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Kapitel 27

Deshwan Jankoff fügte sich Rhodans Befehlen, auch wenn es ihm schwer fiel. Er war es nicht mehr gewöhnt, dem Willen anderer zu gehorchen. Früher, im Ungestüm der Jugend, hatte der Oxtorner sich zur Unterordnung bereit gefunden, trotz der Maßlosigkeit, die ihn damals vor allen anderen Dingen ausgezeichnet hatte. Aber damals war es ein notwendiger Kompromiss gewesen. Deshwan hatte das Abenteuer gesucht, die eigenen Grenzen. Oxtorne war ihm bereits wie ein Gefängnis vorgekommen, noch bevor er das Ende der Pubertät erreicht hatte. Um sein Potenzial auszuleben, hatte er gespürt, musste er seine Heimatwelt hinter sich lassen.

Er hätte dem Beispiel folgen können, das zahllose Oxtornergenerationen vor ihm gegeben hatten, und sich zur Liga-Flotte oder zur USO melden können. Doch gerade diese Tradition sprach dagegen: Er suchte das Abenteuer, das Unbekannte. Auf ausgetretenen Pfaden würde er es nicht finden.

Jankoff hatte sich auf ein Schiff geschlichen, das auf Oxtorne seine Fracht entlud. Es war ein Schiff der Springer gewesen, der Galaktischen Händler. Arkonidenabkömmlinge, die seit Jahrtausenden ausschließlich auf ihren Schiffen lebten. Der junge Deshwan hätte es nicht besser treffen können. In zweifacher Hinsicht. Niemand kam mehr herum in der Milchstraße als die Springer, war besser geeignet, sein unstillbares Fernweh zu stillen. Und der Patriarch der Springerwalze war ein alter und kinderloser Mann, der den blinden Passagier, der bald entdeckt wurde, nicht nach alter Springersitte ins Vakuum stoßen ließ, sondern annahm wie einen Sohn.

Der Oxtorner lernte von den Springern, wie man mit Geld Geld verdient – eine Kunst, die er damals gering schätzte und die ihm jetzt ermöglichte, seine Träume in die Tat umzusetzen. Und er lernte, dass Geld begehrt ist, eine Sache von Leben und Tod. Vor allem des Todes. Deshwan avancierte zum Leibwächter des Springerpatriarchen, tauchte derart vollkommen in die Welt der Händler ein, dass er die Jahre der milchstraßenweiten Monos-Diktatur wie ein unbeteiligter Zuschauer erlebte. Als der Patriarch nach einem Jahrzehnt starb, war es der Oxtorner, der in den Kämpfen um die ungeklärte Nachfolge das entscheidende Zünglein an der Waage darstellte. Deshwan stand auf der Seite der Sieger, und diese nutzten sein neu entdecktes Talent weidlich. Der Oxtorner wurde zur Geheimwaffe der Sippe, ein Killer, der missliebige Konkurrenz zuverlässig beseitigte.

Das Arrangement stellte sich als kurzlebig heraus. Ohne die schützende Hand des Patriarchen war Deshwans Stellung in der Sippe heikel. Vielleicht hätte man den Oxtorner geduldet, wäre er mit der ihm zugedachten Rolle als dumpfe Mordmaschine zufrieden gewesen. Doch das war er nicht. Er rieb sich zunehmend an dem engen Verbund an Bord des Schiffs. Die Springer bildeten eine verschworene Gemeinschaft, geprägt von Inzucht. Gegenüber Dritten standen sie bedingungslos füreinander ein. Kein Springer musste fürchten, jemals ins Bodenlose zu stürzen, das Netz der Gemeinschaft fing ihn auf. Gleichzeitig fesselte es ihn. Anfangs hatte Deshwan die Fesseln kaum gespürt, zu aufregend war das neue Leben, die zahllosen Welten, die er erblickte, zu allumfassend die raue Fürsorge des Springerpatriarchen. Doch mit jedem Monat, der verstrich, zogen sich die Fesseln enger zusammen, bis sie ihn schließlich zu ersticken drohten. Es war Zeit, sie abzustreifen.

Noch bevor er seinen Entschluss in die Tat umsetzen konnte, handelte die Sippe. Der Oxtorner war ein Fremdkörper, durch seine bloße Anwesenheit eine Bedrohung der Ordnung. Und wieder hatte Deshwan Glück. Vielmehr profitierte er von der Mentalität der Springer, die keineswegs so grausam war, wie man unter den Terranern behauptete. Springer liebten die Gewalt nicht, sie vermieden sie, wo sie konnten. Es war das Leben, das sie führten, aus dem sie nicht ausbrechen konnten, das sie dazu zwang, Gewalt auszuüben. Hatten Springer die Wahl, wählten sie den sanften Weg. So auch bei Deshwan. Kein Energiestrahl eines Geschützes fraß sich durch seine Oxtornerhaut, kein tonnenschwerer Container begrub ihn bei Verladearbeiten unter sich. Stattdessen befiel ihn eines Tages ein übermächtiges Bedürfnis nach Schlaf. Als er erwachte, fand er sich in der Wartehalle eines Raumhafens wieder, nackt, wie er eingeschlafen war, und mittellos.

Hätte ihm damals jemand erzählt, dass er diesen Moment später als seine erste Wiedergeburt bezeichnen würde, dass er eines Tages eine Raumflotte befehligen würde, er hätte ihn ausgelacht.

Und doch war es so. Er, der unmöglich Alte nach den Maßstäben seines Volkes, hatte sich den Befehl über die oxtornische Heimatflotte erkämpft. Jetzt war sie auf sein Wort hin ausgeschwärmt, hatte ein Ortungsnetz über Praesepe ausgeworfen. Ein weitmaschiges nur, denn obwohl es sich bei dem Sternhaufen um ein kleines Exemplar seiner Gattung handelte, stellten die knapp 500 Einheiten der Heimatflotte eine verschwindend geringe Streitmacht dar. Der Zweck des Ortungsnetzes war zwingend: Es sollte die Trümmerflotten wieder aufspüren, die sich nach stundenlangem, verlustreichem Kampf voneinander gelöst hatten und davongesprungen waren.

Das Netz war gespannt, und das Warten hatte begonnen.

Geduld ist eine Eigenschaft, über die Menschen nur in geringem Maß verfügen. Und noch weniger Oxtorner, besaßen sie doch Körper von solch unvergleichlicher Stärke, dass Geduld unnötig erschien. Geduld, glaubten Oxtorner, ist eine Tugend der Schwachen; der Starke handelt, nimmt sich, was er will.

Doch was wollte er?

Deshwan konnte es nicht mehr sagen. Jedes Mal, wenn eine Ortung einer der Trümmerflotten hereinkam, beschleunigte sich sein Puls jäh. Seine Hoffnung, dass die Fremden einfach in das Nichts verschwinden könnten, aus dem sie gekommen waren, war damit zunichte gemacht. Auf der anderen Seite bot sich mit jeder Ortung die Chance, sie zu stellen.

Theoretisch. Praktisch waren seine Schiffe hilflos. Sie krochen – die einzige Art der Fortbewegung, die ihnen im Zeitalter der Hyperimpedanz geblieben war – den Fremden hinterher. Und die Fremden? Hätte der Interimskommandant nicht mit eigenen Augen gesehen, dass die Trümmerschiffe sich nicht um seine Einheiten kümmerten, hätte er geglaubt, dass sie ein Spiel mit ihnen trieben. Die Trümmerflotten blieben immer genauso lange an Ort und Stelle, bis die ersten oxtornischen Einheiten auf den Plan traten. Dann sprangen sie mit unbekanntem Ziel davon, und das Spiel begann erneut.

Es schien, als könne es sich auf alle Ewigkeit so fortsetzen. Ein trügerischer Schein. Der Dauereinsatz verschliss die ohnehin alles andere als optimal gewarteten Schiffe der Heimatflotte in einem Tempo, das selbst den erfahrenen alten Oxtorner überraschte. Zwei Dutzend Einheiten waren aufgrund von Materialermüdung bereits ausgeschieden, hatten planetare Werften aufsuchen müssen, wo sie für Tage oder Wochen verbleiben mussten – zu lange, wie Deshwan fürchtete. Die ausgeschiedenen Einheiten stellten den Beginn einer aufsteigenden Kurve dar, die an einem Punkt in den nächsten Tagen nahezu senkrecht nach oben schießen würde. Dann würde es zu spät sein. Deshwan würde keine Waffe mehr besitzen, mit der er den Trümmerflotten hätte entgegentreten können. Er selbst, seine Träume würde ihnen ausgeliefert sein. Ein unerträglicher Gedanke.

»Koppin, was soll ich nur tun?«, fragte er den Okrill.

Das Tier hing in den sanften, aber unzerbrechlichen Fesseln eines Antigravfelds. Ein unumgängliches Übel. Koppin hatte sich herumgeworfen wie ein kämpfender, junger Okrill, als er aus der Betäubung erwacht war. Deshwan liebte und fürchtete diesen Anblick. Zeigte er ihm doch, dass im ausgemergelten Körper des Okrills ein junger Geist steckte, voller Neugier und Entschlossenheit. Und zugleich konnte jeder solche Beweis von Vitalität der letzte des Tiers sein.

Koppin hob den Froschkopf, als er die Worte hörte, die an ihn gerichtet waren, und blies seine eingefallenen Wangen auf. Seine Zunge schoss hervor, ringelte sich mehrfach um den Oxtorner und hielt ihn fest.

Ich bin für dich da!, sagte die Geste.

Mehr als einmal hatte Koppin ihm mit seiner Zunge das Leben gerettet, hatte ihn aus der Bahn eines tödlichen Strahls gerissen oder zurückgehalten, als er im Begriff gewesen war, eine tödliche Dummheit zu begehen. Und sie hatte ihn gewärmt, in den langen, kalten Nächten auf dem Eis von Snowflake, unmittelbar vor seiner jüngsten Wiedergeburt.

Was für ein langer, schmerzhafter Weg es bis dorthin gewesen war! Auf dem Raumhafen der Randwelt, auf der ihn die Springersippe zurückgelassen hatte, hatte Deshwan die Berührung eines Okrills gefehlt. Vielleicht wäre sein Leben anders verlaufen, wäre Koppin zu dieser Zeit bereits an seiner Seite gewesen. Ohne den Okrill fehlte ihm das Element der Mäßigung.

Deshwan erwachte, erkannte, dass man ihn ausgesetzt hatte, weggeworfen wie einen leeren Nahrungscontainer, und eine unstillbare Wut entbrannte in ihm; nicht beschränkt auf die Springer, sondern auf das Universum im Ganzen, das ihm so unfair mitgespielt hatte.

Der Oxtorner machte sich daran, es dem Universum zurückzuzahlen. Das Universum hatte ihn zu einem Mörder gemacht, es sollte einen Mörder bekommen.

Deshwan Jankoff wurde zum Söldner. Es war die einzige Arbeit, die ihm ohne Schwierigkeiten offen stand. Oxtorner sind Kampfmaschinen, jedes Kind in der Milchstraße wusste das, übertroffen allenfalls von den Halutern. Nur brachten diese Giganten die nötige Aggressivität lediglich in ihren seltenen Phasen der Drangwäsche auf. Und selbst dann war ihre Streitbarkeit ungezielt und bestenfalls unter großen Schwierigkeiten zu kanalisieren. Deshwan dagegen ... seine Wut war unerschöpflich, und er ließ andere bereitwillig davon Gebrauch machen. Es kümmerte ihn nicht, gegen wen oder wofür er kämpfte, solange er nur kämpfte. Deshwan zog durch die Milchstraße. Von Krisenherd zu Krisenherd, von Kleinkrieg zu Kleinkrieg. Nie gab es Mangel an Beschäftigung für ihn. Die Milchstraße war groß, ihr Reservoir an Konflikten und Leid unerschöpflich. Herrschte doch einmal unnatürliche Ruhe, blieben immer die Eastside und die Blues, denen es unmöglich schien, jemals in Frieden miteinander zu leben.

Deshwan tötete. Meistens kannte er lediglich den Namen des Gegners. Wie er aussah, wusste er von Bildern und von den Resten, die von ihm nach einem Gefecht geblieben waren. An seiner Seite kämpfte – und starb – eine Vielzahl von Söldnern. Es waren keine Kameraden; jeder von ihnen hatte seine ganz eigenen Gründe, dieses Dasein gewählt zu haben. Gründe, über die man sich in einer unausgesprochenen Einkunft ausschwieg. Und Gründe, die er, wie der Oxtorner im Rückblick feststellte, ohnehin oft nicht verstanden hätte. Zu fremd waren die Söldner einander. Sie stammten aus allen Völkern der Milchstraße. Humanoide oft, auffällig viele Terraner. Die Terraner verachtete er. Ihre Gründe kannte er: Sie kämpften aus Langeweile, aus Überdruss an einer Gesellschaft von nahezu makelloser Perfektion. Der Kampf als gewöhnliches Vergnügen, die logische Fortsetzung von TriVideo, Fiktivspielen und Senso-Simulationen? Der Gedanke stieß den Oxtorner ab. Der Kampf war viel mehr als das. Er war eine Notwendigkeit, der Kampf war das Leben.

Dann die Nichthumanoiden. Topsider, Unither, natürlich Blues und viele andere. Viele aus Völkern, von denen Deshwan nie gehört hatte. Einzelgänger, möglicherweise die letzten ihrer Art. Opfer eines Krieges, der ihre Heimatwelt vernichtet hatte und die nun nichts mehr anderes mit sich anzufangen wussten, als zu töten. Deshwan war auf Vermutungen angewiesen, und bei manchen der Söldner halfen selbst diese nicht weiter. Deshwan erinnerte sich insbesondere an einen Söldner. Er hatte den Namen des Wesens und seines Volkes vergessen. Oder hatte er ihn nie gesagt? Der Söldner hatte einen gedrungenen Körper mit einem Wulst statt einem Kopf. Tentakel, verkümmerte Flughäute und ein Rückgrat wie ein Scharnier, das es ihm erlaubte, sich zu einem kaum wahrnehmbaren Nichts zusammenzufalten. Irgendwann fiel Deshwan auf, dass der Fremde immer in Neunerschritten ins Gefecht ging. Selbst auf der Flucht, auf der Suche nach Deckung, blieb er stets im Rhythmus, legte er nach neun Schritten eine kaum merkliche Pause ein. Der Fremde war einer der besten Kämpfer gewesen, denen Deshwan je begegnet war, von gnadenloser Effizienz. Weshalb er kämpfte, hatte der Oxtorner nie herausgefunden. Das Geld konnte es nicht gewesen sein. Der Fremde nahm seinen Sold und übertrug ihn stets auf ein per Zufall ausgewähltes Konto irgendwo in der Galaxis. Deshwan konnte sich am ehesten vorstellen, dass es sich dabei um eine Art Sühne für die genommenen Leben handelte. Irgendeinem Glückspilz in den Weiten der Galaxis wurde aus dem Nichts heraus ein kleines Vermögen geschenkt, in gewisser Weise ein neues Leben.

Doch das Überraschendste an Deshwans Söldnerleben war nicht, wen er traf, sondern, wen er nicht traf: Oxtorner. Niemals hörte er von einem. Zwei Dinge ergaben sich daraus für Deshwan: Erstens, dass Oxtorner nicht diejenigen waren, für die man sie hielt. Und zweitens ein leiser, bald immer stärker werdender Zweifel an dem, was er tat. Er handelte gegen seine innerste Natur. Oxtorner waren zum Kämpfen geboren, nicht zum Töten.

Es sollte dieser Zweifel sein, der ihm ein neues Leben schenkte. Es geschah auf einer Stützpunktwelt in der Eastside. Blues wollten einen Blues-Vorposten ausgehoben sehen. Routine für den Veteranen Deshwan. Routine die Vorbereitungen für den Angriff. Routine der Angriff selbst.

Nicht so die Verteidigung. Die Blues, denen der Stützpunkt gehörte, hatten auf den Schwarzmärkten der Galaxis eingekauft. Biologische Waffen. Tonnenschwere Echsen, von deren Panzerung Energiestrahlen abprallten, Insektenschwärme, die Schutzschirme durchdrangen, und vieles mehr. Und auf Deshwan wartete eine Bestie, die wie geschaffen schien, einen Oxtorner abzuwehren: ein Okrill.

Unvermittelt stand die froschähnliche Kreatur auf ihren acht Beinen vor ihm. Deshwan konnte in ihrem halb geöffneten Mund die Zunge sehen. Er, der Oxtorner, wusste, dass nur Schnelligkeit ihn vor der Zunge des Tiers und ihrem Stromschlag, der selbst Terkonitstahl schmolz, retten konnte. Doch Deshwan verharrte wie gelähmt. Es war, als hätte der Anblick des Okrills eine Sperre in ihm gelöst, ihm schlagartig klar gemacht, wer er eigentlich war – und wie falsch er handelte.

Die Zunge des Okrills schnellte dem reglosen Oxtorner entgegen, stoppte auf halber Strecke ab. Sie rollte sich zurück, in kleinen Schüben, als müsse ihr Besitzer jeden Zentimeter davon erzwingen, und deutete schließlich auf den Rücken des Tiers. Es sah den Oxtorner flehend an.

Deshwan, der Söldner, dessen Leben von der blitzartigen Erfassung von Situationen abhing, verstand. Er sprang mit einem mächtigen Oxtornersatz vor und riss mit beiden Armen die Kontrolleinheit aus dem Fleisch des Okrills. Dann rannten Oxtorner und Okrill los, ließen das Schlachtfeld hinter sich und hetzten durch den Dschungel. Erst zwei Tage und Nächte später blickten sie zurück, als Deshwans ehemalige Auftraggeber die Geduld verloren und den Stützpunkt samt den verbliebenen Angreifern und Verteidigern mit einer Transformsalve pulverisierten.

Der Blitz, in dem der Stützpunkt verging, war das äußere Zeichen von Deshwan Jankoffs zweiter Wiedergeburt.

Ihm und Koppin, wie er den Okrill nannte, gelang es, einen USO-Kreuzer auf sich aufmerksam zu machen, der einige Tage später über der Welt erschien, um der Explosion nachzugehen. Deshwan gab sich als Abenteurer aus, der mit seinem Okrill von Urwelt zu Urwelt reiste. Die beiden sahen abgerissen genug aus, um ihre Geschichte glaubhaft erscheinen zu lassen, zudem spürten die USO-Spezialisten eine Verbundenheit zwischen dem Oxtorner und dem Tier, von der sie glaubten, dass sie nur das Produkt langen Zusammenseins sein konnte.

Man ließ Deshwan und Koppin ziehen. Nicht ganz zu Unrecht, nahmen die beiden doch genau jenes Leben auf, das sie gegenüber den USO-Spezialisten für sich in Anspruch genommen hatten. Der Oxtorner und der Okrill suchten die Herausforderung im Ringen mit den Elementen von Extremwelten. Die Herausforderung und das Vergessen. Die Tode, die Deshwan als Söldner verursacht hatte, verfolgten ihn jetzt. Dem Okrill schien es ähnlich zu ergehen. Man hatte ihn bereits seit Jahren zum Töten gezwungen, als er auf Deshwan getroffen war, ein Sklave der Kontrolleinheit, die man ihm implantiert hatte.

Deshwan ging in seinem neuen Leben auf, wie er in seinen Leben als Springer und Söldner aufgegangen war. Mit einem Unterschied: Er war nicht mehr allein, auch wenn er sorgfältig darauf achtete, anderen Menschen und intelligenten Wesen aus dem Weg zu gehen. Koppin war an seiner Seite und füllte eine Leere in ihm, deren Existenz er nicht geahnt hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben war Deshwan zufrieden. Wunschlos glücklich, wie er selbst eines Tages verblüfft feststellte.

Ein verständlicher Irrtum, doch ein Irrtum. Deshwan sollte sich noch ein weiteres Mal selbst überraschen, auf einer Eiswelt namens Snowflake, spärlich besiedelt und in der Nähe seiner Heimatwelt gelegen. Letzteres ein Zufall und eher ein Grund, der gegen einen Trip nach Snowflake gesprochen hätte. Doch die Gelegenheit war günstig gewesen. Deshwan hatte die Hitze der Dschungelwelt, auf der er Monate verbracht hatte, gründlich satt gehabt, und der schnellste Weg, sie hinter sich zulassen, war der Flug nach Snowflake gewesen. Die Kälte würde ihm gut tun, glaubte Deshwan, und auf dem Eis würde er die Einsamkeit finden, die ihm auf der Dschungelwelt versagt geblieben war. Zu viele Dummköpfe mit überschweren Strahlengewehren, die darauf aus waren, sich eine Bestätigung ihrer Männlichkeit zu erballern, hatten ihn ermüdet.

Auf Snowflake gab es nichts, auf was zu schießen sich gelohnt hätte. Nur Eis und Schnee, die gelegentliche Robbe, manchmal sogar Rudel von ihnen, Eingeborene – angeblich insektenartig – die eher Gerücht als Realität waren und Deshwan nie über den Weg liefen – und Menschen.

Viel zu viele von ihnen. Anstatt in den Kuppeln zu bleiben, wo sie hingehörten, zog es sie auf das Eis. Manche dieser Menschen waren grotesk deformiert, sie nannten sich Zweite oder Dritte, Opfer eines missglückten Versuchs gesteuerter genetischer Anpassung. Sie zogen, von einer übermächtigen Sehnsucht getrieben, auf das Eis und starben. Erfroren jämmerlich in einer Welt, für die sie nicht geschaffen waren. Deshwan verachtete sie, verfluchte sie. Sie störten seine Ruhe, machten seine Einsamkeit zunichte, die Majestät des Eises. Er ging ihnen aus dem Weg, beschimpfte sie, wenn ihm das nicht gelang. Und als er und Koppin schließlich nach einem langen Sturm auf ein Lager von Zweiern und Dreiern stießen, beweinte er ihre steif gefrorenen Leichen. Von da an war es nur ein Schritt zur Bewunderung – waren sie nicht wie er? Trotzten sie nicht den Elementen? – und ein weiterer zum Eingreifen. Es war seine dritte Wiedergeburt.

Deshwan setzte sich eine neue Aufgabe: Leben zu erschaffen. Leben, das im Ringen mit dem Eis eine faire Chance haben sollte. Auf Snowflake hatte er Menschen gefunden, deren Mut dem der frühen Oxtorner glich, der Schiffbrüchigen, die sich einer Welt gegenübergesehen hatten, für die sie nicht erschaffen waren. Doch ihre Körper hinkten ihren Geistern hinterher, sie kämpften einen aussichtslosen Kampf. Deshwan würde für Waffengleichheit zwischen dem Planeten Snowflake und den Menschen sorgen.

An finanziellen Mitteln mangelte es ihm nicht. Er war ein herausragender Söldner gewesen, entlohnt mit hohen Summen, für die er keine Verwendung gehabt hatte. Er hätte sie ins Nichts überweisen können wie der merkwürdige Fremde mit dem Rückgratscharnier, aber Deshwan hatte es vorgezogen, das Geld zu investieren. Aus Gewohnheit aus seinen Springerjahren, hatte er damals geglaubt, aber nun wusste er es besser. Der Sold, den er für das Töten erhalten hatte, war von Anfang an dazu bestimmt gewesen, neues Leben zu erschaffen.

Wahres Leben, ursprüngliches Leben. Leben, das im Kampf um das Dasein aus sich selbst heraus bestehen konnte.

Deshwan ging daran, das beste Know-how einzukaufen, das es in der Milchstraße gab. Er musste sich beeilen. Ihm würden nicht mehr viele Jahre bleiben, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Er entschloss sich deshalb, in zwei Schritten vorzugehen. Erst eine Zwischenstufe, Vierte genannt, und dann, ausgehend von den Erfahrungen mit den Vierten, die Endstufe, perfekt an Snowflake angepasste Wesen. Die Fünften. Sie ...

Ein Holo entstand. Sein Stellvertreter blickte ihn an.

»Was gibt es, Rivol?«

»Wir haben die Trümmerflotten geortet. Beide.«

Beide. Es musste sich um mehr als eine Routinematerialisation handeln. Er schluckte einen Klumpen herunter, der sich in seinem Mund gebildet hatte.

»Wo?«, fragte er.

Er bekam die Antwort, die er gefürchtet hatte. »Im Flake-System.«

Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband)

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