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Zwiebelkuchen

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Seitdem »Die Aktion« mit dem Untertitel »Wochenschrift für revolutionären Sozialismus« erschienen war und auch unsere oft polemischen Beiträge akzeptiert hatte, ließen wir uns Exemplare schicken, um sie hier im Viertel zu verteilen. Die Genossinnen boten sie Passanten an, während einige Genossen abwechselnd unauffällig Wache stehen. Wie sagte Martin? Wenn man gezwungen ist, in einer kleinen Stadt zu leben, gewöhnt man sich daran, den Nächsten still zu hassen und die eigene Schlauheit im spießbürgerlichen Alltag täglich auf die Probe zu stellen.

An diesem Nachmittag verteilten wir »Die Aktion« in der Erfurter Straße, die Luft war kalt und vom nassen Asphalt kam ein Geruch nach Regen, der sich mit dem feuchter Kleider vermischte. Sogar die Kinder hatten keine Lust mehr, draußen zu spielen. Ein gut gekleideter Mann mit Hut und Stock, der aus Richtung der Bürgerschule kam, näherte sich Susanne und ließ sich einige Exemplare geben. Dann begann er sie mit großer Geste zu zerreißen. Susanne wollte ihn gerade fragen, warum er das tue, da zischte er sie hasserfüllt an: Du bist eine von diesen roten Nutten von der Schule, was? Jetzt erlauben sie Euch schon, auf der Straße zu rauchen und die Leute zu belästigen. Ihr Schlampen, Ihr braucht die Peitsche! Er holte Luft und mit Schaum vor dem Mund schrie er: Aber mit diesem Defätismus ist jetzt Schluss! Es geht wieder aufwärts. Deutschland, erwache!

Hans, der am nächsten war, kam heran, um ihn zu beruhigen. Aber der regte sich nur noch mehr auf, drohte ihm mit dem Stock und nannte ihn kommunistischen Abschaum. So was wie er käme eben heraus aus so einer Scheißschule des Kulturbolschewismus voller Juden. Das alles geschah binnen weniger Minuten. Hans machte nun, wie er es beim Militär gelernt hatte, eine blitzschnelle Körperdrehung und traf den Mann hart mit dem Absatz an der Kniescheibe und der ging zu Boden. Hans knöpfte sich die Hosen auf und pisste ihm auf die Brust. Dann richtete er sich wieder her und stieß zu uns.

Warum hast Du das gemacht? Das wird böse Folgen haben. Weil dieses Schwein einen Stockdegen hatte, mit dem er auf mich losgehen wollte. Aber jetzt hauen wir schnell ab. Und im Übrigen: Das Einzige, was wir fürchten müssen, ist unsere Furcht. Die Vision einer friedlichen Welt der Moderne ist die extravaganteste aller Hoffnungen – für diese Lektion haben wir einen hohen Preis bezahlt. Und wir, Hannah, wir verteidigen existenzielle Werte gegen diese Spießer, die nie gelebt haben. Wir können nicht immer so tun, als sei das ausschließlich mit noblen Methoden zu schaffen. Später nahmen wir die Diskussion wieder auf. Ewa und ich waren uns einig: Wenn man das Wesen des Klassenkampfes herausarbeitet, dann kommt man darauf, dass er dem Überlebenstrieb widerspricht, ja, ihn verachtet. Doch auf ihn zu verzichten, hieße, sich feige zu unterwerfen und sich in ewige Gefangenschaft zu begeben. Auf den Zwiebelkuchen sind wir in Baden gekommen, wo wir uns aufhielten, um einen kulturellen Zirkel, der sich auf die Ideen Moeller van den Brucks bezog, zu »schließen«. Er erinnert sehr an den Speckkuchen, den man hier in Thüringen gern als Brotzeit isst, zu einem Glas Apfelwein. Uns gefällt er als Vorspeise.

Auf einem Brett einen Mürbeteig (pate à foncer) aus 500 g gesiebtem Mehl, 200 g weicher Butter, einem Ei, einem Eigelb, einem halben Glas Milch, etwas Zucker und 1 TL Salz rühren, eventuell etwas heißes Wasser zufügen. Damit sich die Butter gleichmäßig verteilen kann, die fertige Teigkugel in sechs Stücke, die einzeln eingemehlt werden, zerteilen, bevor man sie wieder zusammenfügt. Den Teig dünn und rund ausrollen und damit eine gebutterte Kuchenform auslegen. Währenddessen zehn große, weiße Zwiebeln in Ringe schneiden, mit 50 g Schweineschmalz anbraten und auf dem Teig ausbreiten. Mit einer Mischung aus drei Eiern, zwei Gläsern frischem Rahm, 100 g mageren, geräucherten Speckwürfeln, 50 g geriebenem Greyerzer, Salz und Pfeffer übergießen. Mindestens 40 min im heißen Ofen backen und sofort servieren. Um ihn knusprig zu machen, könnt Ihr den Teig alleine 15 min vorbacken. Dazu wird er mit einer Gabel mehrfach durchstochen und mit Kichererbsen beschwert. Diese »Blindfüllung« wird nach dem Backen durch die eigentliche Füllung ersetzt.

Die rote Köchin

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