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Prolog

Versonnen betrachtete Professor Alexei Sorokin den Regen, der in stürmischen Wogen gegen die Fensterscheibe seines Büros prasselte. Eine Straßenlaterne spendete vor dem Gebäude gerade noch genug Licht, um das Ausmaß des Wolkenbruchs erkenntlich zu machen, der über Sankt Petersburg nieder ging. Ein typischer Frühlingsabend in Russland eben. Doch egal, wie sehr er auch nachdachte, für sein aktuelles Problem fand er keine Lösung.

Ein jähes Telefonklingeln zerriss die Stille im Raum und ließ Sorokin erschreckt auffahren. Reflexhaft griff er zum Hörer, um ein ärgerliches »Ja?« in die Sprechmuschel zu bellen.

»Guten Abend, Herr Professor!«, grüßte ihn eine akzentschwere Stimme in seiner Muttersprache. »Haben Sie über mein Angebot nachgedacht?«

Jäher Zorn wallte in Sorokin auf. »Mehr als das, was ich Ihnen bereits gesagt habe, werden Sie von mir nicht erfahren, egal was Sie mir bieten!« Ohne auch nur auf eine Antwort zu warten, knallte er den Hörer zurück auf die Gabel, schloss die Augen und atmete tief durch. Es dauerte dennoch eine ganze Weile, bis sein Ärger über den aufdringlichen Schnösel wieder verrauchte.

»Einen noch ...«, murmelte Sorokin schließlich mit brüchiger Stimme, um anschließend zum wiederholten Male an diesem Abend die zweite Schublade seines Schreibtisches zu öffnen, in der sich nur eine halbvolle Flasche Wodka und ein Glas befanden. Mit leicht zitternden Händen schenkte er sich ein, prostete seinem Spiegelbild in der Fensterscheibe zu und kippte die klare Flüssigkeit in einem Zug.

Nach einem kurzen Hustenanfall wandte sich der alte Mann erneut dem Manuskript zu, über dem er nun schon seit mehreren Stunden saß. Immer wieder fuhr er sich mit der Hand über den Bart und konnte seine Augen nicht von dem lateinischen Text nehmen, der aus der Feder eines Franziskanermönches von vor fast vierhundert Jahren stammte.

Eine halbe Stunde später gab er es schließlich auf, die einzelnen Seiten sortieren zu wollen und zog sich mit einem frustrierten Schnauben die Schutzhandschuhe aus. Beide landeten auf seiner Schreibtischplatte, direkt neben der ihn immer noch anlächelnden Flasche.

»Morgen ist auch noch ein Tag!«, brummte er, warf den Pergamentstapeln einen verdrießlichen Blick zu und erhob sich. Sein Weg führte ihn zu der einfachen Garderobe, doch auf halbem Weg ließ ihn das erneute Schellen des Telefons innehalten.

»Wenn das jetzt wieder du bist, dann ...«, knurrte der Professor, während er schon zum Schreibtisch zurück hastete. »Was?«, fauchte er. Und tatsächlich ertönte ein weiteres Mal die Stimme des Unbekannten. »Ich schätze eine gute Unterhaltung vor allem dann, wenn sie zivilisiert geführt wird. Leider enttäuschen Sie in dieser Hinsicht!« Eine kurze Pause folgte, in der Sorokin aus dem Hörer nur das Prasseln des Regens vernahm. »Sehen Sie aus dem Fenster! Ich komme jetzt zu Ihnen, dann werden wir uns gebührend unterhalten!«

Dieses Mal wurde der Anruf von der Gegenseite unterbrochen.

Der Historiker konnte nicht anders: Er eilte zum Fenster und versuchte durch die Wasserschlieren etwas zu erkennen, die immer noch an dem Glas herunterliefen. Erst, als der Mann in den Schein der Straßenlampe trat, konnte Sorokin ihn erkennen. Jäh weiteten sich seine Augen vor Schrecken.

Acht

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