Читать книгу Acht - Andreas Michels - Страница 9
Оглавление2. Kapitel
Waterloo, Caen, Little Big Horn, Teutoburger Wald … Alex musste sich nicht viel Mühe geben, um weitere Umschreibungen des Gesprächsverlaufes zu finden. Jetzt wusste er einmal mehr, wie sich ein geschlagener Feldherr auf dem Heimweg fühlen musste. Er saß mit missmutiger Miene auf der hintersten Bank eines Stadtbusses und verfolgte die vorbeiziehende Stadtszenerie, ließ aber gleichzeitig das desaströse Gespräch geistig Revue passieren.
Natürlich hatte es für den Bus gerade so nicht mehr gereicht. Dementsprechend kam er dann auch gute zwanzig Minuten zu spät in dem Medienhaus an, in dem er sich vorstellen wollte. Dort befand sich die Ausbilderin bereits mit dem nächsten Bewerber im Gespräch, wie ihm trocken von einer Sekretärin mitgeteilt wurde. Alex musste somit eine weitere Dreiviertelstunde mit Warten zubringen, wobei er sich dabei seines desolaten Erscheinungsbildes nur zu bewusst war.
Schließlich bat man ihn herein, doch den Verlauf des Gesprächs konnte er bestenfalls als hölzern bezeichnen.
Also würde es wieder nichts mit der Stelle werden! Etliche gescheiterte Bewerbungsgespräche machten ihn inzwischen zum Experten für alle nur denkbaren Betonungsarten des Satzes »Wir melden uns!«
Das distanzierte Lächeln und ein flüchtiger Händedruck der Teamleiterin genügten Alex für die Gewissheit, dass diese Meldung höchstwahrscheinlich in Form seiner zurückgeschickten Bewerbungsunterlagen erfolgen würde. Wenn überhaupt.
Während der Bus eine der zahllosen Brücken über die Donau befuhr und sich damit der Altstadt näherte, versank Alex weiter in Grübelei. Lange schon konnte er nicht mehr genau sagen, wie viele Bewerbungen er inzwischen abgeschickt hatte. Egal ob es sich dabei um Studienfächer oder ganz normale Ausbildungsberufe handelte, nichts funktionierte! Fast schien es, als ob es in der Stadt keine Verwendung für einen sechsundzwanzigjährigen Abiturienten gab, der kurz vor Abschluss seines Geschichtsstudiums hingeschmissen hatte.
Bevor er aussteigen musste, kramte er Kopfhörer heraus, die er in sein Smartphone steckte. Bald war er auf dem Heimweg, doch auch die hämmernde Rockmusik konnte seine düstere Stimmung nicht aufbessern. Wie so oft zuvor schon, begann er mit sich selbst und der Vergangenheit zu hadern. Das Studienfach Geschichte, genauer gesagt ur- und frühgeschichtliche Archäologie, konnte man mit Fug und Recht als brotlose Kunst ansehen, egal wie sehr er sich auch dafür begeistern mochte.
Nach einigen schmerzhaften Erfahrungen zog er die sprichwörtliche Notbremse und beendete das Studium vorzeitig, sehr zum Verdruss seiner Eltern. Harte Worte fielen an jenem Nachmittag, bis schließlich eine zugeworfene Wohnungstür den finalen Schlusspunkt unter den entbrannten Streit mit seinen Eltern setzte. Seit diesem Tag gab es keinerlei Kontakt mehr, genauso wie auch jegliche finanzielle Unterstützung weggefallen war. Hatte er sich mit all den Jobs bislang nur ein Zubrot verdient, so musste er nun auf einmal jeden Cent für seine Miete, Essen und dergleichen zweimal umdrehen.
Seit diesem jähen Erwachen versuchte Alex, wieder die Füße auf den Boden zu bekommen, doch bislang ohne Erfolg.
An der Haustür zog Alex wenig später mit einem innerlichen Seufzen seine Schlüssel aus der Tasche und machte sich auf den Weg nach oben in die Wohnung. Dort angekommen, warf er die Eingangstür mit der Ferse zu und war schon unterwegs in Richtung seines Zimmers, als ihn ein langgezogenes und offenkundig erregtes Stöhnen innehalten ließ.
Nach kurzer Denkpause schüttelte Alex nur den Kopf und marschierte weiter den Flur entlang. Auf Höhe von Jessy´s offenstehender Zimmertür warf er im Vorbeigehen einen Blick hinein, um dort alle Erwartungen bestätigt vorzufinden. Seine Mitbewohnerin saß in ihrem Schreibtischsessel, die langen Beine unter dem Körper zum Schneidersitz gefaltet. Eben stöhnte sie erneut wollüstig in das Mikrophon ihres Headsets, während sie gleichzeitig irgendeinen Shooter auf dem vor ihr auf dem Schreibtisch stehenden PC spielte. Kurz hob sie eine Hand von der Tastatur, winkte ihm grinsend zu, um dabei ihrem Gesprächspartner mit rauchiger Stimme zu versichern, wie sehr er sie doch gerade verwöhnte.
Alex hatte nach seinem Einzug zunächst eine Weile benötigt, um sich an die Tatsache zu gewöhnen, dass Jessy sich einen Teil ihres Einkommens mit Telefonsex verdiente. Mit der Zeit und einigen mitangehörten Sitzungen, wandelte sich seine dahingehende Haltung erst von abgestoßen-verwundert zu erheitert und letztlich hin zu gelangweilt. Denn Jessy hatte durchaus Recht mit ihrer Aussage, dass diese Anrufe im Endeffekt immer wieder nach dem gleichen Strickmuster verliefen und somit nach einer Weile einfach nur noch öde wurden. Ob ihre Kunden allerdings Jessys digital-brachiale Nebentätigkeit gutheißen würden, stand auf einem ganz anderen Blatt Papier.