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Übung: Von der perfekten Mutter zur genügend guten Mutter

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Hier geht es um Glaubenssätze, die eine Rolle betreffen, nämlich die Rolle als Mutter.

Ein schönes Bespiel für die Arbeit mit diesen Glaubenssätzen erlebte ich mit einer jungen, überaus klugen Patientin, Frau C. Sie war Archäologin und liebte ihre Arbeit sehr. Als sie dann schwanger wurde, arbeitete sie weiter, ohne auf ihren Zustand Rücksicht zu nehmen. Auch da mag schon ein Glaubenssatz verborgen gewesen sein. Sagt man nicht, eine Schwangerschaft sei keine Krankheit? Das stimmt natürlich. Aber es ist eben ein besonderer Zustand großer körperlicher Veränderungen, gut beschrieben in der Metapher, die aus der Mode gekommen ist, eine Frau sei in anderen Umständen. Heute trauen sich junge Frauen oft nicht mehr, diesen Umständen Rechnung zu tragen, weil ihnen auch aktuelle Glaubenssätze in die Quere kommen: Eine Frau, die ihre Schwangerschaft in den Mittelpunkt stellt, ist nicht emanzipiert, kann (oder darf) keinen beruflichen Ehrgeiz haben. Also tat Frau C. ihr Bestes, um nicht den Eindruck zu erwecken, ihre Schwangerschaft schränke ihre Arbeitsfähigkeit ein. Hinzu kam noch, dass sie sich gerade ihren Platz im Team schaffen musste.

Ihrem Kind gegenüber entwickelte die Patientin wegen dieser Haltung Schuldgefühle. Nach der Geburt quälte sie sich mit dem Gefühl, einfach keine gute Mutter sein zu können, besonders, da sie in den ersten Wochen an einer leichten Wochenbettdepression litt. Immer wieder wurde ihr angebliches Unvermögen zum Thema: »Ich bin keine gute Mutter«. Ich ließ sie aufschreiben, wie denn eine gute Mutter zu sein habe. Es kam eine lange Liste zustande. Wir arbeiteten exemplarisch an einzelnen Sätzen. Hinter jedem verbargen sich Erlebnisse, Gefühle und Kindheitserinnerungen. Es zeigten sich die wortkarge Unverbundenheit in ihrer Familie und der nicht ausgesprochene aber schlecht verhohlene Leistungsanspruch. Zu jedem ihrer rigiden Glaubenssätze fand Frau C. im Laufe der Zeit eine Alternative, manche wurden abgemildert, zu anderen fand sie das direkte Gegenteil – und einige wurden einfach gestrichen. Ich hatte inzwischen den Begriff der good enough mother des englischen Kinderarztes und Psychoanalytikers Donald Winnicott (1896–1971) eingeführt. Nach längerer, von viel Trauer begleiteter Arbeit bat ich die Patientin, ihre Ansprüche ans Muttersein zu modifizieren.

Ich habe hier in einer Tabelle auszugsweise das Ergebnis unserer Arbeit zusammengestellt:

Tab. 3.1: Wie gut ist gut genug?



Die gute MutterDie genügend gute Mutter

Sie können sich vorstellen, unter welchem Druck die Patientin stand, um so viele Sätze zusammenstellen zu können. Wir hätten auch mit anderen Ich-Anforderungen arbeiten können: Wie muss sie im Beruf sein, als Tochter, als Freundin, als Partnerin. Die rechte Spalte in der letzten Zeile habe ich freigelassen, sie verdient es, extra beachtet zu werden, da sie fast wie Poesie klingt. Die Patientin schrieb: »Eine gute Mutter ist eine genügend gute Mutter. Eine genügend gute Mutter vermittelt ihrem Kind automatisch ein Urvertrauen. Eine genügend gute Mutter ist eine gute Mutter.«

Wir beendeten die Arbeit mit einem kleinen Theaterstück, um die neuen Glaubenssätze mehr zu verankern. Dabei sprach ich die Sätze aus der ersten Spalte, Frau C. die Gegensätze. Ich achtete darauf, dass das, was sie sagte, in meinen Ohren glaubwürdig klang. Das gelang verblüffende schnell. Da die Patientin Erfahrungen im Theaterspielen hatte, wurde sie wirklich überzeugend – und unser kleines Theaterstück machte uns beiden Spaß.

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