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8 – Missstimmigkeiten

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Eine leichte, warme Windbrise wehte von Westen zu ihnen herüber.

Madame genoss den herben Geschmack des französischen 2008-er Beaujolais’. Der Rotwein mundete köstlich zu ihrer Käseplatte, den Trauben und dem frischgebackenen Baguette.

»Du solltest dich etwas mäßigen, Zink. Sieh dir nur die Speckpölsterchen an, die sich an deiner Taille hervorzwängen«, mahnte Evelyn. »Nimm dir ein Beispiel an mir: Ich bin rank und schlank, selbst noch in meinem Alter.«

Madame würgte ihren Bissen hinunter, dabei bedachte sie Evelyn mit einem entrüsteten Blick. Bevor sie jedoch antwortete, nahm sie einen Schluck des herrlichen Weines, winkte der Kellnerin, ihr ein neues Glas Rotwein zu bringen. Dann entzündete sie sich mit fahrigen Fingern eine Zigarette. Sie blies den Rauch zwischen ihren Zähnen hindurch. »Beste Freundin, was meine Pölsterchen betrifft, so halten sich diese immer noch in Grenzen. Und was dich und dein zierliches Wesen angeht, scheinst du völlig vergessen zu haben, dass du schon eine ganze Weile tot bist. Um nicht zu sagen, nicht mehr unter den Lebenden weilst. Zumindest nicht so, wie es der üblichen Norm entspricht. Von daher ist es ganz bestimmt ein Leichtes, sein Gewicht zu halten. Erst recht dann, wenn man es erst gar nicht mehr beachten muss, weil es nichts weiter zu beachten gibt.«

»Aber, aber, meine Damen. Wer wird denn gleich dermaßen unfreundlich sein. Weshalb diese Missstimmigkeiten? Ich bin mir völlig sicher, beste Zink, dass unsere liebe Evelyn, ihre Worte nicht gar derart garstig gemeint hat, wie sie bei Ihnen anscheinend angekommen sind.« Bestrebt, Frieden unter den beiden Frauen zu stiften, wandte er sich an Evelyn. »Nicht wahr, Lady Evelyn, Sie haben Ihre Worte nicht so gemeint, wie unsere gute Madame sie aufgefasst hat.«

Empört warf sich ihr Blick vom Professor auf Zink. »Natürlich habe ich jedes Wort auch so gemeint, wie ich es gesagt habe! Warum nehmen Sie sie in Schutz? Wollen Sie, dass eine lebende Fleischkugel aus ihr wird? Wie, frage ich Sie, soll sie dann noch wendig genug sein, wenn es darum geht, gegen Dämonen und all das Böse kämpfen zu müssen?« Sie fauchte die Freundin an: »Vielen Dank, Zink, dass du mich daran erinnert hast, dass ich tot bin. Ohne dich hätte ich das doch tatsächlich fast vergessen.« Sie stand auf, und verschwand bereits im nächsten Moment in einer der Gassen der Altstadt Paris’.

»Oh, oh, mir scheint, jetzt ist sie böse mit mir«, staksten die Worte verlegen über Zinks, vom Rotwein verfärbten Lippen. Etwas unbeholfen setzte sie zu einer Verteidigung an: »Was muss sie auch immer dermaßen taktlos sein.« Sie schaute an sich herunter. »Nun ja, ein paar Pfunde weniger, könnten mir tatsächlich nicht schaden. Werde mich morgen früh bei Evelyn entschuldigen.« Wenn ich ehrlich bin, habe ich ja schon einige Hosen, die zu kneifen anfangen.

»Ich finde Ihre Pölsterchen gar nicht dermaßen schlimm«, versuchte der Professor, Madame zu trösten.

Kopfschüttelnd sah Madame vom Professor zu den anderen. »Hätte sie deswegen gleich beleidigt davon rauschen müssen?«

»Geister, Madame, mögen es nicht besonders, an ihr Geisterdasein erinnert zu werden. Zu sehr fehlen ihnen die Freuden des Lebens«, erklärte er ihr.

»Sie kennen sich gut aus, Professor. Sind Sie denn schon so vielen Geistern in Ihrem Leben begegnet, um diese Aussage treffen zu können?« Quentin war müde. Außerdem ging ihm seine Großtante mit ihren Marotten immer mehr auf die Nerven. Es hätte ein schöner Abend, nach einem anstrengenden Tagesmarsch durch die Straßen Paris’, werden sollen, und nun das. Das stimmte auch ihn missmutig. Er hatte die Nase voll. Ihm reichte es. Er wollte nur noch eins: Zurück in die Pension und schlafen. Seine Füße taten ihm weh, und in seinem Kopf kündigten sich rasende Kopfschmerzen an.

»Quentin …«

»Nicht, Kim, lassen Sie es gut sein. Ich glaube, wir sind alle ein klein wenig gereizt, nach all den vielen Stunden Fußmarschs. Ich schlage vor, wir beenden hiermit den ersten Tag in Paris. Gestern Abend, unsere Ankunft, kann man aus meiner Sicht, nicht als unseren ersten Tag bezeichnen«, unterbrach sich der Professor, doch dann kam er auf seinen Vorschlag zurück. »Wie gesagt, wir sollten den heutigen Tag hier ausklingen lassen, und zurück zur Pension gehen. Morgen früh, wenn wir alle ausgeschlafen sind, und gemeinsam bei einer guten Tasse Kaffee zusammensitzen, sieht die Welt bereits wieder ganz anders aus. Und auch die derzeit erhitzten Gemüter werden bis dahin wieder zur Ruhe gekommen und abgekühlt sein.« Gräulich winkte der Kellnerin. Kurz danach bezahlte er die Rechnung und sie gingen zurück ins Le Petite, in der Hoffnung auf eine ruhige und geruhsame Nacht.

Madame Le Blanc begegneten sie an diesem Abend nicht mehr. Auch nicht Evelyn.

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