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Weihnachtsmarmelade

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»Tammo Tjarksen ist ein Dreckskerl. So einen Abgang hätte ich ihm zwar nicht gewünscht, aber irgendwie musste das mal so enden. Verstehen Sie das?«

»Nee, versteh ich nicht. Erklären Sie mir das mal näher«, antwortete Gerrit Roolfs und trank einen Schluck. Der lauwarme Kaffee schmeckte bitter und sauer. Er musste schon etliche Stunden in der Thermoskanne gestanden haben. Roolfs löffelte Zucker in seinen Kaffeebecher und füllte ihn bis zum Rand mit Kondensmilch auf.

»Ich hatte ein Geschäft in Greetsiel und eins in Norddeich«, erzählte Siemers. »Ostfriesische Spezialitäten, so etwas für die Urlauber. Auch viele Einheimische kauften das gern: Marmeladen aus Hagebutten und Sanddorn, Gebäck, hausgemachte Wurst und Grünkohl in Weckgläsern, Räucherfisch und all solche Sachen. Der Renner war meine ostfriesische Weihnachtsmarmelade mit Orangen, Äpfeln, Pflaumen. Dazu ein schönes Teearoma, ein guter Schuss Rum und eine Handvoll Weihnachtsgewürze. Das hab ich selber erfunden, und was da sonst noch reinkam, das weiß kein Mensch. Das hat auch Tammo Tjarksen nicht herausgekriegt.«

Ulrich Siemers grinste und drehte sich mit seinen gelbbraun gefärbten Fingern eine neue Zigarette. »Ich bin gelernter Koch und Konditor. Ich versteh mein Handwerk. Aber ich bin kein guter Geschäftsmann. Das machte immer meine Frau. Ich kümmerte mich um gute Ware. Die meisten Waren stellten wir selbst her. Mein Schwager machte den Norddeicher Laden, und ich war in Greetsiel. Es ging immer alles ums Geschäft. Das war unser Leben. Eines Tages hatte meine Frau die Schnauze voll und ging von mir weg. Dann gab es Krach mit meinem Schwager, und alles ging den Bach runter. Schlechtes Personal, Pech mit der Buchführungsfirma und zweimal nacheinander eine verregnete Sommersaison.«

Er sah zum Fernseher, wo eine dicke Jugendliche gerade von einem athletischen jungen Mann beschimpft wurde.

»Und dann kam Tjarksen?«, fragte Roolfs.

»Dann kam Tjarksen und räumte ab«, bestätigte Siemers und nickte. »Die Bank wollte mir keinen Kredit mehr geben, und Tjarksen bot mir einen Vertrag an. Wir sollten jetzt Partner werden, und er wollte mich ganz groß rausbringen. Ich war damals ziemlich unten: Alkohol und so. Ich hab das unterschrieben, und auf einmal war ich in meinem eigenen Laden nur noch ein Angestellter. Und als ich die Trinkerei nicht in den Griff bekam, war ich gefeuert. Gefeuert aus meinem eigenen Laden!« Ulrich Siemers’ Stimme überschlug sich. Er trank einen Schluck Kaffee. »Entschuldigen Sie. Wie war noch mal Ihr Name? Ich hab das vorhin nicht genau verstanden.«

»Roolfs.«

»Herr Roolfs, ich bin inzwischen trocken. Dieses Haus hier habe ich in den guten Zeiten gekauft. Es ist alles abbezahlt. Und als Abfindung für die beiden Geschäfte bekomme ich aus dem Vertrag mit Tjarksen jeden Monat Geld, so eine Art Rente. Es ist nicht viel, aber es langt für mich.«

»Sie haben Tjarksen damals Drohbriefe geschrieben«, stellte Gerrit Roolfs fest. »Wir haben sie in Tjarksens Schreibtisch gefunden.«

»Das stimmt. Für mehr reichte mein Mut damals nicht. Aber das ist lange her. Fast acht Jahre. Jetzt ist das alles nicht mehr zu ändern. Was soll ich davon haben, dass er jetzt tot ist?«

»Rache?«

»Ist was für Krimis. Aber nicht für mich. Ich habe mich damit abgefunden. Darf ich den Brief noch mal sehen?«

»Natürlich, ich habe alle dabei.«

»Wieso alle? Ich habe nur einen geschrieben.«

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