten steckte. Der Kerl vor ihm wies die Statur eines Panzerschranks auf und verfügte über Oberarme, die nahezu den Umfang seiner eigenen Oberschenkel hatten. Trotzdem legte er den restlichen Weg die Treppe hinauf zurück und stellte dort die beiden Einkaufstaschen ab.

»Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?«, hörte er sich selbst durch das Halbdunkel fragen. Der Mann stieß sich mit sichtlich überraschtem Gesichtsausdruck von der Wand ab und kam auf Alex zu, wobei er die Arme leicht vom Körper abgespreizt und nach vorne hielt.

»Wer bist du?«, ertönte ein knurriger Bass mit verwaschenem Akzent, der nach irgendeinem ex-jugoslawischen Teilstaat klang. Alex sah sich jedoch nicht veranlasst, zu antworten, sondern wartete schweigend an Ort und Stelle ab. Der Fremde steuerte zielgerichtet auf den kleinen, roten Lichtpunkt zu, der die Position des Lichtschalters kennzeichnete, um eben jenen dann zu drücken. So wie er beim Aufflammen der Glühbirnen blinzeln musste, schien er schon eine ganze Weile hier gewartet zu haben.

Diesen Moment nutzte Alex, um den Unbekannten genauer in Augenschein zu nehmen. Um die eins neunzig, kurz geschorene Haare, dazu ein Dreitagebart. Beide Arme mit schlampig gearbeiteten Tattoos bedeckt.

Schließlich legte er den Kopf ein Stück zur Seite. »Ich glaube, das sollte ich eher Sie fragen! Ich für meinen Teil wohne hier!« Der Hüne verengte die Augen und kam mit einschüchternd wirkenden Bewegungen näher, wobei er Alex unverhohlen taxierte und abfällig schnaubte, bevor er das Wort an ihn richtete. »Bist du einer von den Typen, mit denen Jessy zusammen wohnt?«, bellte er ihn im Näherkommen an.

Alles an dem Kerl schrie nach Ärger, dennoch blieb Alex zu seiner eigenen Überraschung bemerkenswert ruhig. »Das trifft zu, Jessy ist eine Mitbewohnerin! Und Sie sind …?« Der Mann, dem Dialekt nach ein Slawe, ging nicht auf die Frage ein, sondern deutete auf die Wohnungstür. »Sie macht nicht auf!«

Innerlich zählte Alex zwei und zwei zusammen und zog mit einem leisen Seufzen sein Handy, ohne jedoch für den Moment etwas damit zu tun.

»Dann wird sie nicht da sein, oder sie will Sie nicht sehen!« Kurz grinste er. »Glauben Sie mir, sollte sie geschlafen haben, unsere Klingel weckt selbst Tote! Diese Option scheidet also auch aus.« Er zwinkerte ihm zu und klopfte die Hosentaschen nach dem Wohnungsschlüssel ab.

So lange stand der Kerl einfach reglos da und beobachtete jede seiner Bewegungen. »Lass mich rein. Ich warte in ihrem Zimmer auf sie!«, knurrte er kaum verständlich, als Alex dann Anstalten machte, die Tür aufzuschließen. Abrupt hielt er in der Bewegung inne und ballte die Faust um den Wohnungsschlüssel herum. Der Kerl schien nicht mal im Ansatz eine Ablehnung seines Ansinnens in Erwägung zu ziehen.

Alex lachte kurz auf, um dann den Kopf zu schütteln. »Nein. Sie gehen jetzt bitte! Sie kommen nicht in die Wohnung, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Jessy das gutheißen würde, wenn ich Sie einlasse!«

Das verwirrte Blinzeln des Muskelpakets vor ihm hatte schon fast komödiantische Qualität, allerdings verging Alex das Lächeln nahezu sofort. »Ey, brauchst du aufs Maul, oder was?«, fuhr ihn der Fremde an. »Ich warte drin auf die Schlampe und wenn du ein Problem damit hast, dann sag es! Kriegst du auf die Fresse, wenn du nicht gleich die scheiß Tür aufmachst!«

Mit zwei schnellen Schritten überbrückte er die letzte Distanz zu Alex, um nun in weniger als Armeslänge Entfernung von ihm zu stehen. Aus der Nähe nahmen seine Ausdünstungen wahrhaft atemberaubende Qualität an, dennoch legte Alex lediglich den Kopf in den Nacken und schaute ungerührt zu dem Fremden hoch. »Ich wiederhole mich nochmals: Ich werde Sie nicht in die Wohnung lassen, kommt mir gar nicht in den Sinn. Und was Jessy angeht, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ein gesteigertes Interesse daran hat, sich mit ihresgleichen abzugeben. Normalerweise findet sie nichts an Kerlen, die nur dann weiter als zehn zählen können, wenn sie vorher die Schuhe ausziehen!«

Was hatte er da gerade gesagt? Er war so gut wie tot! Hier und jetzt würde der Kerl ihn wahrscheinlich standrechtlich zu Tode prügeln. Dennoch starrte Alex den Hünen reglos an, nicht willens auch nur einen Zoll breit nachzugeben.

Der Schläger vor ihm brauchte indes einen Moment, bis er die Beleidigung als solche erkannte. Dann jedoch packte er Alex am Kragen seines Oberteils. »Hast du Problem, oder was? Mach auf, oder ich mach dich weg!« Dabei holte er mit der linken Faust aus, erstarrte dann aber unvermittelt. Der Blick des Kerls fing sich mit dem von Alex, der immer noch keine Miene verzogen hatte.

»Runter mit der Hand!«, knurrte Alex, jedes einzelne Wort betonend. Nun stand dem Schläger deutlich die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. Ganz offensichtlich passte das Verhalten seines Opfers nicht in ihm bekannte Verhaltensmuster. Doch bevor er eine Antwort zustande brachte, ertönte zwischen den beiden ungleichen Männern eine Frauenstimme: »Notrufzentrale, guten Tag!«

Während er antwortete, kam Alex nicht umhin, den Slawen kühl anzulächeln. Das Schnellwahl-Icon für den Notruf lag direkt auf seinem Hauptdisplay, eine durchaus praktische Einrichtung in einer Stadt, in der es nachts zuweilen hoch herging. »Mein Name ist Alexander Richter, ich befinde mich am Domplatz Siebzehn und werde von einer fremden Person bedroht, die sich ohne Befugnis Zutritt in unser Treppenhaus verschafft hat!«, antwortete er schnell.

Die Augen des Hünen weiteten sich sichtlich. »Ich kriege dich, du Wichser!«, fauchte er, gab ihm einen derben Stoß vor die Brust um dann mit schnellen Schritten das Treppenhaus nach unten zu poltern. Das Herz schlug Alex bis zum Hals, als er den Abgang des Fremden verfolgte. Bald krachte im Erdgeschoss die Haustür, dann herrschte Ruhe. »Hallo? Sind Sie noch da?«, riss ihn die Stimme der Beamtin aus seiner Starre. Langsam hob er das Handy nun ans Ohr und deaktivierte vorher noch den Lautsprecher des Geräts. »Ja, ich bin noch da. Ich glaube, die Angelegenheit hat sich erledigt!«

»Wie bitte?«, fragte die hörbar verwirrte Telefonistin.

»Er ist fort!«, erläuterte Alex und sah noch immer die Treppe hinunter. »Ein zudringlicher Bettler, der kein Nein akzeptieren wollte.« Kurz herrschte Stille in der Leitung, im Anschluss konnte er zuerst die Tastatur, dann die skeptische Stimme der Frau erneut zu hören. »Sie sind also nicht in Gefahr?« »Nein, wieder alles in Ordnung!«, meinte Alex, nun mit einem Lächeln. »Trotzdem danke!« »Schön. Ich nehme den Vorfall dennoch auf und informiere die Kollegen. Diese werden sich dann gegebenenfalls um alles weitere kümmern!«

Alex lächelte immer noch. »Wunderbar, besten Dank! Ich stehe natürlich für Rückfragen zur Verfügung. Guten Tag!«

Wie in Trance steckte er das Handy weg und rutschte mit dem Rücken an der Wand entlang nach unten. Die dabei aufbrandenden Schmerzen waren ihm gerade rechtschaffen egal. Er lebte noch! Unverletzt! Verwundert betrachtete er seine Hand, die nicht die Spur eines Zitterns zeigte. Ihm war durchaus klar, wie brenzlig die Situation eben hätte werden können, doch Angst … fehlte einfach.

Immer wieder ging er das eben Geschehene durch. Ein Bettler, der kein Nein akzeptieren wollte? Warum in Dreiteufelsnamen hatte er so etwas von sich gegeben und nicht die Wahrheit gesagt? Verwirrt schüttelte Alex den Kopf und rappelte sich langsam, mit einem schmerzerfüllten Stöhnen hoch, um sich in die Wohnung zu schleppen. Hier verstaute er mangels anderer Beschäftigung zunächst den Einkauf im Kühlschrank und den Vorratsschränken, ganz als ob nichts geschehen wäre. Eben stellte er die letzte Dose in den Schrank, da drehte sich ein Schlüssel im Schloss der Wohnungstür.

Dabei konnte es sich eigentlich nur um Jochen handeln, wie Alex nach einem kurzen Blick zu Mickey Mouse feststellte. Nur wenig später steckte der angehende Philosoph dann auch tatsächlich seinen Kopf zur Küchentür herein und schaute sich neugierig um. »Wie, noch kein Essen fertig?«, fragte er grinsend. Dann hellte sich die Miene seines Mitbewohners schlagartig auf. »Ach ja, ich habe ja völlig vergessen! Wir werden von ihrer Exzellenz zum Essen eingeladen!«

Alex, der eben die Einkaufstüte zusammenknüllte, hielt inne und bedachte Jochen mit einem genauso überzogen-gespielt-säuerlichen Blick. »Ja ja, steck nur den Finger in die Wunde!« Er seufzte schicksalsergeben. »Aber gut, dann gehen wir heute Abend eben schnieke Essen!«

»Alles klar, ich ziehe eben noch meinen Smoking an!«, feixte Jochen, um direkt im Anschluss zu verschwinden.

Auch Alex beendete die Aufräumarbeiten und machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Bis zum Abend blieb ihm noch genug Zeit, eine Idee in die Tat umzusetzen, die sich bei ihm kurz nach dem Verlassen von Sperlings Villa im Hinterkopf eingenistet hatte.

Somit verbrachte er die folgenden Stunden damit, sein Zimmer radikal umzugestalten und nutze dabei die Gelegenheit, sich von etlichen Altlasten auch gleich mit zu trennen. Bald schon standen mehrere Müllsäcke gefüllt in einem Eck und immer noch gab es für Alex viel zu tun. Außerdem tat die Arbeit gut, so ließ es sich viel besser nachdenken.

Der Vorfall mit dem Kerl wurde mental mal hierhin, dann dorthin gerollt, von allen Seiten betrachtet und analysiert. Er kam jedoch lediglich zu dem gleichen Ergebnis wie vorhin schon: Dass er unter dem Strich unverschämtes Glück gehabt hatte, nicht mehr und nicht weniger. Allerdings würde erst ein klärendes Gespräch mit Jessy zeigen, was für Folgen sich aus dieser Auseinandersetzung entwickeln mochten.

Die Schatten im Raum wurden bereits länger, als es kurz an der Tür klopfte und Jessy ihren Rotschopf hereinsteckte. »Hey Alex, ich wäre dann auch … oh, wow!«, stockte sie und schaute sich mit großen Augen um.

»Halbe Sachen machst du keine, hm?«, fragte sie nach einem Augenblick andächtigen Starrens.

Tatsächlich war der Raum nun kaum noch wieder zu erkennen. Auf Jessys neugierigen Blick hin hob Alex grinsend die Schultern. »Bin noch nicht fertig, aber ich dachte, es wäre Zeit für einen Tapetenwechsel … metaphorisch gesagt!«

»Ja ne, is klar!«, antwortete Jessy und nickte dazu gewichtig. »Wie dem auch sei, ich wäre in ein paar Minuten so weit. Jochen und ich haben uns auf Steakhouse geeinigt!« Sie machte schon Anstalten die Tür zuziehen, fügte dann aber noch grinsend an. »Nur für den Fall, dass es dich interessiert!« Alex seufzte. Das würde ein teurer Abend werden!

Etwa eine Stunde später saßen die Drei in einem nahegelegenen Steakhouse und studierten die Speisekarte. Sven weilte immer noch in Leipzig, was die Rechnung für Alex am Ende wenigstens etwas niedriger ausfallen lassen würde. So aber schienen die Chancen günstig zu stehen, die einhundert Euro Marke nicht zu durchbrechen, was er schon als kleines Wunder betrachtete. Allein der leckere Duft aus der Küche reichte indes aus, um ihn ein riesiges Steak bestellen zu lassen. Als dann die Getränke kamen, hob Jessy ihr Weinglas und bedachte Alex mit einem zuckersüßen Lächeln. »So, dann würde ich sagen, wir stoßen auf den Glückspilz an, der unser edler Spender ist! Auf dich!«

Kurz stießen sie an und tranken. Alex, dem der Sinn heute eher nach Bier stand, wischte sich den Mund ab und erwiderte grinsend. »Ist ja nicht so, als ob ich eine große Wahl gehabt hätte, ihr Halsabschneider! Aber hey, Feste muss man feiern, wie sie fallen!«

Eine Zeitlang dümpelte die Unterhaltung in verschiedenste Richtungen, bis Jessys Handy klingelte. Sie blickte kurz darauf, drückte den Anruf mit säuerlicher Miene weg, um das Gerät dann wieder eilig in ihrer Jeanstasche verschwinden zu lassen.

Ab diesem Zeitpunkt gab sie nur noch kurz angebundene Antworten und sah die meiste Zeit über in ihr Weinglas. Alex musste nicht erst zwei und zwei zusammenzählen, um seine Schlüsse zu ziehen. Bis zum Essen blieb noch etwas Zeit, also beschloss Alex eine gewisse, noch ausstehende Sache am besten gleich anzugehen.

»War das dein Freund, Jessy?«, fragte er zunächst. Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch, um ihn verwirrt anzusehen. »Freund? Ich habe keinen Freu…«, setzte sie zur Antwort an, stockte dann aber unvermittelt, um Alex anzustarren. »Wieso fragst du?«, fragte sie zögerlich.

Alex drehte das Bierglas zwischen den Fingern. »Weil heute, ich sage mal vorsichtig, Besuch für dich da war!« Jessys Augen weiteten sich, dennoch sprach Alex weiter. »Großer Kerl, breit gebaut. Kurze Haare, Bikerhose. Slawischer Akzent, so richtig unterste Schublade! Und nicht wirklich das schärfste Messer im Schrank, muss ich sagen!«

Noch während er redete, erbleichte Jessy sichtlich. »Nikolai war da? Was wollte er?«, brachte sie gepresst heraus. Weder entging Alex dabei das plötzliche Zittern ihrer Hände noch die Tatsache, dass sich ihr Brustkorb deutlich schneller hob und senkte.

Jessy hatte Angst … »Er hat vor der Wohnungstür gestanden, als ich vorhin vom Einkaufen heimkam. Keine Ahnung, wie er ins Haus gekommen ist, aber da muss nur die Haustür mal wieder nicht richtig geschlossen haben.« Auch Jochens Gesichtsausdruck wurde zusehends ernster, angespannt lauschte er dem Gespräch. »Auf jeden Fall hat er keinen Hehl daraus gemacht, dass er zu dir will. Er wollte ums Verrecken in die Wohnung gelassen werden, damit er in deinem Zimmer auf dich warten kann.«

Wenn Alex Jessy in diesem Moment eine Ohrfeige gegeben hätte, wäre ihre Reaktion wahrscheinlich ähnlich ausgefallen: Für eine ganze Weile konnte sie ihn nur mit großen Augen anstarren. »Das … ist …« vermochte sie zu stammeln, lachte kurz hysterisch auf und griff fahrig nach dem Weinglas. Ihre Hände zitterten aber so sehr, dass sie erst beim zweiten Versuch einen Schluck nehmen konnte.

Alex wartete derweil geduldig, mit auf der Tischplatte vor sich gefalteten Händen ab. Jessy stürzte nahezu das halbe Weinglas herunter, stellte es ab, um sich erneut unkoordiniert durch die Haare zu fahren. »Was ist dann passiert?«, fragte sie, und begann nervös auf ihrer Unterlippe herumzukauen. »Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn keinesfalls in die Wohnung lassen werde.« Nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu. »Er wirkte nicht sonderlich begeistert!« Abermals starrte ihn Jessy entgeistert an. »Er hat doch nicht ...?«, stotterte sie. Langsam bekam Alex das Gefühl, dass dieses Gespräch aus dem Ruder lief. »Er wurde etwas grob, sodass ich den Notruf gewählt habe. Da ging er dann stiften!«

»Mein Gott…«, presste Jessy hervor, um dann zunächst den restlichen Wein herunterzustürzen. »Der Kerl … weißt du, was der mit dir hätte anstellen können?« Alex konnte sich nur zu gut an die körperliche Verfassung seines Kontrahenten erinnern. »Durchaus! Deswegen habe ich ja die Polizei gerufen!« Jessy starrte ihn einen Augenblick an. »Und das hat gereicht? Nikolai sammelt Vorstrafen wie andere Leute Briefmarken, normalerweise lässt der sich von so etwas nicht einschüchtern! Ich wundere mich überhaupt, dass er dich hat telefonieren lassen!«

Alex kniff die Augen zusammen, schob das Bierglas aus dem Weg und beugte sich vor. »Ich denke, du solltest einfach mal erzählen, wie du an den Kerl geraten bist, meinst du nicht auch?« Dann schwieg er und sah er sie ernst an, bis sie ihren Blick auf ihre Hände senkte. »Ja, hast ja Recht!«, murmelte sie mit zittriger Stimme. »Das hat alles im Seven Sins angefangen…«

Alex tauschte kurz einen Blick mit Jochen. Jessy arbeitete als Bedienung in der genannten Tabledance Bar, wenn ihr Telefonsexjob und gelegentliche Übersetzungsarbeiten nicht genug abwarfen.

»Ich mache sowas normalerweise nicht, aber vor einiger Zeit hab ich da mit einem Typen angebandelt, der öfter vorbeikam«, sprach sie dann weiter. »Anfangs war alles fein, wir haben uns gut unterhalten, er war eigentlich ganz cool und hat mich dann auch mal eingeladen.« Alex nickte konzentriert und bedeutete ihr weiterzusprechen.

»Es gab ein paar Dates und na ja … es haben sich schon so ein paar Schmetterlinge im Bauch eingestellt!« Unwirsch schüttelte sie den Kopf. »Ach scheiße, eine Zeit lang habe ich ihn wirklich für meinen Mr. Big gehalten.« Kurz pausierte sie und starrte ins Leere. »Das Ganze ging für etwa zwei Monate so.«

Kurz überschlug Alex die letzten Wochen. Jessys Aussage deckte sich in etwa mit dem Zeitraum, in dem sie begonnen hatte, sich in der WG rar zu machen. »Lass mich raten, dann kam der Haken?«, soufflierte er langsam, da Jessy nicht den Eindruck machte, als ob die demnächst weitersprechen wollte. Sie musste sich kurz etwas aus dem Augenwinkel wischen und verschmierte damit einen Teil ihres Make-Ups. »Ja, genau das. Erst machte er so kleine Andeutungen, von wegen, ob man nicht mal einen Dreier machen könnte und dergleichen. Dann hat er auch erst so vorsichtig damit angefangen, ob ich mich auch für was anderes als Gras interessieren würde. Härteres Zeug eben.«

Kurz musste sie sich unterbrechen und räusperte sich den Hals frei. »Ab dem Zeitpunkt habe ich angefangen, etwas auf Distanz zu gehen, aber da war es schon zu spät.« Sie holte tief Luft. »Sergei wollte von Anfang an nix anderes, als mich seinem Stall hinzuzufügen.«

Im Gesicht Jessys arbeitete es nun deutlich, abermals biss sie sich auf die Lippen und hatte offensichtlich Mühe, die lange zurückgehaltenen Tränen zu unterdrücken. Jochen schüttelte verständnislos den Kopf. »Stall? Du meinst, der Kerl hatte mehrere Mädels am Start?«

Jessy wollte schon auffahren, aber Alex kam ihr zuvor. »Das heißt, dass der Kerl ein Zuhälter ist!«, antwortete er. Anschließend fragte er: »Lass mich raten, das Veilchen da hast du also ihm zu verdanken? Das ist dieser Kerl, der ein Nein nicht akzeptieren kann?« Unwillkürlich zuckte ihre Hand zu ihrem linken Auge, schließlich nickte sie aber. »Nicht ihm, aber Nikolai!«, druckste sie herum. »Er erledigt … Dinge … für Sergei.«

Alex trank einen Schluck Bier und beobachtete eine Weile den im Glas hin und her schwappenden Schaum. »Warum bist du nicht zur Polizei gegangen?«, kam von ihm schließlich die nächste Frage, auch wenn er glaubte, die Antwort schon zu kennen. Jessy schnaubte.

»Ich hab mitgekriegt, was passiert, wenn man aufmuckt. Der Kerl ist alles andere als ein Leichtgewicht. Ich hatte gehofft, noch die Kurve gekriegt zu haben, aber offensichtlich hab ich da doch etwas Vogel Straußgespielt.« Sie lächelte Alex zittrig an. »Steck den Kopf in den Sand und hoffe, dass alles nicht so schlimm ist, wie es aussieht.« Alex hatte dafür nur eine Antwort übrig. »Das war ziemlich dämlich, muss ich sagen!«

Jessy lachte bitter auf. »Was du nicht sagst! Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Wenn ich zur Polizei gehe, lässt mich Sergei wahrscheinlich umlegen. Der Kerl ist dicke mit der Russenmafia, wenn er nicht selbst dazu gehört. Und sonst kann ich nirgendwo hin!«

Alex legte den Kopf schief, presste die Fingerspitzen beider Hände aneinander und spreizte die Finger ab.

»Also willst du gar nichts tun? Lieber warten, bis dich Liebherz Nikolai zur Schicht abholt? Du hast in meinen Augen gar keine andere Wahl, als zur Polizei zu gehen!« Jochen nickte bekräftigend, hielt sich aber ansonsten mit verschüchtert wirkendem Gesichtsausdruck an seinem Glas fest.

Jessys Antwort verzögerte sich dadurch, dass den Dreien das Essen gebracht wurde, doch keiner rührte auch nur das Besteck an. Die ganze Zeit über starrte Alex Jessy reglos an und hatte das Gefühl, in ihr lesen zu können wie in einem offenen Buch. Er glaubte Angst zu sehen, Verwirrung, Selbstzweifel, Scham, all das stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben und unvermittelt kam noch Wut hinzu.

»Verdammt Alex!«, fuhr sie ihn an. »Du sitzt hier, machst einen auf coolen Mr. Ice und hebst den moralischen Zeigefinger. Geht es dir vielleicht in den Schädel, dass ich eine scheiß Angst habe?«

Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch von einem Augenblick zum anderen verrauchte ihre Wut wieder. Sie sank förmlich in sich zusammen, um stumm und hilflos auf das immer noch vor sich hin brutzelnde Steak zu starren, das vor ihr auf dem Teller ruhte.

»Alex hat Recht!«, ertönte nach einer Weile Jochens Stimme. »Du sagst es selber, mit diesen Leuten wirst du anders nicht fertig! Geh am besten gleich morgen früh, jeden Augenblick, den du länger wartest, wird es gefährlicher für dich!«

Sie schwieg und starrte dabei immer noch auf den Teller vor sich. »Ich pack das nicht!«, murmelte sie leise. »Gebt mir einfach ein Loch, in dem ich mich verkriechen kann, ja?!« Alex bemerkte derweil am Nachbartisch einen etwas älteren Herren, der inzwischen ganz ungeniert der Unterhaltung lauschte. Ein finsterer Blick von ihm reichte allerdings, um den Mann hastig zur Seite sehen zu lassen.

»Mach dir keinen Kopf, Jessy«, hörte Alex sich selbst sagen. »Wir kommen mit! Aber jetzt sollten wir gehen, wir unterhalten eh schon das ganze Lokal!« Mit gewisser Genugtuung beobachtete er, wie das Gesicht des Lauschers am Nachbartisch schlagartig einen deutlich erkennbaren Rotton annahm. Also sah er sich der nächsten Bedienung um, winkte sie heran. »Zahlen bitte!«

Als der Blick des Obers mit deutlicher Verwunderung zu den unangerührten Fleischstücken auf den Tellern wanderte, fügte Alex noch mit einem ausgesucht freundlichen Lächeln hinzu. »Und das Fleisch bitte einpacken, wir haben es etwas eilig!«

Acht

Подняться наверх