Читать книгу Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband) - Andreas Brandhorst - Страница 16
ОглавлениеKapitel 11
LFT-Einheit LUCKY JIM
20. April 1341 NGZ, 07:53 Bordzeit
Vernehmung: Yun, Eingeborener der Kolonialwelt Snowflake
Vernehmungsgegenstand: Snowflake/Shon Leehan
Vernehmender Spezialist: Wilton Dolson
DOLSON: Guten Morgen, Yun.
YUN: [Schweigt.]
DOLSON: Willst du nicht mit mir sprechen?
YUN: [Knurrt.]
DOLSON: Das ist schade. Ich dachte, jetzt, wo du ausgeruht ...
YUN: Ausgeruht? Willst du mich verscheißern?
DOLSON: Du hast beinahe 60 Stunden geschlafen. Wenn du danach nicht ausgeruht bist, wonach dann?
YUN: Nach Wochen! Ist das so schwer zu kapieren? Ich bin ein F-L-A-K-I-E, kein Mensch. Ich schlafe anders als ihr und die Kuppler. Mann, gibt es auf diesem verdammten Monsterkahn niemanden, der clever genug zum Schneeschippen ist?
DOLSON: Deine Beleidigung habe ich nicht gehört. Und ja – wir sind nicht ganz dumm. Wir haben unsere Datenbank, schon vergessen? Wir haben sie aus dem Rechnerpool der Evakuierungsflotte ergänzt. Dort steht auch etwas über euch Flakies. Zum Beispiel, dass Vierte längere Schlafperioden einlegen als Terraner. Bis zu Wochen oder Monaten sogar, im langen Polarwinter. Eine Art Winterschlaf, wie manche Tierarten auf Terra.
YUN: Noch übler. Ihr wisst, was Sache ist, und lasst die Schippe trotzdem fallen!
DOLSON: [Schnellt hoch.] Hör mir zu, Junge, es reicht. Versuch nicht, uns an der Nase herumzuführen. Wir wissen nicht alles, was du in letzter Zeit getrieben hast, aber eines ist sicher: Du hast die letzten Wochen nicht im Polarwinter verbracht. Dein Biorhythmus ist nicht auf lange Schlafzeiten eingestellt. Im Gegenteil, sogar auf Aktivität. Der Bericht der Medostation lässt daran keinen Zweifel.
YUN: Den »Jungen« habe ich nicht gehört. Nein, ich komme nicht aus dem Winter. Und yep, die letzte Zeit, die mit Shon und Felton, war aktiv. Hyperaktiv. Wenn du's genau wissen willst, haben wir gerackert, bis wir fast tot umgefallen sind. Felton hat sogar dann nicht aufgehört! Ich war auf verdammt dünnem Eis unterwegs, bevor euer Monsterkahn uns aufgefischt hat. Konnt' kaum noch stehen, so müde war ich. Aber Schlaf war nicht drin. Es ging um zu viel. Wir konnten nicht aufhören. »Zu viele Leben standen auf dem Spiel«, wie du mir immer einbläust. Wir haben versucht, zu retten, was zu retten ist.
Weißt du, wie lange ich nicht mehr geschlafen hatte, als ihr uns mit eurem Traktorstrahler in den Hangar gezerrt habt? Ich sag's dir: sechs Wochen und drei Tage. Zieh' dir das rein. Sechs Wochen, drei Tage. Sag mir, Spezialist Wilton, wie würdest du aus der Wäsche gucken, wenn es dir so ergangen wäre? Kein Schlaf für eine halbe Ewigkeit? Ich sag's dir: gar nicht mehr! Die Würmer würden mir aus deinen leer gefressenen Augenhöhlen zuzwinkern.
Und was habt ihr mit mir angestellt? Mich abgeführt wie 'nen Verbrecher. In 'ne stinkende Kabine gesteckt, mir keine Ruhe gelassen und mich dann hierher zu dir verfrachtet. Und du quatscht und quatscht und quatscht und stellst mir blöde Fragen, dass mir der Kopf schwimmt. Und ich – ich mach' brav mit. Bin noch ganz hyper von eurem Kahn und der Fragerei und dem Plastikgestank überall hier. Verstopft mir die Nase, der Mief.
Ist es da ein Wunder, dass ich irgendwann wegkippe und Schlaf nachhol'?
DOLSON: Nein, natürlich nicht. Wir haben dich ja auch schlafen lassen ...
YUN: Sechzig lumpige Stunden! Ist noch mieser als gar nicht schlafen. Wenn du in eurer blöden Datenbank weitergelesen hättest, wärst du drauf gestoßen, dass wir Flakies einen zweiten Biorhythmus haben, der aktiv wird, wenn's uncold wird. Wir können wochenlang wachbleiben, 24 Stunden am Tag rackern. Brennen dabei unsere Fettschicht runter. Und ohne ... wir können nicht ohne. Dann ist Ende mit deinem knuffigen Flakie! Kapiert? Niemand mehr, den du löchern kannst!
DOLSON: Ich verstehe deine Sorge, Yun. Aber hier an Bord ist es ja nicht kalt, du brauchst hier keine Fettschicht.
YUN: Sollte man denken, aber so ist's nicht. Schmilzt sie zu einem gewissen Grad ab, ist es aus. Frag' mich nicht warum, frag' die Oxtorner, die haben uns gemacht. Nur Schlaf hilft. Viel Schlaf.
DOLSON: Das ... ähem ... habe ich ... haben wir nicht gewusst.
YUN: Wieso habt ihr mich nicht einfach schlafen lassen?
DOLSON: Yun, wir haben es einfach nicht gewusst. [Beugt sich vor.] Aber selbst wenn – wir hätten dich trotzdem geweckt. Uns bleibt keine Wahl. Wir müssen wissen, was geschehen ist. Nur du kannst es uns sagen.
YUN: Hör auf mit dem Scheiß! »Nur du, Yun!« Ich kann's nicht mehr hören. Hörst du? Was ist nur los? Keiner hat je 'nen Eimer Schnee darauf gegeben, was ich sag' – und jetzt plötzlich darf ich nicht mal mehr schlafen, so scharf seid ihr drauf, mir an den Lippen zu kleben!
DOLSON: Unsinn! Für was hältst du uns? Natürlich darfst du schlafen.
YUN: Dann hau ab! Lass mich in Ruhe!
DOLSON: Du darfst schlafen, wenn wir hier fertig sind. Je bereitwilliger du kooperierst, desto schneller darfst du schlafen. So viel du willst.
YUN: Du lügst mich nicht an?
DOLSON: Nein.
YUN: Bestimmt nicht?
DOLSON: Yun, du bist wichtig für uns. Sehr wichtig. Aber unter uns: Du bist nicht so wichtig, dass wir dir den Rest deiner Tage auf den Leib rücken werden. Wir haben anderes zu tun. Okay?
YUN: [Flüstert.] Okay ... Dann frag. Mach schon!
DOLSON: Du hast mir davon erzählt, wie du Shon Leehan getroffen hast. Er hat dich engagiert, ihn zu den Tring zu fliegen. Ihr wart in der Werkstatt, habt deinen Gleiter repariert ... und dann? Wie ging es weiter?
YUN: Na ja, wir sind losgeflogen. Weg von den Kuppeln am Raumhafen, raus aufs Eis. Fing cold an, der Trip. Prinzessin hat sich von ihrer Zuckerseite gezeigt, schnurrte schnittiger dahin, als 'ne Robbe übers Eis zuckelt. Shon klappte sein Notizbuch zu und glotzte aus dem Fenster, als würde er zum ersten Mal Schnee sehen. Erzählte mir ständig was davon, auf was für einer schönen Welt ich leben würde und so Zeugs. Ich hab' gar nichts dazu gesagt. Ich wusste ja schon, dass Flake der schönste Fleck des Universums ist. Das wissen alle Flakies. Bloß sagt man's nie. Passt einfach nicht. Irgendwie, wenn man's laut sagt, nimmt man ein Stück von der Schönheit weg. Ist nicht mehr dasselbe. Weiß nicht wieso, weiß nur, dass es allen so geht.
Also, wir fliegen, Shon quatscht. Immer weiter. Unter uns Eis, erst die Ebene von Encore, dann das Zentralmassiv entlang. Als er die Berge sieht, flippt Shon beinahe aus. »Sind sie nicht Ehrfurcht gebietend?« Ich nick' nur. Dann: »Du bist ein glücklicher Mensch, Yun.« Ich verschluck' mich fast. So ein uncolder Quatsch! Ich und glücklich! Das erste Mal, dass ich von hör'. Dem Typen sollte man eins mit der Schippe überziehen, denk' ich mir. Vielleicht wird er dann wieder cold im Kopf. Aber natürlich sag' ich nichts. Kunde ist König. Darf man nicht vergraulen. Steht sogar über Prinzessin. Und irgendwie hat mir auch gefallen, was Shon sagte. Quatsch, klar, aber irgendwie colder Quatsch.
Heute weiß ich's besser. War kein Quatsch. Shon hatte Recht. Ich war glücklich. Shon hat meistens Recht, weißt du? Besser man hört auf ihn. Ich hab's irgendwann eingesehen und ihr solltet das auch tun, wenn ihr clever seid.
DOLSON: Darüber habe ich nicht zu befinden. Ich treffe keine Entscheidungen, ich sorge nur dafür, dass die Entscheidungen auf einer gesunden Datenbasis gefällt werden.
YUN: [Zuckt mit den Achseln.] Wenn du meinst. Muss jeder für sich rausfinden. Ich hab's auch getan. Wenn's auch wehgetan hat.
Wir fliegen also am Massiv entlang. Ist gewaltig, zieht sich fast von Pol zu Pol, wie das Rückgrat von 'ner Robbe. Aber Prinzessin ist 'n tüchtiges Schnuckelchen, wenn sie in der Stimmung ist. Nach ein paar Stunden haben wir das Massiv fast ganz abgeklappert. Keine Spur von Tring.
Shon neben mir wird langsam ungeduldig. Rutscht im Sitz hin und her. Betont ständig, wie majestätisch und Ehrfurcht gebietend die Berge doch sind, bis ihm sein eigenes Gequatsche zu viel wird und er den Mund hält. Erst bin ich froh, dass endlich Ruhe ist, aber das hält nicht lang. Die Stille nervt. Nicht mal Prinzessin kann mir helfen. Sonst macht sie immer Geräusche, aber jetzt, frisch aus der Werkstatt ... ich kann nicht mehr still sitzen. Will eigentlich cold bleiben, aber irgendwie komm' ich nicht gegen an.
»Du hast mir nicht gesagt, dass es so weit zu den Tring ist«, meint Shon.
»Oh – muss ich vergessen haben«, sag' ich.
»Gibt es keine Population näher am Raumhafen?«
»Population?«
»Herde, Gruppe, Rudel oder so was.«
Ich schüttl' den Kopf. Langsam wird mir heiß. Uncold, die Sache. Hatt' mir alles so schön vorgestellt. Eine Monstertour, Galax satt, genug für 'nen langen Polartag. Nur – die Tring spielen nicht mit. Zu blöd. Zu blöd zum Schneeschippen bin ich. Weiß doch jedes Kind, dass man sich bei den Tring nur auf zwei Dinge verlassen kann. Sind nie da, wenn man sie braucht. Und sind es immer, wenn sie gerade das Letzte sind, was du gebrauchen kannst. Ich verrenk' mir den Kopf wie ein Blöder, fummel' an der Manuellbedienung des Radars rum, aber nützt natürlich nichts. Kann's ja nicht. Wären ja keine Tring, wenn sie jetzt auftauchen würden.
»Yun, ich habe einen Verdacht«, sagt in dem Moment Shon.
»W-was?« Ich ahn' schon was. Der Typ ist kein Tourist. Kein Verlierer.
»Du hast mich angelogen. Du weißt nicht, wo man Tring finden kann.«
»Wie kommst du drauf? Du musst nur Geduld haben, dann sind wir da. Vielleicht noch 'ne Stunde oder zwei. Sind gleich da.«
»Noch zwei Stunden und wir sind wieder am Raumhafen. Einmal um den Planeten herum.«
Stimmt natürlich nicht. Wir haben noch nicht mal die Hälfte vom Umfang von Flake hinter uns – Prinzessin ist 'ne gemessene Majestät –, aber ich witter', dass es nichts nützen würd', Shon drauf hinzuweisen. Uncold. Der schöne fette Terraner, gleich bin ich ihn los.
»Kehren wir um, Yun«, sagt er da. »Ich bin dir nicht böse. Es war mein Fehler, dir einfach zu vertrauen. Dumm von mir. Du hast mir einfach geantwortet, was ich hören wollte. Und ich war zu sehr darauf aus, die Tring zu finden, um klar zu sehen, was los ist. Wenn es so einfach wäre, könnte sie ja jeder studieren.«
»Ja ... j-ja ...«, stotter' ich. Ich kann mein Glück nicht fassen. Er gibt sich selbst die Schuld! Terraner sind ein schräges Volk, kommt wahrscheinlich von der Hitze, in der sie ihr Leben lang dünsten. He, vielleicht meldet er mich nicht mal bei der Hafenverwaltung!, denk' ich mir. Und was die Bezahlung angeht ... den Vorschuss hatt' ich ja schon verbaut. Was will er schon machen? Den Stabilisator rausreißen und in eine seiner Monstertaschen packen?
Könnte also viel uncolder sein, richtig hitzig sogar.
Ich wend' Prinzessin und flieg' zurück zum Raumhafen. Den direkten Weg, nicht am Massiv entlang. Ein Blick rüber zu Shon, der die Nase ganz tief und trotzig in sein Notizbuch steckt, genügt, damit ich den Gedanken daran auf Eis leg'. Was soll's? Je schneller wir zurück sind, desto besser. Ist sowieso nichts mehr zu holen für mich. Kann ihm jetzt viel erzählen, von wegen, niemand weiß, wo man die Tring findet. Würd' er mir sowieso nicht mehr abkaufen. Ich auch nicht, an seiner Stelle.
Der Rückflug braucht nur halb so lang. Drei oder vier Stunden, wenn wir nicht in 'nen Sturm geraten, aber der Wetterradar ist sauber und die Meldungen der Wetterstationen entlang der Route auch. Kann eigentlich Prinzessin selber fliegen lassen. Hab' nichts zu tun. Könnt' 'n Nickerchen machen. Geht aber nicht. Krieg's einfach nicht hin. Aus dem Augenwinkel seh' ich mir Shon genauer an. Wie alt ist der Typ eigentlich? Sein Gesicht sieht so aus, als hätt' er's zu lange in 'nen Schneesturm gehalten. Ganz furchig, schlimmer als das Massiv von oben. Eine Seite ist ganz bleich, die andere rot wie von 'nem Ausschlag. Und irgendwie wirkt das Ganze krumm, der schräg verwachsene Kiefer eben. Ziemlich abgewrackt, der gute Mann. Der Rest aber ... der Thermoanzug ist der beste Freund der Hässlichen im Universum. Sieht man nicht viel davon, was drunter steckt. Außer, wenn man wie ich sein ganzes Leben lang Leute in Thermoanzügen hat herumstapfen sehen. Kriegt man 'n Auge für. Und mein Auge sagt mir in dem Moment, dass da ein Athlet drin steckt, so ein drahtiger, fettfrei. Oben Wrack, unten Athlet. Passt nicht zusammen. Schade, denk' ich mir, hätte interessant werden können mit dem Typen. Aber ist ja für die Schneegrube. Bald sind wir zurück am Hafen und dann seh' ich ihn nie wieder.
DOLSON: Willst du damit sagen, dass das deine ganze Begegnung mit Shon Leehan war? Das hättest du mir besser gleich erzählt, dann hätten wir uns und dir das Ganze hier erspar...
YUN: Ich bin noch nicht fertig. So fliegen wir dahin. Er die lange Nase im Notizbuch, ich dreh' Däumchen und Prinzessin schnurrt. Da lässt es auf einmal einen Schlag. Etwas reißt in Prinzessin. Armes Kind. Muss richtig fies wehtun. Sie bäumt sich auf – kann's ihr nicht verübeln –, Shons Notizbuch wirbelt durchs Cockpit. Prinzessin kippt über den rechten Flügel ab, der Alarm jault. Ich fang sie mit der Manuellsteuerung ab. Sie stottert und bockt, als würd' sie 'nen Wutanfall schmeißen.
»Was ist los?«, schreit Shon. Die eine Hälfte seines Gesichts ist noch bleicher, die andere noch röter als sonst.
Ich check' die Systeme. Der neue Stabilisator ist hin. Ringun hat mir Schrott angedreht! Dieser Warmduscher von Kuppler! Kein Wunder, dass Prinzessin sauer ist. Richtig sauer. Ist eben nicht so beherrscht wie ich. Sie bäumt sich auf, bockt, kippt wieder über den Flügel ab. Wir verlieren an Höhe, und wenn ich sie nicht abgefangen krieg', bohren wir uns gleich ein Loch ins Eis, so tief, dass wir direkt bei Frostie ins Wohnzimmer fahren.
Ich grins' Shon an. »Alles unter Kontrolle. Kleineres technisches Problem.«
Keine Ahnung, ob er mir glaubt. Bin zu beschäftigt mit Prinzessin, um noch mal zu ihm zu gucken. Der Fahrstuhl geht abwärts für uns, stoßweise. Krieg' sie immer nur für ein paar Sekunden abgefangen.
Dann brüllt Shon plötzlich: »Diese Gestalten! Was sind das für Gestalten?«
Ich reiß' den Kopf kurz rum und denk': Prima, hat gerade noch gefehlt! Prinzessin hält genau auf die Schemen zu. Ich versuch', sie wegzudrücken. Nichts zu machen.
»Yun, sie bewegen sich! Was für Tiere sind das?«
»Keine Tiere, Tring!«, brüll' ich zurück. Im nächsten Moment sackt Prinzessin wieder weg – und diesmal reicht die Höhe nicht mehr.
»Tring? Großartig!«, schreit Shon.
»Freu' dich nicht zu früh!« Dann rammt Prinzessin mit 'nem Monsterschlag ins Eis – mitten unter die Tring.