Читать книгу Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband) - Andreas Brandhorst - Страница 14
ОглавлениеKapitel 9
Die BANDIKOT fiel aus dem Linearraum.
Die Orter und Taster nahmen ihre Tätigkeit auf. Lifkom Tremter verfolgte, wie Reflexe auf den Schirmen aufflammten. Viele hunderte einzelne Punkte, willkürlich verstreut über ein Gebiet von mehreren Lichtstunden Durchmesser. Es waren die Schiffe der oxtornischen Heimatflotte, die vor der BANDIKOT aufgebrochen waren. Sie leuchteten in freundlichem Grün.
Dann erschien ein neuer Reflex, ein roter Ball, um ein Vielfaches größer. Was war das? Während der Terraner sich die Frage stellte, zoomte das Bild heran. Der Ball zerfiel in eine unübersehbare Menge von Punkten, als blicke Tremter auf einen Sternhaufen. Lifkom verstand. Es musste sich um die – Lifkom tastete in Gedanken nach Worten – handeln. Die Fremden? Eindringlinge? Feinde? Noch hatte sich keine Bezeichnung für sie gefunden.
»4237 Schiffe«, sagte Talina. »Wenn man sie so nennen kann.« Lifkom wartete vergeblich darauf, dass sie einen persönlichen Kommentar, einen Scherz anhängte. Die Oxtornerin war ungewöhnlich ernst. Lifkom hatte sie seit ihrer ersten Begegnung nicht mehr so gesehen.
»Sie sehen nicht schlimmer aus als Fragmentraumer der Posbis«, entgegnete Modesto.
Talina schwieg. Modestos Bemerkung überzeugte sie ebenso wenig wie Lifkom. Auf den ersten Blick glichen die Raumer, die vor ihnen mit der Geschwindigkeit von wenigen Kilometern pro Sekunde durch den Sternhaufen Praesepe glitten, verblüffend den Schiffen der Roboter von der Hundertsonnenwelt. Keinerlei System schien den Posbiraumern zugrunde zu liegen; sie bildeten Konglomerate aus Stahl, wie willkürlich zusammengesetzt aus der Ausbeute eines Schrotthaufens. Nur: Posbiraumer wirkten lediglich chaotisch. Menschen mit ihren beschränkten Sinnen war es verwehrt, das genau ausgeklügelte System hinter der vermeintlichen Unordnung zu erkennen. Tatsächlich aber gab es nichts an einem Posbiraumer, was nicht das Ergebnis einer gründlichen Planung gewesen wäre.
Diese merkwürdige Flotte dagegen ... Talina rief die Daten aus dem Rechnerverbund der Oxtornerschiffe ab, in den sich die Positronik der BANDIKOT automatisch eingeklinkt hatte. Das Ergebnis war eindeutig: Die Form der fremden Schiffe war das Produkt eines Zufalls. Eines gewalttätigen Zufalls. Die Rümpfe der Schiffe glichen Trümmerlandschaften, Bergen und Tälern aus geschwärztem, verbogenem, gequältem Stahl. Tiefe Einschnitte durchzogen sie, Wunden, gerissen vom Einsatz schwerer Waffen und von Explosionen. Stahlträger standen ab wie in hilflosem Zorn vorgereckte Gliedmaßen.
Die einzige Gemeinsamkeit mit Posbiraumern, die Lifkom feststellen konnte, war die längliche Form, in etwa keilförmig. Und die Form einzelner Schotte, die hier und da sichtbar waren. Sie waren neuneckig.
»Übel zugerichtet«, sagte Talina. Die Oxtornerin hatte eine Hand auf den Kontrollen des Ortungspults, die andere streichelte den Okrill. Sie rieb das Froschwesen so hart, dass Hautschuppen abplatzten und zu Boden rieselten. Das Tier japste, ob wohlig oder protestierend, war für Lifkom nicht festzustellen. »Ich frage mich, wer das getan hat.«
»Jemand mit einer Menge Feuerkraft. Über 4000 Einheiten, böse zusammengeschossen. Die Reste. Viele andere müssen in der Schlacht, aus der diese Flotte kommt, vernichtet worden sein. Vielleicht tausende.«
Über 4000 Einheiten in diesem Verband, rechnete Lifkom. Schiffe aller Größenklassen bis hinauf zu etwa tausend Metern Länge. Dem, was von einem weit größeren Verband übrig geblieben sein musste. Dezimiert von einem Gegner, der vermutlich in der Überzahl gewesen war, mindestens aber vergleichbare Stärke besessen hatte. Das machte mutmaßlich über zehntausend Schiffe – nur die Wachflotte des Solsystems versammelte innerhalb der Liga mehr Einheiten auf so engem Raum.
Und die Oxtorner? Vier weitere Einheiten waren in der Zwischenzeit aus dem Linearraum gefallen. Machte 472 Schiffe. Viel mehr würden es nicht werden. Die Vorgabe der LFT für die oxtornische Heimatflotte betrug 300 Einheiten. Dazu kamen etwa 200 ältere Einheiten von verschiedenen Welten der Praesepe-Koalition, ebenfalls von Oxtornern bemannt, und in Notsituationen der Heimatflotte angegliedert. Ging man davon aus, dass sich zwischen fünf und zehn Prozent der Schiffe – ein eher niedrig angesetzter Wert – zu Wartungsarbeiten in Werften befanden, würden sie keine nennenswerte Verstärkung mehr erhalten ... wie man es auch immer drehte und wendete: Sollte es zu einer Konfrontation mit der fremden Flotte kommen, würden die Oxtorner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Kürzeren ziehen.
Sollte es. Lifkom wiederholte die Worte langsam in Gedanken. Er gab sich haltlosen Spekulationen hin. Sicher, die fremden Schiffe machten einen düsteren Eindruck, die narbenübersäten Rümpfe wollten nicht zu einer friedlichen Forschungs- oder Handelsflotte passen. Aber dieser erste Eindruck mochte – musste – täuschen. Gut möglich, dass die Fremden überfallen worden waren. Dass sie die Opfer einer Aggression darstellten, nicht die Täter. Das war die Annahme, von der sie ausgehen mussten. Bis zu dem Zeitpunkt, da etwas geschah, was sie widerlegte. Das diktierten ihm der gesunde Menschenverstand und sein Selbstverständnis als Diplomat.
»Funkaktivität?«, fragte Modesto, der ähnliche Überlegungen zu verfolgen schien.
»Keine.«
»Möglicherweise sind ihre Funkanlagen gestört.«
Oder sie versuchen, sich zu verbergen, dachte Lifkom. Sie ...
Eine laute, fremde Stimme schnitt den Strom seiner Gedanken ab. Sie hallte aus Dutzenden, über die Zentrale verteilten Akustikfeldern. »Hier spricht Deshwan Jankoff, Interimskommandant der oxtornischen Heimatflotte. An alle Einheiten.«
Das Porträt eines Oxtorners entstand in der Zentralemitte. Es war ein faltiges, ausgemergeltes Gesicht mit kleinen, tief in den Höhlen sitzenden Augen. Lifkom wurde an einen Totenschädel erinnert. In gewisser Weise traf das auch zu: Der Mann – es musste sich um Jankoff handeln – war uralt. Monate, vielleicht nur Wochen trennten ihn vom Tod. Es war der älteste Oxtorner, den der terranische Botschafter jemals erblickt hatte. Es gab nicht viele von ihnen, und die wenigen Alten, die es gab, lebten zurückgezogen. Sonderlinge, für die ihre Mitmenschen bestenfalls geringes Verständnis aufbrachten.
Für Oxtorner war das Altern eine Qual. Das Schwinden der Kräfte, die unvermeidlichen Abnutzungserscheinungen und Alterskrankheiten, der langsame Verfall des Körpers setzte denen, die keine Grenzen zu kennen glaubten, über alle Maßen zu. Die meisten Oxtorner zogen den Freitod diesem aussichtslosen Ringen vor. Wie hoch der Anteil war, wusste niemand zu sagen, und Lifkom schien es, dass es auch niemand wissen wollte. Altern war das große Tabu der Oxtorner. Niemand sprach darüber, nicht beiläufig und schon gar nicht vorsätzlich.
Fühlte ein Oxtorner das Alter herannahen, behielt er seine Erkenntnis für sich. Er stürzte sich mit neuer Entschlossenheit in die Spiele, die rasch zu Verbitterung verkam, wenn er feststellte, dass seine Leistungen nicht mehr an die seiner besten Tage heranreichten. Verbitterung mündete in den Ehrgeiz, es sich und der Welt noch einmal zu beweisen, und dieser schließlich in einen ehrenhaften Tod: Der Oxtorner starb in dem Ringen mit den Elementen, die sein Lebenselixier ausgemacht hatten.
Dass Deshwan Jankoff diesen Weg offenbar nicht gewählt hatte, war ungewöhnlich, dass er an die Öffentlichkeit trat, unerhört.
»Ich rufe alle Einheiten!«, wiederholte der alte Mann. Fordernd.
Spannung erfüllte die Zentrale. Lifkom versuchte, aus den Gesichtern der Oxtorner zu lesen. Vergeblich. Sie waren verschlossen, selbst die Augenbrauen, die für gewöhnlich immer in Bewegung waren, gaben ihm keinen Aufschluss darüber, was in ihnen vorging. Es musste eine Menge sein, ein Aufruhr. Ein alter Mann als Anführer? Nach allem, was Lifkom über die Oxtorner wusste, war es undenkbar. Doch auf der anderen Seite glotzte der Totenkopf auf sie herab. Jankoff hatte sich an die Spitze der Flotte gekämpft, bereits das stellte eine Unmöglichkeit dar. Was ...?
Modesto beugte sich vor und sprach in ein Akustikfeld: »Schwerer Kreuzer BANDIKOT zu deiner Verfügung, Deshwan Jankoff.«
Lifkom glaubte, nicht richtig zu hören.
Der alte Oxtorner im Holo lächelte, entblößte das Gebiss. Es war vollzählig, aber das Zahnfleisch hatte sich so stark zurückgezogen, dass die Hälse der Zähne bloß lagen. »Ich danke euch für euer Vertrauen. Ich werde mein Bestes geben, euch nicht zu enttäuschen.« Er verneigte sich leicht. »Zur Lage: Alle Versuche, Funkkontakt mit der fremden Flotte aufzunehmen, sind bislang erfolglos geblieben. Mein Flaggschiff, die ILLEMA, wird diese Versuche bis auf weiteres fortsetzen, auf allen Frequenzen und im Hyper- wie Normalfunk. Ich erwarte keinen Erfolg, aber es wäre töricht, die Versuche zu unterlassen. Denn auch wenn man uns nicht antwortet, müssen wir davon ausgehen, dass unsere Anstrengungen von der anderen Seite registriert werden. Möglicherweise legen wir damit die Grundlage zu einer späteren Verständigung. An uns soll sie jedenfalls nicht scheitern.«
Jemand musste den alten Oxtorner von außerhalb des Erfassungsbereichs der Kamera ansprechen. Er wandte sich ab, gab einige Befehle – Lifkom konnte nicht hören, welche, nur dass sie knapp ausfielen – und blickte wieder in die Kamera.
»Festzustellen ist jedoch, dass diese Fremden ohne Autorisierung in unser Territorium eingedrungen sind«, fuhr Jankoff fort. »Das können wir nicht zulassen. Der Zustand der Schiffe zeigt deutlich, dass es sich bei dieser Flotte um eine militärische handelt, möglicherweise um die Vorhut einer viel größeren Streitmacht. Das Ausmaß des Schadens, den selbst eine Flotte von der Stärke, der wir im Augenblick gegenüberstehen, anrichten kann, brauche ich nicht in Einzelheiten auszumalen.«
Die Schlussfolgerungen des alten Oxtorners waren von bestechender Logik, dennoch rührte sich in dem terranischen Botschafter Widerstand gegen das, was er hörte. Konsequent zu Ende gedacht ...
Jankoff kam seinen Gedanken zuvor. »Deshalb müssen wir schnell handeln«, sagte der alte Oxtorner. »Die Positronik der ILLEMA sendet in diesem Augenblick verschlüsselte Kursanweisungen an alle Einheiten. Sobald wir die Gefechtsformation gebildet haben, greifen wir an.«
Lifkom stockte der Atem. Angreifen? Einfach so? Ohne dass diese Fremden auch nur im Ansatz eine feindselige Geste gemacht hätten? Das durfte nicht sein. Ohne – und das war vielleicht der Punkt, der ihm, dem Diplomaten, am meisten gegen den Strich ging – einen ernsthaften Versuch unternommen zu haben, Kontakt mit ihnen aufzunehmen? Absurd!
Er blickte sich hilfesuchend in der Zentrale um. Die Oxtorner waren wie erstarrt, offenbar ebenso überrascht wie er über das Vorpreschen des alten Mannes, der es zu ihrem Kommandanten gebracht hatte. Einen Augenblick lang glaubte Lifkom einem Spuk beizuwohnen. Einer geisterhaften Verirrung, die hinweggefegt würde von der Empörung der Oxtorner, der Erkenntnis, dass sie sich einen schießwütigen Verrückten als Anführer ausgewählt hatten.
Dann war der Augenblick vorüber. Die Oxtorner schrien auf wie ein Mann – und machten sich fieberhaft daran, Jankoffs Befehle auszuführen.
»Talina, was macht ihr da?«
»Uns auf den Angriff vorbereiten, Dummerchen. Was dachtest du? Dass wir uns aus dem Staub machen?« Die Oxtornerin beugte sich über ihr Pult, sah Lifkom nicht einmal an, als sie mit ihm sprach.
»Aber ...« – der Botschafter rang nach Luft – »... aber das könnt ihr doch nicht machen! Die Fremden haben euch nichts getan!«
»Sie sind in unser Gebiet geplatzt. Ist das nichts?«
»Nein. Aber das ist doch kein Grund, gleich ...«
»Was erwartest du von uns? Sollen wir in unseren Schiffen hocken und darauf warten, dass diese Fremden die Initiative ergreifen? Darauf, dass sie angreifen oder einfach wieder verschwinden und woanders wieder auftauchen, über Oxtorne vielleicht? Oder sich bequemen, endlich auf unsere Funksprüche zu reagieren? Sollen wir wie Terraner auf der Couch hocken und Däumchen drehen?«
Es war das Letzte, was sie zu Lifkom sagte. Aber sie hatte ihm ohnehin schon alles gesagt, was er zu wissen brauchte. Wie Terraner. Terraner würden versuchen zu verhandeln, eine Verständigung herbeizuführen. Oxtorner ... Oxtorner hatten nichts gegen Verhandlungen einzuwenden. Sie waren keine blinden Schläger, keine mitleidslosen Killer. Sie waren lediglich sehr ungeduldige Umweltangepasste, die es nicht gewohnt waren, dass sich ihnen jemand in den Weg stellte. Und sie glaubten an das Individuum. Jedes Wesen traf seine eigenen Entscheidungen, war verantwortlich für ihre Folgen und musste seinerseits die Folgen für sich selbst in Kauf nehmen.
Zog man diese Faktoren in Betracht, mutierte die Situation, die dem Berufsdiplomaten Lifkom Tremter als höchst komplex erschien, zu einer simplen Gleichung: Die Fremden hatten beschlossen, in das Territorium der Oxtorner einzudringen, sie missachteten die Deeskalationsangebote – also hatten sie sich selbst die Suppe eingebrockt, die sie auslöffeln mussten.
Eine Suppe, die es in sich hatte. Gefangen in seinen sich überschlagenden Gedanken verfolgte der Botschafter, wie die Klarmeldungen des Feuerleitschützen hereinkamen. Die BANDIKOT verfügte über sechs Transformkanonen. Jede von ihnen feuerte Geschosse eines Kalibers, das einen erdgroßen Planeten vernichten konnte. Dazu kamen mehrere MHV- und Impulsgeschütze und ein Schwarm von Raumtorpedos. Lifkom spürte, wie der Boden unter ihm vibrierte, als die Kraftwerke des Kreuzers auf Maximalleistung schalteten. Ihm war, als vibrierte selbst die Luft in der Zentrale, in Schwingungen versetzt von den Oxtornern, die dem Gefecht wie einem ihrer Spiele entgegensahen. Gelöst und zugleich mit dem Ernst und der Gewissenhaftigkeit eines Sportlers, der sich auf einen wichtigen Wettbewerb vorbereitet.
Die Orterreflexe auf dem Zentraleholo kamen in Bewegung. Die willkürlich verstreuten Punkte der oxtornischen Heimatflotte formierten sich zu einer Reihe von Pulks. Deshwan Jankoff wollte die Fremden von mehreren Seiten zugleich angreifen. Nicht mehr lange, höchstens noch ein paar Minuten, und die oxtornische Heimatflotte würde ihre Angriffspositionen erreicht haben. Und dann ...
Lifkom legte eine Hand auf Talinas Arm. Ein kalkulierter Übertritt. Die beiden berührten einander nie. Er war ein älterer Terraner auf seinem letzten Posten vor dem Ruhestand, sie eine junge Oxtornerin. Die Anziehung, die zwischen ihnen existierte, beruhte auf der Faszination des Fremden, des Verschiedenseins, nicht auf sexuellen Motiven.
Die Oxtornerin ruckte hoch. »Was ist?«
»Ihr wisst nicht, was ihr tut.«
»Hast du Angst, Kleiner?«
»Nein!«
»Was willst du dann von mir? Gleich beginnt der Angriff, ich habe keine Zeit für ein Schwätzchen. Hinterher, okay?« Talina schenkte ihm ein Lächeln, wie man es einem Kind verpasste, das störte und nicht in der Lage war, zu begreifen, was vor sich ging.
»Nein! Wer sagt dir, dass es ein Hinterher gibt? Diese Fremden könnten uns mit einem Feuerschlag vernichten!«
»Wie kommst du auf so düstere Gedanken? Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du bist bei uns.«
Bei uns Oxtornern. Sie brauchte es nicht auszusprechen.
Eben! Lifkom beließ seine Antwort ebenfalls unausgesprochen. Er hatte genug Oxtorner sterben sehen, bei ihren Spielen, den verrückten Wettbewerben, die ihm zugleich Respekt und Fassungslosigkeit abrangen. Er hatte sich an sie gewöhnt, sie als gegeben akzeptiert, eine Laune der Einheimischen. Er, der Diplomat, hatte sich im Lauf seiner Karriere mit vielen Launen arrangieren müssen. Es war nicht so schwer, nach den ersten paar Malen. Man musste die Einheimischen machen lassen und sich eines Kommentars enthalten, in Worten und – wollte man bei geistiger Gesundheit das Ende seiner Diplomatenlaufbahn erreichen – ebenso in Gedanken.
Doch hier saß er nicht auf der Zuschauerbank. Lifkom hatte ein anderes Ende für sich anvisiert, als mit einem Trupp wildgewordener Oxtorner in eine überflüssige Schlacht zu galoppieren. Und es ging nicht nur um sein eigenes Leben, sondern um das vieler tausender Oxtorner und einer unbekannten Zahl von Fremden. Er konnte nicht einfach tatenlos mit ansehen, wie sie starben.
»Natürlich«, sagte er. »Ich bin bei dir. Und das ist gut so.« Er lächelte sie verschwörerisch an. Eine bewusste Anspielung auf das, was sie beide verband. Vielleicht gelang es ihm so, zu ihr vorzudringen, an dem Denken ihres Volkes vorbei.
»Ich passe schon auf dich auf«, versicherte sie ihm. »Ich passe immer auf dich auf. Das weißt du doch.« Sie erwiderte sein Lächeln.
»Ja, du schon. Aber ...«
»Ich weiß, was du sagen willst. Modesto. Du magst ihn nicht, oder? Mach dir deshalb keine Sorgen. Er ist ein guter Mann, du kannst ihm vertrauen.«
»Es ist nicht Modesto. Deshwan Jankoff, der Interimskommandant, macht mir Sorgen. Er hat kaum seinen Rang errungen, schon gibt er den Angriffsbefehl. Das scheint mir zumindest ... sagen wir ... überhastet.«
»Deshwan war mit der Erste an Ort und Stelle. Er hat die Lage seit einiger Zeit analysiert.« Talina schüttelte den Kopf. »Es ist etwas anderes, nicht? Sein Alter.«
»Nein. Nein, es ...«
»Du bist immer für eine Überraschung gut, was? Ausgerechnet ein Terraner, dessen Volk nichts anderes im Kopf hat, als möglichst alt zu werden, rümpft die Nase über einen alten Mann!«
»Du musst zugeben, dass er nicht gerade vertrauenerweckend wirkt!«
Sie lachte beinahe. »Das stimmt. Er sieht aus wie der Tod persönlich. Aber glaub mir, Lifkom, der Schein trügt. Deshwan Jankoff ist das Leben, die Zukunft.«
»Was willst du damit sagen?« Der Botschafter hatte noch nie von dem alten Oxtorner gehört. Nicht ungewöhnlich, handelte es sich bei ihm um einen gewöhnlichen Mann. Höchst ungewöhnlich, handelte es sich bei ihm um einen ungewöhnlichen Mann. Auch wenn es die Terranische Residenz niemals öffentlich einräumen würde, hatten die Botschafter selbstverständlich die Vorgabe, zu beobachten und zu berichten.
»Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie dir später.«
Die oxtornische Heimatflotte hatte Gefechtsposition eingenommen. Jankoffs Totenkopf erschien im Zentraleholo. »Angriff in sechzig Sekunden!«, befahl er.
Überschwänglicher Jubel antwortete ihm, gefolgt von konzentrierter Stille. Lifkom verfolgte, wie der Feuerleitschütze die Ziele für die erste Salve festlegte. Die BANDIKOT würde im Verbund mit drei weiteren Kreuzern eine der größten Einheiten der Fremden angehen, einen Giganten von tausend Metern Länge.
Es war Wahnsinn. Völliger Wahnsinn. Vielleicht gelang es den Kreuzern, den Giganten niederzuringen. Doch was hätten sie damit schon gewonnen? Der Botschafter zählte in unmittelbarer Nähe des ins Visier genommenen Fremden mindestens drei Dutzend weitere Schiffe desselben Typs. Gegen wie viele konnte die BANDIKOT bestehen, bis der Gegner sie ins Visier nahm?
Er musste die Oxtorner aufhalten.
Nur wie?
Niemand nahm Notiz von ihm, nicht einmal mehr Talina. Er hätte mit Gewalt dazwischen gehen müssen, ein lächerliches, aussichtsloses Unterfangen. Ergriffe er Modestos Arm, selbst den verletzten, der Oxtorner würde ihn wie eine Fliege beiseite wischen. Und was brächte es schon? Die BANDIKOT war nur eines von knapp 500 Schiffen. Er konnte sie nicht aufhalten. Das konnte nur Jankoff, und der Interimskommandant würde ihn nicht einmal anhören. Lifkom schätzte Talina und ihr Urteilsvermögen, aber in diesem Fall ... der alte Oxtorner machte ihm Angst.
Die Sekunden verstrichen.
Nein, er war machtlos. Was immer er tat, würde ohne Wirkung bleiben. Ihm blieb nur zu hoffen. Auf ein Wunder. Darauf, dass die Fremden sich auf kein Gefecht einließen. Oder, noch ein größeres, dass die Oxtorner zur Vernunft kamen. Oder ...
Ein neues Holo erschien in der Zentrale. Es zeigte ein scharf konturiertes, willensstarkes Gesicht. Entschlossene graue Augen nahmen Lifkom, die Zentralebesatzung, jeden einzelnen Oxtorner der Flotte in ihr Visier.
»Hier spricht Perry Rhodan an Bord des Schlachtschiffs IMDABAN«, sagte der Mann. »Als Terranischer Resident steht mir das Oberkommando über alle Einheiten der Liga zu – und ich befehle den sofortigen Abbruch dieses Angriffs.«