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18 – Zigeunerfamilie

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»Ich will aber noch nicht ins Bett. Ich will hier bleiben und euch zuhören.«

»Zoé, du weißt ganz genau, dass kleine Mädchen ins Bett müssen.«

»Aber nicht, wenn Besuch da ist!«, beharrteZoé, Malcolms fünfjährige Nichte, auf ihr Recht, dabei sein zu dürfen, wenn Besuch da war.

Carrière, die MutterZoés, Malcolms Schwester, stand auf und ging auf ihre Tochter zu. Lachend nahm sie sie hoch und sagte: »Mademoiselle und Monsieur sind auch morgen früh noch da. Ich verspreche dir, dass du mit ihnen frühstücken darfst.«

Zoé sah zu Kim, die ihr zustimmend zunickte. »Wenn deine Familie es erlaubt, dann werden wir ganz sicher mit dir morgen frühstücken. Und dabei können wir uns auch unterhalten«, versprach Kim dem kleinen Mädchen, mit einem kurzen Blick auf Zoés Mutter.

Wenn auch immer noch unter Protest, ließ sich Zoé von ihrer Mutter zu Bett bringen. Allerdings nicht, ohne ihr zuvor das Versprechen abgenommen zu haben, noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen zu bekommen.

Malcolm wandte sich an Quentin und Kim. »Sie müssen entschuldigen, aber Zoé ist ein sehr gastfreundliches, aber auch ein sehr neugieriges kleines Mädchen.«

»Dafür müssen Sie sich doch nicht entschuldigen«, lachte Kim, die Zoé als absolut bezaubernd empfand.

Die Tür ging auf und ein großer Mann betrat den Raum. »Hallo! Sind das unsere Gäste, Malcolm?« Ohne Malcolms Antwort abzuwarten, ging er auf Kim und Quentin zu. Er nahm seine Mütze vom Kopf und stellte sich vor: »Ich bin Antoine, Malcolms Vater.« Kims Hand hielt er länger in der seinen, als die Quentins. Mit seinen haselnussbraunen Augen sah er Kim durchdringend an. »Die Gefahr, in der Sie sich befinden, ich spüre sie.« Sein Blick suchte Quentin. »Es wundert mich nicht, dass die Schrecken der Vergangenheit, Sie zu vernichten suchen. Ihre Magie, die Macht, die von Ihnen ausgeht, ich kann sie mit jeder Faser meines Herzens spüren. Sie sind der Auserwählte, der Meister der Dämonenjäger. Von daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Böse Sie zu vernichten sucht.« Er senkte die Stimme: »Und all diejenigen, die Ihnen hilfreich zur Seite stehen. Auch die sind in Gefahr. Doch das wissen Sie sicherlich längst.«

Quentin blickte Malcolms Vater erstaunt in die Augen. Ihrer Blicke lagen ineinander. Woher wusste er das? Wieso sagte er ihm, genauso, wie Gräulich, voraus, dass er ein Dämonenjäger sei? Dabei war er sogar noch einen Schritt weitergegangen: Er hatte ihn als Meister der Dämonenjäger bezeichnet.

Antoine lächelte verschmitzt, als er Quentins fragenden Blick sah. »Wir Zigeuner, einige von uns, haben das sogenannte Zweite Gesicht. Mir braucht man nicht alles erzählen, wissen Sie, ich kann vieles fühlen. Manches steht den Menschen auch ins Gesicht geschrieben, nur, dass es nicht ein jeder lesen kann.« Nachdenklich warf er einen Blick auf seinen Sohn. »Ich glaube auch nicht, dass es Zufall war, dass mein Sohn heute zum Arkadenfest gegangen und Ihnen begegnet ist. Das war Fügung des Schicksals.« Er machte einen Schritt auf Kim zu. Mit sanftem Druck nahm er nochmals ihre Hand, legte sie in die seine. Gleiches tat er auch mit der von Quentin. »Es ist nicht das erste Mal, dass Sie Hilfe von Zigeunern erhalten. Ich fühle die Vergangenheit, sehe eine alte Zigeunerin vor mir. Eine junge Frau ist bei ihr, aber nicht Sie, Mademoiselle.«

»Das muss Bookers Freundin, Lara-May, gewesen sein. Hatte nicht Booker erzählt, dass sie ihr Wissen von einer Zigeunerin erhielten? Durch einen Blick in eine Wahrheitskugel?«

»Richtig, Kim. Lara-May war bei ihr gewesen und hatte Booker, kurz vor ihrem Tod, alles erzählt, was sie mithilfe der Zigeunerin erfahren hatte. Aber ich habe vergessen, wie die alte Frau geheißen hat. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass sie steinalt war«, antwortete Quentin.

»Sie ist auch noch steinalt. Medusa ist ihr Name. Auch wenn Sie beide es wohl nicht werden verstehen können, so konnte ich in dem Moment, als ich Ihre Hände hielt, einen Teil der Vergangenheit sehen. Doch ich muss nicht alles sehen. Für vieles brauche ich auch keinen Körperkontakt. Aber ich schweife aus, dabei haben wir doch viel Wichtigeres zu besprechen.« Er wandte sich an Malcolm. »Wo ist eigentlich deine Schwester? Hat sie unseren Gästen noch nichts angeboten?«

»Carrière bringt Zoé ins Bett«, ließ Malcolm seinen Vater wissen.

Antoine schmunzelte. »Zoé, die kleine Hexe, hat sie wieder einmal nicht in ihr Bett gehen gewollt?«

Kim spürte die Liebe zu Zoé, die in Antoines Worten mitschwang. Sie war sich sicher, dass er mit jeder Pore seines Körpers ein stolzer Großvater war.

Antoine forderte Kim und Quentin auf, ihm zu folgen, während er seinen Sohn bat, einige Hors d’oeuvre, kleine Häppchen, herzurichten, als auch für Getränke zu sorgen.

Malcolm entschuldigte sich für einen kleinen Moment, und widmete sich den Dingen, um die ihn sein Vater eben gebeten hatte.

Antoine führte sie ins Kaminzimmer und bot ihnen Platz an. Während Quentin und Kim in breiten, tiefen Sesseln Platz nahmen, erklärte Antoine mit strahlenden Augen: »Meine Zigeunerfamilie, sie ist mein ganzer Stolz.« Als er Kims überraschtes Gesicht sah, musste er unwillkürlich lachen. »Mademoiselle, was verwundert Sie?«

»Zigeuner. Das Wort verwundert mich. Dass Sie es benutzen«, beantwortete Kim seine Frage.

»Zigeuner? Das Wort war mir noch nie ein Dorn im Auge. Sicher, mittlerweile wird Wert darauf gelegt, dass zwischen Sinti und Roma unterschieden wird. Doch was macht den Unterschied? Am Ende sind und bleiben wir doch Zigeuner. Einige von uns sind sesshaft geworden, wieder andere sind nach wie vor ein fahrendes Volk. Doch das Wort Zigeuner, für mich war es immer heilig. Fast wie ein Titel. Ein ehrfürchtiger Titel, der etwas aussagte. Nein, ich wollte gar nicht anders genannt sein. Ich bin und bleibe ein Zigeuner, und all die Menschen, die hier in diesem Hause wohnen, sind meine Zigeunerfamilie. Und auch meine Vorfahren, sie alle waren immer sehr stolz darauf, Zigeuner zu sein.«

»Ich habe auch niemals dieses Wort in Verbindung mit schlecht oder böse verwandt. Zumal, Gut und Böse, das gibt es bei allen Nationalitäten, ist nicht abhängig davon, in was für ein Land, oder in welche Gruppe, oder wie auch immer, jemand hineingeboren ist. Hineingeboren wird.« Dabei fiel Kim das Lied Alexandras, Zigeunerjunge, ein. Und sie erinnerte sich an Erzählungen ihrer Mutter, und wie gerne sie das Lied gehört hatte.

Antoine ging auf ein kleines Regal zu, öffnete eine Holzschachtel, die in diesem stand, und holte sich eine lange brasilianische Zigarre heraus. Mit einem entschuldigenden Blick auf seine Gäste, fragte er: »Es stört Sie doch hoffentlich nicht?«

»Nein, sicher nicht. Kim raucht auch, und auch ein Freund von uns. Er allerdings hat es eher mit seiner Pfeife«, gab Quentin zu.

»Möchten Sie eine Zigarette, Mademoiselle? Hier, bitte, nehmen Sie.« Er hob ihr eine silberne Zigarettendose entgegen. Kim nahm dankend an.

»Ich denke, dass wir noch warten, bis auch Malcolm wieder bei uns ist. Außerdem sollten wir uns auch noch ein bisschen stärken, bevor wir uns mit Ihrem Problem auseinandersetzen und überlegen, wie wir es lösen können.« Antoine lehnte sich gemütlich in seinen Sessel zurück, während er dicke Rauchwolken in die Luft blies.

Aus einiger Entfernung konnten sie Carrière und Malcolm miteinander reden hören.

Eine Viertelstunde später saßen alle gemeinsam in dem Kaminzimmer. Auf dem hochglänzenden Mahagonitisch standen kleine Appetithäppchen und Getränke bereit.

Antoine bestand darauf, dass sie zuerst etwas aßen, bevor sie sich den ernsten Angelegenheiten zuwandten.

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