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Ochsenzunge auf Rosinensauce

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Er durchquerte den weitläufigen Konferenzsaal und ging direkt auf die große Treppe am Ausgang zu. Ich sah ihn, aber Hans drehte sich nicht um. Das gehörte zu unserem Kodex: Schau nie zurück. Bevor wir uns getrennt hatten, sagte er noch zu mir, mach dir keine Sorgen darüber, wie es endet, Hannah. Wenn es nach mir geht, werden wir noch so viele Volten schlagen, dass wir aus der Revolte eine Kunst machen. An diesem Nachmittag hatten wir einen Text von Rosa Luxemburg diskutiert, der in »Die Rote Fahne« erschienen war: »Was will der Spartakusbund?« Ich kann mich noch genau an einen Passus erinnern, der mich getroffen hatte, und den Hans mir dann versuchte, zu erläutern: »Die Masse des Proletariats ist berufen, nicht bloß der Revolution in klarer Erkenntnis Ziele und Richtung zu stecken. Sie muss auch selbst, durch eigene Aktivität, Schritt um Schritt den Sozialismus ins Leben einführen.«

Für Hans und Martin ist das zentrale Thema, das Schicksal des Proletariats, noch immer an das Phänomen der Entfremdung gebunden: Auch das Proletariat wird sich früher oder später im gleichen tückischen und düsteren Schlamassel wiederfinden wie alle – es wird zum Konsumenten von Waren. Durch die dem Konsument-Sein innewohnende Macht, die sich sehr gut mit der kalvinistischen Ethik eines »Tun, um zu produzieren« verträgt, wird dies auf eine perfide Art linke und rechte Positionen wertlos machen. Was soll das heißen, fragte ich. Dass früher oder später die kapitalistische Produktionsweise den Charakter des sozialen Körpers bestimmen wird; dass man demzufolge wird anerkennen müssen, ob man will oder nicht, dass im Warenkonsum das Sein selbst sich manifestiert. Ein Sein, in dem Freiheit nur noch ein leerer Begriff ist, eine Existenz, die mit dem eigentlichen Leben mitsamt all seinen unkalkulierbaren Folgen, wie eben auch der, die Art der Produktion in der Kategorie der Schönheit zu denken, nichts mehr zu tun haben wird. Diese Produktionsart wird unvermeidlich zur Ästhetisierung des Kitsches führen und diese Verdinglichung werden alle Ausgebeuteten teuer bezahlen.

Es war Hans, der den kleinen Vortrag abschloss: Manchmal kann ich mir einfach nicht erklären, warum die Illusionen und die Utopien unserer Schule dem Nihilismus so schrecklich nahe sind, mit dem die Weltanschauung unserer Gegner getränkt ist. Der »Chef« hat Zweifel?, merkte Helen spitz an. Aber Hans blieb ganz kühl: Ich zweifle an allem.

Die Zunge mindestens sechs Stunden in kaltes Wasser legen, parieren. Mit einer gespickten Zwiebel, einer Handvoll Petersilie, ein paar schwarzen Pfefferkörnern und einer Zitronenschale mindesten drei Stunden bei schwacher Hitze kochen. Die Zunge häuten und mit grobem Salz einreiben. Einen Teil des Fonds durch ein Teesieb geben, mit 100 g Rosinen, 60 g Mandelmehl, dem Saft einer Zitrone, jeweils einem Glas Honigessig und Brühe, 1 TL Zucker, Salz und einer Nuss Butter aufsetzen und um ein Drittel reduzieren. Die Zunge in Scheiben schneiden, mit der kochenden Sauce begießen und in einem geschlossenen Topf marinieren, bis alles lauwarm ist. Ich finde, man muss beim Servieren noch ein paar Tropfen Madeira dazugeben und 1 EL mit Zimt gewürzten Kartoffelbrei.

Die rote Köchin

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