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2 Über mich
ОглавлениеIch arbeite als psychologische Beraterin und »spirituelle« Lehrerin. „Spirituell“ heißt für mich eine persönliche, durch Erfahrung geprägte Weltsicht, eine mir eigene Philosophie, keinesfalls ein Abtauchen in religiösen oder pseudoreligiösen Nebel.
Im Gegenteil, ich bin sehr weltlich orientiert, hinterfrage kritisch, glaube, denke, sage und tue, was ich will. Nicht das, was andere von mir erwarten. Das habe ich mir längst abgewöhnt. „Meine Mädels“ kommen mit Problemen zu mir, bei denen ich mit beiden Beinen fest in der Erde verankert sein muss. Die keinen Raum für Spielereien lassen.
Ich arbeite auch mit einer Frauengruppe, die es liebt, mit mir „herumzuspinnen“. Beispielsweise über eine lebbarere Welt zu diskutieren. Wir verlieren uns dann in anarchistischen Utopien. Das klingt für Euch nach „Chaos“? Im Gegenteil, es geht um eine andere „Ordnung“. Wir reden über menschliche Bedürfnisse, Lebensnotwendigkeiten und Freiheit, nur um festzustellen, dass „Mensch“ zu kurz kommt. Reden über unsere Erde, über deren Bedürfnisse und stellen fest, dass „Erde“ zu kurz kommt. Wir gelangen immer wieder zu dem gleichen Schluss: Etwas läuft falsch. Denn: Wir möchten in einer friedlichen Welt leben, in der die Natur respektiert wird. In der Liebe und Miteinander zum Alltag gehören. In der wir nicht an Einkommen, gesellschaftlichem Status, Herkunft oder Glauben gemessen werden.
Das bedeutet nicht „Gleichmacherei“, wie mancher vermuten mag. Die gibt es nicht. Jeder Mensch ist auf seine Weise einzigartig. In „unserer Welt“ darf und soll er das auch sein. In erster Linie Mensch! Kein Schäfchen für eine Religion, kein Stimmvieh für eine Politik, kein Soldat für einen Krieg, kein Sklave einer menschenverachtenden Wirtschaft.
Utopie? Was ist nicht schon alles aus „Utopien“ hervorgegangen? Leider hat man immer nur das weiterentwickelt, was der Erde und dem Menschen letztendlich schadete. Wir haben nur diesen einen Lebensraum. Wir sollten deshalb akzeptieren, dass unsere Welt keine Grenzen, keine Nationen, keine Rassen und keine Religionen kennt. „Das Land gehört nicht uns, wir gehören dem Land“, lehrten die Kelten. Und außer ihnen auch andere Völker, an die wir uns nicht einmal mehr erinnerten, würden wir nicht nach ihren Hinterlassenschaften buddeln und ihre Gräber schänden.
Die Natur hat uns nicht geschaffen, dass wir sie zerstören, sondern damit wir sie bewahren, zum Wohle allen Lebens auf diesem Planeten. Wie also können wir Bücher verehren, in denen geschrieben steht, dass wir uns die Erde untertan machen sollen und somit alles, was darauf existiert?
Wie können wir Religionen zustimmen, die darauf beharren, dass das Weibliche dem Männlichen untertan ist? Ohne die Fähigkeit des Weiblichen die Frucht gedeihen zu lassen und sie ans Licht zu bringen, wären wir nicht vorhanden. Wie kommen die Vertreter dieser Religionen dazu, über Wert und Unwert fremder Kulturen zu urteilen? Jene auszumerzen, die lange vor ihrer Zeit diese Erde schon bevölkerten?
Ich schreibe über mein Leben nicht, weil ich es so außergewöhnlich interessant finde, dass jeder daran teilhaben muss. Würde ich das denken, hätte ich längst eine eigene Doku-Soap bei RTL2. Ich schreibe darüber, weil mir außergewöhnliche Menschen begegneten, manche bekannt, manche so unbekannt wie ich. Menschen, von denen mich die einen nur eine Stunde, die anderen eine Wegstrecke lang begleiteten. Alle beeindruckten mich oder formten mich auf ihre Art.
So ist es auch mit Orten, die ich besuchte oder Ereignissen, denen ich beiwohnte. Ich lernte Arme und Reiche unterschiedlichster Rassen, Nationen und Religionen kennen. Ich geriet nie in Versuchung, mich besser oder schlechter zu fühlen, als sie es waren. Ich habe gute und katastrophale Zeiten durchlebt. Habe gelacht, geliebt, geweint und gelitten, genau wie andere Menschen auch. Mein Motto ist stets das gleiche geblieben: ich war ich, ich bleibe ich, wollte und will nichts anderes sein. Auch wenn das oft bedeutet, gegen den Strom zu schwimmen und sich blaue Flecken zu holen.