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Weimar, warum nicht?

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Meistens, wenn ich in Weimar bin, gibt es da zwielichtige Kunst, gutes Essen und kommunistische Streitigkeiten. Das war schon so, als ich noch nicht wusste, wie ölig die Nudeln in der Nähe des Thälmann-Denkmals schmecken und dass man die Pommes, die es unweit des härtesten Goetheviertels gibt, nicht zu dem ganz woanders gelegenen Metalltor mitnimmt, an dem Hammer und Sichel prangen, sondern gefälligst in der Kneipe aus der Schüssel isst, und zwar ohne Soßenmatsch und Ketchup-Kleister, rotgepudert und blitzgesalzen, wie sie eben sind. Die Leute hier machen Radio, Ausstellungen und Flohmärkte. Man hält es gut aus in Weimar.

Früher, sagt das Buch, das gleich anfängt, gab es in Weimar auch kommunistisches Essen, gute Kunst und zwielichtige Streitigkeiten sowie außerdem kommunistische Kunst, zwielichtiges Essen und gute Streitigkeiten.

»Was tun?«, Titel eines netten russischen Romans und einer wertvollen russischen Abhandlung, fragten die Leute, von denen das Buch handelt, in den Zeiten, von denen das Buch spricht, das gleich anfängt, lieber nicht allzu lange, weil sie wussten, dass man sich, wenn man das allzu lange fragt, leicht zwischen den zwei möglichen Deutungen dieses Fragesatzes verläuft, er heißt ja sowohl »was kann man machen?« wie »was sollte man machen?«, das ist weiß Gott nicht dasselbe. Sie machten lieber so was: »Seit einigen Wochen nutzen wir eine aus Moskau stammende Taktik, die Wilhelm erforscht hat: Versteckt auf Dächern und Bäumen vor den Fabriken werden Lautsprecher installiert und Parolen ausgegeben.« Schäm dich, faules Internet!

Die italienische Fassung dieses Buches, von der man mir erzählt, dass sie erfolgreich war und ist, kenne ich nicht. Dass Ambros Waibel, ein rundum hervorragender Mensch, der manchmal bei ganz schrecklichen Zeitungen arbeitet und sowohl erfundene wie wirklich vorgekommene, immer aber wahre Geschichten erzählen kann, das Buch jedenfalls ausgezeichnet übersetzt hat, kann ich aber trotzdem erkennen, denn es schmeckt gut (das liegt am Champagnerpfeffer, mit dem er es gewürzt hat und der natürlich, genau wie der Geschmack des Buches, eine Metapher ist – heute muss man so was ja erklären, sonst versuchen welche, das Ding aufzuessen, und tun sich hinterher mit ihrem Bauchweh dick).

Ob das alles so gewesen ist, wie das Buch nahelegt, weiß ich nicht, aber wer es liest, um sich einen Besuch beim Bauhaus, das Selberkochen, die Lektüre des Paul-Klee-Comics von Christophe Badoux oder eigene kommunistische Praxis zu ersparen, ist sowieso bescheuert. Es geht doch darum, sich daran erinnern zu lassen, dass man vieles, was man machen sollte, auch tatsächlich machen kann.

Darum geht es übrigens in jedem Buch, das man nicht ungelesen wegschmeißen muss.

Aber nicht alle schmecken so gut wie dieses.

Champagnerpfeffer.

Lautsprecher.

Nicht stehenbleiben.

Weiterlesen.

Dietmar Dath

Die rote Köchin

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